Versicherungspflicht selbständig tätiger Personen für die Dauer des Bezugs eines Zuschusses nach § 421l SGB III in der gesetzlichen Rentenversicherung; Berechnung der Höhe der Beiträge bei unterjährig aufgenommener Tätigkeit
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rentenversicherungsbeiträge vom 1.2. bis 31.12. 2006, insbesondere darüber, ob
die Beklagte der Beitragsbemessung die im Kalenderjahr 2004 tatsächlich erzielten Einkünfte (5643 EUR) oder ein hochgerechnetes
(Jahres-)Arbeitseinkommen (14 206,15 EUR) zugrunde legen muss.
Die Klägerin nahm am 9.8.2004 als Existenzgründerin eine selbständige Tätigkeit auf und bezog einen Existenzgründungszuschuss
(§ 421l
SGB III) iHv 600 EUR monatlich. Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Mecklenburg-Vorpommern stellte fest, dass die Klägerin ab dem
9.8.2004 nach §
2 S 1 Nr 10
SGB VI in der bis zum 31.3.2012 geltenden (Alt-)Fassung als selbständig tätige Person für die Bezugsdauer des Existenzgründungszuschusses
in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist, und setzte den Beitrag ab dem 1.9.2004 auf Basis der monatlichen
Mindestbeitragsbemessungsgrundlage iHv 400 EUR auf 78 EUR im Monat fest, weil "kein positives Arbeitseinkommen nachgewiesen"
sei (Bescheid vom 27.9.2004).
Im Kalenderjahr 2004 erzielte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 5643 EUR (Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes
Rostock vom 15.11.2005). Nachdem die Beklagte dies bei der Finanzverwaltung ermittelt hatte, setzte sie den Beitrag rückwirkend
ab dem 1.2.2006 auf 232,79 EUR monatlich fest (Bescheid vom 16.1.2007 und Widerspruchsbescheid vom 24.1.2008). Diesen Monatsbeitrag
errechnete sie, indem sie die Beitragsbemessungsgrundlage (14 325,48 EUR) mit dem Beitragssatz für das Jahr 2006 in der allgemeinen
Rentenversicherung (19,5 %) multiplizierte und das Ergebnis (2793,47 EUR) durch die Anzahl der Kalendermonate eines Jahres
(12) dividierte. Die Beitragsbemessungsgrundlage (14 325,48 EUR) hatte sie "maschinell" ermittelt, indem sie die Einkünfte
aus dem Jahr 2004 iHv 5643 EUR durch die Anzahl der Tage, in denen sie erzielt worden waren (143 Tage vom 9.8. bis 31.12.2004),
dividiert, den Wert des Quotienten (39,46 EUR) mit 360 Tagen (Kalenderjahr iS von §
123 Abs
3 S2
SGB VI) multipliziert und das derart hochgerechnete (Jahres-)Einkommen von 14 206,15 EUR mit dem Dynamisierungsfaktor 1,0084 (=
29 304 EUR vorläufiges Durchschnittsentgelt 2006 ./. 29 060 EUR Durchschnittsentgelt 2004) multipliziert hatte (vgl Hinweisschreiben
der Beklagten vom 2.3.2007).
Das SG Rostock hat den "Bescheid der Beklagten vom 16.1.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2007 [richtig: 24.1.2008]
teilweise aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, einen neuen Bescheid zu erlassen, bei welchem für die Berechnung der von
der Klägerin zu zahlenden Beiträge für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis 31.12.2006 das tatsächlich erzielte Einkommen laut Einkommensteuerbescheid
vom 15.11.2005 für das Jahr 2004 iHv 5643 EUR zu berücksichtigen ist" (Urteil vom 26.9.2011).
Das LSG Mecklenburg-Vorpommern hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen und die Revision zugelassen
(Urteil vom 13.2.2013): Zu Recht habe das SG entschieden, dass bei der Veranlagung für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.12.2006 das Jahreseinkommen aus 2004 iHv 5643 EUR
(multipliziert mit dem Anpassungsfaktor von 1,0084), mithin 5690,40 EUR, "einzustellen" sei. Für eine dynamisierte Hochrechnung
auf 14 325,48 EUR fehle eine Ermächtigungsgrundlage. Aus dem Wortlaut des §
165 Abs
1 S 3 bis 10
SGB VI und auch der Gesetzesbegründung folge eindeutig, dass die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte bei Selbständigen
grundsätzlich eine "sichere" Grundlage der Beitragsberechnung seien, zumal der Gesetzgeber mit der "Dynamisierung des Arbeitseinkommens"
die Problematik einer verzögerten Vorlage des Einkommensteuerbescheides offensichtlich erkannt und einer "pauschalen" Lösung
zugeführt habe. Auch §
123 Abs
3 iVm §
189 SGB VI ermächtige die Beklagte nicht zur Hochrechnung von Arbeitseinkommen, das im Teilzeitraum eines Jahres erzielt worden sei.
Nichts anderes ergebe sich aus §
15 SGB IV, wonach Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte (tatsächliche)
Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit sei. Denn eine Hochrechnung sehe das Steuerrecht nicht vor. Keinesfalls stellten
die Gesichtspunkte der "Verwaltungsvereinfachung" bzw der "Beschleunigung des Arbeitsablaufes innerhalb der Verwaltung", auf
die sich die Beklagte berufe, eine ausreichende "Ermächtigung" dar.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§
165 Abs
1 S 3
SGB VI, §
123 Abs
3 SGB VI, §
15 SGB IV und §
18b SGB IV): Die Hochrechnung sei aus Gründen der Praktikabilität vorzunehmen, erfolge trägerübergreifend und sei in diversen Arbeitsanweisungen,
Konventionen und zahlreichen übergreifenden Besprechungen bestätigt worden. Ermächtigungsgrundlage sei §
165 Abs
1 S 3
SGB VI. Soweit das LSG dies anders sehe, setze es sich nicht mit der Frage auseinander, ob der Gesetzgeber die alleinige Zugrundelegung
des Einkommensteuerbescheids auch für den Fall vorgesehen habe, dass ein Selbständiger nur einige Monate entsprechendes Einkommen
erzielt habe. Hätte er die Hochrechnung in diesen Fällen generell ausschließen wollen, hätte er andere Vorschriften (zB §
18b SGB IV) ändern müssen. Die Kongruenz zwischen Steuer- und Sozialversicherungsrecht sei nicht allumfassend und könne den Ausschluss
der Hochrechnung nicht rechtfertigen. Ferner könne die Hochrechnung auch auf §
123 Abs
3 SGB VI, §
15 SGB IV und §
18b SGB IV gestützt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Februar 2013 sowie des Sozialgerichts Rostock vom 26.
September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin, die den vorinstanzlichen Entscheidungen beipflichtet, beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet, wobei der Tenor des erstinstanzlichen Urteils vom 26.9.2011 klarzustellen
war.
1. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen und die (Teil-)Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch das SG bestätigt. Allerdings haben die Vorinstanzen das Klageziel verkannt, als sie die Beklagte (antragsgemäß) unter Teilaufhebung
der angefochtenen Bescheide zur Neufestsetzung der Beitragshöhe verpflichteten. Denn das Begehren (§
123 SGG) der Klägerin war von Anfang an lediglich darauf gerichtet, die Beseitigung der Beitragserstfestsetzung und die Beitragsneufestsetzung
im Bescheid vom 16.1.2007 für die Zeit vom 1.2. bis 31.12.2006 teilweise aufzuheben (Teilanfechtung in zeitlicher Hinsicht)
und betraf die Beitragshöhe nur insoweit, als die Beklagte der Beitrags(neu)bemessung Einkünfte von mehr als monatlich 474,20
EUR (= 5643 EUR x 1,0084 Dynamisierungsfaktor ./. 12 Monate) zugrunde gelegt hatte (Teilanfechtung in sachlicher Hinsicht).
Derartige Teilanfechtungen sind schon nach dem Wortlaut von §
54 Abs
1 S 1
SGG, der ausdrücklich auch die Abänderung eines Verwaltungsakts als mit der Gestaltungsklage verfolgbares Begehren benennt, statthaft
und erlauben es dem Kläger als Ausdruck der Dispositionsmaxime, den Prüfungsumfang des Gerichts von sich aus zu begrenzen
(Senatsurteil vom 27.5.2014 - B 5 R 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 97 Nr 2 vorgesehen). Ob Teilbarkeit im Einzelfall gegeben ist, ist eine
Frage des jeweiligen materiellen Rechts. Teilweise anfechtbar sind in der Regel zahlenmäßig, zeitlich, örtlich, gegenständlich
oder personell abgrenzbare Teile einer Entscheidung (Senatsurteil aaO; BSG Urteile vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 2 und vom 13.11.1985 - 6 RKa 15/84 - BSGE 59, 137 = SozR 2200 § 368a Nr 13). In diesem Sinne zeitlich und zahlenmäßig abgrenzbar ist auch die Frage, ob der Beitragsbemessung
nur Einkünfte von 474,20 EUR monatlich oder ein höheres (Monats-)Arbeitseinkommen zugrunde zu legen ist. Keine zusätzliche
Bedeutung kommt dem im ersten Rechtszug vordergründig als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs(bescheidungs)klage formulierten
Antrag zu, die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide "zu verpflichten, einen neuen Bescheid unter Berücksichtigung
der Auffassung des Gerichts zur Beitragszahlung für den Zeitraum 01.02.2006 bis 31.12.2006 zu erlassen". Insofern handelt
es sich lediglich um einen irrigen äußeren Ausdruck der in Wahrheit erhobenen (isolierten) Teilanfechtungsklage (§
54 Abs
1 S 1 Regelung 1
SGG), die im Erfolgsfall dazu führen würde, dass allenfalls noch der Betrag berücksichtigt werden könnte, der sich auf Basis
einer Beitragsbemessungsgrundlage von 474,20 EUR monatlich ergibt.
2. Die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden zu Unrecht die frühere Festsetzung des Höchstwerts der monatlichen Beiträge
für den streitigen Zeitraum vom 1.2. bis 31.12.2006 schlüssig aufgehoben und Beiträge auf der Basis einer Bemessungsgrundlage
von mehr als 474,20 EUR monatlich festgesetzt. Dabei steht der Umstand, dass sich die Beklagte insofern auf maschinell ermittelte
Vorgaben stützt, der Annahme eines Verwaltungsakts nicht entgegen (vgl bereits zur Rentenanpassungsmitteilung BSG Urteil vom 23.3.1999 - B 4 RA 41/98 R - SozR 3-1300 § 31 Nr 13). Für eine rückwirkende Änderung der bestandskräftigen Festsetzung des monatlichen Beitrags auf
78 EUR und ihre Ersetzung durch einen neuen Höchstbetrag (232,79 EUR) fehlt es - jedenfalls im mit der Klage geltend gemachten
Umfang - an einer speziellen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundlage. Diese kann sich in Ermangelung einschlägiger Regelungen
im Beitragsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung nur aus § 48 Abs 1 SGB X ergeben, dessen Voraussetzungen vorliegend allerdings nicht erfüllt sind. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt
mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines
Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Unter weiteren Voraussetzungen soll
der Verwaltungsakt auch mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (S 2).
a) Als Rechtsgrundlage für die Beseitigung der Erstfestsetzung kommt allein die Aufhebung wegen nachträglicher Änderung der
Verhältnisse nach § 48 Abs 1 SGB X, nicht jedoch eine Rücknahme wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit iS von §§ 44, 45 SGB X in Betracht. Denn die LVA Mecklenburg-Vorpommern hat den Monatsbeitrag im Bescheid vom 27.9.2004 ursprünglich zu Recht auf
78 EUR festgesetzt. Als sie diesen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erließ (§§ 37 Abs 2 S 1, 39 Abs 1 SGB X), waren beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines
niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen, mindestens jedoch monatlich 400 EUR (§
165 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI idF vom 23.12.2002). Für den Nachweis des von der Bezugsgröße abweichenden Arbeitseinkommens waren und sind die sich aus
dem letzten Einkommensteuerbescheid für das zeitnaheste Kalenderjahr ergebenden Einkünfte aus der versicherungspflichtigen
selbständigen Tätigkeit so lange maßgebend, bis ein neuer Einkommensteuerbescheid vorgelegt wird (S 3). Ist eine Veranlagung
zur Einkommensteuer aufgrund der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit noch nicht erfolgt, sind für das Jahr des
Beginns der Versicherungspflicht die Einkünfte zugrunde zu legen, die sich aus den vom Versicherten vorzulegenden Unterlagen
ergeben (S 9). Da sich aus den Unterlagen der Klägerin "kein positives Arbeitseinkommen" ergab, war das (gesetzliche) Mindesteinkommen
von monatlich 400 EUR maßgebend (S 1 Nr 1 aE), so dass sich durch Multiplikation mit dem Beitragssatz für 2004 in der allgemeinen
Rentenversicherung iHv 19,5% ein Monatsbeitrag von 78 EUR errechnete.
b) Diese (Einkommens-)Verhältnisse änderten sich rechtlich erst wesentlich, nachdem das Finanzamt Rostock den Einkommensteuerbescheid
vom 15.11.2005 für das Kalenderjahr 2004 erlassen hatte. Damit wurde das sich hieraus ergebende Arbeitseinkommen aus der versicherungspflichtigen
selbständigen Tätigkeit für die Beitragsbemessung ipso iure maßgebend (§
165 Abs
1 S 3
SGB VI), und zwar ab dem Ersten des Kalendermonats, der auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids folgte, spätestens aber ab
Beginn des dritten Kalendermonats nach dessen "Ausfertigung" (§
165 Abs
1 S 8
SGB VI). Vorzulegen war der Einkommensteuerbescheid dem Träger der Rentenversicherung spätestens zwei Kalendermonate nach seiner
"Ausfertigung" (§
165 Abs
1 S 6
SGB VI). Da die Klägerin den Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005 nicht selbst vorgelegt hat, waren die Änderungen des Arbeitseinkommens
vom Beginn des dritten Kalendermonats nach dessen "Ausfertigung", also frühestens ab dem 1.2.2006, zu berücksichtigen. Die
Änderungen waren auch wesentlich, weil sich auf der Basis des nach §
165 Abs
1 S 4
SGB VI durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0084 fortgeschriebenen nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2004 (5643 EUR) für das
Kalenderjahr 2006 ein Arbeitseinkommen in Höhe von 5690,40 EUR und damit eine Beitragsbemessungsgrundlage von 474,20 EUR monatlich
ergab, die die alte Bemessungsgrundlage von 400 EUR überstieg und deshalb zu einem höheren Monatsbeitrag als 78 EUR führte.
c) Die (konkludente) Aufhebung dieser Beitragserstfestsetzung im Beitragsneubescheid vom 16.1.2007 ist jedoch - jedenfalls
im Rahmen der Teilanfechtung - rechtswidrig, weil sie für einen zurückliegenden Zeitraum (1.2. bis 31.12.2006) erfolgte, obwohl
keine der in § 48 Abs 1 S 2 SGB X abschließend aufgeführten Fallkonstellationen vorliegt. Nach dieser Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt
der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen
der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur
Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass
der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen
ist.
Zugunsten der Klägerin ist keine Änderung eingetreten (aaO Nr 1). Überdies ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits
geklärt, dass Nrn 3 und 4 aaO nach Wortlaut und Sinnzusammenhang allein auf das Leistungsrecht bezogen und als abschließende
Ausnahmeregelungen nicht analogiefähig sind (vgl BSG Urteile vom 21.9.2005 - B 12 KR 12/04 R - Juris RdNr 17, vom 16.10.2002 - B 10 LW 5/01 R - SozR 3-5868 § 3 Nr 5 S 27 mwN und vom 26.9.1991 - 4 RK 5/91 - BSGE 69, 255, 258 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 13 S 20 f). Die Klägerin hat schließlich auch keine Mitteilungspflicht verletzt, wie dies Nr
2 aaO voraussetzt. Dass sie den Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005 möglicherweise nicht "spätestens zwei Kalendermonate
nach seiner Ausfertigung" vorgelegt und damit die gesetzliche Mitteilungspflicht nach §
165 Abs
1 S 6
SGB VI missachtet hat, wirkte sich nicht zu Lasten der Beklagten aus. Hätte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005
Mitte Januar 2006 vorgelegt, hätte die Beklagte die Änderung des Arbeitseinkommens gemäß §
165 Abs
1 S 8 Halbs 1
SGB VI vom Ersten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats, also ab dem 1.2.2006 berücksichtigen müssen. Nichts
anderes sah Halbs 2 aaO bei Nichtvorlage oder verspäteter Vorlage des Einkommensteuerbescheids vor. Folglich hätte es in beiden
Fällen zu einer identischen Beitragserhöhung frühestens ab dem 1.2.2006 kommen müssen, so dass der etwaige Verstoß der Klägerin
gegen gesetzliche Mitteilungspflichten keine Beitragseinbuße zu Lasten der Beklagten bewirkte.
3. Darüber hinaus fehlt es aber auch materiell-rechtlich an einer Rechtsgrundlage dafür, der Beitragsbemessung nach "Hochrechnung"
ein höheres Arbeitseinkommen zugrunde zu legen, als dasjenige, das sich (fortgeschrieben nach Maßgabe des Verhältnisses der
Durchschnittsentgelte) aus dem maßgeblichen letzten Einkommensteuerbescheid ergibt. Die von der Revision ins Feld geführten
Vorschriften der §
165 Abs
1 S 3
SGB VI, §
123 Abs
3 SGB VI, §
15 SGB IV und §
18b SGB IV geben dafür ersichtlich nichts her. Keinesfalls können "Besprechungsergebnisse der Beitrags- und Rentendezernenten" zu Lasten
der Beitragsverpflichteten vermeintliche Defizite des geltenden Rechts kompensieren, die aus der Sicht der Beklagten bestehen
mögen. Zutreffend hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des
Gesetzes (Art
20 Abs
3 GG) hingewiesen.
4. Da die Klage bereits aus anderen Gründen Erfolg hat, kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die Aufhebung der angefochtenen
Verwaltungsakte gemäß § 42 S 2 iVm S 1 SGB X auch deshalb beanspruchen kann, weil die nach § 24 Abs 1 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und nicht wirksam nachgeholt (§ 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X) worden ist (vgl zur Anhörungspflicht vor Beitragsregelungen BSGE 69, 247, 248 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4). Insbesondere braucht der Senat nicht auf die potentiell heilende Wirkung des Hinweisschreibens
einzugehen, das die Beklagte der Klägerin während des Vorverfahrens übersandt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.