Herabsetzung eines Grades der Behinderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Bezugnahme in Entscheidungsgründen
Gründe
I
Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung seines mit Bescheid vom 27.6.2012 mit 50 festgestellten Grades
der Behinderung (GdB) auf 30 (Bescheid des Beklagten vom 26.7.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.1.2018). Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hat das SG nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und Sachverständigengutachten abgewiesen. Zum hier allein maßgeblichen
Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 18.1.2018 könne kein höherer GdB als 30 festgestellt werden (Urteil vom 31.7.2019). Das LSG hat die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen und auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung
Bezug genommen, die es sich vollumfänglich zu eigen gemacht hat (Urteil vom 30.7.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Verfahrensmängel geltend, das LSG-Urteil sei nicht mit Gründen versehen und verletze seinen Anspruch
auf rechtliches Gehör.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
die behaupteten Verfahrensmängel nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung dieses Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden.
Daran fehlt es hier. Der Kläger hat den behaupteten Verstoß gegen §
136 Abs
1 Nr
6 SGG iVm §
153 Abs
2 SGG und damit auch eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) nicht hinreichend substantiiert dargetan.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu §
136 Abs
1 Nr
6 SGG (zB BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris RdNr 10 mwN) müssen die Entscheidungsgründe im Regelfall zu allen entscheidungserheblichen Streitpunkten die Erwägungen, die zum Urteilsausspruch
des Gerichts geführt haben, enthalten. Zum Mindestinhalt eines Urteils, der durch eine Bezugnahme auf vorinstanzliche Entscheidungen,
Akten ua Unterlagen nicht ersetzt werden kann, gehört danach grundsätzlich die Angabe der angewandten Rechtsnormen und der
für erfüllt bzw nicht gegeben erachteten Tatbestandsmerkmale sowie der ausschlaggebenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe.
Wie der Kläger indes nicht ausreichend berücksichtigt, gelten diese Begründungsanforderungen nicht im geschilderten Umfang,
wenn das LSG rechtsfehlerfrei von der in §
153 Abs
2 SGG vorgesehenen Verweisungsmöglichkeit Gebrauch macht. Die Vorschrift soll dem Berufungsgericht "überflüssige Formulierungs-
und Schreibarbeit" ersparen, wenn und soweit das LSG die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückweist, die
die Beteiligten bereits kennen (vgl BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris RdNr 11 mwN).
Es steht im freien Ermessen des LSG, ob es gemäß §
153 Abs
2 SGG verfährt. Das Berufungsgericht kann auf diese Vorschrift stets dann zurückgreifen, wenn das Urteil des SG ausreichende Entscheidungsgründe iS des §
136 Abs
1 Nr
6 SGG enthält und es lediglich aus diesen Gründen die Berufung zurückweisen will. Dann vermeidet es, dem Normzweck der Vorschriften
entsprechend, die Argumente der Vorinstanz schlicht zu wiederholen (BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris RdNr 12).
Nur wenn ein Beteiligter im Berufungsverfahren neue rechtserhebliche Tatsachen oder substantiierte Einwendungen gegen die
erstinstanzlichen Entscheidungsgründe vorgebracht oder entsprechende Beweisanträge gestellt hat, muss sich das LSG in jedem
dieser Fälle damit auseinandersetzen (vgl BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 10 EG 1/17 B - juris RdNr
13). In solchen Fällen genügt eine bloße Bezugnahme gemäß §
153 Abs
2 SGG nicht. Sie würde neues rechtserhebliches Vorbringen übergehen und damit das rechtliche Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) des betreffenden Beteiligten verletzen (Senatsurteil vom 28.4.1999 - B 9 VG 7/98 R - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 21.8.2017, aaO).
Der Kläger behauptet nicht, das SG-Urteil enthalte keine ausreichenden Gründe. Ebenso wenig trägt er substantiiert vor, welche rechtserheblichen neuen Tatsachen
oder stichhaltigen Einwendungen er mit der Berufung vorgebracht hat, auf die das LSG zwingend hätte eingehen müssen. Der Kläger
verweist zwar auf einen im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbrief vom 30.4.2020. Er setzt sich jedoch nicht mit der prozessualen
Beurteilungssituation bei der hier erhobenen isolierten (reinen) Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1 Alt 1
SGG) auseinander. Maßgebender Beurteilungszeitraum der Rechtmäßigkeit der GdB-Herabsetzung ist hier - worauf auch bereits die
Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben - die Sach- und Rechtslage bei der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend also
die Sach- und Rechtslage beim Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.1.2018 (vgl Senatsurteil vom 10.9.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50, 52 = SozR 3-3870 § 3 Nr 7 S 14 = juris RdNr 11; Senatsurteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223, 225 ff = SozR 3-1300 § 48 Nr 57 S 126, 129 ff = juris RdNr 14 ff). Der Kläger zeigt aber nicht auf, aus welchem Grund hierfür die im Arztbrief vom 30.4.2020 beschriebene Operation rechtlich
relevant sein sollte. Soweit er mit der vom SG vorgenommenen Auswertung der Sachverständigengutachten, die sich das LSG zu eigen gemacht hat, nicht einverstanden ist, wendet
er sich gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nach Maßgabe des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG, die §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG indes der Beurteilung durch das BSG als Beschwerdegericht entzieht.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechender Anwendung des §
193 SGG.