Feststellung eines Chronischen Fatigue-Syndroms als Impfschaden
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) als Impfschaden nach dem
Infektionsschutzgesetz (IfSG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz.
Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 17.11.2021 - anders als zuvor das SG (Urteil vom 30.8.2017) - verneint. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin durch die Impfung gegen
Hepatitis A mit dem Impfstoff Havrix 1440 und gegen die Influenza A (H1N1) mit dem Impfstoff Pandemrix eine (dauerhafte) Gesundheitsschädigung
erlitten habe. Die Voraussetzungen für die Feststellung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs lägen weder nach § 61 Satz 1 IfSG noch nach § 61 Satz 2 IfSG iS einer "Kann-Versorgung" vor. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Impfung für die Entstehung des bei der Klägerin
diagnostizierten CFS könne nicht festgestellt werden. Zwar hätten alle gehörten Sachverständigen den Kausalzusammenhang (mindestens)
für möglich gehalten. Die bloße Möglichkeit reiche nach § 61 Satz 1 IfSG aber nicht aus. Es gebe weder ein allgemein akzeptiertes wissenschaftliches Erklärungsmodell noch ausreichende epidemiologische
Daten für den Zusammenhang. Auch nach den abgeschwächten Beweisanforderungen im Rahmen der "Kann-Versorgung" des § 61 Satz 2 IfSG seien die Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht erfüllt. Selbst unter Zugrundelegung des Beweismaßstabs
der "guten Möglichkeit" könne ein Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung nicht festgestellt werden. Zwar gebe
es theoretische Erklärungsansätze, die auf einen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Erkrankung der Klägerin hindeuten
könnten. Auch für diese Erklärungsansätze fehle aber eine statistische Untermauerung für einen Zusammenhang zwischen Impfung
und Erkrankung. Die bloße Abwesenheit von sonstigen Ursachen sei für die Annahme der "guten Möglichkeit" nicht ausreichend.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie macht die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form. Die Klägerin hat den ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Insofern kann auch dahingestellt bleiben, ob der Klägerin wegen der Versäumung der Frist für die Begründung der Beschwerde
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§
67 Abs
1 SGG) zu gewähren ist.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie ggf des Schrifttums angeben, welche Fragen
sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder
der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer
muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete)
Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten
Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 10.9.2018 - B 9 SB 40/18 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob bei Verabreichung von zwei Impfungen, die sogar üblicherweise nicht zusammen kombiniert werden, in der Regel Statistiken
im Hinblick auf eine nachvollziehbare wissenschaftliche Lehrmeinung verlangt werden können, wenn es keine Statistiken geben
kann, weil diese Impfstoffe nicht zusammen verimpft werden, und was bedeutet in diesem Zusammenhang 'in der Regel', wenn mit
dieser Formulierung jegliche Rechtssicherheit verloren geht".
Nicht näher erörtert zu werden braucht, ob die Klägerin damit überhaupt eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle
Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert hat. Die Bezeichnung einer solchen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das BSG als Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.2.2022 - B 5 R 203/21 B - juris RdNr 9).
Jedenfalls hat die Klägerin schon die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung nicht hinreichend dargelegt. Allein
ihre Behauptung, die Frage sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, reicht hierfür nicht aus.
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die
Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, nicht unbestritten ist oder sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz
ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher mit Wortlaut, Kontext
und ggf der Entstehungsgeschichte der fraglichen Norm sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzten (stRspr; zB BSG Beschluss vom 14.12.2020 - B 9 SB 22/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8). Diese Darlegungsvoraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin versäumt es, sich mit dem Wortlaut, Anwendungsbereich und dem Bedeutungsgehalt insbesondere von § 61 IfSG sowie der hierzu ergangenen und vom LSG in der angefochtenen Entscheidung auch zitierten Rechtsprechung des BSG auseinanderzusetzen. Sie prüft daher - anders als notwendig - auch nicht, ob sich bereits auf Grundlage der vorhandenen höchstrichterlichen
Rechtsprechung ausreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung des von ihr mit der Frage aufgeworfenen Problemkreises ergeben.
Denn auch dann gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt (stRspr; zB BSG Beschluss vom 26.9.2018 - B 10 EG 13/18 B - juris RdNr 7).
Dass die Klägerin die Berufungsentscheidung inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision
führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 11.6.2021 - B 9 SB 64/20 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.