Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im sozialgerichtlichen Verfahren bei verspäteter Einlegung der Berufung durch fahrlässige
Nichtvermeidung der Fristversäumnis; Beweis der Zustellung durch Zustellungsurkunde
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist sowohl die Höhe als auch der Beginn von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.
Der 1969 geborene Kläger übt eine selbstständige Tätigkeit (nach eigenen Angaben: "Angebot und Vermarktung von Dienstleistungen
und Produkten sowie Rechtsberatung") aus und bezieht seit September 2010 SGB-II-Leistungen, zuletzt bewilligt durch Bescheid vom 27.10.2011 (Bewilligungszeitraum vom 01.04. bis 30.09.2011; monatlicher
Gesamtbetrag im September 2011 588,50 € - ohne Anrechnung von Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit). Zur Vermeidung
von Obdachlosigkeit wurde er am 01.09.2011 durch die Stadt G. in eine neue Wohnung eingewiesen (Schreiben der Stadtkasse G.
vom 18.11.2011).
Am 04.11.2011 ging bei dem Beklagten die Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (Anlage EKS) ein. Der Beklagte
wertete dies als neuen Leistungsantrag und bat den Kläger, einen vollständigen Weiterbewilligungsantrag vorzulegen, den dieser
am 25.11.2011 einreichte. Mit Bescheid vom 30.11.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger SGB-II-Leistungen vom 01.11. bis 31.12.2011 in Höhe von insgesamt 588,50 € (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe
von 364,-- €; Kosten für Unterkunft und Heizung < KdU > in Höhe von 224,50 €) und vom 01.01. bis 30.04.2012 in Höhe von insgesamt
598,50 € (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe 374,--; KdU in Höhe von 224,50 €). Hiergegen legte der Kläger
am 27.12.2011 Widerspruch ein und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, aufgrund des Zwangsumzuges sei er nicht dazu gekommen,
rechtzeitig einen Weiterbewilligungsantrag zu stellen, weshalb er beantrage, bereits Leistungen ab dem 01.09.2011 zu erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, Leistungen nach dem SGB II würde nicht vor Antragstellung erbracht. Der Antrag wirke lediglich auf den Ersten des Monats zurück. Bis zum 30.09.2011
habe der Kläger Arbeitslosengeld II bezogen. Die Anlage EKS sei erst am 04.11.2011 eingegangen, sodass Arbeitslosengeld II
erst ab dem 01.11.2011 habe bewilligt werden können.
Am 30.12.2011 machte der Kläger mit einem weiteren Widerspruch zusätzlich geltend, die Höhe der bewilligten Leistungen sei
verfassungswidrig. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2012 als unzulässig zurück, da
in der Sache bereits ein entsprechender Widerspruchsbescheid ergangen sei. Er wertete das Schreiben aber als Überprüfungsantrag
gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Über diesen Antrag entschied der Beklagte mit Bescheid vom 07.02.2012 und erließ den Änderungsbescheid vom gleichen Tag,
mit dem er dem Kläger SGB-II-Leistungen vom 01.11. bis 31.12.2011 in Höhe von 611,36 € und vom 01.01. bis 30.04.2012 in Höhe von 621,36 € unter Zugrundelegung
von KdU in Höhe von 247,36 € gewährte.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011 (Beginn der Leistung) hat der Kläger am 28.01.2012 Klage beim Sozialgericht
Ulm (SG) erhoben (Az.: S 2 AS 385/12) und vorgetragen, ihm stünden bereits ab dem 01.10.2011 SGB-II-Leistungen zu. Die gegen die Höhe der bewilligten SGB-II-Leistungen am 24.02.2012 beim SG erhobene Klage (S 2 AS 644/12) hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.09.2012 zurückgenommen, nachdem das SG den Kläger darüber informiert hatte, dass der Bescheid vom 07.02.2012 bereits Gegenstand des Verfahrens S 2 AS 385/12 geworden sei. Mit Urteil vom 07.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, weder der Beginn der gewährten Leistungen noch deren
Höhe sei zu beanstanden. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II würden Leistungen nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag wirke lediglich auf den Ersten des Monats
zurück. Da der Kläger am 04.11.2011 einen Fortzahlungsantrag gestellt habe, habe der Beklagte zu Recht Leistungen erst ab
dem 01.11.2011 gewährt. Der Vortrag des Klägers, er habe aufgrund einer Zwangsräumung nicht schon früher einen Fortzahlungsantrag
stellen können, sei rechtlich unerheblich, da es nach Sinn und Zweck des § 37 Abs. 2 SGB II nicht möglich sei, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Auch die Höhe der Regelleistung sei nicht zu beanstanden.
Diese ergebe sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II und sei nicht verfassungswidrig. Das Urteil enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, wonach die Entscheidung mit der Berufung
innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht (LSG) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle angefochten werden könne. Die Berufungsfrist sei auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist
beim SG eingelegt werde. Das Urteil wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde vom 16.11.2012 durch Einlegung in den "zur Wohnung
gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung" am 16.11.2012 zugestellt (Bl. 22 a der SG-Akte).
Hiergegen hat der Kläger am 19.12.2012 (einem Mittwoch) beim SG unter Bezugnahme auf das Aktenzeichen "S 2 AS 385/12", das Datum "07. September 2012" und unter dem Betreff "(Eil-) Antrag auf sofortige Korrektur des gesprochenen Urteils wegen
neuer Fakten" Berufung eingelegt. Er bitte zunächst um Entschuldigung für seine späte Reaktion. Da er noch immer keine anderen
Einkommensquellen habe und sein Telefonanschluss wegen der Sanktionen des J. abgeschaltet worden sei, könne er aus seiner
Wohnung kein Telefax senden und auch sein Notebook sei aufgrund einer nicht wasserfesten Notebooktasche kaputt gegangen. Er
stelle den "Eilantrag auf sofortige Änderung des letzten Gerichtsurteils". Seine grundlegende Motivation sei der Schutz der
Richter vor nichtigen, d. h. nicht mehr rechtskräftigen oder sogar verfassungswidrigen Gesetzen und dem "unbewussten Begehen
von Hochverrat gegen den Bund und das Land Baden-Württemberg in der Zukunft". Die Hartz IV-Gesetze seien grundgesetzwidrig
und nichtig. Zugrundezulegen sei die Pfändungsuntergrenze in Höhe von 1.030,-- €. Aufgrund seines Zwangsumzuges und der emotionalen
Belastungen fehlten ihm nun zwei Monate an Leistungen, nur weil er einen Antrag nicht habe rechtzeitig stellen können. Hinsichtlich
der weiteren Ausführungen wird auf Blatt 2 bis Blatt 12 der LSG-Akte Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 07.09.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 29.12.2011 abzuändern sowie unter Abänderung des Bescheids vom 07.02.2012 den Beklagten zu verurteilen, ihm bereits ab
dem 01.10.2011 bis 04.04.2012 höhere SGB-II-Leistungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Antragstellung habe generell konstitutive Wirkung, wobei sich weder
aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag des Klägers eine Antragstellung vor dem 04.11.2011 ergebe.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 05.02.2013 darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist nicht eingehalten sein
dürfte, da diese am 17.12.2012 (einem Montag) abgelaufen und die Berufungsschrift des Klägers beim SG erst am 19.12.2012 eingegangen sei. Es sei daher beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß §
158 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger
hat hierauf mit Schreiben vom 28.02.2013 mitgeteilt, ihn habe "niemals ein Urteil des Sozialgerichts Konstanz erreicht - weder
per Zustellung noch per Zusendung". Faktisch liege nur eine Einlegung in dem Briefkasten vor, also eine Zusendung. Diese sei
bei ihm nicht angekommen. Da ihn das Schreiben nicht erreicht habe, könne es auch keine Fristen geben. Er bitte deshalb um
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und um Aushändigung bzw. Zusendung des Urteils. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen
wird auf Blatt 24 bis 29 der LSG-Akte Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten
erster und zweiter Instanz sowie auf die von den Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§
143,
144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist nicht zulässig, da er die Berufung nicht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt hat. Gründe, dem Kläger gemäß §
67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, liegen nicht vor. Die Berufung ist daher als unzulässig zu verwerfen (§
158 Satz 1
SGG).
Nach §
158 Satz 1
SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich
oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist.
Die Entscheidung kann nach §
158 Satz 2
SGG durch Beschluss ergehen. Der Senat hat hiervon nach dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Zu der beabsichtigten
Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört. Die schriftsätzliche Äußerung des Klägers in seinem Schreiben vom
28.02.2013 hat den Senat nicht dazu bewogen, von der angekündigten Verfahrensweise Abstand zu nehmen.
Nach §
151 Abs.
1 SGG ist die Berufung beim LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift
wird die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim SG schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt wird.
Das Urteil des SG ist dem Kläger am 16.11.2012 - mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§
66 SGG) - durch Einlegen in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung (§
63 Abs.
2 Satz 1
SGG i.V.m. §
180 Sätze 1 u. 2
Zivilprozessordnung <
ZPO >) im Inland wirksam zugestellt (§
135 SGG) worden. Damit begann die einmonatige Berufungsfrist am 16.11.2012 (§
64 Abs.
1 SGG) und lief am Montag, dem 17.12.2012, ab (§
64 Abs.
2 Satz 1 und Abs.
3 SGG). Die Berufung ist jedoch erst am 19.12.2012 beim SG schriftlich eingelegt worden und damit verspätet beim SG eingegangen.
Entgegen der Ansicht des Klägers liegt ein Zustellungsmangel nicht vor. Das Urteil vom 07.09.2012 war den Beteiligten gemäß
§
135 SGG unverzüglich zuzustellen. Zugestellt wird nach §
63 Abs.
2 Satz 1
SGG von Amts wegen nach den Vorschriften der
ZPO. Laut Zustellungsurkunde vom 16.11.2012 wurde dem Kläger das Urteil vom 07.09.2012 durch Einlegen des Schriftstücks in den
zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung zugestellt, weil seine Übergabe an den Adressaten nicht
möglich war. Das Urteil des SG galt daher mit seiner Einlegung als zugestellt (§
180 Satz 2
ZPO). Dies wird durch die über die Ersatzzustellung gefertigte Zustellungsurkunde bewiesen. Die Zustellungsurkunde ist eine öffentliche
Urkunde im Sinne des §
415 ZPO, ihr kommt gemäß §§
182 Abs.
1 Satz 2,
418 Abs.
1 ZPO Beweiskraft zu (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.10.2012 - L 11 KR 3908/12 B = [...]). Die Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde begründet den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen - im
vorliegenden Fall die fehlende Möglichkeit des Übergabe des Urteils und die Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten
oder in eine ähnliche Vorrichtung (Voraussetzung der Ersatzzustellung gemäß §
180 ZPO) am 16.11.2012. Ein Gegenbeweis kann nach §
418 Abs.
2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen, des Gegenteils also, geführt werden
(Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.08.2012 - VII B 108/12 = BFH/NV 2012, 1939). Der Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der in der Zustellungsurkunde beurkundeten Tatsachen ist mithin zulässig, erfordert
aber vollen Beweis unter substantiierter Darlegung und Nachweis des Gegenteils (vgl. Stöber in Zöller, Kommentar zur
ZPO, 29. Aufl. 2012, §
182 Rdnr. 15 m.w.N.). Der Gegenbeweis wird nicht schon durch die bloße Behauptung, das betreffende Schriftstück nicht erhalten
zu haben, erbracht, weil es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann der Adressat das Schriftstück
seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Vielmehr erfordert der Gegenbeweis der Unrichtigkeit
den Beweis eines anderen als in der Zustellungsurkunde bezeugten Geschehensablauf; nur so wird ein Fehlverhalten des Zustellers
und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (BSG, Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 138/07 B = [...]). Deshalb muss der Beweisantritt substantiiert sein, d.h. es muss nach dem Vorbingen des Beteiligten eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen dargelegt werden (Kopp/Schenke, Kommentar zur
VwGO, 17. Aufl. 2011, §
56 Rdnr. 24 m.w.N.).
Vorliegend hat der Kläger den Gegenbeweis der Unrichtigkeit der Zustellungsurkunde nicht erbracht. Er hat lediglich (unsubstantiiert)
behauptet, das Urteil des SG nicht erhalten zu haben. Der Kläger hat auch keine weiteren Umstände vorgetragen, die den auf einen Gegenbeweis gerichteten
Vortrag als schlüssig erscheinen lassen. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf den beim SG am 19.12.2012 eingegangenen Berufungsschriftsatz. Denn der Kläger hat hierin zum einen das zutreffende Aktenzeichen (S 2 AS 385/12), das Datum des Urteils des SG ("07. September 2012") und das " letzte Gerichtsurteil" als angegriffene Entscheidung benannt. Dem kompletten Schriftsatz
ist zu entnehmen, dass er sich gegen das Urteil des SG vom 07.09.2012 wendet. Er hat in seinem Berufungsschriftsatz nicht zum Ausdruck gebracht, dass er - ohne Erhalt eines schriftlichen
Urteils - rein vorsorglich und nur aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2012 Berufung habe einlegen
wollen. Vielmehr bat er um Entschuldigung für seine "späte Reaktion". Vor diesem Hintergrund ist weder der Gegenbeweis gegen
die Richtigkeit der Zustellungsurkunde geführt, noch sind Umstände vorgetragen, die den auf ein Gegenbeweis gerichteten Vortrag
als schlüssig erscheinen lassen.
Ist somit von der ordnungsgemäßen Zustellung des Urteils des SG am 16.11.2012 auszugehen, ist die einmonatige Berufungsfrist mit der erst am 19.12.2012 beim SG eingelegten Berufung versäumt worden.
Die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung (§
67 SGG) in die versäumte Berufungsfrist war abzulehnen. Denn er war nicht ohne Verschulden gehindert, die Berufungsfrist einzuhalten.
Nach §
67 Abs.
1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist
einzuhalten. Der Antrag ist gemäß §
67 Abs.
2 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, wobei die Tatsachen zur Begründung des Antrages glaubhaft gemacht
werden sollen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung
auch ohne Antrag gewährt werden. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Der Kläger war nicht ohne Verschulden
verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten. Denn die Fristversäumnis des schuldfähigen (vgl. §
276 Abs.
1 Satz 2, §
827 Satz 1, §
104 Nr.
2 Bürgerliches Gesetzbuch <
BGB >) Klägers erfolgte nicht "ohne Verschulden", da er zumindest fahrlässig die Berufungsfrist versäumte. Fahrlässig handelt,
wer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die einem gewissenhaften Prozessführenden, der seine Rechte und Pflichten sachgemäß
wahrnimmt, nach dem Gesamtumständen des konkreten Falles zuzumuten ist (BSG, Beschluss vom 09.10.2012 - B 5 R 196/12 B = [...] Rdnr. 5 m.w.N.) und deshalb die Möglichkeit der Fristversäumnis entweder gar nicht voraussieht (unbewusst Fahrlässigkeit)
oder nicht vermeidet (bewusste Fahrlässigkeit). Nach dem Vortrag im Berufungsschriftsatz vom 19.12.2012 konnte der Kläger
nach seinem Dafürhalten die Berufungsfrist nicht einlegen, weil sein Telefonanschluss wegen der Sanktionen des Beklagten abgeschaltet
worden sei und er deshalb keine Telefaxschreiben habe versenden können und auch sein Notebook aufgrund einer nicht wasserfesten
Notebooktasche kaputt gewesen sei. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um geeignete Umstände, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen
könnten. Ein prozessführender Bürger, der ausschließlich die Benutzung eines Telefaxgerätes als adäquates Mittel ansieht,
um eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, handelt im Hinblick auf die von ihm einzuhaltenden Fristen fahrlässig, wenn
er weiß, dass die technischen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind (hier: abgeschalteter Telefonanschluss) und nicht
andere ihm zumutbare und zugängliche Kommunikationsmittel nutzt. Vorliegend wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, per Briefpost
oder persönlich beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Berufung einzulegen. Auf diese Möglichkeiten wurde der Kläger auch
in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils des SG vom 07.09.2012 hingewiesen. Wählt der Kläger mithin ein Kommunikationsmittel, dessen technische Voraussetzungen nicht vorliegen
(freigeschalteter Telefonanschluss) und trägt er keine Umstände vor, weshalb er andere mögliche Kommunikationsmittel (z.B.
Briefpost) nicht nutzen konnte, so handelt er im Hinblick auf die Einhaltung einer gesetzlichen Verfahrensfrist zumindest
fahrlässig, wenn hierdurch die gesetzliche Verfahrensfrist nicht eingehalten wird.
Weitere Gründe, die für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sprechen könnten, liegen nicht vor. Zwar ist bei ordnungsgemäß
erfolgter Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ausgeschlossen, wenn der Kläger im Sinne eines Vollbeweises
nachweisen kann, dass er das Schriftstück tatsächlich nicht erhalten hat (BSG, Urteil vom 20.07.1988 - 12 RK 16/88 = [...], Rdnr. 17). Wie bereits dargelegt, hat der Kläger jedoch keine Umstände vorgetragen, die seinen diesbezüglichen Vortrag
als schlüssig erscheinen lassen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Die Berufung war daher gemäß §
158 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.