Einstufung eines Musikleiters nach dem Fremdrentenrecht in eine Qualifikationsgruppe der Anl. 13 zum SGB VI
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Hinterbliebenenrente.
Die 1949 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin ist die Witwe des ebenfalls in der Sowjetunion geborenen V. K. Er
verstarb am 06.02.1994 im Alter von 50 Jahren in Russland. Die als Spätaussiedlerin nach § 4 Bundesvertriebenengesetz anerkannte Klägerin kam am 24.07.2000 in die Bundesrepublik Deutschland, nachdem ihr über einen Zwischenbescheid vom 23.10.1998
des Bundesverwaltungsamtes Köln mitgeteilt worden war, den Aufnahme-/Einbeziehungsbescheid erst nach Zustimmung eines Bundeslandes
erteilen zu können und daher ihr Antrag mit der Bitte um Zustimmung dem Land Sachsen zugeleitet worden sei. Nach einem kurzen
Aufenthalt in der Erstaufnahmestelle in Friedland/Niedersachsen erfolgte die Zuweisung durch das Regierungspräsidium Chemnitz
mit Bescheid vom 28.07.2000 an den Landkreis/die kreisfreie Stadt M. Mit Aufnahme- und Gebührenbescheid des Landratsamtes
M. vom 11.08.2000 wurde die Klägerin zusammen mit ihrem 1986 geborenen Sohn im Übergangswohnheim K., OT Höfchen, untergebracht.
Vom 12.08.2000 bis 20.01.2001 bezog sie Eingliederungshilfe über die Agentur für Arbeit Chemnitz und vom 21.01.2001 bis 30.04.2001
Hilfe zum Lebensunterhalt (Landratsamt M.). Laut Anmeldebestätigung vom 19.07.2001 war die Klägerin am 01.08.2001 nach W.
im E., Baden-Württemberg, umgezogen.
Bereits am 28.11.2000 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung
ihres verstorbenen Ehemannes. Im Kontenklärungsverfahren hatte sie angegeben, dass der Versicherte schon von 1959 bis August
1963 gearbeitet habe, hierfür jedoch keine Nachweise vorhanden seien. Er habe vom 01.09.1959 bis August 1963 den Abschluss
bzw. die Zuerkennung als Musikleiter in der Kulturfachschule T. erworben. In der Zeit vom 23.09.1963 bis 06.02.1994 habe er
als musikalischer Leiter im örtlichen "Haus der Kultur" gearbeitet. In den beiden vorgelegten Zeugenerklärungen wird die Tätigkeit
als musikalischer Leiter vom 23.09.1963 bis 06.02.1994 bestätigt. Der Versicherte habe Chöre, Orchester, Tanz- und Laienkunstgruppen
geleitet und Musikunterricht erteilt.
Mit Rentenbescheid vom 19.03.2001 bewilligte die Beklagte eine große Witwenrente ab dem 24.07.2000 (monatlich 527,23 DM).
Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie glaubhaft gemachte Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) in der ehemaligen Sowjetunion nach der Qualifikationsgruppe 5, Bereich 20 der Anlage 14 zum
SGB VI (Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) in der Zeit vom 23.09.1963 bis 22.09.1973 sowie in der Qualifikationsgruppe 4, Bereich 20
der Anlage 14 im Zeitraum vom 23.09.1973 bis 06.02.1994, jeweils mit einer Anrechnung zu 5/6. Für den gesamten Zeitraum legte
sie jeweils 60% der nach dem Tabellenwert maßgebenden Entgeltpunkte zugrunde (Faktor 0,6 gemäß § 22 Abs. 4 FRG). Für die nach dem Fremdrentengesetz anrechenbaren Zeiten hat sie Entgeltpunkte (Ost) ermittelt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Anpassungen der Witwenrente
erfolgten wegen anzurechnendem Einkommen u.a. mit Bescheid vom 25.01.2002 und 23.09.2002.
Mit Fax vom 04.08.2005 beantragte die Klägerin die Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im Hinblick auf alle Altbescheide über die Hinterbliebenenrente. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Berechnung der Rente
mit dem aktuellen Rentenwert Ost sei nicht akzeptabel. Sie habe bei Übersiedlung in die BRD den entsprechenden Wohnort nicht
frei wählen können. Sie habe seinerzeit als Wahlort die Heimat ihrer Vorfahren, nämlich Baden-Württemberg gegenüber dem Bundesverwaltungsamt
angegeben. Sie sei dann Sachsen zugewiesen worden und habe daher ihren Wohnort nicht freiwillig gewählt. Weil ihr die Rückkehr
in die Heimat ihrer Vorfahren amtlich verwehrt worden sei, könne ein daraus resultierender Rentennachteil keinesfalls gerechtfertigt
sein. Einen gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen habe es nicht gegeben. Darüber hinaus wandte sie sich gegen die Kürzung sämtlicher
Zeiten auf 60% und machte geltend, dass nach Ablauf zehnjähriger Tätigkeit als musikalischer Leiter im Haus der Kultur eine
Höherstufung in die Qualifikationsgruppe 3 vorzunehmen sei. Für den Zeitraum von 1963 bis 1973 sei durchaus die Qualifikationsgruppe
4 denkbar. Sie wies ergänzend darauf hin, dass sie sich im Beitrittsgebiet durchgehend im Übergangsheim aufgehalten habe.
Mit Bescheid vom 18.12.2006 lehnte die Beklagte die Abänderung der gewährten Witwenrente ab, weil das Recht weder unrichtig
angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Hiergegen hat die Klägerin vertreten durch einen
Rentenberater zunächst am 08.01.2007 Widerspruch eingelegt, soweit eine Neuberechnung der Rente im Hinblick auf den aktuellen
Rentenwert Ost abgelehnt worden sei. Mit am 09.01.2007 eingegangenem Schreiben erhob der Rentenberater Widerspruch, soweit
in dem Bescheid die Absenkung der FRG-Werte auf 60% gut geheißen werde, und am 10.01.2007 - mit weiterem Schreiben - soweit eine veränderte Einordnung der Qualifikationsgruppen
abgelehnt worden sei.
Mit Bescheid vom 08.02.2007 berechnete die Beklagte die gewährte Witwenrente ab 01.01.2001 neu. Sie berücksichtigte nunmehr
in dem Zeitraum vom 23.09.1971 bis 06.02.1994 glaubhaft gemachte Zeiten nach dem FRG nach Qualifikationsgruppe 2, Bereich 20 (staatliche Verwaltung und gesellschaftliche Organisationen - Fachschulabsolventen).
Diese Einstufung beruhe auf der Anerkennung einer langjährigen Berufserfahrung. Eine solche liege frühestens dann vor, wenn
die höherwertige Tätigkeit mindestens für die Dauer verrichtet worden sei, die der formalen Berufsausbildung für diese Qualifikationsgruppe
entsprochen habe. Regelmäßig könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung die doppelte Zeit der üblichen Ausbildungsdauer
für den Erwerb entsprechender Fähigkeiten angesetzt werden. Eine Fachschulausbildung sei zwar weder nachgewiesen noch ausreichend
glaubhaft gemacht worden. Die vollwertige Ausübung der entsprechenden Tätigkeit könne bei einer regelmäßigen formalen Fachschulausbildung
von vier Jahren und somit nach achtjähriger Ausübung der Tätigkeit unterstellt werden. Eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe
3 könne nicht erfolgen. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte aber weiterhin die Entgeltpunkte Ost sowie die
Kürzung nach § 22 Abs. 4 FRG.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin unter dem 15.02.2007 weitere Einwendungen und bat insbesondere um eine Entscheidung
bzgl. der weiteren Widersprüche. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch, soweit ihm nicht
mit Bescheid vom 08.03.2007 abgeholfen worden war, zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Zuordnung zur Qualifikationsgruppe
4 statt 5 der Anlage 13 zum
SGB VI für die in der ehemaligen Sowjetunion ausgeübte Beschäftigung als musikalischer Leiter eines Kulturhauses von 1967 bis 22.09.1976
nicht habe erfolgen können, weil der Versicherte weder eine entsprechende berufliche Qualifikation als Facharbeiter erworben
habe noch eine dieser Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausgeübt habe. Nach Art. 6 § 4 Abs. 6 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) behielten nach dem FRG zu berücksichtigende Zeiten die Entgeltpunkte Ost, wenn der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet
habe und dort nach dem 31.12.1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG erwerbe. Bei den Entgeltpunkten Ost verbleibe es auch dann, wenn der Berechtigte anschließend vom Beitrittsgebiet in das
alte Bundesgebiet verziehe. Veränderungswünsche oder Absichten sowie der Wille, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und
die Frage der Freiwilligkeit des Betroffenen seien rechtlich unerheblich. Die Anwendung der Vorschrift des § 22 Abs. 4 FRG sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
Mit Rentenbescheid vom 14.05.2007 wurde die Höhe der Rente neu berechnet, weil eine Rentenanpassung durchzuführen war und
sich das auf die Rente anzurechnende Einkommen geändert hat.
Am 22.05.2007 bzw. 23.05.2007 hat die Klägerin hiergegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) drei Klagen anhängig gemacht (S 4 R 2844/07, S 4 R 2887/07 und S 4 R 2905/07), welche das SG durch Beschluss vom 23.01.2008 zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 4 R 2844/07 und - nach Änderung der Kammerzuständigkeit - unter dem Verfahren S 21 R 2844/07 fortgeführt hat.
Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages hat die Klägerin an den von ihr geltend gemachten Einwendungen
festgehalten. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.03.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Einstufung des Versicherten
in die Qualifikationsgruppe 5 in der Zeit vom 23.09.1963 bis zum 22.09.1971 wegen des fehlenden Nachweises jeglicher Ausbildung
nicht zu beanstanden sei. Insbesondere komme ein Aufstieg in die Gruppe 4 nach einigen Jahren der Berufsausübung nicht in
Betracht, weil eine Gleichsetzung mit einer Facharbeitertätigkeit der Art der Tätigkeit des Versicherten gerade nicht gerecht
werde. Es handele sich unstreitig um eine deutlich höherwertige Tätigkeit als die eines Facharbeiters. Die Gruppe 4 müsse
auch nicht allein deswegen zur Anwendung kommen, weil im Verlauf einer Erwerbsbiographie, an deren Ende die Gruppe 2 stehe,
vorher alle anderen Stufen durchlaufen sein müssten. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht am 13.06.2006 entschieden, dass
die umstrittene Regelung im Hinblick auf § 22 Abs. 4 FRG und den Faktor 0,6 verfassungsgemäß sei. Schließlich sei auch die Anwendung der Entgeltpunkte Ost nicht zu beanstanden. Aus
Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG ergebe sich, dass bei Berechtigten nach dem FRG, welche ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet haben und dort nach dem 31.12.1991 einen Anspruch auf Zahlung einer
Rente nach dem FRG erwerben, für die Zeiten nach dem FRG Entgeltpunkte Ost zu ermitteln seien. Der gewöhnliche Aufenthalt sei gem. §
30 Abs.
3 S. 2
SGB I dort, wo der Betroffene sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend
verweilt. Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin sei ab dem 31.08.2000 (richtig: 11.08.2000) in K. (Sachsen), also im Beitrittsgebiet
gewesen, weshalb für die Zeiten nach dem FRG die Entgeltpunkte Ost heranzuziehen gewesen seien. Dass die Klägerin gegen ihren Willen dem Freistaat Sachsen zugeteilt worden
sei und lieber von vorneherein in Baden-Württemberg gewohnt hätte, sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Zur Frage des
gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des §
30 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) sei es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes unerheblich, ob dieser Aufenthalt aus eigenem Willensentschluss
begründet oder von dritter - insbesondere von staatlicher - Seite so bestimmt worden sei. Es komme allein auf die tatsächlichen
objektiven Verhältnisse an und nicht auf die subjektive Willenslage des Betroffenen oder auf dessen Zukunftspläne. Der Aufenthalt
eines Aussiedlers in einem Übergangswohnheim sei als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des §
30 Abs.
3 Satz 2
SGB I anzusehen, ohne dass es auf die subjektiven Wünsche des Betroffenen ankäme. Insoweit schließe sich das Gericht der Entscheidung
des Landessozialgerichtes (LSG) Rheinland-Pfalz in einem Beschluss vom 25.09.2003 (Aktenzeichen L 6 RJ 132/03) an.
Gegen den ihr am 31.03.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15.04.2010 Berufung eingelegt. Sie hält zur
Begründung an den von ihr erhobenen Einwendungen fest.
Die Klägerin beantragt,
sachdienlich gefasst, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 18. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr
Hinterbliebenenrente auf der Grundlage der Einstufung des Versicherten in die Qualifikationsgruppe 4 für die Zeit von 1967
bis 22.09.1971, auf der Grundlage der Entgeltpunkte West sowie ohne Reduzierung der Entgeltpunkte durch den Faktor 0,6 zu
gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §
144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere
Witwenrente hat.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Überprüfung der bestandskräftig gewordenen Bewilligung einer großen Witwenrente mit Bescheid
vom 19.03.2001. Den auf den Überprüfungsantrag erhobenen Einwendungen hat die Beklagte insoweit abgeholfen, als sie mit Bescheid
vom 08.02.2007 für den Zeitraum vom 23.09.1971 bis 06.02.1994 glaubhaft gemachte Zeiten nach dem FRG nach Qualifikationsgruppe 2 unter Beibehaltung von Entgeltpunkten Ost und einer Kürzung nach § 22 Abs. 4 FRG der Rentenberechnung zugrundegelegt hat. Widerspruch und Klage bezogen auf die Berücksichtigung einer Einstufung der Versicherungszeiten
nach Qualifikationsgruppe 4 für die Zeit von 1967 bis 22.09.1971, von Entgeltpunkten West und ohne Kürzung der Entgeltpunkte
um 40% blieben ohne Erfolg.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Beklagte die Witwenrente der Klägerin mit Bescheid vom 19.03.2001 bzw. vom
08.02.2007 zutreffend berechnet hat.
Gemäß §
63 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten
Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen
wird in Entgeltpunkte umgerechnet (Abs. 2). Die Berechnung für den Monatsbetrag der Rente ergibt sich aus §
64 SGB VI, wobei insbesondere die persönlichen Entgeltpunkte maßgebend sind (vgl. §
64 und §
66 SGB VI). Der Versicherte hat die hier streitigen Zeiten nicht in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt, sondern in der ehemaligen
Sowjetunion. Die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten ist beim Personenkreis der Klägerin, die als Spätaussiedlerin
anerkannt ist (§ 1a FRG), im Fremdrentengesetz geregelt. Für die Beitrags- und Beschäftigungszeiten gemäß §§ 15 und 16 sind nach der Bestimmung des § 22 FRG Entgeltpunkte in Anwendung von §
256 b Abs.
1 S. 1
SGB VI zu ermitteln. Es sind die Durchschnittsverdienste zu berücksichtigen, die sich 1. nach Einstufung der Beschäftigung in einer
der in Anl. 13 genannten Qualifikationsgruppen und 2. nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anl. 14 genannten Bereiche
ergeben.
Zu entscheiden ist vorliegend zunächst allein darüber, ob die Beitrags- und Beschäftigungszeiten des Versicherten von 1967
bis 22.09.1971 (ein konkreter Antrag war nicht gestellt worden) zu Recht in Qualifikationsgruppe 5 nach Anl. 13 zum
SGB VI eingestuft sind, oder ob insoweit ein Anspruch auf Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 besteht.
In der Anl. 13 zum
SGB VI ist unter "Definition der Qualifikationsgruppen" ausgeführt: Versicherte sind in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen
einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Haben Versicherte
aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten von einer höheren Qualifikationsgruppe
entsprechen, sind sie in diese Qualifikationsgruppe einzustufen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (SozR 4-2600 § 256 b Nr. 1) handelt es sich bei dem Satz 1 um den Grundtatbestand, welcher durch den Satz 2 ergänzt wird. Der Grundtatbestand
des Satzes 1 enthält somit zwei Voraussetzungen: 1. Erfüllung von (formellen) Qualifikationsmerkmalen im Sinne einer der 5
Qualifikationsgruppen und 2. die tatsächliche Ausübung einer diesen Merkmalen entsprechenden Tätigkeit. Das Gesetz kennt fünf
Qualifikationsgruppen, nämlich die der Hochschulabsolventen (Qualifikationsgruppe 1), der Fachschulabsolventen (Qualifikationsgruppe
2), der Meister (Qualifikationsgruppe 3), der Facharbeiter (Qualifikationsgruppe 4) sowie der angelernten und ungelernten
Tätigkeiten (Qualifikationsgruppe 5).
In Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) werden Personen eingestuft, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung
nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses
(Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitragsgebiet
die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder
der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe
im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind.
In Qualifikationsgruppe 5 (angelernte und ungelernte Tätigkeiten) werden eingestuft: 1. Personen, die in der Berufsausbildung
oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes abgeschlossen haben
und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind. 2. Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen
Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind. 3. Personen ohne Ausbildung oder spezielle Schulung für die ausgeübte
Tätigkeit.
Eine Gleichstellung mit Facharbeitern aufgrund langjähriger Berufserfahrung kam bei Personen im Beitrittsgebiet dann in Betracht,
wenn eine derartige Facharbeitertätigkeit seit mindestens 10 Jahren ausgeübt und die männlichen Facharbeiter das 45. Lebensjahr
und die Frauen das 40. Lebensjahr überschritten hatten (vgl. § 24 Abs. 3 der Anordnung über die Facharbeiterprüfung vom 15.5.1986,
GBl. (DDR) I Seite 309 sowie Vorgängervorschriften). Es kann hier dahinstehen, ob diese Kriterien ohne weiteres auf den nach
§ 1 FRG berechtigten Personenkreis übertragbar sind. Auf jeden Fall ist für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 zu fordern,
dass die aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten tatsächlich denjenigen eines Facharbeiters
entsprochen haben.
Dies war bei dem Versicherten zur Überzeugung des Senats in dem noch streitigen Zeitraum nicht der Fall. Die Klägerin hat
keine Belege dafür vorgelegt, dass der Versicherte tatsächlich von 1959 bis 1963 eine Ausbildung in einem Ausbildungsberuf
durchlaufen hat, sie hat nicht dargelegt und belegt, dass er diese mit einer - bestandenen - Facharbeiterprüfung abgeschlossen
hat und dass ihm ein Facharbeiterbrief ausgehändigt worden ist. Nachweise aus dieser Zeit - so hatte sie im Kontenklärungsverfahren
angegeben - lagen und liegen ihr nicht mehr vor. Bestätigt ist insoweit allein, dass der Versicherte vom 23.09.1963 bis 06.02.1994
als musikalischer Leiter im Haus der Kultur der Siedlung Brusjanka tätig gewesen ist (vgl. Bestätigung der Verwaltung der
Stadt und des Kreises Uslowaja vom 25.09.2000, Bl. 25 d.A.). Die vorgelegten schriftlichen Zeugenaussagen bestätigen eine
solche Tätigkeit in dem genannten Zeitraum und bestätigen eine "Fachschulausbildung" bzw. den Besuch einer "Berufsschule"
von September 1959 bis Juni 1963, nicht aber dass es sich um einen Ausbildungsberuf mit Facharbeiterprüfung gehandelt hat,
welcher auch erfolgreich und mit Verleihung eines Facharbeiterbriefes abgeschlossen wurde. Damit ist eine entsprechende Qualifikation
als Facharbeiter nicht belegt und glaubhaft gemacht. Dementsprechend hat auch die Beklagte erst nach Ablauf von 10 Jahren
Berufserfahrung in ihrer ursprünglichen Entscheidung die Qualifikationsgruppe 4 ab 23.09.1973 anerkannt. Ob dies zu Recht
erfolgte, kann dahinstehen, nachdem die Beklagte bereits ab dem 23.09.1971 und damit nach 8 Jahren Berufserfahrung die Einstufung
in die Qualifikationsgruppe 2 vorgenommen hat. Der Senat sieht keinen Grund, diese Einstufung zu beanstanden. Insoweit werden
auch von der Klägerin keine Einwendungen erhoben. Diese Einstufung beruht aber auf der von der Beklagten - ohne nähere Darlegung
- gewonnenen Überzeugung, dass für die Tätigkeit eines musikalischen Leiters im Haus der Kultur Brusjanka üblicherweise eine
Fachschulqualifikation erforderlich gewesen war, das Absolvieren einer Fachschulausbildung aber weder hinreichend nachgewiesen
noch ausreichend glaubhaft gemacht sei und deshalb nach achtjähriger Tätigkeit die vollwertige Ausübung der Tätigkeit verglichen
mit einer Regelausbildungszeit von üblicherweise 4 Jahren unterstellt werden könne. Weil die Tätigkeit des Versicherten auch
nicht einer Tätigkeit eines Meisters nach Qualifikationsgruppe 3 entspricht, worauf die Beklagte in ihrem Bescheid vom 08.02.2007
zu Recht hingewiesen hat, ist und war eine höhere Einstufung im Zeitraum von 1967 bis 22.09.1971 nicht zu rechtfertigen. Entgegen
der Auffassung der Klägerin setzt die Einstufung in Qualifikationsgruppe 2 nicht für Zeiten davor das Erreichen einer höheren
Qualifikationsgruppe als 5 voraus. Vielmehr werden durch die unterschiedlichen Qualifikationsgruppen gerade verschiedene berufliche
Qualifikationen abgebildet, die generell durch den Nachweis eines entsprechenden Abschlusses, der Verleihung eines entsprechenden
Zertifikates nachgewiesen sind und nur ausnahmsweise - wie hier - eben auch durch eine langjährige Berufserfahrung erreicht
und glaubhaft gemacht sein können. Unter Berücksichtigung dessen ist für den streitigen Zeitraum die Einstufung in Qualifikationsstufe
5 nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerin sich gegen den Ansatz von Entgeltpunkten (Ost) wendet, ist auch dies nicht zu beanstanden. Der jeweilige
Monatsbetrag der Rente ergibt sich aus den von der Beklagten ermittelten Entgeltpunkten (21,2544), in dem diese mit dem Zugangsfaktor
und dem aktuellen Rentenwert multipliziert werden (§
64 SGB VI), wobei das Rentenrecht - bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse - zwischen Entgeltpunkten und Entgeltpunkten
(Ost) unterscheidet. Erstere werden mit dem aktuellen Rentenwert, letztere mit dem (etwas geringeren) Rentenwert (Ost) vervielfältigt
(§§ 254b, 255a
SGB VI).
Für in Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten hängt die Zuordnung zu Entgeltpunkten bzw. Entgeltpunkten (Ost) im Grundsatz
davon ab, ob sie im Beitrittsgebiet oder in den alten Bundesländern zurückgelegt worden sind (§
254d SGB VI). Soweit - wie vorliegend - im nichtdeutschen Herkunftsland zurückgelegte Beitragszeiten in Anwendung des FRG ebenfalls mit Entgeltpunkten berücksichtigt werden, findet Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG Anwendung. Gem. Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG werden bei Berechtigten nach dem FRG, die a) ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet haben und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung
einer Rente nach dem FRG erwerben, b) nach dem 31. Dezember 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegen und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach
dem FRG erwerben oder c) nach dem 31. Dezember 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne
das Beitrittsgebiet in das Beitrittsgebiet verlegen und bereits vor Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anspruch
auf Zahlung einer Rente nach dem FRG haben, für nach dem FRG anrechenbare Zeiten Entgeltpunkte (Ost) ermittelt; im Falle von Buchstabe c) gilt dies nur, sofern am 31. Dezember 1991 Anspruch
auf Zahlung einer Rente nach dem FRG nicht bestand. Dies gilt auch für die Zeiten eines weiteren Rentenbezuges aufgrund neuer Rentenfeststellungen, wenn sich
die Rentenbezugszeiten ununterbrochen aneinander anschließen. Bei Berechtigten nach Satz 1 Buchstabe a) und c), die ihren
gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegen,
verbleibt es für Zeiten nach dem FRG bei den ermittelten Entgeltpunkten (Ost).
Die Voraussetzungen des Buchstaben a) der genannten Vorschrift sind erfüllt, weil die Klägerin ausweislich der vorliegenden
Anmeldebestätigung am 11.08.2000 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte und dort nach dem 31. Dezember 1991
einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG erworben hat (Witwenrente ab 24.07.2000).
Die Klägerin hatte nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt bis zu ihrem Umzug
am 01.08.2001 nach W. im E. (Baden-Württemberg) im Beitrittsgebiet (Übergangswohnheim K.).
Nach der Legaldefinition in §
30 Abs.
3 S. 2
SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem
Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes ist nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Danach
ist entscheidend, ob der Betroffene den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Beitrittsgebiet
hatte. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Auf
den Domizilwillen des Betroffenen kommt es dabei nicht an (LSG NRW, Urteil v. 29.08.2011, L 3 R 454/10 m.w.N.).
Insoweit stellt der Senat fest, dass die Klägerin ihren faktischen Aufenthalt ab dem 11.08.2000 zusammen mit ihrem Sohn in
den neuen Bundesländern hatte, sie sich nach ihrer Ankunft am 11.08.2000 bei der für die Landesaufnahmeeinrichtung melderechtlich
zuständigen Stelle, der Gemeinde K. wohnungsrechtlich gemeldet hatte, sich beim Arbeitsamt (heute: Agentur für Arbeit) Chemnitz
arbeitslos gemeldet und Eingliederungshilfe ab 12.08.2000 sowie im Anschluss daran bis zur Übersiedlung nach Baden-Württemberg
Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz bezogen hat. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse damit im Beitrittsgebiet lag, auch
wenn sie im Rahmen ihres Antrages auf Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz den Wunsch geäußert hat, in die Nähe von Verwandten in Baden-Württemberg zu ziehen. Über einen kurzfristig anmietbaren Wohnraum
oder eine Arbeitsstelle verfügte sie dort offensichtlich nicht - wie schon die Dauer des Verbleibs in Sachsen zeigt -, eine
Möglichkeit der Unterbringung - etwa bei Verwandten - bestand offensichtlich vor Bezug der eigenen Wohnung am 01.08.2001 in
Winden ebenfalls nicht. Dieser Aufenthalt war auch zunächst als dauerhafter Aufenthalt anzusehen, weil zukunftsoffen. Dabei
ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles nicht auf eine rückblickende, sondern auf eine vorausschauende
Betrachtungsweise abzustellen, also auf eine sich an den tatsächlichen Verhältnissen orientierende Prognose. Für diese Prognose
ist ebenso wie für den Zeitpunkt der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes maßgeblich auf den Zeitpunkt der Aufenthaltsnahme
an einem bestimmten Ort abzustellen, soweit nicht gerade der Aufenthalt einen Besuchs- oder sonst vorübergehenden Charakter
hatte (vgl. LSG NRW a.a.O. unter Verweis auf Rechtsprechung des BVerwG und BSG). In dem insoweit für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes maßgeblichen Zeitpunkt im August 2000 stand aber unter
Berücksichtigung der oben gemachten Ausführungen noch nicht fest, wie lange sich die Klägerin in K. aufhalten wird und wann
sie in das von ihr für die Wohnsitznahme begehrte Bundesland Baden-Württemberg ziehen werde. Die Aufenthaltsdauer in Sachsen
war weder voraussehbar noch war sie von vornherein auf einen bestimmten Zeitpunkt begrenzt. Für einen Umzug in die Nähe ihrer
Verwandten in D. (Baden-Württemberg) war zumindest die Anmietung einer Wohnung oder der Erhalt eines Arbeitsplatzes dort erforderlich
(vgl. § 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler). Ob und wann
diese Voraussetzungen für einen Umzug erfüllt sein würden, war dementsprechend gänzlich ungewiss.
Schließlich ist der Senat mit dem LSG NRW (a.a.O.) der Überzeugung, dass der Annahme eines dauerhaften Aufenthaltes im Beitrittsgebiet
auch nicht der Aufenthalt der Klägerin in einem Übergangswohnheim entgegen gehalten werden kann. Der Umstand, dass ein Übergangswohnheim
nicht zu einem dauernden Verbleib bestimmt ist, steht der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes nicht entgegen, denn
auch der Aufenthalt der Klägerin in dem Übergangswohnheim war zukunftsoffen in dem Sinne, dass der Zeitpunkt des Verlassens
des Übergangswohnheims ungewiss war (so schon BVerwG, Urteil vom 18.03.1999, Az: 5 C 11/98, in [...]).
Weil allein die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend sind, steht der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes der Klägerin
in K. nicht entgegen, dass es sich um einen - auf Grund des "Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für
Aussiedler und Übersiedler" - behördlicherseits zugewiesenen Aufenthaltsort handelte. Ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen
Umständen nicht übereinstimmt, ist rechtlich unerheblich (BSG, Urteil vom 14.09.1994, 5 RJ 10/94). Auf den Umstand, dass die Klägerin nach Baden-Württemberg zugewiesen werden wollte und nicht nach Sachsen, kommt es somit
nicht an (so auch BSG, Urteil vom 31.10.2012, B 13 R 1/12 R, in [...], dort Rz 39ff., 42)
In der zitierten Entscheidung vom 31.10.2012 (a.a.O.) hat das BSG ausführlich zur Verfassungsmäßigkeit des Art.
6 § 4 Abs.
6 FANG Stellung genommen und einen Verstoß gegen Art.
3 Grundgesetz (
GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz verneint. Dieser Auffassung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und verweist
insoweit auf diese Ausführungen (a.a.O., Rz 43 ff.).
Soweit die anwaltlich vertretene Klägerin einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in Art.
11 GG rügt, wird schon nicht ersichtlich, ob sie einen solchen tatsächlich auf die Anwendung des Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG bezieht.
Dieser stellt auf einen gewöhnlichen Aufenthalt ab und führt in Abhängigkeit dessen zur Anwendung von Entgeltpunkten bzw.
von Entgeltpunkten (Ost). Eine Beschränkung der Freizügigkeit aus Art. 6 § 4 Abs. 6 FANG oder anderer hier zu prüfender rentenrechtlicher
Vorschriften ist weder im Hinblick auf einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts noch hinsichtlich einer möglichen
Rechtfertigung substantiiert dargelegt worden. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 17.03.2004 (1 BvR 1266/00: Rechtfertigung des Ausschlusses von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei Spätaussiedlern, die an einem anderen
Ort als dem ihnen zugewiesenen ständigen Aufenthalt nehmen) hätte hierzu Anlass bestanden. Unabhängig davon sieht der Senat
jedoch im Hinblick auf die hier allein im Streit stehenden rentenrechtlichen Vorschriften keine Beeinträchtigung des Grundrechtes
auf Freizügigkeit nach Art
11 GG.
Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung der Entgeltpunkte für den Zeitraum vom 23.09.1963 bis 06.02.1994
ohne Herabsetzung des Werts der Entgeltpunkte durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6 gemäß § 22 Abs. 4 FRG.
§ 22 Abs. 4 FRG in der hier maßgeblichen Fassung von Art. 3 Nr. 4 Buchst. b Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.09.1996 (BGBl I 1461), der am 07.05.1996 in Kraft getreten
ist und die Absenkung um 40 % vorsieht, hat die Beklagte zutreffend angewandt.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 22 Abs. 4 FRG hat der Senat nicht, zumal das BVerfG mit Beschluss vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00 u.a. - SozR 4-5050 § 22 Nr. 5, BVerfGE 116, 96 ff. und in [...]) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung festgestellt hat. Dabei hat es erklärt, dass die durch das FRG begründeten Rentenanwartschaften nicht dem Schutz des Art.
14 Abs.
1 S. 1
GG unterliegen, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zu Grunde liegen, die in den Herkunftsgebieten
erbracht oder zurückgelegt worden sind. Hierzu hat es ausgeführt, da es das FRG selber sei, das einen vermögenswerten Rechtsanspruch erst gewähre, der von Art.
14 GG geschützt sein soll, könne er dieses Grundrecht nicht verletzen. Für die Anerkennung einer sozialversicherungsrechtlichen
Rechtsposition als Eigentum im Sinne von Art.
14 Abs.
1 S. 1
GG sei das Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der BRD erbrachten Eigenleistung unverzichtbar. Die in den Herkunftsgebieten
erbrachten oder zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten begründeten keine derartige Eigenleistung, da deren Wertschöpfung
nicht innerhalb der zur Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolge und ihr auch nicht zugutegekommen sei. Darüber
hinaus hat das BVerfG dargelegt, dass die durch § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG vom 25.9.1996 erfolgte Absenkung der auf dem FRG-Gesetzen beruhenden EP auch dann nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden sei, wenn die Rentenanwartschaften, die auf rentenrechtlichen
Zeiten sowohl in den Herkunftsgebieten als auch in der Bundesrepublik Deutschland beruhen, als Gesamtrechtsposition insgesamt
dem Schutz des Art.
14 Abs.
1 GG zu unterstellen wären. Der Gesetzgeber habe sich im Rahmen seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums
gehalten. Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Rechtsposition der nach dem FRG Berechtigten sei durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. § 22 Abs. 4 FRG entspreche bei einer Prüfung am Maßstab des Art.
14 Abs.
1 GG auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da die Regelung zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich gewesen
sei. Auch eine Verletzung des Art.
3 Abs.
1 GG hat das BVerfG verneint, da die ungleiche Behandlung derjenigen Personen, die aufgrund des § 22 Abs. 4 in Verbindung mit
Art. 6 § 4c FANG (1996) einen Abschlag von 40 % ihrer EP hätten hinnehmen müssen, hinreichend gerechtfertigt sei. Eine Diskriminierung
und damit eine Verletzung von Art.
3 Abs.
3 GG liege nicht vor, weil die Regelung an unterschiedliche Versicherungsbiografien anknüpfe, und nicht an die in Art.
3 Abs.
3 GG genannten Merkmale.
Die aufgrund der Entscheidung des BVerfG getroffene Übergangsregelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG (2007), die einen Zuschlag
für rentennahe Jahrgänge für die Zeit vom 01.10.1996 bis 30.06.2000 vorsieht, ist auf die Klägerin nicht anwendbar, da sie
eine Rente nicht bis zum 30.06.2000 bezogen hat. Diese Regelung erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, ist insbesondere
mit dem Vertrauensschutzgrundsatz vereinbar und verletzt auch nicht Art.
14 GG (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.07.2010, 1 BvR 1201/10, BSG, Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 90/09 R - beide in [...]).
Aus den dargelegten Erwägungen vermag der Senat auch einen Verstoß gegen europäisches Recht nicht zu erkennen, zumal weder
eine Substantiierung der erhobenen Einwendungen in verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Hinsicht noch eine Auseinandersetzung
mit der bereits zitierten Rechtsprechung von der anwaltlich vertretenen Klägerin dargetan wurde.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war als unbegründet zurückzuweisen.
Hierauf und auf §
193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) bestehen nicht.