Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Altersrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin.
Die 1928 geborene Klägerin beantragte am 25.09.2002 die Gewährung von Witwenrente aus der Versicherung ihres am 24.10.1927
geborenen und am 08.09.2002 verstorbenen Ehemannes N. C. (N.C.). Diese Witwenrente gewährte die Beklagte der Klägerin ab 08.09.2002
mit Bescheid vom 23.04.2003, geändert durch den Bescheid vom 09.09.2003 in Höhe von zunächst monatlich 138,08 € und ab 01.01.2003
in Höhe von 82,85 € (wegen der dabei berücksichtigten Versicherungszeiten wird auf Anlage 2 des Rentenbescheides vom 09.09.2003,
Bl. 42 der Akten der Beklagten verwiesen).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 08.05.2002 machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe zu Unrecht die Gewährung
von Altersrente ab 01.11.1992 (Vollendung des 65. Lebensjahres ihres Ehemannes) abgelehnt. N.C. sei seit 1983 Rentner wegen
Erwerbsunfähigkeit bei der IKA gewesen, während die Beklagte und das Sozialgericht (Urteil vom 07.03.1985, Az.: S 9 J 2076/84) den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt hätten.
Die Beklagte wies den Widerspruch als unzulässig zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.07.2003). Der Widerspruchsausschuss stellte
zudem fest, dass ein Anspruch auf Regelaltersrente für den verstorbenen Ehemann nicht bestehe, weil dieser zu Lebzeiten keinen
wirksamen Antrag auf Gewährung einer Rente gestellt habe. Diese Feststellung hob das Sozialgericht Stuttgart (SG) im nachfolgenden Klageverfahren auf (S 15 RJ 4445/03, Gerichtsbescheid vom 16.06.2005). Die Berufung (L 9 R 2658/05, Urteil vom 12.09.2006) der Klägerin, gerichtet auf Zahlung der Altersrente, und die Revision beim Bundessozialgericht <BSG>
(B 13/4 R 531/06 R, Beschluss vom 12.09.2007) blieben ohne Erfolg.
Mit Bescheid vom 09.11.2007 lehnte die Beklagte sodann den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Altersrente für N.C. für
die Zeit vom 01.11.1992 bis 30.09.2002 ab. Zur Begründung verwies die Beklagte auf §
59 Abs.
1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), wonach Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind
noch ein Verwaltungsverfahren anhängig ist. N. C. habe vom griechischen Versicherungsträger ab dem 04.10.1982 bis zu seinem
Tode eine Invaliditätsrente bezogen. Eine den deutschen Vorschriften entsprechende Rente sei von der Deutschen Rentenversicherung
Baden-Württemberg im Jahre 1984 rechtskräftig abgelehnt worden. Vor dem Tode habe weder er (N. C.) noch die Klägerin nach
1984 eine Altersrente nach griechischem oder deutschem Recht beantragt. Damit sei weder ein Verwaltungsverfahren zum Zeitpunkt
des Todes des Versicherten anhängig gewesen noch sei eine Leistung auf Altersrente festgestellt worden. Ein Anspruch auf Sozialleistungen
setze nach §
40 SGB I grundsätzlich voraus, dass diese Leistungen beantragt werden.
Mit Schreiben vom 30.11.2007 hat die Klägerin Klage zum SG erhoben (Eingang 05.12.2007).
Die Beklagte wertete die Klageerhebung als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2008 zurück. Die
Beklagte wies darauf hin, dass gemäß §
102 Abs.
5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) Renten nur bis zum Ende des Monats geleistet würden, in dem der Berechtigte verstorben sei. Die Antragstellung sei aber
am 08.05.2003 und damit nach dem Tod des Versicherten erfolgt. Nach diesen Vorschriften stehe daher ein Altersrentenanspruch
nicht zu. Darüber hinaus liege ein Sachverhalt, bei dem eine Antragstellung entbehrlich wäre, nicht vor. Die Verlegung des
maßgeblichen Rentenantragsdatums auf einen Zeitpunkt vor dem Tod im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wäre
nur dann möglich, wenn der Rentenversicherungsträger einer Verpflichtung zur Information nicht nachgekommen wäre. Eine solche
bestehe grundsätzlich nach §
115 Abs.
6 SGB VI. Danach solle der Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung
erhalten können, wenn sie diese beantragen. Eine solche Hinweispflicht habe aber nicht bestanden, weil der Versicherte das
65. Lebensjahr am 23.10.1992 vollendet und keine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bezogen habe. Gemäß
§
59 Abs.
2 SGB I erlöschen Ansprüche auf Geldleistungen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt seien noch ein
Verwaltungsverfahren über sie anhängig gewesen sei. Dies sei vorliegend der Fall, weswegen der Widerspruch zurückzuweisen
gewesen sei.
Mit Urteil vom 31.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG war ebenfalls der Überzeugung, dass der Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente mit dem Tod des N. C. nach §
59 Satz 2
SGB I erloschen sei und daher nicht gemäß §
56 SGB I auf die Klägerin habe übergehen können. Dabei hat das SG zunächst festgestellt, dass die grundsätzlichen Voraussetzungen eines Anspruches auf Altersrente (§
35 SGB VI in der bis 31.12.2007 gültigen Fassung) vorgelegen haben. Allerdings würden Renten nur auf Antrag geleistet und erst mit
Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen des §
99 SGB VI würden Ansprüche aus einer Rente fällig und gemäß §
115 Abs.
1 SGB VI das Verwaltungsverfahren eingeleitet. Ein Rentenantrag sei auch nicht gemäß §
115 Abs.
3 Satz 1
SGB VI entbehrlich gewesen. Die fehlende Rentenantragstellung könne jedoch im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches
fingiert werden. Voraussetzung hierfür sei, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses
verbliebene Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft verletzt habe, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers
und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang bestehe und dass der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln
eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden könne, wobei die Korrektur durch den Herstellungsanspruch
dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen dürfe. Die Beklagte habe zwar eine gegenüber dem verstorbenen Ehemann der
Klägerin bestehende Beratungspflicht nach §
115 Abs.
6 SGB VI verletzt, weil die Beklagte es versäumt habe, den verstorbenen Ehemann der Klägerin auf die Möglichkeit der Beantragung einer
Regelaltersrente hinzuweisen. §
115 Abs.
6 Satz 1
SGB VI sei zum 01.01.1992 in Kraft getreten und der Ehemann der Klägerin habe am 23.10.1992 das 65. Lebensjahr vollendet, sodass
die Vorschrift auf ihn anwendbar gewesen wäre. Aufgrund des vorangegangenen Erwerbsminderungsrentenverfahrens in den Jahren
1983/1984 sei der Beklagten auch bekannt gewesen, dass der Kläger Versicherungszeiten in Deutschland zurückgelegt habe, die
grundsätzlich zu einer Rentenberechtigung hätten führen können, und dass er nunmehr wieder in Griechenland lebe. Aber auch
eine fingierte Antragstellung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sei nach Überzeugung der Kammer nach
§
59 Satz 2
SGB I erloschen. Denn im Zeitpunkt des Todes der Berechtigten sei ein Anspruch auf Geldleistungen weder festgestellt noch ein Verwaltungsverfahren
über sie anhängig gewesen. Das SG hat sich der Entscheidung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 25.10.1984 (11 RA 18/84) angeschlossen, wonach in einem solchen Fall der Anspruch des Versicherten mit seinem Tode erlischt. Die Verpflichtung der
Beklagten könne das Erlöschen des Anspruches mit dem Tode des Versicherten nicht verhindern. §
59 Satz 2
SGB I stelle nicht darauf ab, welche Verfahrenslage im Zeitpunkt des Todes hätte bestehen können oder müssen. Maßgebend sei allein
die in diesem Zeitpunkt tatsächlich bestehende Verfahrenslage. Der Gesetzgeber habe einen Anspruchsübergang für den Fall,
dass Verfahrensmaßnahmen unterblieben seien, nicht vorgesehen. Auch der Gesetzesbegründung zur Einführung von §
56 und §
59 SGB I sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass dann, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistungen nicht
erfüllt würden, dies in der Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehöriger
beeinträchtige, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Um diese Benachteiligung auszugleichen, sehe § 56 die Sonderrechtsnachfolge
vor. Der Übergang von Geldleistungen auf einen Rechtsnachfolger sei jedoch aus rechtssystematischen und verwaltungspraktischen
Gründen nur insoweit angebracht, als die Leistungen bereits festgestellt oder vom Berechtigten beantragt worden seien oder
das Feststellungsverfahren zu Lebzeiten des Berechtigten von Amts wegen eingeleitet worden sei. Eine zu berücksichtigende
Benachteiligung liege nicht vor, wenn der Leistungsanspruch von dem Leistungsberechtigten oder von Amts wegen zu Lebzeiten
nicht geltend gemacht worden sei und deshalb die Lebensverhältnisse der Angehörigen des Anspruchsberechtigten nicht beeinflusst
haben könne. Insoweit sei auch bei Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ein Anspruchsübergang nach §
59 Satz 2
SGB I ausgeschlossen. Der insoweit entgegenstehenden Ansicht des Sächsischen Landessozialgerichtes <LSG> (Urteil vom 26.04.2007,
L 2 U 114/05) habe sich die Kammer nicht anschließen können. Weil die Hinterbliebenen nicht auf die Zuerkennung der Rente hätten vertrauen
können und insoweit eine besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin nicht gegeben sei.
Gegen das ihr am 18.07.2011 zugegangene Urteil hat die Klägerin am 18.10.2011 beim SG Berufung eingelegt. Mit ihrer Berufung begehrt sie, ihr die Witwerrente, 60 % der Rente, die ihr Ehemann haben würde, sowie
die Nachzahlungen zu bezahlen, weil der Ehemann am 01.11.1992 sein 65. Lebensjahr vollendet und auch die Voraussetzungen für
eine Mindestrente erfüllt gehabt habe.
Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Mai 2011 sowie den Bescheid vom 19. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersrente aus der Versicherung ihres am 24. Oktober 1927
geborenen und am 8. September 2002 verstorbenen Ehemanns wegen Vollendung des 65. Lebensjahres vom 1. November 1992 bis 30.
September 2002 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihres Erachtens zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz verwiesen.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung
der Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes als dessen Rechtsnachfolgerin im Zeitraum vom 01.11.1992 bis 30.09.2002 hat.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die Rechtsauffassung der Kammer nicht zu beanstanden ist, wonach auch bei Verletzung
der in §
115 Abs.
6 SGB VI normierten Hinweispflicht und eines sich hieraus ergebenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruches das Erlöschen des Anspruches
auf Geldleistungen nach §
59 S. 2
SGB I nicht wegen dieses Herstellungsanspruches ausgeschlossen ist. §
59 SGB I normiert den Grundsatz, dass nicht nur Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen (Satz 1), sondern auch Ansprüche auf Geldleistungen
mit dem Tode des Berechtigten erlöschen. Für letztere Leistung gilt dies nicht, wenn diese Leistung im Zeitpunkt des Todes
bereits festgestellt oder aber ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen ist. Zwar soll ein solches Verwaltungsverfahren mit
der Anerkennung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, also einer nach einem rechtzeitig erteilten Hinweis des Rentenversicherungsträgers
erfolgten Antragstellung nach §
99 Abs.
1 S. 1
SGB VI, fingiert werden. Dennoch widerspricht gerade die Fiktion eines solchen Verwaltungsverfahrens über ein richterrechtliches
Rechtsinstitut der eindeutigen Grundaussage der gesetzlichen Regelung. Insoweit darf nicht außer Acht gelassen werden, dass
über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Folgenbeseitigungsanspruch einer Nebenpflichtverletzung nicht dem Versicherten
und ursprünglich Berechtigten zugutekommen soll, sondern seinen Rechtsnachfolgern im Sinne des §
56 SGB I. Hierfür bedarf es angesichts des Wortlauts der Vorschrift und der sich aus der BT-Drucksache (7/868, S. 33) ergebenden Begründung
zur Einführung der §§
56 bis
59 SGB I einer besonderen Rechtfertigung, die sich dem Gesetz für die vorliegende Fallgestaltung nicht entnehmen lässt und die auch
nicht über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden kann. Ansprüche auf laufende Geldleistungen
stehen den in §
56 SGB I genannten Rechtsnachfolgern nur dann zu, wenn sie zur Zeit des Todes mit dem Berechtigten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt
oder wesentlich von ihm unterhalten worden sind. Die Gesetzesbegründung (a.a.O.) weist im Rahmen der Erläuterung zu den §§
56 bis 59 darauf hin, dass im Gegensatz zu Dienst- und Sachleistungen, deren Übergang auf den Rechtsnachfolger nicht sinnvoll
sei, bei Geldleistungen der Grundsatz des Rechtsanspruches seinen Ausdruck darin finden müsse, dass Leistungsansprüche des
Berechtigten, die im Zeitpunkt seines Todes bestehen und noch nicht erfüllt sind, bei seinem Tod nicht untergehen. Einschränkend
wird weiter ausgeführt, dass der Übergang von Geldleistungen aus "rechtssystematischen und verwaltungspraktischen Gründen
nur insoweit angebracht" ist, wenn die Leistungen entweder festgestellt, vom Berechtigten beantragt oder ein Feststellungsverfahren
von Amts wegen eingeleitet worden ist. Insoweit hat der 11. Senat des BSG (11 RA 18/84, a.a.O.) überzeugend ausgeführt, dass §
59 S. 2
SGB I auf die im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten tatsächlich bestehende Rechtslage abstellt und nicht auf eine, die hätte
bestehen können oder müssen. Der Gesetzgeber hat einen Anspruchsübergang für den Fall, dass Verfahrensmaßnahmen unterblieben
waren, nicht vorgesehen. Eine Gesetzeslücke besteht auch dann nicht, wenn der Versicherungsträger für das Unterbleiben (allein-
oder mit-) verantwortlich ist. Eine zu berücksichtigende Benachteiligung der Familienangehörigen, die die Voraussetzungen
der Sonderrechtsnachfolge erfüllen, ein gerade diesen Personenkreis schützenswerter Vertrauenstatbestand, liegt unter Berücksichtigung
des Gesetzeszwecks und nach der vorliegenden Begründung in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG dann gerade nicht vor, wenn zu Lebzeiten des Versicherten mangels eines Antrages oder eingeleiteten Feststellungsverfahrens
noch nicht einmal eine Aussicht auf zu erwartende Geldleistungen bestand (so auch LSG NRW, Urteil vom 03.12.2008, L 17 U 46/08, in [...]).
Soweit der 8. Senat des BSG (Urteil v. 08.10.1998, B 8 KN 1/97 U R, in [...]) sowie weitere vom SG in der angefochtenen Entscheidung zitierte Stimmen in Rechtsprechung und Literatur eine gegenteilige Auffassung vertreten,
bleiben diese ohne Begründung und Auseinandersetzung mit der Entscheidung des 11. Senats vom 25.10.1984. Aus diesem Grund
vermögen die angeführten Entscheidungen nicht zu überzeugen und auch keine andere Beurteilung zu rechtfertigen.