Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente in der gesetzlichen Unfallversicherung
Anforderungen an die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Wirbelkörperfraktur bei einer Vorerkrankung im
Sinne des Morbus Bechterew
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente im Streit.
Der 1941 geborene Kläger bezieht seit 2003 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Am 11.03.2016 fiel er
während der Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit als Lieferfahrer rückwärts aus seinem Lieferwagen, als er beim Betreten
des Fahrzeugs auf dem Trittbrett ausrutschte.
Der am Unfalltag aufgesuchte Durchgangsarzt E diagnostizierte nach Anfertigung einer Röntgenaufnahme eine formal als instabil
zu wertende Chance-Fraktur BW10/11 bei vorbestehendem Morbus Bechterew [chronisch entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule,
die mit chronischen Schmerzen einhergeht und zu einer Versteifung der Wirbelsäule führen kann] und verknöchertem ventralen
Band zwischen den Brustwirbelkörpern (BWK) 10 und 11.
Der Kläger wurde vom 11.03. bis 24.03.2016 stationär im Universitätsklinikum W. behandelt. Hier wurde eine Hyperextensionsverletzung
Th10/11 bei Morbus Bechterew ohne neurologische Ausfälle diagnostiziert und am 15.03.2016 eine Osteosynthese [Versteifung]
der BWK 9 bis 12 durchgeführt.
In einem Krankheitsbericht vom 20.09.2016 vertraten K und J von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L die Auffassung,
dass eine regelrecht einliegende dorsale Instrumentierung BWK bzw. Th12 auf Th9 bei knöchern konsolidierten Wirbelkörperfrakturen
vorliege. Es sei wahrscheinlich, dass eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaße verblieben sei, weshalb eine Begutachtung empfohlen
werde.
Im Abschlussbericht vom 30.09.2016 teilten E und B vom Caritas-Krankenhaus M mit, dass nach der Röntgenaufnahme vom 29.09.2016
knöchern konsolidierte Wirbelkörperfrakturen vorlägen. Auch im Vergleich zu den Aufnahmen vom Mai 2016 zeige sich keine Änderung
der Lage des Materials.
Ohne weitere Begutachtung bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25.10.2016 eine Rente als vorläufige Entschädigung
nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 von Hundert (v.H.). Für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.06.2017.
Darüber hinaus bestehe voraussichtlich kein Anspruch auf Rente. Der Arbeitsunfall habe zu einer Versteifung der BWK 9 bis
12 nach operativer Versorgung von Frakturen des 10. und 11. BWK geführt. Vorbestehend sei ein Morbus Bechterew der Wirbelsäule
gewesen.
Am 22.04.2017 beantragte der Kläger die Weiterzahlung dieser Verletztenrente. Daraufhin beauftragte die Beklagte den E mit
der Erstellung eines Rentengutachtens. In dem Gutachten vom 01.08.2017 wird mitgeteilt, dass eine regelrechte Lage des Implantatmaterials
vorliege und kein Anhalt für eine Lockerung oder Lyse bestehe. Es bestehe eine knöcherne Überbauung ventral im Bereich BWK10/11
ohne Wirbelkörper- oder wesentliche Zwischenwirbelhöhenminderung im Bereich der angrenzenden Segmente bzw. Wirbelkörper. Die
wesentlichen Unfallfolgen bestünden in einer verminderten Belastbarkeit im Bereich des thorakolumbalen Übergangs bei stattgehabter
dorsaler Stabilisierung nach Hyperextensionsverletzung Th10/11 ohne neurologische Ausfälle. Außerdem bestünden Gefühlsstörungen
im Narbenbereich bei Fremdkörpergefühl des noch verbliebenen dorsalen Spondylodesematerials. Unabhängig vom Unfall bestünden
ein Morbus Bechterew der BWS, LWS und HWS (bekannt seit 2003), eine arterielle Hypertonie, ein Zustand nach Handgelenksfraktur
links vor vielen Jahren, eine Rektusdiathese sowie multiple Lipome am ganzen Körper. Die MdE betrage dauerhaft 15 v.H.
Mit Bescheid vom 25.08.2017 lehnte die Beklagte daraufhin die Weitergewährung der Verletztenrente ab. Zur Begründung stützte
sie sich auf das Gutachten, wonach wegen der Folgen des Arbeitsunfalls nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums eine rentenberechtigende
MdE nicht mehr vorliege.
Der deswegen eingelegte Widerspruch vom 07.09.2017 wurde damit begründet, dass nach durch die Versteifung bedingten Bewegungseinschränkungen
die unfallbedingte Schmerzbelastung zu- statt abgenommen habe und trotz verstärkter Schmerzmedikation die vom Kläger früher
ohne Probleme bewältigten kilometerlangen Spaziergänge und Fahrradtouren nicht mehr möglich seien. Auch seine geringfügige
Beschäftigung als Kurierfahrer sei wegen des Auftretens der Schmerzbelastung beim Fahren nicht mehr möglich. Schmerzbedingt
hätten sich zudem Schlafstörungen und eine weitere Beeinträchtigung der Lebensqualität entwickelt. Bereits zuvor sei darauf
hingewiesen worden, dass eine dauerhafte Einschränkung der MdE um 20 v.H zu erwarten sei. Im Übrigen sei auch nach der unfallmedizinischen
Literatur für den Zeitraum des Verbleibs des Osteosynthesematerials eine MdE um 20 v.H. anzunehmen (mit Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, S. 466). Dies gelte hier umso mehr unter Berücksichtigung des erheblichen Schmerzniveaus
des Klägers.
Der Beratungsarzt W vertrat indes die Auffassung, dass das Gutachten überzeugend und zutreffend sei. Die MdE-Einschätzung
sei seiner Ansicht nach noch deutlich niedriger anzusetzen. Es bestehe eine dokumentierte Vorerkrankung im Sinne des Morbus
Bechterew, weswegen durch die Versteifung im vorliegenden Falle keine weitere Beeinträchtigung entstanden sei, welche den
verfügbaren Arbeitsmarkt weiter einschränken würde. Er halte eine unfallbedingte MdE mit weniger als 10 v.H. als zutreffend
bewertet. Die Einwendungen des Klägers seien nicht nachvollziehbar.
Daraufhin hat die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2018 als unbegründet zurückgewiesen, wozu sie
sich auf die Argumentation des Gutachters und ihres Beratungsarztes stützte.
Deswegen haben die Bevollmächtigten des Klägers am 25.01.2018 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Auffassung, eine weitere wesentliche Einschränkung sei aufgrund des Unfalls sei wegen des Morbus Bechterew
nicht eingetreten, müsse als abwegig bezeichnet werden. Der Kläger sei bis zum Unfallgeschehen bei bester gesundheitlicher
Verfassung gewesen und trotz bestehender Altersberentung noch in der Lage gewesen, eine ausgeprägte Nebentätigkeit mit durchaus
anspruchsvoller körperlicher Belastung durchzuführen. Irgendwelche Bewegungseinschränkungen oder Schmerzbelastungen seitens
der Wirbelsäule hätten vor dem Unfall nicht bestanden.
Im Klageverfahren ist zunächst ein Gutachten von Amts wegen bei dem C vom 30.07.2018 eingeholt worden. Danach sei radiologisch
nachgewiesen, dass eine vollkommen in achsengerechter Stellung verknöcherte Brustwirbelsäule mit reizlos und ohne Hinweis
auf Lockerung einliegendem Spondylodesematerial (acht Schrauben und zwei Stangen) zwischen dem 9. und 12. Brustwirbelkörper
vorliege. Auch die Narben seien reizlos, bei Vorliegen einer insgesamt schmächtig entwickelten paravertebralen Muskulatur,
einer Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der unteren Brustwirbelsäule, und einer aufgehobenen Beweglichkeit bei vorbestehendem
Morbus Bechterew. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe eine schmächtig entwickelte paravertebrale Muskulatur mit ebenfalls
aufgehobener Beweglichkeit. Diesem klinischen Befund entspreche der radiologische Befund einer infolge des Morbus Bechterew
vollkommenen knöchernen Versteifung der Lendenwirbelsäule in weitgehend achsengerechter Stellung. Ein Zusammenhang mit dem
Ereignis vom 11.03.2016 liege vor im Hinblick auf die Narben im Bereich der Brustwirbelsäule, die Klopfschmerzangabe über
den Dornfortsätzen der unteren Brustwirbelsäule sowie hinsichtlich der reizlos und ohne Hinweis auf Lockerung einliegenden
Stabilisierungsimplantate. Bei der Bewertung der MdE sei zu berücksichtigen, dass die Wirbelsäule auch in dem operativ stabilisierten
Bereich schon vor dem Ereignis vom 11.03.2016 aufgrund des unfallunabhängig vorbestehenden Morbus Bechterew vollkommen versteift
gewesen sei. Nach Eintritt der knöchernen Heilung bestehe abgesehen von subjektiven Beschwerden sowohl hinsichtlich der Beweglichkeit
dieses Wirbelsäulenabschnittes als auch hinsichtlich der Stabilität und der Stellung der Wirbelsäule gewissermaßen ein Status
quo ante [vorheriger Zustand]. Das Zitat der Klägerseite von Schönberger/Mehrtens/Valentin (9. Aufl., S. 466) mit Hinweis
auf eine MdE um 20 v.H. bei einliegendem Osteosynthesematerial sei aus medizinischer Sicht nicht plausibel und nachvollziehbar.
Nach Eintritt der knöchernen Heilung erfolge nämlich die Lastaufnahme vornehmlich über die Wirbelkörper und nicht über das
einliegende Spondylodesematerial. Die Implantate seien also ab diesem Zeitpunkt funktionslos und könnten deshalb prinzipiell
auch jederzeit ohne Stabilitätsverlust entfernt werden. Ein Ermüdungsbruch der Implantate wäre nur dann zu erwarten und zu
befürchten, wenn keine vollkommene knöcherne Heilung eingetreten sei, was beim Kläger jedoch nicht der Fall sei. Demgemäß
sei die unfallbedingte MdE mit unter 10 v.H. zu bewerten. Sofern E in seinem Gutachten vom 01.08.2017 von einer verminderten
Belastbarkeit im Bereich des thorako-lumbalen Übergangs ausgehe, könne dem nicht zugestimmt werden, da das Ereignis vom 11.03.2016
diesen Bereich überhaupt nicht betroffen habe. Der thorakolumbale Übergang hingegen sei schon vor dem Ereignis steif gewesen
und sei es auch jetzt noch.
Daraufhin hat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers der H ein weiteres Gutachten erstellt. In dem Gutachten vom 04.01.2019
werden die Unfallfolgen als schmerzhafte Funktionsstörung im Bereich der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule nach minimalinvasiver
Stabilisierung einer instabilen Wirbelsäulenverletzung im Segment Th10/11 durch Zerreißung der lokalen Bandscheibe, bei umfangreichen
Einsteifungen oberhalb und unterhalb dieses Bewegungssegmentes durch eine unfallunabhängige Bechterew-Erkrankung, beschrieben.
Die unfallbedingte MdE betrage 30 v.H. Nach der einschlägigen Literatur (Zitat wie bei den Klägerbevollmächtigten) werde ein
verheilter Wirbelbruch mit statisch wirksamem Achsenknick und verbliebener segmentaler Instabilität (muskulär teilkompensiert)
mit einer MdE von 20 bis 30 bewertet. Im vorliegenden Fall sei es zu keinem relevanten Wirbelbruch mit Achsabknickung gekommen,
jedoch zu einer dauerhaften segmentalen Instabilität aufgrund der Zerrüttung der Bandscheibe Th10/11. Dies würde seiner Einschätzung
nach zumindest eine MdE-Bewertung am unteren Rand des Empfehlungsbereiches belegen. Aufgrund präventiver Gesichtspunkte werde
jedoch auch eine MdE um 20 v.H. bei noch einliegendem Osteosynthesematerial empfohlen. Außerdem erhöhe sich die Empfehlung
um zweimal 5%, da beim Kläger nicht ein Segment, sondern drei Segmente stabilisiert worden seien. Dabei sei im vorliegenden
Fall noch nicht einmal berücksichtigt, dass die biomechanischen Belastungen im verletzten Wirbelsäulenabschnitt deutlich höher
als üblich seien, da unfallunabhängig die Wirbelsäule ober- und unterhalb der Verletzungsstelle fast vollständig eingeseift
gewesen sei. Dies führe biomechanisch dazu, dass ungewöhnlich große Hebekräfte auf das verletzte Segment einwirkten ("besondere
Betroffenheit"). Entgegen C gehe es nicht um eine primär knöcherne Verletzung der Wirbelsäule, sondern um eine Verletzung
von Bandscheibengewebe. Dieses könne medizinisch betrachtet nicht knöchern stabil ausheilen, sondern allenfalls bindegewebig
vernarben. Eine solche bindegewebige Vernarbung sei jedoch nie annähernd so stabil wie eine gesunde Bandscheibe. Deswegen
sei es auch nicht denkbar, das einliegende Osteosynthesematerial zu entfernen.
Der Beratungsarzt W hat am 12.04.2019 die Auffassung vertreten, dass die MdE-Bewertung durch H nicht nachvollziehbar sei.
Die von diesem behauptete verbliebene segmentale Instabilität könne er nicht beweisen. Es sei bereits deswegen von einer stabilen
Situation im Bereich der Wirbelsäule des Klägers auszugehen, da bisher bei dem bekanntermaßen an Morbus Bechterew erkrankten
Kläger weder eine Auslockerung noch ein Materialbruch trotz osteoporotisch schlechter Knochen erfolgt sei. Entgegen H sei
auch bei Bandscheibenverletzungen von Bechterew-Erkrankten eine stabile Ausheilung möglich, was die wirbelsäulenchirurgische/-traumatologische
Erfahrung zeige. Die narbige bindegewebige Versteifung führe entgegen den Aussagen des H sehr wohl zu einer stabilen Situation.
Auch die Argumentation des H mit einer besonderen Belastung des verletzten Wirbelsäulenabschnitts sei nicht nachvollziehbar,
da insgesamt eine Versteifungssituation vorliege.
Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 21.04.2020 den Bescheid vom 25.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17.01.2018 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen des Unfalls vom 11.03.2016 ab dem 01.07.2017 eine
Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren, und die darüberhinausgehende - auf Gewährung einer Verletztenrente
nach einer höheren MdE gerichtete - Klage abgewiesen. Aufgrund des noch einliegenden Osteosynthesematerials sei nach den einschlägigen
Erfahrungssätzen von einer MdE um 20 v.H. auch nach knöcherner Heilung auszugehen (mit Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. S. 466). Grund hierfür sei, dass im Anschluss an diese Versorgung übermäßige Wirbelsäulenbelastungen
vermieden werden sollten, um das Risiko von Ermüdungsbrüchen des Materials nicht zu erhöhen. Der C habe keine nachvollziehbaren
Gründe mitgeteilt, die ein Abweichen von diesem Erfahrungssatz begründen könnten. Dieser gelte explizit auch nach knöcherner
Heilung. Eine höhere MdE lasse sich dagegen nicht begründen, da es bei der Beurteilung der MdE nach Wirbelsäulenverletzung
primär auf die Stabilität der Ausheilung und eventuell verbliebener Achsenabweichung und unfallbedingte Bewegungseinschränkung
ankomme. Eine Instabilität sei nach Ansicht des SG nicht gegeben. Eine solche Instabilität habe lediglich der H festgestellt. Allerdings sei auch dieser bei der Darstellung
der Unfallfolgen von einer Stabilisierung der ursprünglich instabilen Wirbelsäulenverletzung ausgegangen. Befunde, welche
eine Instabilität nahelegen könnten, würden in seinem Gutachten noch nicht genannt. Die Einschätzung auf der Grundlage einer
angenommenen Instabilität sei daher nicht nachvollziehbar, weswegen die MdE insgesamt mit 20 v.H. zu bewerten und eine Verletztenrente
in dieser Höhe zu gewähren sei. Der Gerichtsbescheid ist den Bevollmächtigten des Klägers und der Beklagten am 27.04.2020
zugestellt worden.
Am 05.05.2020 hat die Beklagte beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Bereits zum Unfallzeitpunkt
habe bei dem Kläger an der gesamten Wirbelsäule ein Morbus Bechterew vorgelegen, also eine chronisch-entzündlich-rheumatische
Erkrankung des Achsenskeletts, in deren Folge die Wirbelsäule des Klägers versteift gewesen sei. Vorderes und hinteres Längsband
seien verknöchert gewesen. Die Computertomographie (CT) vom Unfalltag habe gezeigt, dass die Brustwirbelsäule des Klägers
durch den Morbus Bechterew vollkommen knöchern versteift gewesen sei (mit Hinweis auf die entsprechenden Ausführungen des
Gutachters C). Es sei bei fest einliegendem Osteosynthesematerial ohne diesbezüglicher Schmerzangaben daher zutreffend, dass
der C die MdE in diesem Bereich mit unter 10 v.H. bewertet habe. Der Hinweis auf die Fundstelle in Schönberger/Mehrtens/Valentin
übergehe, dass beim Kläger vor dem Unfall bereits keine relevante Beweglichkeit mehr in dem verletzten Wirbelsäulenabschnitt
vorgelegen habe. Die Rentenbegutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung sei jedoch im Kern eine Funktionsbegutachtung,
weswegen die Beurteilung der Leistungsfähigkeit nach den durch den Unfall eingetretenen Folgen des Versicherungsfalls vorzunehmen
sei. Zu berücksichtigen sei ferner, dass beim Kläger neben dem fehlenden Eintritt einer funktionellen Einschränkung weder
ein instabiler Bruchbereich noch eine Achsabweichung festzustellen seien. Das Gleiche gelte auch bezüglich Hinweisen auf eine
etwaige Implantatlockerung oder neurologische Ausfälle. Funktionell könne aufgrund der vorbestehenden Versteifung aufgrund
des Morbus Bechterew keine weitere wesentliche Funktionseinschränkung durch den Unfall angenommen werden. Eine solche Annahme
rechtfertige sich auch nicht alleine mit dem Umstand, dass noch Operationsmaterial einliege.
Am 01.07.2020 haben die Bevollmächtigten des Klägers Anschlussberufung mit dem Ziel erhoben, für den Kläger die Gewährung
einer Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu erreichen. Zur Begründung stützen sie sich maßgeblich auf die gutachterlichen
Ausführungen des H, der bei dem Kläger eine Instabilität festgestellt und auch eine besondere Betroffenheit überzeugend dargelegt
habe. Zu berücksichtigen sei ferner die aufgrund des Unfalls bestehende erhebliche Schmerzproblematik.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.04.2020 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.08.2017
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2018 abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.04.2020 zurückzuweisen und die Beklagte unter
Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.04.2020 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls
vom 11.03.2016 ab dem 01.07.2017 eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren.
Im Berufungsverfahren ist eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des H eingeholt worden, welche dieser am 29.07.2020
vorgelegt hat. Es sei zutreffend, dass sich nach erneuter Durchsicht der Röntgenaufnahmen der Brust- und Lendenwirbelsäule
keine eindeutigen Hinweise auf eine Auslockerung des Osteosynthese-Metalls oder Anzeichen für einen Metallbruch fänden. Es
bestünden aber auch keine Anzeichen einer knöchernen Versteifung des Segments Th10/11. Unstreitig dürfte sein, dass der Unfall
anfänglich zu einer Instabilität in diesem Bewegungssegment geführt habe und dass deswegen ein operativer Eingriff erforderlich
gewesen sei (durch sogenannten Fixateur intern). Es sei jedoch unmöglich vorherzusagen, wie lange das eingebaute Material
der Belastung standhalte, zumal kein Gutachter annähernd quantitativ abschätzen könne, welchen Belastungen sich der Kläger
täglich aussetze. Eine stabile Ausheilung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts sei somit nicht erfolgt, sondern werde lediglich
- auf nicht genau absehbare Zeit - durch das einliegende Osteosynthesematerial gewährleistet. Gehe man davon aus, dass mit
der Beurteilung der Beklagten der Vorschaden in einer Wechselwirkung mit der Funktionsbegutachtung sei, könne nur ein prozentual
kleinerer Teil der Funktionsstörung der Wirbelsäule dem Unfall zugeschrieben werden und die MdE läge in diesem Falle tatsächlich
lediglich bei 10 v.H. oder weniger. Allerdings ließe sich auch umgekehrt argumentieren, dass unfallabhängig wegen der Vorerkrankung
der Wirbelsäule der Kläger zuvor bereits in seiner Erwerbsfähigkeit deutlicher beeinträchtigt gewesen sei, weswegen ihn die
zusätzliche Beeinträchtigung durch den Unfall prozentual stärker betreffe als jemanden mit einer gesunden Wirbelsäule. Unter
diesem Gedanken erscheine eine Bewertung der Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. oder sogar höher durchaus angemessen.
Die Beklagte hat hierzu eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme des W vom 26.08.2020 vorgelegt. Danach sei den Ausführungen
des H weitgehend zu widersprechen. Die Beklagte habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die MdE-erhöhende Wirkung eines einliegenden
Implantates gemäß Schönberger/Mehrtens/Valentin sich ihrem Sinn nach nur auf eine "gesunde" und nicht durch Morbus Bechterew
oder deshalb eingesteifte Wirbelsäule beziehen könne. Die Überlegung sei, dass die durch das Implantat teilversteifte Wirbelsäule
zu einer vermehrten Belastung benachbarter beweglicher Segmente mit dem Risiko eines frühzeitigen Verschleißes führe, wobei
diese Gefahr bei einer eingesteiften Wirbelsäule natürlich nicht bestehe. Insofern fehle es an einem Grund für eine implantatbedingte
MdE-Anerkennung. Im Übrigen sei aus Sicht langjähriger Erfahrungen in der Wirbelsäulentraumatologie davon auszugehen, dass
die Gefahr eines Bruchs des Osteosynthesematerials erfahrungsgemäß nach Einlegen des Materials für eine Dauer von mehr als
zwei Jahren gegen 0 gehe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten
und die Akten des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§
143,
144 SGG zulässig und begründet. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 25.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2018 ist rechtmäßig,
weil dem Kläger nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ab dem 01.07.2017 kein Anspruch auf Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls
vom 11.03.2016 zusteht. Der entgegenstehende Gerichtsbescheid vom 21.04.2020 war daher auf die Berufung der Beklagten aufzuheben
und die Klage des Klägers insgesamt unter Zurückweisung seiner weitergehenden Anschlussberufung abzuweisen.
Die Beklagte hat das Unfallereignis vom 11.03.2016 bestandskräftig als versicherten Arbeitsunfall nach dem
SGB VII anerkannt. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3,
6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder
zum Tod führen (§
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den
Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder
den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Die Entstehung länger andauernder Unfallfolgen aufgrund
des Gesundheits(erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls
(ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, - B 2 U 40/05 R - und - B 2 U 26/04 R -, juris).
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus
um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle
gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall,
Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens
10 vom Hundert mindern (§
56 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung
SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung
festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§
62 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte
Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der
MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben
(§
62 Abs.
2 SGB VII).
Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der
Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger
Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung
der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG, Urteile vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R - und vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R -; juris). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken,
sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich
darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt
sind (BSG, Urteile vom 14.11.1984 - 9b RU 38/84 - und vom 30.06.1998 - B 2 U 41/97 R -, juris). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher
oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens
und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R -, juris).
Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen
Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für
die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen
Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O; BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, juris). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur
Höhe der MdE unterbreitet, sie sind aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend (BSG, Urteile vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, vom 30. Juni 1998 - B 2 U 41/97 R -, vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R -; juris). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen
Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R -, juris mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R -, juris).
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der
MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R -, juris). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen
der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles
durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt
des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 30.05.1988 - 2 RU 54/87 -, 211, 212; Bereiter-Hahn/Mehrtens,
SGB VII, Ergänzungslieferung 1/20, §
56 Rn. 10.1 ff. Dies verlangt §
56 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. Abs.
1 Satz 1
SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten
Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
Der Senat stellt nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme fest, dass bei dem Kläger aufgrund des (von der Beklagten mit
Bescheid vom 25.10.2016 zumindest konkludent anerkannten) Arbeitsunfalls vom 11.03.2016 als Unfallfolge eine operativ erfolgte
Versteifung der BWK 9 bis 12 nach unfallbedingten Frakturen des 10. und 11. BWK (Gesundheitserstschaden) vorliegt. Als Vorschaden
lag bei dem Kläger ein Morbus Bechterew vor. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig und steht nach den
insoweit übereinstimmenden Gutachten auch zur Überzeugung des Senats fest.
Gegen das Vorliegen wesentlicher funktioneller Einschränkungen durch die anerkannten Unfallfolgen spricht das Ergebnis der
Begutachtung durch C vom 30.07.2018, der eine vollkommen in achsengerechter Stellung verknöcherte Brustwirbelsäule mit reizlos
und ohne Hinweis auf Lockerung einliegendem Spondylodesematerial (acht Schrauben und zwei Stangen) zwischen dem 9. und 12.
Brustwirbelkörper beschrieben hat. Die Narben hat der Gutachter als reizlos beschrieben, wobei bei einer insgesamt schmächtig
entwickelten paravertebralen Muskulatur einer Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der unteren Brustwirbelsäule und
eine aufgehobene Beweglichkeit (auch) in diesem Bereich vorliegt. Der Senat geht davon aus, dass diese Beschreibung des Unfallfolgezustands
den Sachverhalt zutreffend abbildet, was sich aus der Übereinstimmung dieser Angaben mit den behandelnden Ärzten ergibt.
Entgegen den Ausführungen des H kann nicht angenommen werden, dass bei dem Kläger in dem von dem Unfall betroffenen Bereich
der Wirbelsäule (unmittelbar BWK 10 und 11, mittelbar aufgrund der unfallbedingt erforderlichen Versteifung BWK 9 bis 12)
eine funktional relevante wesentliche Instabilität vorliegt. Die Ausführungen des H erscheinen bereits in sich nicht schlüssig,
weil auch H betont, dass mit dem einliegenden Osteosynthesematerial aktuell von einer stabilen Situation des Achsorgans auszugehen
ist. Dies hat H auf Anfrage des Senats in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 29.07.2020 ausdrücklich mit
seiner Aussage bestätigt, dass sich nach erneuter Durchsicht der Röntgenaufnahmen der Brust- und Lendenwirbelsäule keine eindeutigen
Hinweise auf eine Auslockerung des Osteosynthese-Metalls oder Anzeichen für einen Metallbruch fänden. Es bestünden aber auch
keine Anzeichen einer knöchernen Versteifung des Segments Th10/11. Für die funktionelle Beurteilung - zu der MdE wird im Folgenden
Stellung genommen - kommt es jedoch zunächst nicht darauf an, ob eine knöcherne Versteifung vorliegt, oder ob die Versteifung
auf der festen Verankerung des Osteosynthesematerials beruht.
Sofern H hervorhebt, dass die Gefahr einer Lockerung des Materials oder eines Bruchs der Haltepunkte des Materials bestehe,
betrifft dies eine ungewisse zukünftige Entwicklung und nicht den aktuellen Zustand. Insofern kann auch entgegen H davon ausgegangen
werden, dass bei Verletzungen der Wirbelsäule wie beim Kläger eine "knöcherne Heilung" möglich ist, da dies der gängigen Terminologie
in der medizinischen Begutachtung entspricht (vgl. die auch von H zitierte Fundstelle in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.
S. 466). Dass eine stabile bzw. operativ stabilisierte Situation in dem Bereich BWK 9 bis 12 vorliegt, ergibt sich aus den
vorliegenden radiologischen Befunden und der übereinstimmenden Beurteilung durch die behandelnden Ärzte sowie durch die C
und E. Dieser Umstand steht daher ebenfalls zur Überzeugung des Senats fest.
So weisen K und J von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L in dem Krankheitsbericht vom 20.09.2016 darauf hin, dass
eine regelrecht einliegende dorsale Instrumentierung BWK bzw. Th12 auf Th9 bei knöchern konsolidierten Wirbelkörperfrakturen
vorliegt. Im kurz danach erstellten Abschlussbericht vom 30.09.2016 teilten E und B vom Caritas-Krankenhaus B mit, dass nach
der Röntgenaufnahme vom 29.09.2016 knöchern konsolidierte Wirbelkörperfrakturen vorliegt. Auch im Vergleich zu den Aufnahmen
vom Mai 2016 zeige sich keine Änderung der Lage des Materials.
Ausgehend von der CT-Aufnahme vom Unfalltag, welche nach C eine Einsteifung der Wirbelsäule zeigt, ist festzustellen, dass
nach dem Bruch der BWK 10 und 11 durch die operative Versteifung der BWK 9 bis 12 eine weitergehende funktionelle Einschränkung
durch den Unfall nicht vorliegt, da insoweit der vor dem Unfall bestehende Zustand wiederhergestellt worden ist. Der Durchgangsarzt
E hat bereits in seinem Bericht vom Unfalltag darauf hingewiesen, dass bei vorbestehendem Morbus Bechterew auf der von ihm
angefertigten Röntgenaufnahme ein verknöchertes ventrales Band zwischen BWK 10 und 11 erkennbar war (Bl. 3 VA). Durch den
Unfall ist es daher nicht zu einer weitergehenden funktionalen Einschränkung der Wirbelsäule des Klägers gekommen. Vielmehr
wurde durch den BWK 10 und 11-Bruch die zuvor bestehende Versteifung vorübergehend aufgehoben und anschließend operativ wiederhergestellt.
Die Behauptung des Klägers, vor dem Unfall habe keine wesentliche Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit entstanden,
ist mit den festgestellten Befunden (etwa dem Durchgangsarztbericht des E vom Unfalltag mit der Feststellung eines auf der
Röntgenaufnahme erkennbaren verknöcherten ventralen Bandes zwischen BWK 10 und 11) nicht vereinbar.
Voraussetzung eines Rentenanspruchs ist jedoch, dass der Versicherungsfall die Arbeitsmöglichkeiten des Versicherten auf dem
gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert, bei dem jeweiligen Versicherten also eine MdE verursacht. Für die Bemessung
der MdE muss das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ausgehend von konkreten
Funktionseinbußen beurteilt werden (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr 3, Rn. 17, m.w.N.).
Hier wirkt sich entscheidend aus, dass vor dem Unfall bereits eine weitgehend aufgehobene Beweglichkeit der Brustwirbelsäule
des Klägers vorgelegen hat. Der C spricht insoweit, gestützt auf die ihm vorliegenden Röntgenaufnahmen, von einer vorbestehenden
"völligen Versteifung", ohne dass dem der H substantiiert widerspricht. Der H konstatiert sogar selbst auf S. 12 seines Gutachtens
"umfangreiche Einsteifungen oberhalb und unterhalb dieses (verletzten) Bewegungssegments durch eine unfallunabhängige Bechterew'sche
Erkrankung". Auch der Kläger hat gegenüber dem H eine in den vergangenen 15 Jahren zunehmende Einsteifung seiner Wirbelsäule
bestätigt (S. 11 des Gutachtens). Der Senat stellt daher des Weiteren fest, dass im Vergleich zu dem Zustand vor dem Unfall
aktuell keine wesentliche zusätzliche Funktionseinschränkung eingetreten ist. Dies hebt auch der Beratungsarzt W in seinen
schlüssigen Stellungnahmen hervor, mit denen er sich der entsprechenden Argumentation des C ausdrücklich anschließt. Demgegenüber
nimmt H zu dem entscheidenden Umstand weitergehender Funktionseinschränkungen nach dem Unfall trotz der Nachfrage des Senats
gerade keine Stellung.
Die Fundstelle in Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. S. 466), dass bei einliegendem Osteosynthesematerial und auch nach
knöcherner Heilung übermäßige Wirbelsäulenbelastungen zu vermeiden seien, um das Risiko des Materialbruchs zu vermeiden, und
dass deswegen eine MdE um 20 v.H. zu rechtfertigen sei, kann sich insoweit jedoch nur auf den normalen Fall einer unfallbedingten
Bewegungseinschränkung und nicht auf den Fall beziehen, dass aufgrund der Unfallfolgen und der unfallbedingten Operationsfolgen
ein funktioneller "Status quo ante" hergestellt wird, wie ihn C schlüssig dargestellt hat.
Zwar gehört es mit zum Risiko der Unfallversicherung, dass sie auch für solche Folgen eines Arbeitsunfalles einzustehen hat,
die darauf beruhen, dass die unmittelbaren Unfallfolgen bei einem vorgeschädigten Versicherten eine stärkere Minderung der
Erwerbsfähigkeit verursachen, als bei einem bisher unversehrten Versicherten. Der Versicherte ist daher mit seinem Vorschaden
versichert (BSG, Urteil vom 13. Mai 1966 - 5 RKn 30/64 -, juris). Für den gleichen Schaden kann bei einem Vorgeschädigten danach eine höhere Rente als bei einem zuvor Gesunden
resultieren, wenn der Vorschaden eine wesentliche Bedeutung für die Unfallfolgen und für den Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit
hat (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 575). Erforderlich ist jedoch auch in diesem Fall, dass nach dem Unfall eine
weitergehende Einschränkung in der Funktionsbegutachtung und damit eine weitere Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten vorliegt,
welche beim Kläger jedoch hinsichtlich der Beweglichkeit der Wirbelsäule ("Status quo ante") gerade nicht vorliegt. Aufgrund
der auch insoweit schlüssigen Bewertung durch den C, der ein ausgewiesener Wirbelsäulen-Experte ist, geht der Senat von einer
MdE um lediglich 10 v.H. aus, was aus den subjektiven Beschwerden und der festgestellten Klopfschmerzangabe resultiert. Eine
Erhöhung dieser Bewertung aufgrund der Schmerzangaben des Klägers kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil
sowohl H als auch C keine entsprechenden Feststellungen getroffen haben, welche eine MdE-Erhöhung aus diesem Gesichtspunkt
rechtfertigen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.