Vorläufige Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II
Versagung wegen mangelnder Mitwirkung
Hinweistatsachen für eine Bedarfsgemeinschaft
Gegenseitiger Einstandswille
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf) begehrt vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg) im Rahmen des Eilverfahrens
vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 15.10.2018.
Die 1974 geborene Bf mit rumänischer Staatsangehörigkeit war in Deutschland berufstätig. Am 01.11.2015 bezog sie in A-Stadt,
A-Straße 12, eine 47 qm große Zweizimmerwohnung, für die sie als Alleinmieterin monatlich 1300,00 EUR Warmmiete zahlte.
Im 14.7.2016 erfolgte in Rumänien die Scheidung der Bf von ihrem in Rumänien lebenden Ehemann. Bei der Scheidung verpflichtete
sich die Bf, für die gemeinsamen, beim Vater in Rumänien lebenden 2001 und 2003 geborenen Kinder monatlich jeweils 150,00
EUR an Unterhalt zu zahlen. Am 01.09.2016 zog die Bf gemeinsam mit Herrn B. (B), mit dem sie nach den Ermittlungen des Bg
bereits in der Wohnung in der A-Straße12 gewohnt hatte, in die nunmehr bewohnte 60 qm große Zweizimmerwohnung um. Alleinmieter
der neuen Wohnung mit einer Gesamtmiete von 830,00 EUR (690,00 EUR Kaltmiete und 140,000 EUR Vorauszahlung für Betriebskosten
und Heizung) ist Herr B. Auf dem Mietvertrag sind handschriftlich die Handynummern von Herrn B und der Bf vermerkt, wobei
der Name der Bf bei ihrer Handynummer handschriftlich vermerkt ist.
Nachdem die Bf arbeitsunfähig erkrankt war, erhielt sie ab 17.04.2017 Krankengeld und nach den Angaben des Bg auch bis Oktober
2017 Leistungen nach dem SGB II. In dieser Zeit vereinbarten Herr B und die Bf einen "Untermietvertrag" mit Wirkung ab 01.08.2017, wonach die Bf an Herrn
B monatlich 550,00 EUR Warmmiete (§ 2 des Untermietvertrags: "Miete und Nebenkosten") in bar zahlen sollte. Im Untermietvertrag
finden sich keine Angaben zur Größe der einzelnen Zimmer. Vermerkt ist nur, dass die Bf "1 Zimmer" angemietet habe und Küche,
Bad und WC mitnutzen könne.
In der Zeit vom 15.01.2018 bis 21.06.2018 erhielt die Bf Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd.
Am 25.06.2018 sprach die Bf beim Bg vor und beantragte Leistungen nach dem SGB II. Sie sei bis zu drei Stunden am Tag erwerbsfähig Mit Schreiben vom selben Tag forderte der Bg die Bf auf, bis 14.07.2018
zahlreiche Unterlagen vorzulegen und belehrte darüber, dass nach derzeitigem Sachstand beabsichtigt sei, von der Regelung
des §
66 Abs.
1 SGB I Gebrauch zu machen und die beantragten Leistungen bei Nichtvorlage der geforderten Unterlagen in vollem Umfang zu versagen.
Nachdem die Bf den am 02.07.2018 unterschriebenen Hauptantrag mit einigen Unterlagen am 03.07.2018 eingereicht hatte, forderte
der Bg die Bf mit Schreiben vom 04.07.2018 auf, weitere fehlende Unterlagen bis 21.07.2018 einzureichen und belehrte erneut
über die Möglichkeit der Versagung von Leistungen. Mit Bescheid vom 23.07.2018 versagte der Bg Leistungen bis zur Nachholung
der Mitwirkung gem. §
66 SGB I vollständig. Trotz Hinweises auf die Folgen fehlender Mitwirkung seien nach wie vor nicht alle Unterlagen vorgelegt worden,
die entscheidungserheblich seien. Auch eine teilweise Bewilligung von Leistungen sei daher nicht möglich. Die geforderte Mitwirkung
sei nicht unverhältnismäßig und zumutbar.
Hiergegen legte die Bf Widerspruch ein. Sie habe vom Schreiben des Bg vom 04.07.2018 erst nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus
am 10.07.2018 Kenntnis nehmen können. Wegen Schmerzen nach der Operation habe sie die angeforderten Unterlagen erst am 20.07.2018
auf den Postweg geben können. Mit Schreiben vom 09.08.2018 teilte der Bg der Bf mit, dass nach Prüfung der nunmehr vorliegenden
Angaben und Nachweise die Bf mit Herrn B eine Bedarfsgemeinschaft bilde. Herr B sei dementsprechend mit Bescheid vom 09.08.2018
aufgefordert worden, Auskünfte zu seinem Einkommen und Vermögen bis 27.08.2018 zu erteilen. Erst danach könne über die Hilfebedürftigkeit
der Bf entschieden werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2018 wies der Bg den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid als unbegründet zurück. Die
Voraussetzungen der §§
60,
66 Abs.
1 SGB I seien gegeben gewesen. Die Bf habe innerhalb der bis zum 21.07.2018 gesetzten Frist die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt,
so dass im Rahmen der getroffenen Ermessensentscheidung die Leistungen hätten versagt werden können. Denn der Versagungsbescheid
sei am 23.07.2018 ergangen. Bis dahin seien die angeforderten Unterlagen noch nicht beim Bg eingegangen gewesen. Da die Bf
selbst angegeben habe, dass sie die Unterlagen aufgrund ihrer Erkrankung erst am 20.07.2018 auf den Postweg gebracht habe,
bedeute dies, dass diese am 21.07.2018 nicht beim Bg eingegangen sein konnten, so dass eine Versagung rechtfertigt gewesen
sei. Der Vortrag der rechtlichen Vertreterin der Bf, dass die Bf ihren Mitwirkungspflichten nunmehr vollumfänglich nachgekommen
sei, führe "nicht zur Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides, sondern könne lediglich im Rahmen des §
67 SGB I Berücksichtigung finden". Die Nachholung der Mitwirkung führe jedoch noch nicht zu einer Leistungsbewilligung, da der Bg
im Hinblick auf das Verhältnis der Bf zu Herrn B noch weitere Nachforschungen anstellen müsse. Aus den Kontoauszügen der Bf
gehe hervor, dass die Bf einen Dauerauftrag für die Komplettzahlung der Miete in Höhe von 830,00 EUR eingerichtet habe. Die
Erklärung hierzu, dass sie dies nur einmalig gemacht habe, da sich Herr B in Rumänien aufgehalten habe, werde durch die Vorlage
der Kontoauszüge, auf denen eine mehrfache monatliche Abbuchung der Komplettmiete ersichtlich sei (incl. einer Zahlung infolge
der Betriebskostenabrechnung 2017 in Höhe von 122,38 EUR), eindeutig widerlegt. Eine Abbuchung des Untermietanteils der Bf
in Höhe von 550,00 EUR sei nie ersichtlich gewesen. Ferner hätten Ermittlungen ergeben, dass die Bf bereits früher in einer
Mietwohnung in der A-Straße12 mit Herrn B gewohnt habe. Auch dies spreche gegen die Annahme einer "reinen Wohngemeinschaft".
Die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheids bliebe hiervon aber unberührt, da die Bf die angeforderten Unterlagen erst nach
der gesetzten Frist eingereicht habe.
Hiergegen erhob die Bf durch ihre Prozessbevollmächtigte am 04.09.2018 Klage beim Sozialgericht München, dort anhängig unter
dem AZ: S 13 AS 2147/18.
Am 16.10.2018 stellte die Bf beim Sozialgericht München Antrag auf einstweiligen Rechtschutz dahingehend, den Bg zu verpflichten,
der Bf "ab Eingang dieses Antrags für die Dauer von vier Monaten vorläufige Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen". Gleichzeitig beantragte die Bf Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Mit Beschluss
vom 30.10.2018 bewilligte das Sozialgericht München Prozesskostenhilfe.
Sowohl die Bf als auch Herr B legten im Eilverfahren eine "Eidesstattliche Versicherung" mit Datum vom 08.10.2018 vor, dass
es sich um eine "reine Wohngemeinschaft" handle.
Mit Beschluss vom 31.10.2018 lehnte das Sozialgericht München einstweiligen Rechtschutz ab. Für die Zeit vom 16.10.2018 bis
16.02.2019 - so der nach dem ausdrücklichen Antrag der Prozessbevollmächtigten der Bf. im Eilverfahren allein streitgegenständliche
Zeitraum - habe die Bf mit Herrn B eine Bedarfsgemeinschaft gebildet. Die Bf und Herr B seien beide von der A-Straße 12 in
die nunmehr bewohnte Mietwohnung umgezogen. Dass die Bf die Gesamtmiete an den Vermieter für die Monate April, Mai, Juni und
Juli 2018 gezahlt habe und damit finanzielle Angelegenheiten des Herrn B über so lange Zeit hinweg übernommen habe, deute
auf eine besondere Verbundenheit mit Herrn B hin. Eine Zahlung einer Untermiete an Herrn B sei nicht ersichtlich. Der vorgelegte
Untermietvertrag vom 27.07.2017, wonach die Bf ab 01.08.2017 zur Untermiete mit einer Warmmiete von 550,00 EUR monatlich wohne,
sei nicht plausibel, da die 550,00 EUR den überwiegenden Anteil an der Warmmiete von 830,00 EUR für die gesamte Wohnung darstelle.
Im Übrigen seien nach dem handschriftlichen Vermerk auf dem Untermietvertrag die Zahlungen an Herrn B in bar zu leisten, also
gerade nicht durch Übernahme der Mietzahlung des Herrn B an dessen Vermieter. Eine Finanzierung ihres Lebensunterhalts sei
der Bf seit Ende des Übergangsgelds im Juni 2018 offenbar möglich, so dass davon auszugehen sei, dass die Bf im Rahmen der
mit Herrn B bestehenden Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig sei.
Auch sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, insbesondere drohe kein Verlust der Wohnung. Herr B sei Mieter der Wohnung.
Dieser komme offensichtlich auch für den täglichen Bedarf der Bf auf. Für den Fall einer akuten Erkrankung sei sichergestellt,
dass die Bf als Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse notwendige Leistungen erhalte, auch wenn sie mit Beitragsanteilen im
Rückstand sein sollte, §
16 Abs.
3a Satz 2
SGB V. Der Beschluss wurde der Bf am 05.11.2018 zugestellt.
Mit Schreiben vom 05.12.2018, eingegangen beim Bayerischen Landessozialgericht am selben Tag, hat die Bf gegen den Beschluss
des Sozialgerichts Beschwerde erhoben mit dem Antrag, den Bg unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München zu
verpflichten, der Bf vorläufig Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. In der Beschwerdeschrift wurde die Beschwerdebegründung zunächst nur angekündigt, ebenso
die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt erforderlichen Unterlagen für den gleichzeitig
für das Beschwerdeverfahren gestellten Prozesskostenhilfeantrag.
Mit Schreiben vom 20.12.2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründete die Prozessbevollmächtigte der Bf die Beschwerde
dahingehend, dass keine überwiegenden Hinweise dafür sprächen, dass die Bf und Herr B eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die
Indizien, die das Sozialgericht heranziehe, um zum gegenteiligen Ergebnis zu kommen, reichten für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft
nicht aus. Die Miete sei nicht von der Bf übernommen worden. Vielmehr habe Herr B die Miete, wie angegeben, an die Bf in bar
bezahlt. Dass die Bf diese an den Vermieter dann insgesamt überwiesen habe, läge daran, dass der Vermieter das ursprünglich
so gewünscht habe. Es sei üblich, dass ein Mitglied einer Wohngemeinschaft die gesamte Mietzahlung an den Vermieter übernehme.
Auch sei nicht ersichtlich, was der gemeinsame Umzug für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft bedeuten könne. Dass Herr B
den geringeren Anteil an der Miete trage, läge daran, dass das von ihm genutzte Zimmer kleiner sei als das Zimmer der Bf.
An das Zimmer der Bf schließe sich direkt die Küche an. Um in die Küche zu kommen, müsse man das Zimmer der Bf durchqueren.
Die Küche werde daher fast ausschließlich von der Bf genutzt. Herr B habe in seinem Zimmer eine Kochplatte und einen kleinen
eigenen Kühlschrank. Er nutze die Küche mithin nur in seltenen Ausnahmefällen, zB wenn er Tiefkühlkost in seinem Teil im Gefrierfach
in der Küche lagere. Damit lägen gerade nicht genügend Anhaltspunkte vor, die die Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft
rechtfertigen würden. Zudem habe das Sozialgericht die vorgelegten eidesstaatlichen Versicherungen überhaupt nicht gewertet.
Sowohl die Bf als auch Herr B hätten in Kenntnis der Strafbarkeit einer falschen eidesstaatlichen Versicherung angegeben,
lediglich eine Wohngemeinschaft zu bilden. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die Bf über keinerlei finanzielle
Mittel verfüge. Dass ein Wohnungsverlust drohe, sei nicht notwendig, um einen Anordnungsgrund anzunehmen.
Mit Schreiben vom 21.12.2018, eingegangen bei Gericht am 27.12.2018, legte die Bf die Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse samt Unterlagen vor.
Der Bg. hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Einstweiliger Rechtschutz basiert hier nicht auf dem beim Sozialgerichts München anhängigen Hauptsacheverfahren S 13 AS 2147/18; in diesem Verfahren geht es um die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides vom 23.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23.08.2018. Im Widerspruchsbescheid vom 23.08.2018 hat der Bg. in seinen Gründen ausgeführt, dass die Bf. inzwischen ausreichende
Unterlagen vorgelegt habe und die Versagung für die Vergangenheit rechtmäßig "war", da die Vorlage der Unterlagen nicht fristgemäß
gewesen sei. Aus der Begründung des Widerspruchsbescheides ergibt sich weiterhin, dass Leistungen nunmehr nicht gewährt würden,
weil der Bg eigene Nachforschungen in Bezug auf das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn B anstellen wollte, insbesondere
im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Herrn B. Dies hat mit den angeforderten Unterlagen insoweit
nichts zu tun, so dass eine Versagung wegen noch vom Bg anzustellender Nachforschungen genauso wenig in Betracht kommt wie
eine Versagung wegen nicht ermittelter Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Partners einer Bedarfsgemeinschaft. Soweit
der Partner nicht bereit ist, trotz entsprechender Aufforderung seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen,
ist vielmehr eine Beweislastentscheidung im Hinblick auf die Hilfebedürftigkeit der Bf zu treffen (vgl BSG Urteil vom 25.6.15, B 14 AS 30/14 R Rz 20). Bei dem Widerspruchsbescheid handelt es sich jedoch noch um keinen solchen Bescheid, mit dem Leistungen endgültig
versagt werden sollten. Dies ergibt sich schon aus der Tenorierung des Widerspruchsbescheides, worin lediglich der Widerspruch
gegen den Versagungsbescheid zurückgewiesen wurde. Ein Bescheid, mit dem Leistungen endgültig abgelehnt werden mangels nachgewiesener
Hilfebedürftigkeit, ist zwischenzeitlich noch nicht ergangen.
Der Antrag des einstweiligen Rechtschutzes basiert demgemäß in der Hauptsache auf dem Antrag auf Leistungen vom 25.06.2018,
über den nach "Erledigung" der Versagung wegen mangelnder Mitwirkung nunmehr zu entscheiden ist.
Streitgegenstand sind insoweit vorläufige Leistungen im Wege des gerichtlichen Eilrechtschutzes für die Zeit vom 16.10.2018
bis einschließlich 16.02.2019. Die Prozessbevollmächtigte der Bf hat ihren Eilantrag beim Sozialgericht ausdrücklich auf diesen
Zeitraum beschränkt. Das Sozialgericht hat dementsprechend auch nur über diesen Zeitraum entschieden. Soweit die Prozessbevollmächtigte
der Bf im Antrag für das Beschwerdeverfahren nunmehr eine zeitliche Begrenzung nicht mehr nennt, ergibt sich aus der Bezugnahme
auf den Beschluss des Sozialgerichts im Antrag für das Beschwerdeverfahren, dass es lediglich um diesen Vier-Monats-Zeitraum
geht. Im Übrigen wäre eine Antragserweiterung im Rahmen einer Beschwerde - sollte die Prozessbevollmächtigte der Bf dies beabsichtigt
haben - gem. §
99 SGG unzulässig (vgl. dazu BayLSG Beschluss vom 18.3.10, L 11 AS 863/09 B ER).
Zu Recht hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2, Satz 2
SGG für die Zeit vom 16.10.2018 bis einschließlich 16.02.2019 abgelehnt.
Denn eine solche Anordnung setzt sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund voraus, wobei Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund glaubhaft sein müssen (§
86b Abs. 2. Satz 4
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -iVm. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO). Die Bf hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
1. Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft, da die objektiven Hinweistatsachen für eine Bedarfsgemeinschaft der Bf mit
Herrn B sprechen und Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden kann.
a) Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, das zwischen der Bf und Herrn B eine Bedarfsgemeinschaft besteht. Entsprechend
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur eheähnlichen Gemeinschaft macht § 7 Abs. 3 Nr. 3c, SGB II die Einstandspflicht des nichtehelichen Partners vom wechselseitigen Willen abhängig, füreinander einstehen zu wollen. Das
Gesetz knüpft die Rechtsfolge damit an das Vorliegen eines subjektiven Tatbestandes, der nur mit Hilfe von (mittelbaren) Hinweistatsachen
ermittelt werden kann. Der Gesetzgeber hat in verfassungskonformer Weise mit § 7 Abs. 3a SGB II eine Regelung eingeführt, nach der unter bestimmten Voraussetzungen der genannte subjektive Tatbestand widerleglich vermutet
wird. Bereits aus § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II ergibt sich indes, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nur dann
bejaht werden darf, wenn ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt vorliegt. Das Zusammenleben in einem gemeinsamen
Haushalt wird nicht von der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II umfasst, sondern verkörpert eine Voraussetzung, damit die Vermutungswirkung überhaupt eintreten kann (vgl auch BayLSG, Urteil
vom 25.01.2008, L 7 AS 72/07, Rz. 31).
Aufgrund der Feststellung des Bg und des Sachvortrags der Prozessbevollmächtigten der Bf ist davon auszugehen, dass eine eheähnliche
Gemeinschaft zwischen der Bf und Herrn B bestand und auch nach wie vor besteht. Dies steht im Einklang mit der Vermutungsregelung,
nach der ein gegenseitiger Einstandswillen zwischen der Bf und Herrn B anzunehmen ist, nachdem die Bf und Herr B seit mehr
als einem Jahr gemeinsam in der Zweizimmerwohnung wohnen und die objektiven Hinweistatsachen für einen gemeinsamen Haushalt
sprechen. Die eidesstaatlichen Versicherungen der Bf und von Herrn B sind im Rahmen der Würdigung aller Hinweistatsachen zwar
mit heranzuziehen. Nach §
920 Abs.
1 ZPO kann eine Glaubhaftmachung auch durch eine eidesstaatliche Versicherung erfolgen. Sie dient im Rahmen der Glaubhaftmachung
jedoch lediglich als Beweismittel, nicht als feste Beweisregel (§
286 Abs.
2 ZPO). Die eidesstaatliche Versicherung unterliegt insoweit dann - wie alle Beweismittel - auch immer einer Beweiswürdigung (vgl.
BayLSG, Beschluss vom 02.04.2015, L 8 SO 56/15 B ER, Rz. 29, 30). Das gilt insbesondere für die Frage der Glaubwürdigkeit
des Inhalts der eidesstattlichen Versicherung (BayLSG, aaO Rz 29).
Mit der eidesstattliche Versicherung, nur in einer "reinen Wohngemeinschaft zu leben", haben die Bf und Herr B eine Formulierung
aus dem Widerspruchsbescheid aufgegriffen, damit aber lediglich bestätigt, was objektiv ohnehin festzustellen ist, nämlich
dass sie zusammen die Zweizimmerwohnung bewohnen. Soweit sie mit den eidessstattlichen Versicherungen darüber hinaus bezwecken,
das Nichtvorliegen einer Bedarfsgemeinschaft glaubhaft zu machen, ist das nicht gelungen, da zahlreiche objektive Hinweistatsachen
vorliegen, die für eine Bedarfsgemeinschaft sprechen:
* Anders als die Prozessbevollmächtigte der Bf meint, stellt der gemeinsame Umzug von einer Wohnung in eine andere Wohnung
ein starkes Indiz für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft dar.
* Hier kommt hinzu, dass die Bf und Herr B vor dem Umzug schon zusammen in einer nur 47 m² großen Wohnung mit zwei Zimmern
gelebt haben.
* Anschließend habe sich die Bf und Herr B gemeinsam um die neue Wohnung bemüht wie sich aus den handschriftlichen Vermerken
aus dem neuen Mietvertrag ergibt.
* In der jetzigen Wohnung haben die Bf und Herr B zunächst offensichtlich gemeinsam gewohnt, ohne dass ein Untermietvertrag
geschlossen wurde.
* Der nunmehr vorgelegte Untermietvertrag wurde erst fast ein Jahr später zum 01.08.2017 geschlossen, nachdem die Bf inzwischen
erstmalig Leistungen nach dem SGB II beantragt hatte.
* Eine starke Hinweistatsache auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft ergibt sich auch aus den tatsächlichen Wohnverhältnissen:
Nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten der Bf ist es so, dass eine private Rückzugsmöglichkeit der Bf in der nunmehr
bewohnten Wohnung nicht gegeben ist. Vielmehr muss Herr B durch ihr Zimmer gehen, um die gemeinsame Küche überhaupt mitnutzen
zu können. Ein Wohnraum, der die Privatsphäre der Bf schützen würde, steht dieser damit nicht zur Verfügung.
* Der Untermietvertrag wird offensichtlich nicht wie angeblich vereinbart durchgeführt. Denn der Untermietvertrag sah eine
Barzahlung der Untermiete durch die Bf an Herrn B vor. Anhand der Kontoauszüge ist jedoch ersichtlich, dass die Bf keine Barzahlung
an Herrn B vornahm, sondern die Gesamtmiete an den Vermieter zahlte. Die Behauptung, Herr B habe seinen Mietanteil der Bf
in bar bezahlt, widerspricht der vereinbarten Barzahlung der Miete durch die Bf an Herrn B. Völlig unverständlich sind in
diesem Zusammenhang auch die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Bf in der Beschwerdebegründung, dass die Bf die
Miete des Herrn B an dessen Vermieter gezahlt habe, weil der Vermieter eine Überweisung der gesamten Miete gewollt habe.
* Dass die Bf angeblich das größere Zimmer bewohnt, wurde erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragen, nachdem das Sozialgericht
in seinen Entscheidungsgründen darauf abgestellt hatte, dass nicht erklärlich sei, warum die Bf als Untermieterin den höheren
Mietanteil zu tragen habe. Dieser neue Vortrag im Beschwerdeverfahren korrespondiert mit den geänderten Angaben zu den Kosten
der Wohnung. Nach den Angaben der Bf betragen die Kosten der Wohnung insgesamt 1000,00 EUR, da zur Warmmiete von 830,00 EUR
noch 170,00 EUR hinzukämen für Strom, Telefon, Internet und Satellit. Davon, also von 1000,00 EUR und nicht von nur 830,00
EUR, habe die Bf 550,00 EUR zu zahlen.
* Die Angabe der Bf im Beschwerdeverfahren, wonach die Bf von den Kosten der Wohnung iHv 1000,00 EUR tatsächlich 550,00 EUR
trägt, widerspricht dem Untermietvertrag, wonach die Bf 550,00 EUR schon allein für die Warmmiete zu zahlen hat, also ohne
Kosten für Satellit, Internet, Telefon und Strom.
* Hieraus - und aus den zudem noch abweichenden Angaben für das erstinstanzliche Verfahren zu den Kosten der Wohnung - ergibt
sich zweifelsfrei, dass die Bf und Herr B gemeinsam wirtschaften und dabei füreinander gegenseitig einstehen. Der Bf ist aufgrund
ihrer immer wieder abweichenden Angaben zu den Wohnungskosten offensichtlich überhaupt nicht klar, was sie überhaupt zahlen
müsste. Eine Abrechnung der Kosten von Satellit, Internet, Telefon und Strom zwischen der Bf und Herrn B ist offenbar niemals
erfolgt.
* Letztlich spricht die gemeinsame Nutzung von Satellitenfernsehen, Telefon und Internet für ein Zusammenleben in einer eheähnlichen
Gemeinschaft und gegen die im Beschwerdeschriftsatz behauptete strikte Trennung der Bereiche von Herrn B und der Bf und bloßer
Durchquerung des Zimmer der Bf durch Herrn B zum Erreichen der Küche.
Im Ergebnis sprechen die objektiven Hinweistatsachen für eine Bedarfsgemeinschaft. Die eidesstattlichen Versicherungen sind
auch wegen der sich im Laufe der Zeit ab Antragstellung geänderten Angaben der Bf - nicht glaubwürdig.
b) Nachdem die Bf und Herr B eine Bedarfsgemeinschaft bilden, kommt es für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit auf die
Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Herrn B an. Insoweit blieben die Ermittlungsbemühungen des Bg ohne Erfolg. Dass
die Hilfebedürftigkeit von Herrn B nicht festgestellt werden konnte, geht zu Lasten der Bf (BayLSG, Beschluss vom 20.10.2016,
L 7 AS 659/16 B ER, Rz. 30).
2. Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls nicht glaubhaft.
Anders als die Prozessbevollmächtigte der Bf meint, ist die Übernahme von Mietkosten im Rahmen eines Eilverfahrens nur dann
notwendig, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Leistungsberechtigter seine Wohnung verlieren könnte. Hierfür wurde
nichts vorgetragen, geschweige denn entsprechende Unterlagen vorgelegt. Bislang sind vielmehr nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten
der Bf in der Beschwerdebegründung keine Mietschulden entstanden. Herr B hat demnach wohl die vollständige Miete an den Vermieter
gezahlt, wozu er nach dem Mietvertrag, den allein er abgeschlossen hat, auch alleine verpflichtet ist. Zudem hat Herr B offensichtlich
auf die Durchsetzung einer entsprechenden Miete gegenüber der Bf, die ihm nach dem Untermietvertrag - soweit dieser überhaupt
jemals durchgeführt wurde - zustände, verzichtet, insbesondere auch keine Kündigung angedroht.
Was den Regelbedarf der Bf anbetrifft, wurde und wird ihr täglicher Bedarf im Rahmen der Bedarfsgemeinschafft offenbar hinreichend
abgedeckt, so dass bis zum Ende des beantragten Zeitraums am 16.02.2019 aktuell keine einstweilige Anordnung mehr veranlasst
ist. Was den Krankenversicherungsschutz der Bf anbetrifft, hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, inwieweit
Krankenversicherungsschutz derzeit besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und der Erwägung, dass die Bf. mit ihrem Begehren erfolglos blieb.
Der Bf war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe gem. §
73a SGG iVm §
114 ZPO zu bewilligen. Sie erfüllt die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
ohne Ratenzahlung, da sie nach ihren Angaben einkommens- und vermögenslos ist. Hinreichende Erfolgsaussichten waren nicht
von vornherein zu verneinen, nachdem das Sozialgericht sich nicht mit der Bedeutung von eidesstattlichen Versicherungen hinreichend
auseinandergesetzt hat.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.