Anerkennung der Berufskrankheit gemäß BKV Anl. 1 Nr. 1301 in der gesetzlichen Unfallversicherung
Verursachung von Harnblasenkrebs durch das Holzschutzmittel Carbolineum
Tatbestand
Die Klägerin (Kl.) und Berufungsbeklagte begehrt als Rechtsnachfolgerin des früheren Klägers (Kl.), ihres verstorbenen Ehemannes,
die Feststellung, dass das Urothelkarzinom (Harnblasenkrebs) ihres Mannes eine Berufskrankheit (BK) im Sinne von §
9 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) darstellte. Nach dieser Vorschrift sind als BK anerkannt Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege
durch aromatische Amine.
Der 1960 geborene und 2012 verstorbene frühere Kl. absolvierte von 1975 bis 1978 eine landwirtschaftliche Lehre im elterlichen
Betrieb und war in der Folge bis 1999 als Haupterwerbslandwirt tätig. Ab 1999 führte er seinen Betrieb als Nebenerwerbslandwirt
weiter und nahm von 2004 bis 2006 eine Tätigkeit in einem Lagerhaus auf. Von 2004 bis 2006 war er in einem Holzverarbeitungsbetrieb
beim Bau von Holzkisten eingesetzt. Ab 2006 war der frühere Kl. bei der US-Army als Gärtner tätig. 2007 wurde der landwirtschaftliche
Betrieb aufgegeben.
Von 1975 bis 1992 strich der frühere Kl. immer wieder Holz an den Außenwänden seines Hofes bzw. Zäune, Pfähle etc. mit dem
Holzschutzmittel Carbolineum, einem öligen, wasserunlöslichen, brennbaren, braunroten, nach Teer riechenden Gemisch aus Steinkohlenteer-Bestandteilen.
Dessen Gebrauch wurde wegen seiner hohen Giftigkeit in der Teerölverordnung vom 27.05.1991 stark eingeschränkt und im Wesentlichen
auf Eisenbahnschwellen und Strommasten beschränkt.
Abgesehen von diesem sporadischen Gebrauch an wenigen Tagen pro Jahr, verarbeitete der frühere Kl. im Sommer 1992 auf seinem
Hof 360 l Carbolineum, indem er ca. 1200 qm Holzflächen an seinen landwirtschaftlichen Gebäuden damit strich. Er war dafür
einen Zeitraum von drei bis vier Wochen beschäftigt, wobei er angab, täglich 3 bis 4 Stunden gearbeitet zu haben. Insbesondere
wurde ein Silo mit einer Holz-Außenfassede von ca. 600 qm gestrichen. Dabei arbeitete der frühere Kl. mit einer Sprühpistole
und einem Pinsel. Der frühere Kl. gab an, es sei zu einer Benetzung im Bereich des Gesichtes, der Hände und beider Unterarme
gekommen. Bei Überkopfarbeiten sei ihm das Carbolineum den Arm hinuntergelaufen. Er habe eine lange Schön-Wetter-Phase mit
ausgeprägter Windstille für die Arbeiten ausgenutzt. Nach den Arbeiten habe er Arme und Gesicht grob abgewaschen, geduscht
habe er erst abends. Die mit Carbolineum verschmutzte Arbeitskleidung habe er bis abends nicht gewechselt. Bei den Arbeiten
benutzte er eine einfache Maske ohne Gasfilter.
Ende 2007 wurde beim Kl. ein bösartiges Karzinom der Harnblase (Urothelkarzinom) diagnostiziert. Am 24.01.2008 erfolgte eine
radikale Zystektomie. Trotzdem kam es später zur Metastasierung.
Am 05.03.2008 zeigte der Urologe Dr. Z. den Verdacht einer BK 1301 an. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (Bekl.)
und Berufungsklägerin hielt es mit Gutachten vom 13.01.1009 und vom 11.03.2010 für möglich, dass der frühere Kl. bei den Streicharbeiten
im Jahr 1992, als er 360 l Carbolineum verarbeitet hatte, einer im Sinne der BK 1301 relevanten Menge an aromatischen Aminen
exponiert gewesen war. 360 l Carbolineum enthielten ca. 36 g 2-Naphthylamin (= ß-Naphthylamin, beide Begriffe werden synonym
und in den folgenden Gutachten wechselnd gebraucht), das ein aromatisches Amin im Sinne der BK 1301 darstelle.
Die Bekl. holte daraufhin das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. N. vom Klinikum der Universität B-Stadt vom 17.06.2010
ein. Dieser bestätigte, dass 2-Naphthylamin ein aromatisches Amin darstelle, für das der Kausalzusammenhang zwischen beruflicher
Exposition und dem Entstehen eines Harnblasenkarzinoms wissenschaftlich gesichert sei. Allerdings sei es noch nicht gelungen,
anhand der epidemiologischen Daten eine für die Abschätzung des Erkrankungsrisikos verwertbare Dosis-Wirkungs-Beziehung aufzustellen.
Deshalb spiele die Quantifizierung der Exposition bei der gutachterlichen Beurteilung eine entscheidende Rolle. Nach den Erkenntnissen
aus der aktuellen Literatur und verschiedenen Modellrechnungen könne derzeit davon ausgegangen werden, dass der innere Zusammenhang
prinzipiell dann erfüllt sei, wenn die kumulative Exposition gegenüber aromatischen Aminen den Milligrammbereich erreicht
habe. Für die berufliche Genese eines Harnblasenkarzinoms sprächen auch ein vorverlegter Erkrankungszeitpunkt im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung, ein rezidivierendes oder multilokuläres Auftreten des Harnblasenkarzinoms sowie die Manifestation
des Harnblasenkarzinoms nach mehr als 10 Jahren Erstkontakt und weniger als 25 Jahren nach dem letzten beruflichen Kontakt.
Darüber hinaus müssten das Vorhandensein persönlicher Risiken wie z. B. Rauchgewohnheiten, rezidivierender Zystitiden oder
der Einnahme Harnblasenkrebs verursachender Medikamente, berücksichtigt werden.
Carbolineum enthalte 2-Naphthylamin in einer Konzentration von etwa 100 mg/l. Der frühere Kl. habe im Sommer 1992 insgesamt
360 l Carbolineum verarbeitet. Darin seien folglich 36 g 2-Naphthylamin enthalten gewesen. Der frühere Kl. habe zwar eine
Atemmaske getragen, jedoch nicht die vom Hersteller vorgeschriebene, so dass eine gewisse inhalative Aufnahme denkbar gewesen
sei. Nachdem die Streicharbeiten nur im Freien stattgefunden hätten, könne davon ausgegangen werden, dass sich das entstandene
Carbolineum-Aerosol in der Luft rasch verdünnt habe und dass trotz der ziemlich hohen Menge des in dem verarbeiteten Carbolineum
enthaltenen 2-Naphthylamin die inkorporierte Menge nicht ausgereicht haben dürfte, um als rechtlich wesentliche Ursache für
die Blasenkrebserkrankung angesehen zu werden. Eine Aufnahme von 2-Naphthylamin durch Hautkontakt sei fraglich.
Mit Bescheid vom 27.07.2010 stellte die Bekl. gegenüber dem früheren Kl. fest, dass bei ihm keine BK nach Nr. 1301
BKV vorliege. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem
Entstehen einer BK entgegenzuwirken.
Den dagegen am 23.08.2010 eingelegten Widerspruch wies die Bekl. mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2010 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der frühere Kl. am 05.11.2010 beim Sozialgericht (SG) Regensburg Klage erhoben.
Das SG hat den Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität C-Stadt, Prof. Dr. C., zum Sachverständigen
ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 21.06.2011 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Exposition mit 2-Naphthylamin
und dem Harnblasenkarzinom mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bejaht. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 100
von Hundert seit Dezember 2007. Neben einer - wegen des unwirksamen Atemschutzes - inhalativen Exposition in unbekannter Höhe
sei von einer dermalen Aufnahme von 2-Naphthylamin auszugehen. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen werde auf die Haut appliziertes
2-Naphthylamin nach 2 h zu 2 %, nach 4 h zu 10 %, nach 5 bis 6 Stunden zu 15 % und nach 7 h zu 29 % durch die Haut aufgenommen.
Der Kl. habe angegeben, täglich etwa 3 bis 4 Stunden gearbeitet und danach die Haut nur grob gereinigt zu haben. Von einer
Einwirkungszeit zwischen 5 und 7 Stunden sei deshalb auszugehen. In dieser Zeit penetrierten zwischen 15 und 29 % des applizierten
2-Naphthylamins. In Übereinstimmung mit der Auffassung von Prof. Dr. N. sei auch er der Meinung, dass der Ursachenzusammenhang
erfüllt sei, wenn die kumulative Exposition gegegenüber aromatischen Aminen den Milligrammbereich erreiche. Um eine kumulative
Aufnahme von 1 mg 2-Naphthylamin zu erreichen, hätten deshalb zwischen 3,4 und 6,6 mg 2-Naphthylamin dermal appliziert werden
müssen. Bei einem Gehalt von 100 mg 2-Naphthylamin in 1000 ml Carbolineum entspreche dies einer Menge von 34 - 66 ml Carbolineum,
die auf die Haut hätte gelangen müssen. Gehe man davon aus, dass der frühere Kl. im Sommer 1992 über 4 Wochen an jeweils 6
Tagen pro Woche Carbolineum verwendet habe, so ergäben sich 24 Arbeitstage. Pro Arbeitstag hätten somit 1,4 bis 2,75 ml Carbolineum
dermal appliziert werden müssen. Dies sei bei der beschriebenen Methode (Verspritzen von Carbolineum) und den vom Kl. angegebenen
Kontaminationen (Kopf, beide Arme und Hände) durchaus plausibel. Bei dieser grob orientierenden Abschätzung sei noch nicht
berücksichtigt, dass zusätzlich eine inhalative Exposition bestanden habe. Auch sei nicht berücksichtigt, dass der frühere
Kl. im Zeitraum von 1975 bis 1992 jedes Jahr an mehreren Tagen Carbolineum verarbeitet habe und dabei ebenfalls zumindest
dermal exponiert gewesen sei. Weiter spreche für die berufliche Verursachung des Harnblasenkarzinoms, dass der frühere Kl.
bereits im Alter von 47 Jahren erkrankte, während das mittlere Erkrankungsalter für Männer bei etwa 71 Jahren liege. Die Latenzzeit
von 32 Jahren ab der ersten Exposition im Jahre 1975 und von 15 Jahren ab der letzten Exposition im Jahre 1992 stehe im Einklang
mit den arbeitsmedizinischen Anforderungen. Konkurrierende außerberufliche Risikofaktoren seien nicht erkennbar, insbesondere
habe der frühere Kl. nicht oder kaum geraucht.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2011 (Az. S. 7 U 5048/10) den Bescheid der Bekl. vom 27.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2010 aufgehoben und festgestellt,
dass das beim früheren Kl. im Dezember 2007 aufgetretene Harnblasenkarzinom eine Berufskrankheit nach der Nr. 1301 der Anlage
1 zur
Berufskrankheitenverordnung ist.
Die Bekl. hat gegen den Gerichtsbescheid des SG, der ihr am 16.12.2011 zugestellt worden ist, am 28.12.2011 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.
Die Bekl. hat ihre Berufung damit begründet, dass für die schädigende Einwirkung als solche - im Gegensatz zur Ursächlichkeit
für die spätere Erkrankung - im Rahmen einer BK der Vollbeweis erforderlich sei. Der Sachverständige Dr. C. habe aber durch
verschiedene Formulierungen ("geht man davon aus, dass ...", "durchaus plausibel", "Wir gehen deshalb davon aus, dass ...",
"durchaus") deutlich gemacht, dass er sich bei der Feststellung einer kumulativen Exposition von mindestens 1 mg 2-Naphthylamin
im Bereich eigener Vermutungen befinde, die keinen Vollbeweis darstellten. Die BK 1301 trete bei Berufsbildern wie Malern
und Lackierern und vor allem in Betrieben auf, die regelmäßig mit der Imprägnierung großer Holzflächen befasst seien. Es seien
sehr lange Expositions- und Latenzzeiten von jeweils 20 bis 25 Jahren erforderlich, nur unter extrem ungünstigen arbeitstechnischen
Bedingungen seien auch Zeiten von unter 10 Jahren denkbar. Unrealistisch sei auch die Annahme, der frühere Kl. habe 4 Wochen
lang 6 Tage pro Woche 4 Stunden täglich gearbeitet. Dann hätte nämlich bei einer zu bearbeitenden Holzfläche von 600 qm die
Stundenleistung bei nur 6 qm gelegen, was bei Einsatz einer Sprühpistole viel zu wenig sei. Schließlich sei dokumentiert,
dass der frühere Kl. bis 1987 geraucht habe.
Das LSG hat die Bekl. mit Schreiben vom 30.11.2012 darauf hingewiesen, dass ihre Argumentation anhand der Formulierungen des
Sachverständigen Prof. Dr. C. vordergründig sei, denn in der Sache sei dieser zur vollen Überzeugung einer ausreichenden Kontamination
gekommen. Es werde ihr deshalb anheim gegeben, zum Gutachten von Prof. Dr. C. eine ergänzende Stellungnahme des von der Bekl.
im Verwaltungsverfahren eingeschalteten Sachverständigen Prof. Dr. N. einzuholen, der als gerichtlich bestellter Sachverständiger
nicht in Betracht komme.
Daraufhin hat die Bekl. die Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. L. vom 01.02.2013 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt,
dass Prof. Dr. C. ein Expositionsmodell entworfen habe, bei dem die kleinsten Abweichungen der verwendeten Variablen zu großen
Verschiebungen im Endergebnis führen könnten. Um die Beliebigkeit solcher Rechenmodelle zu belegen, hat Dr. L. folgendes Gegenmodell
aufgestellt: Der frühere Kl. habe angegeben, 360 l Carbolineum - was 36.000 mg 2-Naphthylamin entspreche - auf 1.200 qm Holz
aufgetragen zu haben. 36.000 mg 2-Naphthylamin: 1.200 qm ergebe eine Konzentration von 30 mg 2-Naphthylamin/qm. Die durchschnittliche
Körperoberfläche des Menschen betrage ca. 1,7 qm. Benetzt worden seien Kopf und Arme, was etwa 27 % der Körperoberfläche entspreche,
also eine Hautfläche von 0,459 qm. Unterstelle man, dass die Hautflächen mit derselben Intensität benetzt wurden wie die zu
besprühenden Holzflächen, so ergäbe dies eine Belastung der benetzten Hautfläche mit 13,8 mg 2-Naphthylamin, von denen allenfalls
ein Viertel, nämlich 3,5 mg, absorbiert worden wären. Bedenke man aber, dass das Carbolineum auf die Hautfläche in wesentlich
geringerem Umfang aufgetragen worden sei als auf die zu imprägnierenden Holzflächen, nämlich allenfalls in einem Umfang von
10 % von dem, was als Imprägnierung auf das Holz aufgetragen wurde, so werde deutlich, dass keinesfalls sicher gestellt sei,
dass der Bereich von 1 mg 2-Naphthylamin erreicht oder überschritten wurde.
Der Sachverständige Prof. Dr. C. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.06.2013 hierzu ausgeführt, dass die Gegenrechnung
durch Dr. L. insoweit an einem Denkfehler leide, als sie voraussetze, dass die Haut des früheren Kl. - ebenso wie die zu imprägnierende
Holzfläche - nur einmalig mit Carbolineum imprägniert worden sei. Tatsächlich sei aber an jedem Arbeitstag aufs neue eine
Exposition erfolgt, während eine definierte Fläche Holz nur an einem einzigen Arbeitstag bearbeitet worden sei. Davon abgesehen
werde der Wert von 10 % - im Sinne des Verhältnisses zwischen der Konzentration des Carbolineums auf der Haut des Kl. einerseits
und auf der Holzfläche andererseits - von Dr. L. nicht näher erläutert und sei auch nicht nachvollziehbar. Auch die Einwände
gegen die von ihm angewandte Methode eines Expositionsmodell hat Prof. Dr. C. zurückgewiesen. In einer Publikation aus dem
Jahr 2010 zur Abschätzung der dermalen Exposition von 2-Naphthylamin aus Staufferfett habe die Arbeitsgruppe dieselbe Methode
angewandt; bei einem der Mitautoren handle es sich um den Direktor des Instituts der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung.
Schließlich weist der Sachverständige darauf hin, dass die Verwendung von Konjunktiven in seinem Gutachten nicht bedeuten
sollte, dass es sich um bloße Vermutungen handle; vielmehr beruhten diese darauf, dass es sich um eine Abschätzung der Größenordnung
der beruflichen Exposition handelte, die nicht im Sinne einer "Tatsachenfeststellung" erfolgen könne, aber auf der Grundlage
der derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz erfolgt sei.
Dr. L. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme für die Bekl. vom 31.07.2013 hierzu angemerkt, die Überlegung von Prof. Dr.
C., dass bei einer Zerlegung des Arbeitsvorgangs in viele Schritte eine größere Kontamination auftrete als bei Erledigung
in einem einzigen Arbeitsvorgang, sei nicht zu beweisen und widerspreche der normalen Lebenserfahrung.
Der frühere Kl. Ist 2012 verstorben, er lebte im Zeitpunkt seines Todes mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt.
Die Ehefrau hat am 17.07.2013 den Prozess als Kl. übernommen.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 30.11.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten
vom 27.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2010 abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte und Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§
105 Abs.
2 Satz 1,
143, 151
Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung bedarf gemäß §
144 SGG keiner Zulassung.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass das beim früheren Kl. im Dezember 2007 festgestellte Harnblasenkarzinom
eine Berufskrankheit nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur
BKV ist. Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §
54 Abs.
1 i. V. m. §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG zulässig und auch begründet.
Gemäß §
7 Abs.
1 SGB VII gelten als Versicherungsfälle - neben Arbeitsunfällen - auch Berufskrankheiten. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die
Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte
infolge einer den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§
9 Abs.
1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die
nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen
durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten
auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur
BKV sind als BK anerkannt Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen
Listen-Berufskrankheiten einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher
Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität),
und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; so u. a. Bundessozialgericht
- BSG -, Urteile vom 02.04.2009, Az. B 2 U 30/07 R, B 2 U 33/07 R, B 2 U 7/08 R, B 2 U 9/08 R, Urteil vom 29.11.2011, Az. B 2 U 26/10 R mwN).
Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" ("besondere Infektionsgefahr") und "Krankheit"
müssen im Sinne des Vollbeweises vorliegen (BSG, Urteile vom 02.04.2009, Az. B 2 U 30/07 R, B 2 U 7/08 R, B 2 U 33/07 R und vom 15.09.2011, Az. B 2 U 22/10 R zu BK 3101). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt dagegen die
hinreichende Wahrscheinlichkeit. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs liegt vor, wenn mehr für
als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 96, 196 = BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az. B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196, Rdnr. 20). Der sogenannte Vollbeweis ist dagegen erst erfüllt, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist,
dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung
geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen, die bei an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben
ist (BSG, Urteile vom 08.08.2001, Az. B 9 V 23/01 B 4 mwN, vom 29.03.1963, Az.2 RU 75/61, vom 22.09.1977, Az. 10 RV 15/77, vom 01.08.1978, Az. 7 RAr 37/77 und vom 15.12.1999, Az. B 9 VS 2/98 R).
Für den Senat steht im Vollbeweis - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - fest, dass der frühere Kl. in seiner
versicherten Tätigkeit von 1975 bis 1992 als Landwirt eine kumulative Dosis von mindestens 1 Milligramm (mg) 2-Naphthylamin
aufgenommen hat. 2-Naphthylamin ist ein aromatisches Amin im Sinne der Berufskrankheit Nr. 1301 der Anlage 1 zur
BKV. Der Senat sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Aussage des früheren Kl., im Sommer 1992 eine Menge von 360 l
Carbolineum verarbeitet zu haben, zu zweifeln. Die Angaben des Kl. zur bemalten Fläche sowie zur verarbeiteten Menge an Carbolineum
wurden vom Technischen Aufsichtsdienst der Bekl. in seinen Stellungnahmen vom 13.01.2009 und insbesondere vom 11.03.2010 für
plausibel befunden. Ebensowenig ergeben sich Zweifel an der Aussage des früheren Kl., er habe über einen Zeitraum von 3 bis
4 Wochen täglich 3 bis 4 Stunden gearbeitet. Wenn die Bekl. dem entgegenhält, bei einer Arbeitszeit von 6 x 4 x 4 h hätte
er bei einer Gesamtfläche von 600 qm in der Stunde nur 6 qm bemalt, trotz Einsatz einer Sprühpistole, ist dem entgegenzuhalten,
dass allein das Silo eine zu bemalende Holzaußenfläche von 600 qm hatte - was auch der Technische Aufsichtsdienst der Bekl.
in seiner Stellungnahme vom 11.03.2010 festgestellt hat, während der Kl. angab, auch weitere Holzoberflächen mit einer Gesamtfläche
von 1.200 qm imprägniert zu haben. Berücksichtigt man weiter, dass beim Malen und Sprühen immer auch umfangreiche Vor- und
Nachbereitungsarbeiten anfallen, wie der Aufbau von Gerüsten, das Stellen von Leitern, das Abdecken mit Folien und Abkleben
von Rändern etc., so erscheint das Verhältnis von angegebener Arbeitszeit und Arbeitsergebnis nicht unrealistisch. Hinzu kommt
die unbekannte und von der Bekl. gar nicht in Erwägung gezogene Frage, ob der Kl. die Holzflächen nicht nur einmalig, sondern
- was bei einem Anstrich eigentlich üblich ist - mehrfach gestrichen hat. Glaubhaft ist auch die Angabe des früheren Kl.,
dass ihm bei den Arbeiten das Carbolineum die Arme herunterlaufen sei und Hände, Arme und Kopf benetzt habe.
Eine Aufnahme der Amine erfolgt über die Atemwege und/oder über die Haut (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und
Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1124 mwN unter Fn. 115).
Ausgehend von diesen Voraussetzungen erscheint dem Senat das von Prof. Dr. C. dargelegte Expositionsmodell plausibel. Als
einzigen kritischen Punkt innerhalb der Überlegungen von Prof. Dr. C. sieht der Senat dabei die Annahme an, dass das an jedem
Arbeitstag auf die Haut des früheren Kl. gelangte Carbolineum eine Einwirkungsdauer von 5 bis 7 Stunden hatte. Unter Würdigung
folgender Tatsachen ist der Senat jedoch von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt: Die tägliche Arbeitszeit betrug nach
den Angaben des früheren Kl. zwar nur drei bis vier Stunden Da aber nach jedem Arbeitsgang zunächst nur eine grobe Reinigung
ohne Duschen erfolgte und der frühere Kl. die teilweise mit Carbolineum durchtränkte Kleidung bis zum Abend nicht wechselte,
ist von einer Nachwirkung des Carbolineum auf der Haut auszugehen, für welche die vom Sachverständigen unterstellte Untergrenze
von 5 Stunden einen Mindestwert darstellt, der auf jeden Fall erfüllt und eher übertroffen wurde. Keinem Zweifel begegnet
auch die Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. C., dass an jedem Arbeitstag mindestens 1,4 bis 2,75 ml Carbolineum auf die
Haut des Klägers gelangten. Selbst bei 2,75 ml handelt es sich um eine so geringe Menge, dass bei einer Benetzung von Kopf
und Armen davon auszugehen ist, dass diese sogar weit überschritten wurde.
Als rein vordergründig erweist sich in den Augen des Senats die Kritik der Bekl. an dem Gutachten von Prof. Dr. C., soweit
dieser Formulierungen wie "wir gehen davon aus", "durchaus plausibel" etc. benutzte, woraus die Bekl. ableiten will, dass
er selbst nicht die für einen Vollbeweis erforderliche Sicherheit erlangt habe. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung
des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides an, wonach der Sachverständige hiermit keine ernsthaften Zweifel ausdrücken wollte,
sondern im Rahmen der vorzunehmenden schwierigen Abwägung lediglich übliche Formulierungen gebraucht hat, aber zu einem eindeutigen
Ergebnis gelangt ist. Die Art der Formulierungen rechtfertigte sich daraus, dass es sich nicht um die Messung exakter Werte,
sondern um eine Abschätzung der Größenordnung der jeweiligen Mengen handelte. Dabei ergibt sich aber aus dem Zusammenhang
der Ausführungen des Sachverständigen eindeutig, dass er mit Sicherheit davon ausging, dass diese Größenordnungen mindestens
erreicht waren. Der Sachverständige selbst hat sich in diesem Sinne in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.06.2013 geäußert.
Die Kritik von Dr. L. an dem Gutachten von Prof. Dr. C. vermag nicht zu überzeugen. Die von ihm entworfene Gegenrechnung krankt
an dem Denkfehler, dass es zur Exposition der Haut nur ein einziges Mal gekommen sei. In Wirklichkeit wurde die Haut an jedem
Arbeitstag erneut exponiert, während eine definierte Fläche Holz nur ein einziges Mal exponiert wurde. Im Übrigen erscheint
die Annahme, die Haut sei nur mit 10 % der Menge Carbolineum kontaminiert worden wie das Holz, willkürlich. Nicht nachvollziehbar
ist die Erwiderung von Dr. L. vom 31.07.2013 auf den von Prof. Dr. C. bezüglich seiner Gegenrechnung dargestellten Denkfehler.
Selbstverständlich ist nachvollziehbar und entspricht auch der Lebenserfahrung, dass über die Haut eine größere Menge absorbiert
wird, wenn sie über 4 Wochen lang jeden Tag benetzt wird, als wenn eine Exposition nur einmalig erfolgt. Dieser Zusammenhang
ist so offensichtlich, dass er keiner weiteren Erläuterung bedarf.
Auch aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. N., der ein ebenso renommierter Wissenschaftler wie
Prof. Dr. C. ist, lassen sich keine Einwände gegen das Gutachten von Prof. Dr. C. ableiten. Prof. Dr. N. beschränkt sich auf
eine Untersuchung des inhalativen Expositionswegs, den er - aufgrund allgemeiner und fragwürdiger Vermutungen über den Vernebelungseffekt
des Windes und der Spritzdüse - für nicht hinreichend wahrscheinlich hält. Ob die inhalativ aufgenommene Menge von 2-Naphthylamin
für sich genommen ausreichend war, braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Nach den Berechnungen von Prof. Dr. C. steht
fest, dass bereits die dermal - also über die Haut - resorbierte Menge die erforderliche Dosis von 1 mg erreichte. Die nicht
bekannte inhalierte Dosis kommt dann noch ergänzend dazu, ebenso wie die Belastung aus den von 1975 bis 1992 sporadisch an
einzelnen Tagen vorgenommenen Arbeiten mit Carbolineum. Bezüglich der dermalen Aufnahme von 2-Naphthylamin beschränkt sich
das Gutachten von Prof. Dr. N. auf die Feststellung mittels eines einzigen Satzes, diese sei "fraglich". Damit lässt sich
aus dem Gutachten von Prof. Dr. N. auch kein Argument ableiten, das gegen das von Prof. Dr. C. entworfene Expositionsmodell
sprechen würde. Die Bekl. hat trotz der diesbezüglichen Anregung seitens des Gerichts nicht den naheliegenden Weg beschritten,
eine Stellungnahme von Prof. Dr. N. zur Argumentation von Prof. Dr. C. einzuholen. Dem Gericht war es verwehrt, Prof. Dr.
N. als Sachverständigen zu befragen, weil dieser bereits im Verwaltungsverfahren für die Bekl. tätig geworden war.
Da für den Senat die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C. überzeugend waren, die Gegenargumentation des Sachverständigen
Dr. L. sich dagegen in offensichtliche Denkfehler und logisch nicht nachvollziehbare Schlüsse verstrickte und sich aus dem
im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. N. kein Argument gegen das von Prof. Dr. C. entwickelte Expositionsmodell
bezüglich der dermalen Aufnahme entnehmen ließ, hatte der Senat auch im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht keine Veranlassung,
das von der Bekl. angeregte weitere Sachverständigengutachten einzuholen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, zu einer gutachterlich
überzeugend geklärten Beweisfrage "ins Blaue hinein" weitere Gutachten einzuholen.
Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit steht für den Senat fest, dass die im Dezember 2007 diagnostizierte Harnblasenkrebserkrankung
des früheren Kl. durch das im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit aufgenommene aromatische Amin 2-Naphthylamin wesentlich
verursacht wurde. Nach den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Sachverständigen Prof. Dr. N. und Prof. Dr. C. ist eine
kumulativ vom Körper aufgenommene Dosis von 1 mg 2-Naphthylamin ausreichend, um Harnblasenkrebs zu verursachen. Auch die übrigen
Umstände sprechen für den Ursachenzusammenhang. Der Hauptanteil der Exposition im Sommer 1992 erfolgte 15 Jahre vor Ausbruch
der Erkrankung im Jahre 2007 und hielt sich damit in dem für eine ursächliche Zurechnung sprechenden Rahmen der Latenzzeiten
von 10 bis 25 Jahren. Der frühere Kl. war bei Ausbruch der Krankheit mit 47 Jahren weit jünger als der Durchschnitt der Männer,
die an Harnblasenkrebs erkranken, nämlich 71 Jahre. Konkurrenzursachen konnten nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
festgestellt werden, insbesondere nicht, dass der Kl. in relevantem Ausmaß geraucht hätte. Insoweit glaubt der Senat den Angaben
des früheren Kl. gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. C., wonach er nur in seiner Jugend gelegentlich geraucht habe, in
den letzten 30 Jahren vor Ausbruch der Krankheit jedoch nicht mehr.
Die Bejahung eines hinreichend wahrscheinlichen wesentlichen Kausalzusammenhangs steht weder in Widerspruch zum Merkblatt
zur BK 1301 noch zur Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte. Dabei kann dahinstehen, inwieweit das am 12.06.1963 (BArbBl
Fachteil Arbeitsschutz 1963, 129 f.) veröffentlichte Merkblatt überhaupt - noch - die Gerichte bindet. Jedenfalls steht die
darin enthaltene Aussage, Krebs der Harnwege könne im Allgemeinen nach mehrjähriger, gelegentlich auch mehrmonatiger Exposition
mit aromatischen Aminen entstehen, der Feststellung eines Kausalzusammenhangs im vorliegenden Fall nicht entgegen, obwohl
die maßgebliche Exposition vorliegend nur wenige Wochen und damit nicht mindestens wenige Monate gedauert hat. Denn die Aussage
im Merkblatt wird durch die Worte "im Allgemeinen" relativiert auf den Regelfall und ist damit von vornherein geöffnet für
abweichende Beurteilungen aufgrund der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Eine solche abweichende Beurteilung ist
im vorliegenden Fall deshalb gerechtfertigt, weil die Menge des vom früheren Kl. verarbeiteten 2-Naphthylamin, nämlich 36
g 2-Naphthylamin in 360 l Carbolineum, nach Ansicht aller Sachverständigen einschließlich Prof. Dr. N., extrem groß war. Hinzu
kam die Missachtung sämtlicher gebotener Sicherheitsstandards bei der Verarbeitung des bereits im Jahr zuvor weitgehend verbotenen
hochgiftigen Stoffes (unwirksamer Atemschutz, Durchnässung von Kopf und Armen, mangelhafte Körperreinigung nach den Arbeiten).
Die Aufnahme aromatischer Amine über Hautresorption wird schon in dem Merkblatt als vorwiegende Aufnahmeform genannt, gefolgt
von der Aufnahme als Dampf oder Staub über die Atemwege.
Wegen der geschilderten Besonderheiten dieses Einzelfalles liegt insbesondere keine Abweichung gegenüber den Urteilen des
LSG Berlin-Brandenburg vom 20.01.2011 (Az. L 2 U 324/08) und vom 24.02.2011 (Az. L 31 U 339/08) vor, soweit darin abgelehnt wurde, bereits jede "minimale" Exposition gegenüber aromatischen Aminen als wesentlichen Verursachungsfaktor
für eine Harnblasenkrebserkrankung anzuerkennen. Insbesondere konnte in den zitierten Urteilen keine kumulative Mindestaufnahme
von 1 mg 2-Naphthylamin nachgewiesen werden. Erst recht besteht kein Widerspruch zum Urteil des LSG Baden-Württemberg vom
07.09.2010 (Az. L 1 U 2869/09), das hinsichtlich der Aufnahme von aromatischen Aminen im Rahmen der BK 1301 sogar auf jegliche Mindestdosis verzichten
und in Gesamtschau aller für und gegen einen wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände den Kausalzusammenhang
unabhängig von der Menge des aufgenommenen 2-Naphthylamin bejahen will.
Die Kl. ist Sonderrechtsnachfolgerin des klägerischen Anspruchs gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung
des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).