Sozialgerichtliches Verfahren - Untätigkeitsklage - konkludente Klagerücknahme im Berufungsverfahren - Kostenentscheidung
- Erfolgsaussichten der Klage - Veranlassungsprinzip - fehlendes Rechtschutzinteresse - Arbeitslosengeld II - Unterkunft und
Heizung - Antrag auf Erteilung einer vorherigen Zusicherung der Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten - Erledigung
durch Umzug in eine andere Wohnung - treuwidrige Verzögerung der Entscheidung durch Grundsicherungsträger
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Erstattung ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten. Ursprünglich hatte sie im Rahmen einer Untätigkeitsklage
nach §
88 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) die Verurteilung des Beklagten zur Bescheidung eines Antrages auf Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme von Umzugskosten
begehrt.
Die Klägerin stand zu Beginn des Jahres 2016 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und wohnte in der K-E-Straße in B. Mit Schreiben vom 18. Januar 2016 stellte sie bei dem Beklagten einen „Antrag auf Zusicherung
der Übernahme der Kosten für eine neue Unterkunft und Umzugskosten gemäß § 22 SGB II“ und führte zur Begründung aus, dass
sie aus gesundheitlichen Gründen mit ihrer Mutter in eine Wohngemeinschaft ziehen wolle. Sie reichte hierzu ein Angebot für
eine Wohnung in der D Straße in B mit einer Bruttowarmmiete von 802,00 Euro ein. Mit dem Bescheid vom 20. Januar 2016 erteilte
der Beklagte für diese Wohnung die Zusicherung zum Umzug an. Eine Entscheidung über die Umzugskosten erging nicht.
Mit Schreiben vom 10. Februar 2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die Vermieterin das Vergabeverfahren abgeschlossen
und ihr und ihrer Mutter eine Wohnung in der M Straße, B zu einer Bruttowarmmiete von 945,00 Euro angeboten habe. Sie bat
um Zusicherung der Übernahme der Hälfte der Wohnkosten, damit sie diese an den Vermieter weiterleiten und der Mietvertrag
abgeschlossen werden könne. Mit Schreiben vom 21. Februar 2016 erinnerte sie an die Entscheidung über die Übernahme der Hälfte
der Mietkosten. Mit dem Bescheid vom 24. Februar 2016 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme
der Mietkosten der Wohnung in der M Straße ab. Der Widerspruch hiergegen blieb ebenso wie das auf die Erteilung der Zusicherung
gerichtete Klage- und Berufungsverfahren erfolglos. Zum 1. Juni 2016 zog die Klägerin in die Wohnung in der M Straße.
Mit der am 13. Oktober 2016 erhobenen Untätigkeitsklage hat die Klägerin begehrt, den Beklagten zu verurteilen, über ihren
Antrag auf Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten zu entscheiden. Das Sozialgericht hat diese Klage mit dem Gerichtsbescheid
vom 16. Januar 2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei, da ihr bereits das Rechtsschutzbedürfnis
fehle. Der Zusicherungsantrag auf Übernahme der Umzugskosten sei an die Wohnung in der D Straße gebunden gewesen. Die Klägerin
sei jedoch in die Wohnung in der M Straße gezogen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erteilung einer Zusicherung von Umzugskosten
für einen nicht mehr beabsichtigten Umzug bestehe nicht. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass das Rechtsschutzbedürfnis
für die Erhebung der Klage auch aus dem Grunde fehle, dass diese unmittelbar auf die Übernahme der geltend gemachten Aufwendungen
für den Umzug klagen könne.
Mit ihrer Berufung gegen die vorgenannte Entscheidung hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr Antrag vom 18. Januar 2016
nicht auf die Übernahme der Wohnungsbeschaffung und der Umzugskosten in der D Straße beschränkt gewesen sei. Ihr sei es vielmehr
darum gegangen, aus ihrer bisher bewohnten Wohnung im Erdgeschoss auszuziehen und die Zusicherung für eine Wohnung zu erhalten,
die auf Grund ihrer Lage im Haus sowie auf Grund ihres Grundrisses dazu geeignet gewesen sei, ihrem spezifischen krankheits-
sowie behinderungsbedingten Anforderungen zu entsprechen. Sie habe auch nicht die Möglichkeit, direkt auf Übernahme der Umzugskosten
zu klagen, da es hierfür mangels einer Entscheidung des Beklagten am notwendigen Vorverfahren fehle. Mit Schriftsatz ihres
Prozessbevollmächtigten vom 10. August 2022 hat die Klägerin das Verfahren für erledigt erklärt und einen Kostenantrag gestellt.
Zur Begründung führte sie ergänzend aus, dass sie von dem Beklagten trotz bestehender Beratungspflicht nicht darauf hingewiesen
worden sei, dass sie auch ohne eine Entscheidung des Beklagten über ihren Zusicherungsantrag eine Klage auf Erstattung ihrer
Umzugskosten hätte führen können. Hiervon habe sie frühestens mit dem Erlass des Gerichtsbescheides durch das Sozialgericht
Kenntnis erlangt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen
Verwaltungsakten des Beklagten, die dem Gericht zur Entscheidung vorlagen, ergänzend Bezug genommen.
II.
1.
Der Antrag dem Beklagten die Pflicht zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen ist
zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss,
wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird (§
193 Abs.
1 Satz 3
SGG).
Hier endete das Verfahren in der Hauptsache nach §
102 Abs.1
SGG durch eine Klagerücknahme. Die mit dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10. August 2022 abgegebene
Prozesserklärung, dass der Rechtstreit für erledigt erklärt wird, ist als konkludente Klagerücknahme auszulegen, da hiermit
mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass die Klägerin den Rechtstreit in der Hauptsache beenden will und eine
Auslegung dieser Erklärung als Klagerücknahme für sie keine kostenrechtlich negativen Auswirkungen hat, da der Rechtstreit
für sie nach §
183 SGG gerichtskostenfrei ist und die nur für gerichtskostenpflichtige Verfahren einschlägige Regelung zur Kostentragung bei Klagerücknahme
des §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
155 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung nicht zur Anwendung kommt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Dezember 2005, Aktenzeichen B 7a AL 192/05, Rn 6; Sächsisches
Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Dezember 2020, Aktenzeichen L 7 AS 1077/18, Rn 11; hier wie folgt jeweils zitiert nach JURIS). Um eine Klagerücknahme im Sinne des §
102 Abs.
1 SGG und nicht um eine Berufungsrücknahme im Sinne des §
156 Abs.
1 Satz 1
SGG handelt es sich, da die Klägerin die Erklärung, dass Verfahren für erledigt zu erklären, nicht auf das Berufungsverfahren
beschränkt hat. Für eine Auslegung der Erledigungserklärung als Klagerücknahme im Sinne des §
102 Abs.
1 SGG spricht im Übrigen, dass die Klägerin in der ersten Instanz vollständig unterlegen war und sie am Fortbestand der Entscheidung
des Sozialgerichts somit kein Interesse hat. Das gilt insbesondere in Bezug auf die erstinstanzliche Kostenentscheidung, die
bei Fortbestand der Wirkung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides nach §
141 SGG dem eindeutig zum Ausdruck kommenden Begehren, zumindest die außergerichtlichen Kosten der ersten gerichtlichen Instanz erstattet
zu erhalten, wegen entgegenstehender Rechtskraft zuwiderlaufen würde. Da der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts durch die
Klagerücknahmeerklärung der Klägerin nach §
102 Abs.
1 SGG wirkungslos geworden ist, ist über die gesamten Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu entscheiden (vgl. Bundessozialgericht,
Beschluss vom 7. September 1998, Aktenzeichen B 2 U 10/98 R, Rn 7; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, 13. Auflage 2020, zu §
193 SGG, Rn 9a).
Nach §
193 Abs.
1 S. 1
SGG ist über die Kosten im Rahmen des richterlichen Ermessens unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden. Dabei sind
insbesondere auch die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Maßgebend für die Kostentragung ist danach grundsätzlich
der vermutliche Verfahrensausgang. Das Gericht kann aber auch den Anlass für die Klageerhebung berücksichtigen, zum Beispiel
wenn die Behörde bei falscher Sachbehandlung Anlass für eine unzulässige oder unbegründete Klage gegeben hat (vgl. Bundessozialgericht,
Urteil vom 20. Oktober 2010, Aktenzeichen B 13 R 15/10 R Rn 41; B. Schmidt zu § 193 Rn 12ff m.w.N.). Dieses ist Ausdruck des Veranlassungsprinzips (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss
vom 16. Mai 2007, Aktenzeichen B 7b AS 40/06 R, Rn 5; Landesozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. April 2022, Aktenzeichen L 2 AS 419/21, Rn 17; Wehrhahn in jurisPK-
SGG, 2. Auflage 2022, zu §
193 SGG, Rn 44 m.w.N.).
An diesen Grundsätzen gemessen hat der Beklagte der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens nicht
zu erstatten. Für die von der Klägerin beantragte Zusicherung der Kosten des Umzugs in die Wohnung in der D Straße bestand
zu keinem Zeitpunkt ein Rechtsschutzinteresse. Für die Zusicherung der Kosten des tatsächlich durchgeführten Umzugs in die
M Straße fehlt es hingegen bereits an einem Antrag im Sinne des §
88 Abs.
1 SGG (folgend a und b). Selbst wenn entgegen der Rechtsauffassung des Gerichts ein Antrag auf Zusicherung der Umzugskosten in
Bezug auf den tatsächlich erfolgten Umzug vorläge, wäre es der Klägerin vorrangig möglich gewesen, anstatt der Erhebung einer
Untätigkeitsklage die tatsächlich angefallenen Kosten direkt gegenüber dem Beklagten geltend zu machen (c). Der Beklagte ist
schließlich auch aus Veranlassungsgesichtspunkten nicht verpflichtet, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin
zu erstatten (d).
a.
Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses beziehungsweise Rechtsschutzbedürfnisses für das geltend gemachte Klagebegehren
ist eine prozessuale Voraussetzung der Klage, welche die Gerichte in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen haben.
Insofern gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos in Anspruch nehmen darf. Unzulässig ist ein Rechtsmittel
daher zum Beispiel dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers hieran nicht mehr besteht, weil die weitere
Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen,
das Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. April 2011, Aktenzeichen
B 4 AS 5/10 R, Rn 14, hier und folgend zitiert nach JURIS; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum
SGG, a.a.O., Vorbemerkungen zu §
51 SGG, Rn 16a
SGG). Daher besteht auch kein Anspruch auf eine Entscheidung nach §
88 SGG, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch offensichtlich und jedem denkbaren Gesichtspunkt ausscheidet und die Erhebung der
Untätigkeitsklage sich lediglich als Ausnutzung einer formalen Rechtsposition ohne eigenen Nutzen und zum Schaden der Behörde
darstellt (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember 2017, Aktenzeichen L 9 SO 428/17 B, Rn
4; Landessozialgericht Bremen, Beschluss vom 3. Juli 1996, Aktenzeichen L 4 BR 39/95, 1. Leitsatz; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., Rn 4a m.w.N.). Die gerichtliche Prüfung, ob für
das Klagebegehren überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, stellt daher keinen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip
dar. Sie ist vielmehr eine prozessrechtliche Notwendigkeit.
Ein Rechtsschutzinteresse war für die von der Klägerin begehrte Entscheidung des Beklagten über die Zusicherung der Umzugskosten
nicht gegeben, da sie aus einer solchen Entscheidung zum Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage im Oktober 2016 auf
Grund des von ihr bereits am 1. Juni 2016 durchgeführten Umzugs in die Wohnung in der M Straße – selbst im Fall einer für
sie positiven Entscheidung - keinen rechtlich erheblichen Vorteil mehr ableiten konnte. Dies ergibt sich, wie das Sozialgericht
zutreffend entschieden hat, bereits daraus, dass die Klägerin keinen Umzug in die Wohnung in der D Straße mehr beabsichtigte
und bezüglich des Umzuges in die Wohnung in der M Straße keinen Antrag auf Zusicherung der Kosten der Wohnungsbeschaffung
und der Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II gestellt hat. Ihr Antrag vom 18. Januar 2016 auf Gewährung einer Zusicherung für die Übernahme der Unterkunftskosten und
für die Zusicherung der Kosten der Wohnungsbeschaffung und des Umzuges für die von ihr zuerst begehrte Wohnung in die D Straße
vom 18. Januar 2016 hatte sich insgesamt dadurch erledigt, dass diese Wohnung an eine andere Person vergeben wurde und die
Klägerin die Zusicherung der Unterkunftskosten für die Wohnung in der M Straße beantragt hat. Von der beantragten Zusicherung
der Übernahme der Umzugskosten für einen Umzug in die Wohnung in der D Straße hatte die Klägerin zum Zeitpunkt der Erhebung
der Untätigkeitsklage daher offensichtlich keinen Vorteil mehr, da ein solcher Umzug mit Sicherheit nicht mehr beabsichtigt
war. Dafür, dass die Klägerin für den ab dem 10. Februar 2016 begehrten Umzug in die Wohnung in der M Straße ebenfalls Umzugskosten
beantragen wollte, gibt es insbesondere deren Schreiben vom 10. Februar 2016 keine Anhaltspunkte.
b.
Entgegen der im Berufungsverfahren vorgetragenen Rechtsauffassung der Klägerin ist deren Antrag vom 18. Januar 2016 auf Übernahme
der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten auch unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips nicht dahin auszulegen,
dass dieser nicht den konkret beabsichtigten Umzug in die Wohnung in der D Straße betraf sondern losgelöst von einem konkreten
Wohnungsangebot einen allgemeinen Antrag auf Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten in eine behinderungsgerechte
und für sie geeignete Wohnung darstellte. Aus Sicht des Beklagten als konkretem Erklärungsempfänger betraf der Antrag der
Klägerin vom 18. Januar 2016 allein den von dieser beabsichtigten Umzug in die Wohnung in der D Straße. Hätte die Klägerin
diese Wohnung erhalten, hätte sie die Übernahme der Umzugskosten nur für den Umzug in diese Wohnung und nicht die Zusicherung
für Kosten für einen Umzug in eine andere, gegebenenfalls ebenfalls geeignete Unterkunft gewollt. Andere Wohnungsangebote
standen zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags der Klägerin vom 18. Januar 2016 auch nicht zur Diskussion, so dass sich dieser
Antrag auf Übernahme der Umzugskosten nur auf die Wohnung in der D Straße beziehen konnte. Dieses gilt auch vor dem Hintergrund,
dass die Entscheidung des Beklagten über die Übernahme der Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II auch für die Klägerin ersichtlich von den konkreten Begebenheiten des beabsichtigen Umzuges und damit auch von den konkreten
Umständen der begehrten Wohnung abhängig ist. So hängt die Entscheidung über die Übernahme der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten
unter anderem davon ab, ob die konkret begehrte Wohnung kostenangemessen ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. August
2014, Aktenzeichen B 4 AS 37/13, Rn 13 und 19f.; Luik in Eicher/Luik/Harich, Kommentar zum SGB II, 5. Auflage 2021, zu § 22 SGB II, Rn 275 m.w.N.; Berlit in Münder/Geiger, Kommentar zum SGB II, 7. Auflage 2021, zu § 22 SGB II, Rn 219 m.w.N.).
c.
Im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend ergänzend ausgeführt, dass für den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Zusicherung
zu den Umzugskosten auch aus dem Grund kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden hat, dass eine ablehnende Entscheidung des Beklagten
auf Grund ihres am 1. Juni 2016 tatsächlich erfolgten Umzugs in die Wohnung in der M Straße prozessual nicht notwendig ist,
um die hierdurch entstandenen Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten diesem gegenüber geltend machen zu können. Denn selbst
wenn das Schreiben der Klägerin vom 10. Februar 2016 entgegen der Überzeugung des Gerichts dahingehend auszulegen wäre, dass
diese nicht nur die Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung sondern konkludent auch die Zusicherung
der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten für die nunmehr von ihr benannte Unterkunft in der M Straße begehrt hat, hätte
sich dieser Antrag spätestens mit der Durchführung des Umzugs am 1. Juni 2016 erledigt. Dieses resultiert bereits aus dem
Wortlaut des § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II, welcher die „vorherige Zusicherung“ als Tatbestandsvoraussetzung für die Übernahme der Kosten der Wohnungsbeschaffung und
der Umzugskosten vorgibt. Daraus folgt, dass die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II grundsätzlich nicht möglich ist, wenn vor dem Entstehen dieser Kosten (vgl. zu diesem Verständnis des Begriffs „vorherig“:
Berlit, a.a.O., Rn 221) keine Zusicherung erteilt wurde. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn der Antrag auf Übernahme
der Kosten so rechtzeitig gestellt wurde, dass die Behörde über diesen vor dem tatsächlich Anfallen der vorgenannten Kosten
entscheiden konnte und sie dieses treuwidrig unterlassen hat. Liegt ein solcher Fall vor, kann der betroffene Leistungsberechtigte
direkt die Erstattung der angefallenen Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten von der Behörde verlangen und dieses auch einklagen,
ohne ein Vorverfahren nach §
78 SGG durchführen zu müssen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. Mai 2010, Aktenzeichen B 14 AS 7/09 R, Rn 13; Berlit, a.a.O., Rn 220). In diesem Fall ist der Berechtigte gehalten, direkt die ihm mögliche Leistungsklage auf
Erstattung der angefallenen Umzugskosten zu erheben (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. September 2013,
Aktenzeichen L 3 AS 950/13 B PKH, Rn 34; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. Dezember 2010, Aktenzeichen L 7 AS 923/10 B ER, Rn 21). Damit kann nach erfolgtem Umzug eine Zusicherung der Übernahme der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten nach
§ 22 Abs. 6 SGB II nicht mehr begehrt werden, weil es sich um einen prozessual überflüssigen Zwischenschritt für ein auf die Erstattung der
tatsächlichen Umzugskosten gerichtetes Begehren handelt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, a.a.O.; Berlit, a.a.O, Rn 221).
Daraus folgt wiederum ohne Weiteres, dass es auch für die von der Klägerin geführte Untätigkeitsklage nach §
88 SGG mit der sie eine Entscheidung des Beklagten über einen Antrag auf Zusicherung der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten
nach ihrem Umzug erzwingen will, an einem Rechtschutzinteresse fehlt.
d.
Dem Beklagten sind schließlich auch aus Veranlassungsgesichtspunkten keine außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen,
obwohl er nie über deren Antrag vom 18. Januar 2016 auf Zusicherung der Umzugskosten entschieden hat. Wie bereits ausgeführt,
musste der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 18. Januar 2016 so verstehen, dass sich dieser nur auf die Zusicherung der
Umzugskosten für die Wohnung in der D Straße bezog. Da für den Beklagten auf Grund der Mitteilung vom 10. Februar 2016 bekannt
war, dass die Wohnung in die D Straße an einen anderen Interessenten vergeben war und der Klägerin für einen Umzug in diese
Wohnung offensichtlich keine Umzugskosten mehr entstehen würden, brauchte er über diesen Antrag nicht mehr zu entscheiden.
Insofern hat der Beklagte nicht deswegen nicht über den Antrag der Klägerin entschieden, dass nach §
88 Abs.
1 Satz 2
SGG ein zureichender Grund dafür vorlag, den beantragten Verwaltungsakt noch nicht zu erlassen. Der Antrag der Klägerin auf Erteilung
einer vorherigen Zusicherung der Umzugskosten in die D Straße hatte sich vielmehr mangels Entscheidungsinteresses erledigt.
Der Beklagte musste vor der Erhebung der Untätigkeitsklage daher nicht davon ausgehen, dass die Klägerin weiterhin eine Entscheidung
über diesen Antrag begehrt.
Im Übrigen ist die Klägerin darauf zu verweisen, dass sie während des gesamten Klageverfahrens rechtskundig vertreten war.
Daher wäre für sie erkennbar gewesen, dass sie unter den unter c.) dargestellten Voraussetzungen ihre Umzugskosten für den
Umzug in die M Straße gegenüber dem Beklagten ohne Herbeiführung einer Entscheidung über die Zusicherung der Umzugskosten
hätte geltend machen können (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. Mai 2010, Aktenzeichen B 143 AS 7/09 R, Rn 13), da die vorgenannte Bundessozialgerichtsrechtsprechung zum Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage bereits
mehrere Jahre existierte und es nicht fernliegend ist, dass sich ein Antragsbegehren für eine Entscheidung über eine vorherige
Zusicherung zur Übernahme von Umzugskosten im Sinne des § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II erledigt, wenn diese Kosten vor der Entscheidung der Behörde hierüber bereits angefallen sind.
Die von der Klägerin mit dem Schriftsatz vom 10. August 2022 in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
vom 5. Mai 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 1368/18 betrifft eine andere Fallkonstellation und ist daher nicht einschlägig. Im Fall des Bundesverfassungsgerichts hatte das Sozialgericht
das Rechtsschutzinteresse zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, dass die dortige Klägerin keinen Anspruch auf die von ihr
begehrte Leistung hat. In dem hier zu entscheidenden Fall liegt kein Rechtsschutzbedürfnis vor, da die Klägerin selbst von
einer positiven Entscheidung über ihren Antrag keinen Vorteil hätte und sie die begehrte Entscheidung nicht benötigt, um ihr
eigentliches Begehren, nämlich die Erstattung der ihr entstandenen Umzugskosten, geltend machen zu können.
2.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).