Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin die Kosten für eine Brustvergrößerungsoperation
zu erstatten hat.
Bei der im Oktober 1967 geborenen Klägerin besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexualität. Sie wird seit mehr als 15 Jahren
mit einer Hormontherapie behandelt. Sie lebt seit 2006 auch in der Öffentlichkeit als Frau.
Im Juli 2006 erfolgte in einer Klinik in A eine operative Gesichtsfeminisierung. Im darauf folgenden Monat ließ die Klägerin
eine erste Operation zur Veränderung der Stimmlage vornehmen.
Mit Schreiben vom 19. März 2007 beantragte sie u. a. eine erneute Operation wegen der Stimmhöhe. Mit weiterem Antragsschreiben
vom 17. Juli 2007 begehrte sie im Anschluss an die Stimmanpassung eine medizinisch fundierte Logopädie, den chirurgischen
Brustaufbau und eine geschlechtsangleichende Genitaloperation, so dass (dann) alle primären und sekundären Geschlechtsmerkmale
angeglichen seien.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) ein. Im Rahmen der
Untersuchungen im Juli 2007 durch den ausführenden Gutachter Dipl.-Med. M äußerte die Klägerin u. a., ein weiblicher Brustaufbau
werde bei ausbleibend genügendem Erfolg der laufenden Hormonbehandlung gewünscht. Der Gutachter gelangte in seiner Stellungnahme
vom 14. August 2007 aus psychiatrischer Sicht zu den Feststellungen, dass bei der Klägerin eine manifeste Transsexualität
Mann-zu-Frau bestehe. Ein durch die Transsexualität bedingter Leidensdruck habe weder durch ein Leben in der gewünschten weiblicher
Identität im Alltagserprobungstest noch durch ausreichend durchgeführte begleitende Psychotherapie und die gegengeschlechtliche
Hormonbehandlung gelindert werden können. Die Klägerin habe eine männlich tiefe Stimme, welche die Stimmigkeit der weiblichen
Identität erheblich mindere und welche im Zusammenhang mit der Transsexualität der Versicherten zu erheblichem Leistungsdruck
führe. Psychische Erkrankungen, welche ein transsexuelles Syndrom bedingen könnten, seien nicht bekannt.
Der Gutachter empfahl weitere Maßnahmen. Wegen der beantragten geschlechtsangleichenden Operation bedürfe es noch der MDK-Begutachtung
durch einen Facharzt im operativen Gebiet.
Mit Beschluss vom 7. September 2007 änderte das Amtsgericht Schöneberg (Geschäftsnummer: 70 III 59/07) im Verfahren auf Vornamensänderung nach dem Transsexuellengesetz den Namen der Klägerin.
Aus chirurgischer Sicht nahm für den MDK Dr. H nach Untersuchung der Klägerin am 17. September 2007 mit Gutachten vom 20.
September 2007 Stellung zu deren Wunsch nach einem Brustaufbau. Es bestehe ein Befund, der als Mikromastie zu werten sei mit
bereits deutlicher Prominenz der Brustdrüsen über der Thoraxvorderwand und einem Brustdrüsenkörpervolumen von ca. 50 ml je
Seite. Bei einem solchen Befund sei nach Begutachtungsrichtlinien auch bei biologisch als Frau geborenen Menschen keine medizinische
Indikation für einen Brustaufbau ableitbar. Es sei möglich, dass die Brustgröße nach der Kastration im Rahmen der Genitalumwandlung
noch zunehme. Bei manifester Transsexualität Mann-zu-Frau sei eine Genitaltransformation medizinisch indiziert.
Unter dem 1. Oktober 2007 schrieb die Beklagte daraufhin unter anderem an die Klägerin, zur Erteilung der Kostenübernahme
der Genitaltransformation sei noch ein ärztlicher Einweisungsschein erforderlich. Für den zusätzlich - ohne den erforderlichen
Einweisungsschein - beantragten Brustaufbau sei keine medizinische Indikation ableitbar. Es sei möglich, dass die Brustgröße
nach der Genitaltransformation noch zunehme. Eine Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung könne daher nicht
erfolgen.
Die Klägerin erhob am 22. Oktober 2007 Widerspruch gegen die Ablehnung einer Kostenübernahme für einen chirurgischen Brustaufbau.
Der MDK habe möglicherweise nicht alle Umstände hinreichend gewürdigt. Beim derzeitigen Zustand der Brust handele es sich
um einen regelwidrigen körperlichen Zustand. Die regelmäßige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei durch das völlige Fehlen
einer weiblichen Brust erheblich beeinträchtigt.
Im November 2007 wurde auf Kosten der Beklagten eine zweite Stimmbänderoperation vorgenommen.
Die Klägerin reichte am 7. Januar 2008 eine Krankenhauseinweisung des Dr. P, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie,
für Implantat zur Mammarekonstruktion ein. Ferner übersandte sie ein Attest dieses Arztes vom 24. Dezember 2007, indem es
unter anderem heißt, vor dem Hintergrund, dass eine genitale geschlechtsadaptierende Operation, selbst wenn sie von der Patientin
gewünscht werde, zu einem permanenten Verlust der Orgasmusfähigkeit führen könne, klinge die Bemerkung des Dr. H, dass die
Brustgröße nach Kastration im Rahmen der Geschlechtsumwandlung noch zunehme, nahezu höhnisch. Es sei allgemein bekannt, dass
die nach einer Kastration zu beobachtende Vergrößerung des Brustvolumens individuell sehr unterschiedlich ausfallen könne
und im Einzelfall nicht vorhersehbar sei. Es dränge sich dem Unterzeichner die Vermutung auf, dass dem ablehnenden sozialmedizinischen
Gutachten gänzlich andere Beweggründe zugrund lägen.
Die Beklagte holte daraufhin ein neuerliches Gutachten des MDK ein. Der Dipl.-Med. P kam im sozialmedizinischen Gutachten
vom 7. März 2008 zum Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Bei
Vorhandensein symmetrisch entwickelter Brustdrüsen könne vor Abschluss der operativen genitalen Transformation mit der noch
bestehenden, nicht ganz unrealistischen Möglichkeit einer spontanen Brustvergrößerung nach Entfernung der männlichen Keimdrüsen
die zwingende Notwendigkeit zur operativen Brustvergrößerung durch Einlage von Gelkissen beidseits aktuell nicht bestätigt
werden.
In seinem weiteren Gutachten vom 10. Januar 2008 gelangte er zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine
stimmverändernde Operation (Revisions-Glottoplastik) erfüllt seien.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19. März 2008 den Antrag auf Brustaufbau erneut ab.
Die Klägerin ihrerseits bat mit Schreiben vom 30. April 2008 erneut um Kostenübernahme für einen chirurgischen Brustaufbau
im Rahmen einer Einzelfallentscheidung. Den beiden Ablehnungen des MDK fehle der sozialmedizinische Ansatz. Die Gutachter
stellten rechtswidrig auf biologisch als Frau geborene Menschen ab. Sie sei jedoch nicht als Bio-Frau geboren worden. Ihr
Antrag müsse primär einer Grunderkrankung der Gruppe psychische und Verhaltensstörungen zugeordnet werden. Fragen wie inneres
Spannungsverhältnis, Leidensdruck, Regelwidrigkeit und ähnliches seien vollkommen unberücksichtigt geblieben. Ihre behandelnde
Psychotherapeutin teilte in ihrer Stellungnahme vom 24. April 2008 mit, bei der Klägerin entwickelten sich zunehmend Depressionen.
Ein Brustaufbau sei dringend erforderlich, damit sich die Klägerin auch im Alltag in der weiblichen Rolle besser zu Recht
finden könne.
In seiner weiteren gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 27. Mai 2008 bestätigte Dipl.-Med. P das bisherige Ergebnis.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2008 zurück. Zur Begründung führte sie aus, das
Schreiben vom 1. Oktober 2007 sei ein Bescheid, gegen den Widerspruch erhoben worden sei. Bei der Klägerin sei zwar die manifeste
Transsexualität Mann-zu-Frau nicht streitig. Deshalb bestehe grundsätzlich die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
für die notwendigen operativen Eingriffe. Die Leistungspflicht umfasse alle Verfahren, die der Angleichung des biologisch
männlichen an das gelebte weibliche Geschlecht dienten. Zu beachten seien dabei jedoch die allgemein gültigen Regelungen und
die gefestigte Rechtsprechung. Deshalb seien ausschließlich kosmetische motivierte Eingriffe, welche nicht der Beseitigung
eines körperlichen Makels dienten, wie auch bei anderen Versicherten ausgeschlossen. Ein körperlicher Makel setze einen Befund
voraus, der (bereits) beim flüchtigen Betrachter quasi im Vorübergehen auffällig sei. Dies sei bei der Klägerin nicht der
Fall.
Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin, welche zunächst beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben worden ist. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, die Hypothese, dass nach einer Kastration ein spontanes
Brustwachstum einsetzen könne, sei unrealistisch und reine Spekulation.
Am 8. Oktober 2008 hat die Klägerin die Brustoperation in der HPrivatklinik für Ästhetische und Plastische Chirurgie durchführen
lassen (Behandlungs- und Honorarvereinbarung über 5.000 Euro).
Im Verhandlungstermin vor dem SG am 17. Juni 2009 hat sie erklärt, hinsichtlich der Geschlechtsumwandlung werde sie voraussichtlich in ein paar Monaten erste
Informationen einziehen.
Das SG hat die auf Aufhebung der Bescheide vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.
September 2008 sowie auf Verurteilung der Beklagten, die Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe von 5.000 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 1.429,62 Euro, hilfsweise in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 24. September 2008, zu erstatten,
gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2009 abgewiesen. Ein Anspruch komme ausschließlich aufgrund §
13 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) in Betracht. Eine unaufschiebbare Behandlung im Sinne der Vorschrift habe jedoch nicht vorgelegen und werde auch von der
Klägerin nicht geltend gemacht. Die Beklagte habe im Übrigen die Leistungen nicht zu Unrecht abgelehnt. Die OP sei weder erforderlich
noch notwendig gewesen. Die Brüste der Klägerin seien anatomisch nicht so weit abweichend vom Normalbild der weiblichen Brust,
dass sie entstellend wirkten. Ein psychischer Leidensdruck könne, auch unter besonderer Berücksichtigung der Transsexualität,
zu keinem anderen Ergebnis führen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Wie sich aus der Fotodokumentation des MDK ergebe, habe die Klägerin vor
der Operation eine eindeutig männliche Brust gehabt. Dies sei auch bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen, quasi
im Vorübergehen als solche bemerkbar gewesen. Während der kleinsten Körbchengröße von BHs ein Brustumfang minus Unterbrustumfang
von 12 bis 14 cm zugrunde liege, habe das entsprechende Maß bei der Klägerin nur 6 cm betragen. Dies gelte erst recht, wenn
Größe und Form der Brust in Bezug zur Größe der Klägerin - 1,90 Meter - und der Schulterweite - 47 cm - und der Stimmlage
gesetzt würden.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es für die Frage der Entstellung auf den Eindruck im bekleideten Zustand ankomme.
Der MDK hat in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23. Oktober 2009 durch Dr. Ho ergänzend ausgeführt, es entspreche
ärztlicher Erfahrung, dass nach einer Entfernung der Hoden ein Wachstum der Brustdrüsenkörper auftreten könne. Als Folge eines
Testosteronmangels - aus unterschiedlichen Gründen - könne sich der männliche Brustdrüsenkörper vergrößern, genannt "echte
Gynäkomastie". Der Gutachter habe wiederholt bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen tastbar vergrößerte Brustdrüsenkörper mit Brusthügelentwicklungen
nach gegengeschlechtlicher Hormonbehandlung und nach Genitaltransformationen festgestellt. Es könne mehrere Jahre dauern,
bis die Brusthügelentwicklung beendet sei. Dies sei bei biologischen Frauen nicht anders: Auch bei diesen entwickele sich
die Brusthügelgröße während der hormonellen Umstellung in der Pubertät nicht von heute auf morgen, sondern über mehrere Jahre.
Dem Gutachter würden zudem wiederholt Kassenaufträge vorgelegt, bei denen es um eine beidseitige Mastektomie bei Männern nach
Entfernung der Hoden -etwa als Folge von Krebs oder von Unfällen- gehe.
Mit Verfügung vom 12./17. Mai 2010 hat der hiesige Senat der Klägerin den Hinweis erteilt, dass nach Aktenlage die Beklagte
bis Oktober 2008 (Durchführung der Brust-OP) habe davon ausgehen können, dass sie noch eine geschlechtsangleichende Operation
habe durchführen lassen wollen. Der Antrag, eine Brust aufbauende OP unabhängig hier durchführen zu wollen, habe damit wohl
der bis dahin getroffenen Ablehnungsentscheidung nicht zugrunde gelegen. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, sich weder überhaupt
auf die Durchführung einer geschlechtsangleichenden Operation festgelegt zu haben, noch ggf. auf einen bestimmten Zeitpunkt.
Sie habe auch nicht etwa in Aussicht gestellt, sie wolle beide Maßnahmen gleichzeitig oder in engem zeitlichem Zusammenhang
durchführen lassen. Dementsprechend habe die Beklagte auch beide Anträge als getrennt behandelt und beschieden. Zudem habe
die Beklagte aufgrund der Dauer des Verfahrens und der Argumentation der Klägerin nicht davon ausgehen dürfen, dass die geschlechtsangleichende
Operation unmittelbar bevorstehe. Deswegen habe die Beklagte ihre Ablehnung auch nicht hierauf gestützt, sondern auf ihre
Rechtsauffassung, die Brustvergrößerung sei dem Bereich einer kosmetischen Operation zuzuordnen.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und
19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin die Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 5.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 1.429,46 Euro, hilfsweise
in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 24. September 2008, zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ergänzend darauf hingewiesen, dass die Klägerin sie vorab nicht über die anstehende Operation informiert habe.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat verweist auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Gerichtsbescheid,
§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Ein Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Kostenfreistellung aus §
13 Abs.
3 SGB V scheitert bereits an einem fehlenden konkreten Antrag. Die Klägerin hat nicht -wie dies formal erforderlich gewesen wäre,
beantragt, die Brustvergrößerungs-OP als Einzelmaßnahme bzw. vor Durchführung einer geschlechtsangleichenden Operation durchführen
lassen zu wollen:
Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits wiederholt entschieden, ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe nur, wenn zwischen
dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast)
ein Ursachenzusammenhang besteht (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 5/09 R- juris - Rdnr. 15 mwN). Daran fehlt es, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme einer vom Versicherten selbst beschafften
Leistung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre. Eine vorherige Entscheidung
der Krankenkasse ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen
aus anderen Fällen - von vorn herein feststeht (vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 1. April 2010 - B 1 KR 114/09 B - mit Rechtsprechungsnachweisen).
Hier hat die Beklagte die Ablehnung einer Brustvergrößerungs-OP darauf gestützt, dass nach den MDK-Gutachten zunächst abzuwarten
sei, ob und in welchem Umfang die Brüste nach der im Rahmen der geschlechtsangleichenden Operation erfolgenden Keimdrüsenentfernung
der Hoden von selbst wachsen würden.
Weder die Krankenkasse noch der MDK haben vor Durchführung der OP in der Privatklinik im November 2008 einen Anspruch unter
der Prämisse geprüft, dass eine geschlechtsanpassende Operation ansonsten nicht durchgeführt werden solle.
Der Antrag auf Brustvergrößerung ist nur einer der Anträge neben anderen gewünschten Maßnahmen gewesen (Stimmbänderanpassung
und Logopädie, Epilationen, geschlechtsangleichende Operation), um alle primären und sekundären Geschlechtsmerkmale anzugleichen.
Er ist Teil eines Maßnahmenpaketes gewesen. Die Klägerin hat jedenfalls bis zur Selbstdurchführung der Operation weder der
Beklagten noch den Gutachtern des MDK gegenüber zum Ausdruck gebracht, die geschlechtsangleichende Operation nicht mehr oder
jedenfalls nicht in absehbarer Zeit ausführen lassen zu wollen. Allenfalls die Äußerungen des Dr. Pdeuten in diese Richtung.
Mit dem Begehren einer Brust-OP als Einzelmaßnahme hatte sich die Beklagte also noch gar nicht befasst, obgleich -wie sogleich
auszuführen sein wird- es für den Leistungsanspruch einen Unterschied macht, ob diese unabhängig von einer Geschlechtsanpassung
vorgenommen wird oder nicht.
Aus demselben Grund muss ein Kostenerstattungsanspruch nicht nur formal scheitern, sondern - die Entscheidung selbstständig
tragend- auch materiell:
Ein Leistungsanspruch auf Durchführung der Brustvergrößerungs-OP als Sachleistung hätte nur bestanden, wenn entweder nach
Durchführung der geschlechtsanpassenden Operation und dem damit verbundenen Wegfall der Keimdrüsen eine akzeptable Brustgröße
noch nicht erreicht worden wäre oder eine geschlechtsanpassende Operation in einem absehbaren Zeithorizont sicher nicht zu
erwarten gewesen wäre:
Der Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.
3 SGB V reicht nicht weiter als der entsprechende Naturalleistungsanspruch.
Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur
als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - juris - Rdnr. 9 mwN).
Die Klägerin konnte nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V eine Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig war, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Leistungen müssen §
12 Abs.
1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Eine Krankheit ist nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen
beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung
des BSG, z. B. Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - juris - Rdnr. 11 mwN).
Eine Entstellung besteht, wenn die Versicherten objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit
leiden, dass sie die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft gefährden.
Aus Sicht des Senats ist bei geschlechtsangleichenden Maßnahmen (im umfassenderen Sinne) bei Transsexualität nicht generell
ein Abweichen von diesen Grundsätzen geboten.
Zwar hat der 3. Senat des BSG im Urteil vom 6.08.1987 (3 RK 15/86 - BSGE 62, 83) die dort von der Vorinstanz vorgenommene Bewertung einer besonders tief greifenden Form der Transsexualität als behandlungsbedürftige
Krankheit und als Grund für den Anspruch auf eine geschlechtsangleichende Operation nicht beanstandet. Nach den wissenschaftlichen
Erkenntnissen, die in den dazu ergangenen Urteilen verwertet wurden, handelt es sich dort um eine komplexe, die gesamte Persönlichkeit
erfassende tief greifende Störung mit sowohl seelischen als auch körperlichen Beeinträchtigungen (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2004
-B 1 KR 3/03 R juris Rdnr. 19 mit Bezugnahme auf Rechtsprechung u. a. des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte). Auch der deutsche
Gesetzgeber hat durch den Erlass des "Transsexuellengesetzes" (TSG - Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen vom 10. September
1980, BGBl I 1654) bestätigt, dass der Befund der Transsexualität eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt.
Es besteht jedoch kein Anspruch auf eine möglichst große Annäherung an ein vermeintliches Idealbild (vgl. ebenso LSG Dresden,
U. v. 03.02.1999-L 1 KR 31/98- juris).
Selbst wenn man aber mit der Klägerin davon ausgeht, dass die Brustvergrößerung hier geboten gewesen ist, bleibt zu beachten,
dass die Brustvergrößerungsoperation nur mittelbar der Bekämpfung des Auseinanderfallens des körperlichen und des gefühlten
Geschlechts gedient hat. Die Brüste selbst sind nicht krankhaft verändert gewesen.
Für Operationen in ein funktionell intaktes Organ gilt, dass diese als mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung
bedürfen und nur eine ultima ratio sein können (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - B 1 KR 104/06 B - m.w.N. zur Implantation eines Magenbandes; ebenso Urteil des Senats vom 14. Januar 2011 - L 1 KR 197/08 - für eine Brustverkleinerung zur beabsichtigten Linderung von Rückenschmerzen).
Da es nicht auf den absoluten Zuwachs an Brustumfang ankommen kann, kann eine Brustvergrößerungs-OP als (weitere) Operation
nur geboten sein, wenn ein ausreichendes Brustwachstum auf anderem Wege nicht (mehr) zu erwarten ist. Der Senat hält die Ausführungen
des MDK zum Zusammenhang der Entfernung der männlichen Keimdrüsen und einem Brustwachstum für nachvollziehbar und schlüssig
(Stichwort Gynäkomastie).
Bei Mann-zu-Frau Transsexualität kommt damit regelmäßig eine Brustvergrößerung nur konkret in Betracht, wenn entweder die
geschlechtsangleichende Operation mit der Entfernung der männlichen Keimdrüsen nicht zu einem akzeptablen Wachstum der Brüste
geführt hat oder eine geschlechtsangleichende Operation gar nicht durchgeführt werden soll. Beide Alternativen lagen hier
zum Zeitpunkt der Operation in der Privatklinik nicht vor. Zu diesem Zeitpunkt war die Brust-OP zur Geschlechtsanpassung (noch)
nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor.