Zulässigkeit des Rechtsweges im sozialgerichtlichen Verfahren bei der Klage eines Dritten auf Auszahlung eines nach § 7a AsylbLG sichergestellten Geldbetrages
Gründe:
1. Die nach §
17a Abs.
2, Abs.
4 Satz 3
GVG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde des Beklagten vom 23. September 2010 gegen
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. September 2010 (Verweisung an das Amtsgericht Wedding) hat Erfolg.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten 900,- €. Hierbei handelt es sich um den Betrag, den die Polizei (neben weiteren 75,- €)
bei dem Asylbewerber RA am 4. November 2009 bei einer Durchsuchung sichergestellt hat. In Höhe des sichergestellten Betrages
ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2009 gegenüber dem Asylbewerber Sicherheitsleistung nach §
7a AsylbLG ohne vorherige Vollstreckungsandrohung im Wege des unmittelbaren Zwanges an. Die Klägerin macht geltend, es handele sich
um ihr Geld und klagt auf Auszahlung dieses Betrages.
Für diese Streitigkeit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.
Nach §
51 Abs.
1 Nr.
6a SGG (seit seiner Fassung durch das 7. SGGÄndG vom 9. Dezember 2004 [BGBl I 33029]) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten u.a. in Angelegenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes.
a) Bei dem geltend gemachten Herausgabe- bzw. Bereicherungsanspruch handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.
Ob ein Rechtstreit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlichrechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung
des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dieser Grundsatz
bestimmt die Auslegung sowohl von §
13 GVG (Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten) als auch von §
51 Abs.
1 SGG (Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit). Öffentlich-rechtlich sind nicht nur Streitigkeiten,
die aus einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung entstehen. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann auch
auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem klägerischen
Sachvortrag darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage
beruft (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 10. Juli 1989 - Az: GmS-OGB 1/88 - veröffentlicht in: Juris).
Von einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis ist daher dann auszugehen, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt aufgrund
eines ihm eingeräumten oder auferlegten Sonderrechts handelt (BSG vom 27. April 2010 - Az: B 8 SO 2/10 R - veröffentlicht
in: Juris, m.w.Nw.).
Vorliegend erfolgte die Anordnung der Sicherheitsleistung auf der Grundlage des §
7a AsylbLG. Entsprechend der wahren Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag der Klägerin darstellt, wendet sie sich im
Rahmen ihres geltendgemachten Herausgabe- bzw. Bereicherungsbegehrens gegen die Anordnung der - sofortigen unter Anwendung
des unmittelbaren Zwanges vollziehbaren - Sicherheitsleistung nach §
7a AsylbLG als möglicherweise ihrem Anspruch entgegenstehenden Rechtsgrundes. Denn das Geld befindet sich während der Sicherstellung
in einem öffentlich-rechtlichen Sonderverhältnis (vgl. hierzu: Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf - SGB XII, 3. Auflage 2010
-
AsylbLG §
7a Rn 13). Ihr geltend gemachter Anspruch ist daher nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht zuzuordnen (vgl. ebenso
zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2005: VG Frankfurt (Oder) vom 09. August 2007 - Az: 6 K 336/02, VGH Baden-Württemberg vom 02. Mai 2001 - Az: 4 S 667/01, jeweils veröffentlicht in: Juris).
b) Diese öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist gem. §
51 Abs.
1 Nr.
6a SGG in der Fassung seit 1. Januar 2005 den Sozialgerichten zugeordnet (so wohl auch: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom
13. Juli 2007 - Az: L 20 B 21/07 AY - veröffentlicht in: Juris).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 VwGO. Die Klägerin klagt nicht als Versicherte, Leistungsempfänger etc. im Sinne des §
183 SGG. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen. Die Regelung des §
17b Abs.
2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht entstandenen
Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht behandelt werden und deshalb in dem Verweisungsbeschluss
keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des ersten Rechtszugs. Sie findet -
unabhängig vom Inhalt der Entscheidung - keine Anwendung auf das Beschwerdeverfahren bei der Entscheidung über die Zulässigkeit
des Rechtswegs (vgl. BSG vom 01. April 2009 - Az: B 14 SF 1/08 R; BVerwG vom 18. Mai 2010 - Az: 1 B 1/10 - veröffentlicht in: Juris).
Nach §
155 Abs.
1 VwGO sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt und teils unterliegt.
Diese Vorschrift passt zwar nicht unmittelbar auf den Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, denn keiner der Beteiligten
unterlag im Beschwerdeverfahren. Beide Beteiligten waren in der Rechtswegfrage "erfolgreich", denn der Beklagte hat die Beschwerde
gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Wedding allein eingelegt und ist mit dem Rechtsbehelf erfolgreich
gewesen. Die Klägerin hat demgegenüber zu Recht die Klage beim SG Berlin erhoben und auch keine Anträge auf Zurückweisung
der Beschwerde und der weiteren Beschwerde gestellt. Für ein beiderseitiges "Obsiegen" findet sich im Kostenrecht keine Regelung.
Eine solche Situation ist jedoch am ehesten mit einer Entscheidung vergleichbar, in der die Beteiligten je zur Hälfte mit
ihren gegensätzlichen Anträgen erfolgreich bzw. erfolglos gewesen sind, sie also "in gleichem Umfang" Erfolg hatten (vgl.
BSG vom 06. September 2007 - Az: B 3 SF 1/07 R - veröffentlicht in: Juris). Die Kosten waren daher gegeneinander aufzuheben. Eine reine Kostenteilung kam nicht in Betracht,
denn die (teilweise) Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auf den Beklagten würde ihn als erfolgreichen
Beschwerdeführer unangemessen benachteiligten.
Die Gerichtskosten wären danach grundsätzlich zu teilen; Gerichtskosten für dieses Beschwerdeverfahren fallen jedoch nicht
an, da die Beschwerde weder ganz noch teilweise verworfen oder zurückgewiesen wurde, sondern erfolgreich war, Anlage 1 zu
§ 3 Abs. 2 GKG, KV 7504.
3. Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da zum einen außergerichtliche Kosten nicht
zu erstatten sind und zum anderen für Beschwerden der vorliegenden Art Gerichtskosten nach Nr. 7504 der Anlage 1 zum GKG entweder gar nicht oder in Höhe einer Festgebühr anfallen (BVerwG vom 18. Mai 2010 - Az: 1 B 1/10 - veröffentlicht in: Juris; OVG Nordrhein-Westfalen vom 02. April 2009 - Az: 11 E 469/08 - veröffentlicht in: Juris).
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar. Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das Bundessozialgericht
liegen nicht vor (§
17a Abs.
4 GVG).