TAVI im Jahr 2014 - Qualitätsgebot - Fachabteilung für Herzchirurgie - Kooperationsvereinbarung - Heart Team - Struktur- und
Prozessqualität - Wissenschaftlicher Konsens - Versorgungsauftrag - Entgeltvereinbarung - Schiedsspruch - Genehmigung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH), ist Trägerin des K E v B. Das Krankenhaus
ist ein kommunales Krankenhaus in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam. Es ist, der Bettenzahl zufolge, das zweitgrößte
Schwerpunktkrankenhaus im Land Brandenburg. Das Krankenhaus war 2014 im Krankenhausplan des Landes Brandenburg u.a. mit der
Fachabteilung Innere Medizin/Geriatrie, nicht aber für Herzchirurgie aufgenommen (Dritter Krankenhausplan des Landes Brandenburg,
Amtsblatt für Brandenburg vom 9. Juli 2008, S. 1589 ff. in der Fassung der Fortschreibung vom 18. Juni 2013, Amtsblatt für
Brandenburg Nr. 34 vom 14. August 2013, S. 2111 ff.).
Das Krankenhaus schloss am 1. September 2013 mit dem S-H C einen Kooperationsvertrag für die Erbringung der kathetergestützten
transapikalen Aortenklappenintervention bzw. katheterbasierter Aorten-Klappenersatz - TAVI. Bei dieser Leistung wird eine
biologische Herzklappenprothese über einen kleinen Zugang mittels eines Katheters implantiert 1 „transapikales Verfahren =
Zugangsweg, der durch die Herzspitze (Apex cordis) führt. Dieser Zugangsweg wird teilweise auch im Rahmen der Transkatheter-Aortenklappenimplantation
(TAVI) angewendet. Meistens wird die verengte, körpereigene Aortenklappe mit einem Ballon aufgedehnt. Anschließend wird eine
Gerüstprothese mit integrierter biologischer Herzklappe über einen Katheter eingebracht und auf Höhe der erkrankten Aortenklappe
entfaltet (Implantation der Herzklappenprothese). „transapikales Verfahren = Zugangsweg, der durch die Herzspitze (Apex cordis)
führt. Dieser Zugangsweg wird teilweise auch im Rahmen der Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) angewendet. Meistens
wird die verengte, körpereigene Aortenklappe mit einem Ballon aufgedehnt. Anschließend wird eine Gerüstprothese mit integrierter
biologischer Herzklappe über einen Katheter eingebracht und auf Höhe der erkrankten Aortenklappe entfaltet (Implantation der
Herzklappenprothese).. Im Unterschied zum chirurgischen Vorgehen wird bei einer TAVI die Implantation – am schlagenden Herzen
- vorgenommen, ohne beim Patienten eine Herz-Lungen-Maschine anzuschließen (vgl. https://www.swiss-heart-clinic.com/tavi).
Das Krankenhaus der Klägerin behandelte in der Zeit vom 30. Juni 2014 bis zum 15. Juli 2014 die 1931 geborene und bei der
Beklagten versicherte Frau E P stationär mit der Hauptdiagnose Nichtrheumatische Aortenklappenkrankheiten/Aortenklappenstenose
(I.35.0). Das Krankenhaus führte u.a. einen kathetergestützten minimal-invasiven Eingriff an den Herzklappen (TAVI) durch.
Die Klägerin stellte der Beklagten für den stationären Aufenthalt insgesamt 32.897,50 Euro in Rechnung. Konkret berechnete
sie auf der Grundlage der Fallpauschale (Diagnosis Related Groups 2014 – DRG) die DRG F98Z – endovaskuläre Implantation eines
Herzklappenersatzes oder transapikaler Aortenklappenersatz (TAVI). Die Beklagte zahlte einen Betrag in Höhe von 9.044,26 Euro
und lehnte im Übrigen, damit hinsichtlich des Restbetrags in Höhe von 23.853,24 Euro, eine Zahlung der Rechnung unter Hinweis
auf den fehlenden herzchirurgischen Versorgungsauftrag der Klägerin für die TAVI ab. Eine Beauftragung des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung (bis zum 30. Juni 2021: MDK) fand nicht statt.
Seit dem 1. Juli 2016 erbrachte das Krankenhaus der Klägerin die Leistungen der endovaskulären Implantation eines Herzklappenersatzes
oder transapikalen Aortenklappenersatzes (TAVI) nicht mehr.
Die Klägerin hat am 22. Dezember 2017 Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben. Die Beklagte stütze ihre Zahlungsverweigerung
ausschließlich darauf, dass die Klägerin keinen entsprechenden Versorgungsauftrag für die abgerechnete Leistung habe. Das
sei nicht zutreffend, denn die Klägerin verfüge über einen entsprechenden Versorgungsauftrag. Der Versorgungsauftrag eines
Krankenhauses ergebe sich aus § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) i.V.m. den Bescheiden zu seiner Durchführung. Es sei gerichtsbekannt, dass das K E vB durch Feststellungsbescheid
mit dem Fachgebiet Innere Medizin, Subspezialisierung Kardiologie, in den Krankenhausplan des Landes Brandenburg aufgenommen
sei. Zum Zeitpunkt der Leistungserbringung habe der Krankenhausplan keine Einschränkungen hinsichtlich der Erbringung der
streitgegenständlichen Leistungen enthalten. Auch dem Feststellungsbescheid seien keine solchen Einschränkungen zu entnehmen.
Der Krankenhausplan verweise zur Bestimmung des Versorgungsauftrags vielmehr auf die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Brandenburg. Er orientiere sich einzig und allein am Inhalt der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Bereits im Jahr 2011 sei durch den Weiterbildungsausschuss der Bundesärztekammer
beschlossen worden, dass die endovaskuläre Implantation eines Herzklappenersatzes als gebietskonform für einen Facharzt für
Innere Medizin und Kardiologie angesehen werde.
Darüber hinaus habe die für das Land Brandenburg zuständige Schiedsstelle nach § 18a Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) durch zwei Beschlüsse die zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Budget- und Entgeltvereinbarungen bestätigt.
Dies sei auch Inhalt der zwei Genehmigungsbescheide des Landes Brandenburg für die genannten Budget- und Entgeltvereinbarungen.
Die von Krankenkassen gegen die Genehmigungsbescheide des Landes Brandenburg vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klagen seien
zurückgenommen worden. Leistungen, die vom Versorgungsauftrag gemäß § 8 KHEntgG umfasst seien, dürften von den Vertragsparteien
der Budget- und Entgeltvereinbarungen nicht von der Abrechnung ausgeschlossen werden. Die Budget- und Entgeltvereinbarungen
seien von der Genehmigungswirkung des Feststellungsbescheides erfasst worden.
Im Übrigen hätten zum Zeitpunkt der Leistungserbringung keine gesicherten und verbindlichen medizinischen Standards dergestalt
bestanden, dass ein Krankenhaus für die Leistung neben der Abteilung für Kardiologie auch eine Abteilung für Herzchirurgie
hätte vorhalten müsse. Eine solche Vorgabe sei auch der einschlägigen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen
zur Qualitätssicherung bei der Durchführung von minimalinvasiven Herzklappeninterventionen gemäß §
136 Absatz
1 Satz 1 Nummer
2 für nach §
108 SGB V zugelassene Krankenhäuser nicht zu entnehmen (Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen - MHI-RL - in der
Fassung vom 22. Januar 2015, veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 24.07.2015 B6 vom 24. Juli 2015, in Kraft getreten am
25. Juli 2015). Diese habe diesbezüglich großzügige Übergangsfristen vorgesehen. Positionspapiere einzelner Fachgesellschaften
begründeten keinen rechtsverbindlichen medizinischen Standard für die Allgemeinheit der Leistungserbringer.
Die Beklagte hat dagegen ausgeführt, die abgerechnete kathetergestützte Aortenklappenintervention sei eine Leistung, die nur
in Kliniken mit kardiologischen und herzchirurgischen Fachabteilungen (Herzzentren) durchgeführt werden dürfe. Diese Voraussetzungen
erfülle die Klägerin nicht. Dabei ergebe sich der Versorgungsauftrag des jeweiligen Krankenhauses aus den Festlegungen des
Krankenhausplans i.V.m. den Durchführungsbescheiden. Der Krankenhausplan selbst könne als Verwaltungsinternum nur ergänzend
im Rahmen der Auslegung (der Bescheide) herangezogen werden. Maßgeblich sei der Wille der Behörde, die den jeweiligen Feststellungsbescheid
erlassen habe. Fest stehe, dass die TAVI eine Behandlungsmethode sei, die sowohl dem kardiologischen als auch dem kardiochirurgischen
Leistungsspektrum zuzuordnen sei. In den Fachgesellschaften bestehe dabei Konsens, dass diese Leistung nur in Kliniken erbracht
werden solle, die eine eigene herzchirurgische Fachabteilung hätten. Dies werde in den Gemeinsamen Leitlinien zur Behandlung
der vaskulären Herzerkrankung bestätigt. Auch nach dem Kommentar des Deutschen Konventes der kardiologischen und herzchirurgischen
Ordinariate zu dem Thema interventionelle Klappentherapie handele es sich bei der TAVI tatsächlich um eine Leistung, die bereits
aus medizinischen Gründen nur in Kliniken mit einer kardiologischen und herzchirurgischen Fachabteilung durchgeführt werden
dürfe. Im Fall eines medizinischen Notfalls müsse die zeitnahe Möglichkeit der Einleitung einer offenen Herzoperation jederzeit
gegeben sein. So seien u.a. die Mitwirkung eines Herzchirurgen und entsprechendem Assistenzpersonal wie auch die entsprechende
apparative Ausstattung (der Herzchirurgie) unverzichtbar. Schon die Indikation zur TAVI müsse gemeinsam von einem Kardiologen
und Herzchirurgen getroffen werden. Diese herzchirurgische Fachkompetenz weise die Klägerin nicht auf, auch weise der Feststellungsbescheid
keine Fachabteilung für Herzchirurgie auf. Damit werde die interdisziplinär zu erbringende Leistung vom Versorgungsauftrag
der Klägerin nicht umfasst. Es sei unerheblich, dass die Leistung dem Weiterbildungsinhalt zum Facharzt für Innere Medizin
und Kardiologie zugeordnet werde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entscheide nicht der G-BA, ob eine Klinik
eine Leistung im Rahmen des landesrechtlichen Versorgungsauftrags erbringen dürfe. Hierbei handele es sich um Maßnahmen der
Qualitätssicherung auf der Grundlage des §
136 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB V. Selbst bei Vorliegen eines Kooperationsvertrags habe die Klägerin die Leistung nicht erbringen dürfen.
Mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2020 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den Betrag in Höhe
von 23.853,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen. Die erbrachte Leistung habe
den Versorgungsauftrag der Klägerin nicht überschritten. Der Versorgungsauftrag ergebe sich sowohl aus dem Dritten Krankenhausplan
des Landes Brandenburg für das Jahr 2014 als auch aus dem Genehmigungsbescheid des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit
und Frauen vom 13. November 2015. Im Unterschied zum Krankenhaus, welches Gegenstand einer Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 9. April 2019 gewesen sei (B 1 KR 2/18 R), handele es sich beim Krankenhaus der Klägerin gerade nicht um ein Krankenhaus der Grundversorgung.
Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser stehe ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der
gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17, 17b KHG festgelegt werde. Grundsätzlich handele es sich bei der kathetergeführten Aortenklappenintervention um einen kardiologischen
Eingriff. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte könne nur der Kardiologe kathetergeführte Untersuchungen und Behandlungen durchführen. Hauptdiagnose für die o.g.
Behandlung sei eine Aortenklappenstenose. Die kathetergeführte Aortenklappenintervention werde erst seit 2005 in Deutschland
angewendet und sei auf Patienten zu beschränken, deren Risiko eine Aortenklappenoperation zu überleben, mehr als 10 % betrage
und die noch eine Lebenserwartung von mindestens einem Jahr hätten. Selbst der Eingriff einer kathetergeführten Aortenklappenintervention
stelle für diesen Personenkreis ein hohes Risiko dar.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG seien allgemeine Krankenhausleistungen solche, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit
des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung
des Patienten notwendig seien. Die Entgelte dürften mit Ausnahme eines Notfalls nur im Rahmen des Versorgungsauftrags berechnet
werden (§
8 Abs.
1 Satz 3 KHEntgG). Das
SGB V definiere den Begriff des Versorgungsauftrags mittelbar. Bei Krankenhäusern, die in den Krankenhausplan aufgenommen seien,
gelte diese Aufnahme nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG als Abschluss eines Versorgungsvertrags (§
109 Abs.
1 Satz 2, Halbsatz 2
SGB V). Bei sog. Plankrankenhäusern ergebe sich der Versorgungsauftrag aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung
mit den zu seiner Durchführung ergangenen Bescheiden (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG). Der Versorgungsauftrag
sei nur bei Notfallbehandlungen nicht maßgeblich (Hinweis auf BSG, B 1 KR 2/18 R).
Ausgehend davon betreibe die Klägerin ein zugelassenes Plankrankenhaus (§
108 Abs.
1 Nr.
2 SGB V), da ihr Klinikum in den Krankenhausplan des Landes Brandenburg aufgenommen sei. Dies begründe das Recht und die Verpflichtung
des Krankenhauses, im Rahmen des festgelegten Versorgungsauftrags Krankenhausleistungen gegenüber gesetzlich versicherten
Patienten zu erbringen. Die Klägerin sei als Krankenhaus der Schwerpunktversorgung u.a. mit einer Fachabteilung Innere Medizin
aufgenommen. Sie sei im Jahr 2014 (bereits damit) zur Erbringung von internistischen Leistungen berechtigt. Die Weiterbildungsordnung des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Ärzteblatt 10/2005, 15. Jahrgang) definiere das Gebiet der Inneren Medizin und
Allgemeinmedizin unter Punkt 12.1 bis 12.10 in zehn Fachgebieten mit verschiedenen Schwerpunktkompetenzen. Unter Punkt 12.7
sei der Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie aufgeführt. Die Herzchirurgie sei dagegen in der Weiterbildungsordnung unter dem Bereich Chirurgie aufgenommen, welches sich in acht Facharztbezeichnungen („der Chirurgie“) unterteile. Der Krankenhausplan
des Landes Brandenburg orientiere sich zwar grundsätzlich an der Weiterbildungsordnung, setze deren Entwicklungen aber nicht vollständig um. So heiße es unter Punkt 11.1 des Krankenhausplanes, dass die Krankenhausplanung
schon in der Vergangenheit nur etwa ein Drittel der in der Weiterbildungsordnung definierten Ausprägungen ärztlicher Kunst zugrunde gelegt habe. Auch der hier maßgebliche Dritte Krankenhausplan habe daran
festgehalten, dass die durch die Reform der Weiterbildungsordnung 2005 neu entstandene Problematik die Zuordnung der Herzchirurgie nur noch als Facharztbezeichnung im Fachgebiet der Chirurgie
vornehme.
Die Innere Medizin sei im Krankenhausplan unter Ziffer 12.6 erfasst. Dazu heiße es:
„Die Weiterbildungsordnung 2005 der Landesärztekammer Brandenburg sieht im Rahmen eines umfassenden Fachgebietes „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“
zehn Facharztbezeichnungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten vor. Die Krankenhausplanung differenziert bei ihren Vorgaben
bis auf die Ausnahme „Schwerpunkt Geriatrie“ das Fachgebiet nicht in seine Teil-Facharztbereiche…[..]. Darüber hinaus jedoch
verbleibt den Krankenhäusern ein ausreichender Spielraum zur Spezialisierung und internen Strukturierung der Fachabteilungen
für Innere Medizin, um bedarfsnotwendige und zweckmäßige Leistungsangebote vorzuhalten. Die schon bisher in Ausnutzung dieses
Spielraumes entstandenen Besonderheiten auch kleiner Häuser sollen fortgeführt werden. Krankenhäuser und Krankenkassen vereinbaren
die spezifischen Leistungsstrukturen“ (Fortschreibung des Dritten Krankenhausplans, Ziffer 12.6).
Die Klägerin verfüge mit ihrem Krankenhaus der Schwerpunktversorgung über einen Versorgungsauftrag für das Gebiet der Inneren
Medizin, was kardiologische Leistungen einschließe. Im Bereich der Chirurgie seien im Krankenhausplan herzchirurgische Leistungen
gesondert ausgeschlossen (Ziffer 12.2.1 des Krankenhausplans), obwohl diese nach der Weiterbildungsordnung 2005 im Rahmen des Gesamt-Fachgebiets „Chirurgie“ ausgewiesen seien. Ausdrücklich heiße es, dass die herzchirurgischen Leistungen
weiterhin erkennbar in der seit 1991 im Lande aufgebauten und als bedarfsgerecht eingeschätzten Struktur im Krankenhausplan
ausgewiesen werden sollten, diese Leistungen sollten nur an den Herzzentren B und C erbracht werden. Sie seien daher in den
Krankenhauseinzelblättern auch ausdrücklich zu erwähnen, was bei der Klägerin nicht der Fall sei.
Unter Beachtung dieser Regelungen habe die Klägerin unstreitig einen Versorgungsauftrag für kardiologische Leistungen, dagegen
nicht für herzchirurgische Leistungen, obwohl für beide Gebiete, also auch das Gebiet der Chirurgie, im Krankenhauseinzelblatt
keine Einschränkungen ausgewiesen seien.
Der Krankenhausplan sei allein nicht maßgeblich für den Umfang des Versorgungsauftrags. Eine verbindliche außenwirksame Feststellung
enthielten insoweit erst die Feststellungsbescheide über die Aufnahme/Nichtaufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan.
Auch nach der gebotenen Auslegung des Feststellungsbescheides für das Krankenhaus der Klägerin sei sie zur Erbringung der
TAVI-Leistung im Jahr 2014 berechtigt. Nachdem im Land Brandenburg die Erbringung der TAVI-Leistungen durch die Klägerin lange
umstritten gewesen sei, sei mit dem Beschluss der Schiedsstelle nach § 18a KHG vom 5. Juni 2012 für das Budgetjahr 2010 festgestellt worden, dass die Klägerin berechtigt sei, TAVI-Leistungen in Kooperation
mit ambulanten Herzzentren zu erbringen. Dies sei von der zuständigen Genehmigungsbehörde mit Bescheid vom 13. Dezember 2016
genehmigt worden (§ 14 Abs. 1 KHEntgG). Auch für das Jahr 2014 habe die o.g. Schiedsstelle mit einem (am 13. Dezember 2016)
genehmigten Beschluss vom 2. März 2016 entschieden, dass die Klägerin die TAVI-Leistungen erbringen dürfe. Die Klage der Krankenkassenverbände
gegen die Genehmigungsentscheidungen des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie nach § 14 KHentgG
vom 13. Dezember 2016, betreffend die Budget- und Entgeltvereinbarungen 2010 hätten diese zurückgenommen, so dass die Klägerin
die Leistung im Jahr 2014 hätte erbringen dürfen.
Die zum 25. Juli 2015 in Kraft getretene Qualitätssicherungs-RL des G-BA (MHI-RL), wonach die TAVI nur in Krankenhäusern mit
einer Fachabteilung für Herzchirurgie und einer Fachabteilung für Innere Medizin erbracht werden dürfe, habe im Jahr 2014
noch nicht bestanden. Die Übergangsregelung (§ 9 der o.g. RL) lege jedoch fest, dass bis zum 30. Juni 2016 eine kathetergestützte
Aortenklappenimplantation auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden
könnte, obwohl keine Fachabteilung für Herzchirurgie bestehe, diese Leistungen jedoch im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum
30. Juni 2014 bereits erbracht hätten. Für die Leistungen der fehlenden Fachabteilungen müssten die Krankenhäuser jedoch Kooperationsvereinbarungen
mit externen Fachabteilungen schließen, die die Festlegungen zu den strukturellen und personellen Anforderungen der G-BA-RL
beinhalteten. Die Klägerin habe am 1. Dezember 2013 einen Kooperationsvertrag für die Erbringung der TAVI-Leistungen mit dem
herzchirurgischen Team des S-H C geschlossen. Wenngleich diese RL im Fall der Klägerin noch nicht anzuwenden sei, erfülle
die Klägerin jedoch – mit Ausnahme der Fachabteilung für Herzchirurgie – deren Voraussetzungen. Es sei gerichtsbekannt, dass
bei der Klägerin die technischen Voraussetzungen wie der Hybrid-Operationssaal, eine Herz-Lungen-Maschine und ein Herzkatheterlabor
mit den notwendigen Bildgebungsverfahren vorhanden seien.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 28. September 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. Oktober 2020 Berufung eingelegt.
Die DRG F98Z könne nur durchgeführt und abgerechnet werden, wenn eine Klinik eine kardiologische und herzchirurgische Fachabteilung
(Herzzentrum) aufweise. Der Vergütungsanspruch bestehe nur für Behandlungen, die vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses
gedeckt seien. Die mit der Zulassung eines Krankenhauses nach §
108 SGB V erlangte Befugnis zur Teilnahme an der Versorgung gesetzlich Versicherter werde erst durch den Versorgungsauftrag konkretisiert
und begrenzt. §
107 Abs.
1 Nr.
2 SGB V bestimme, dass jedes Krankenhaus über ausreichende, seinem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische
Möglichkeiten verfügen müsse. Es sei bereits rechtsfehlerhaft, wenn das Sozialgericht davon ausgehe, dass es sich bei der
TAVI um einen kardiologischen Eingriff handele. Die Weiterbildungsordnung für Berlin-Brandenburg enthalte für den betroffenen Behandlungszeitraum keine ausdrückliche Regelung für die TAVI. Die Methode
werde weder in den Weiterbildungsordnungen zum Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie noch zum Facharzt für Herzchirurgie
ausdrücklich erwähnt. Die Zuordnung habe somit im Rahmen einer Gesamtschau der Fachpublikation zu erfolgen. Danach bestehe
Einigkeit, dass die TAVI in Kliniken mit eigener herzchirurgischer Fachabteilung zu erbringen sei. Gemäß den 2012 erstellten
Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zur Behandlung der valvulären Herzerkrankung werde empfohlen, dass die
TAVI nur in Krankenhäusern mit einer herzchirurgischen Abteilung unter Beteiligung sog. heart teams durchgeführt werden solle.
Die damit erfolgte Aktualisierung der zuvor 2007 erstellten Leitlinien sei im Wesentlichen mit der Bedeutung des Zusammenwirkens
zwischen Kardiologen und Herzchirurgen im sog. „heart team“ begründet worden. Diese Vorgabe entspreche den Empfehlungen des
Deutschen Konvents der Kardiologischen und Herzchirurgischen Ordinarien. Danach dürfe die Leistung bereits aus medizinischen
Gründen nur in Kliniken mit kardiologischen und herzchirurgischen Abteilungen erbracht werden. Diese Vorgaben entsprächen
auch der im Juni 2015 erlassenen und in Kraft getretenen Richtlinie zur minimalinvasiven Herzklappenintervention/MHI-RL des
G-BA. Eine andere Beurteilung sei insoweit auch nicht durch die Übergangsregelung des § 9 MHI-RL veranlasst, die eine Leistungserbringung
noch bis zum 30. Juni 2016 abweichend von den Vorgaben zulasse. Denn der G-BA entscheide nicht darüber, ob eine Klinik eine
Leistung im Rahmen ihres Versorgungsauftrags erbringen dürfe. Die RL diene allein der Qualitätssicherung. Sie setze den landesrechtlichen
Versorgungsauftrag voraus und definiere die Struktur- und Prozessqualität der Leistung. § 9 der MHI-RL entfalte keine Rückwirkung
auf den hier vorliegenden Behandlungsfall aus dem Jahr 2014.
Das BSG habe zudem in seiner Entscheidung vom 16. August 2021 (B 1 KR 18/20 R) ausgeführt, dass die Leistung dem allgemeinen Qualitätsgebot unterliege. Diesem werde die von der Klägerin erbrachte TAVI
nicht gerecht. Soweit und solange es an einer Konkretisierung durch Vorgaben des G-BA fehle, richteten sich die Anforderungen
an die Struktur- und Prozessqualität nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gebe es insoweit noch keinen allgemeinen
wissenschaftlichen Konsens, geböten es das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot, den Weg des gesicherten Nutzens zu gehen.
Bei der Erbringung von Leistungen, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit noch nicht hinreichend belegt sei, gelten gesteigerte
Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität. Dies gelte auch, wenn der Nutzen einer Methode im Grundsatz zwar anerkannt
sei, es hinsichtlich der Einzelheiten der Leistungserbringung aber noch an verbindlichen rechtlichen Vorgaben und einem allgemeinen
Konsens fehle. Im August 2013 habe die Durchführung einer TAVI in einem Krankenhaus ohne eine herzchirurgische Fachabteilung
nach Auffassung des BSG nicht dem Qualitätsgebot entsprochen. Die erst am 25. Juli 2015 in Kraft getretene MHI-RL des G-BA habe – so explizit das
BSG – keine rückwirkende Geltung, dies betreffe insbesondere den § 9 MHI-RL. Die Beratungen zur MHI-RL hätten bereits 2013 begonnen und seien 2015 in die o.g. RL gemündet, wonach die Leistung
nur in Fachkrankenhäusern mit einer herzchirurgischen Abteilung erbracht werden dürfe. 2014 habe demgemäß kein wissenschaftlicher
Konsens bestanden, dass auch Krankenhäuser, die nur über eine kardiologische Abteilung verfügten, die TAVI durchführen könnten.
Die Genehmigung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie vom 13. Dezember 2016 führe deshalb
zu keiner anderen Betrachtung, weil das Budget- und Leistungsrecht strikt voneinander zu trennen seien. Vereinbarungen über
das Erlösbudget stellten keine verbindliche Konkretisierung des Versorgungsauftrags dar. Der Gegenstand der Budgetvereinbarung
sei in § 11 KHEntgG abschließend festgelegt. Der Versorgungsauftrag ergebe sich dagegen bei einem Plankrankenhaus aus den
Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung sowie einer ergänzenden Vereinbarung
nach §
109 Abs.
1 Satz 4
SGB V.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 21. September 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Land Brandenburg habe der Klägerin explizit den Versorgungsauftrag für die erbrachte Leistung erteilt und in mehreren
Genehmigungsverfahren bestätigt, dass es eines zusätzlichen Versorgungsauftrages für das Gebiet Herzchirurgie/Chirurgie nicht
bedürfe. Auf die Entscheidung des Bundessozialgericht in dem Revisionsverfahren B 1 KR 18/20 R gegen eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts komme es mit Blick auf die spezifische Rechtslage in Brandenburg
nicht an. Außerdem habe die Leistungserbringung aufgrund der Kooperation mit dem H C zum Zeitpunkt der Erbringung dem medizinischen
Standard entsprochen. Sie beantragt, dazu ein Sachverständigengutachten einzuholen. Schließlich könne sich die Klägerin auf
§ 9 MHI-RL stützen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat hat über die Berufung gemäß §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in der Besetzung durch die Berichterstatterin und den ehrenamtlichen Richtern entschieden, weil das Sozialgericht über die
Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 15. März 2021 die Berufung der Berichterstatterin
zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen hat.
II. Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.
1. Die auf Zahlung der Krankenhausvergütung gerichtete echte Leistungsklage ist in dem bestehenden Gleichordnungsverhältnis
zwischen Krankenkasse und Krankenhaus zulässig (§
54 Abs.
5 SGG).
2. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen (weiteren) Anspruch auf Vergütung für die in der Zeit vom 30. Juni 2014
bis zum 15. Juli 2014 durchgeführte TAVI-Behandlung der bei der Beklagten Versicherten.
Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs nach §
109 Abs.
4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V in der 2014 maßgeblichen seither unveränderten Fassung vom 26. März 2007) i.V.m. § 7 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) und § 17b Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) sind nicht erfüllt.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten
kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und die Versorgung i.S. von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist. An der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit fehlt es vorliegend, weil die Durchführung
der TAVI in einer Klinik, die wie diejenige der Klägerin nicht über eine eigene herzchirurgische Abteilung verfügte, im Jahr
2014 nicht dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprach. Auf den Versorgungsauftrag kommt es demzufolge
nicht an (a.). Die Klägerin kann sich nicht auf die Übergangsregelung in § 9 Satz 1 MHI-RL oder auf die Entgeltvereinbarungen
berufen (b.).
a. Die Krankenhausbehandlung ist i.S. von §
39 SGB V grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die konkrete Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
entspricht und notwendig ist. Die stationäre Krankenhausbehandlung muss dem Qualitätsgebot entsprechen und gemäß dem Grundsatz
der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend sein, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (§
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V i.V.m. §
2 Abs.
1 Satz 3, Abs.
4, §
12 Abs.
1 SGB V). Danach muss auch die stationäre Behandlung in einem Krankenhaus nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Art und ihrem
Umfang nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R Rdnr. 8/9).
Gemäß dem Qualitätsgebot (§
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V) muss über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen, d.h., die große Mehrheit der einschlägigen Fachärzte, Wissenschaftler,
Fachgesellschaften muss die Behandlungsmethode befürworten, einzelne Gegenstimmen fallen dagegen nicht ins Gewicht. Über Qualität
und Wirksamkeit der zur Anwendung gebrachten Therapie und Behandlung in ihrer Gesamtheit müssen zuverlässige, wissenschaftlich
nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Das bedingt, dass sich der Erfolg anhand wissenschaftlich fundierter Studien
betreffend Zahl und Wirksamkeit der Methode ablesen lässt (BSG, aaO, Rdnr. 10).
Ausgehend davon lässt der Senat dahingestellt, ob die TAVI als Behandlungsmethode 2014 schon allgemein anerkannt war. Jedenfalls
entsprach ihre Durchführung in einer Klinik, die nicht über eine eigene herzchirurgische Abteilung verfügte, im Jahr 2014
nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse. Das Qualitätsgebot stellt Anforderungen an die strukturellen und prozeduralen
Voraussetzung der Leistungserbringung. So lange es an einer Konkretisierung dieser Anforderungen durch den an erster Stelle
dazu berufenen Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) fehlt, richten sich die Anforderungen der Struktur- und Prozessqualität
nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse.
aa) Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität sind Ausdruck des Qualitätsgebots (§
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V). Das ergibt sich u.a. aus §
135a Abs.
1 Satz 2
SGB V. Die Regelung bestimmt, dass nicht nur die Leistungen als solche dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
entsprechen müssen, sondern sie müssen auch in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden. Dazu gehören auch strukturelle
Anforderungen, etwa an die fachliche Qualifikation der die Behandlung durchführenden Personen oder die für die Durchführung
erforderliche sachliche Ausstattung.
Zwar werden Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität in erster Linie durch den G-BA bestimmt (§
137 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 – heute §
136 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB V). Danach bestimmt jener für die vertragsärztliche Versorgung, aber auch die zugelassenen Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich
durch Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V u.a. die Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozess- und Ergebnisqualität der Leistungen. Es soll damit sichergestellt
werden, dass Leistungserbringer nicht aus ökonomischen Gründen Leistungen erbringen, obwohl sie nicht die erforderliche technische
und personelle Ausstattung haben, mit dann negativen Auswirkungen für die Qualität. Der G-BA hat am 22. Januar 2015 die Richtlinie
zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen beschlossen (BAnz AT vom 24. Juli 2015 B 6 – MHI-RL). Diese umfasst Vorgaben
für die TAVI. Die Richtlinie ist allerdings erst am 25. Juli 2015 in Kraft getreten und kann deshalb für den Behandlungsfall
des Jahres 2014 keine inhaltlichen Vorgaben treffen (BSG, aaO, Rdrn. 14 zu einem Behandlungsfall 2013).
Daraus folgt aber nicht, dass bei der Durchführung der TAVI vor Inkrafttreten der Richtlinie (RL) keine strukturellen und
prozeduralen Qualitätsanforderungen zu beachten waren. Denn die RL begründet lediglich Mindeststandards. Die Qualität der
Leistung hat jeweils dem aktuellen, allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen (vgl. nur
Roters in Kasseler Kommentar,
SGB V, §
135a Rdnr. 3, Stand September 2016). Daraus folgt, dass das behandelnde Krankenhaus strukturelle und/oder prozedurale Mindestanforderungen
an die Behandlung beachten muss, die von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute aufgrund des Standes der medizinischen
Erkenntnisse befürwortet werden, weil es sich andernfalls um eine ungeeignete und damit i.S. des §§
2,
12 SGB V nicht „erforderliche“ Versorgung der Patienten handelt (BSG, aaO, Rdnr. 15).
Bei der Erbringung von Leistungen, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit noch nicht hinreichend belegt ist, sind an die Prozess-
und Strukturqualität gesteigerte Anforderungen zu stellen. Aus Schutzgründen ist es erforderlich, dem bestehenden Defizit
an wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung durch Einhaltung möglichst hoher
Qualitätsstandards im Rahmen der Leistungserbringung Rechnung zu tragen („geschütztes Setting“, BSG, aaO, Rdrn. 16). Das gilt auch, wenn der Nutzen einer Methode im Grundsatz zwar anerkannt ist, es hinsichtlich der Einzelheiten
der Leistungserbringung aber noch an verbindlichen rechtlichen Vorgaben und einem allgemeinen Konsens fehlt. Das Qualitätsgebot
erfordert es, die Gesundheitsgefahren für Versicherte soweit wie möglich auszuschließen. Deshalb kann es zur Risikominimierung
geboten sein, komplexe und risikoreiche Eingriffe nur von besonders qualifiziertem Personal und unter Vorhaltung einer besonderen
Ausstattung zu erbringen (BSG, aaO, Rdnr. 19).
bb) Gemessen daran entsprach die Durchführung der TAVI 2014 im Krankenhaus der Klägerin nicht dem Qualitätsgebot. Zwar existierten
keine rechtlich verbindlichen Vorgaben des G-BA, weil diese erst 2015 in Kraft traten (dazu oben). Auch der für 2014 einschlägige
OPS 5-35a (Minimalinvasive Operationen an Herzklappen), der nur Vergütungsvoraussetzungen definiert, regelte keine strukturellen
Voraussetzungen für die Abrechnung der Leistung, das heißt aber nicht, dass keine solchen gelten.
Nach dem 2014 maßgebenden allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse wurde die TAVI in einem Krankenhaus ohne
eigene herzchirurgische Abteilung jedenfalls nicht befürwortet. Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse
wird gekennzeichnet durch die Gesamtheit aller international zugänglichen Studien. Es entspricht allgemeinem Wissenschaftsverständnis,
dass die Wissenschaftlichkeit einer Studie weder vom Ort ihrer Entstehung noch von der Stelle ihrer Publikation abhängt. Im
Ausgangspunkt sind daher nicht nur inländische Fachleute einzubeziehen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 - B 1 KR 21/04 R – Rdnr. 29). Besondere Bedeutung kommt den Stellungnahmen der einschlägigen Fachgesellschaften zu, insbesondere, wenn sich
diese bereits in ärztlichen Leitlinien und Empfehlungen niedergeschlagen haben und auf diese Weise geeignet sind, medizinische
"Standards" zu definieren (näher BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R – Rdnr. 25).
Ausweislich der tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA zur MHI-RL vom 22. Januar 2015 (zu dieser RL siehe bereits oben) wurden
damals internationale Publikationen ausgewertet. Diese betrafen interdisziplinäre Leitlinien und Positionspapiere der führenden
kardiologischen und herzchirurgischen Fachgesellschaften aus Europa, Nordamerika und Australien. Es zeigte sich, dass sich
ein umfassender Konsens gebildet hatte, wonach für die Durchführung einer TAVI neben einer Fachabteilung für Innere Medizin
und Kardiologie auch eine Fachabteilung für Herzchirurgie notwendig war. Zumindest hatte sich aber kein entsprechender Konsens
gebildet, wonach es gerade nicht notwendig war, beide Fachabteilungen zu haben. Der G-BA hatte sich überwiegend auf Publikationen
aus dem Jahr 2012 gestützt und sich auch mit der (abweichenden) Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG) und
anderer Fachmediziner-/innen v.a. aus Deutschland auseinandergesetzt, nach denen nicht beide Fachabteilungen erforderlich
sein sollten. Maßgebend war für diese Gegenansicht die Interpretation von möglichen Komplikationsraten nach TAVI. Der G-BA
hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass die empirischen Grundlagen zu der Frage wegen des fehlenden Vergleichs und der fehlenden
Vergleichbarkeit der Gruppen jedoch kritisch zu betrachten seien. Mit diesem Argument seien die Autoren der europäischen Leitlinien
der (deutschen) Auffassung entgegen getreten und hätten an ihren Leitlinien explizit festgehalten. Vor diesem Hintergrund
könne aus der Studienlage ersehen werden, dass international ein fachlicher Konsens bestehe, wonach eine unmittelbare Zusammenarbeit
zwischen Kardiologen und Herzchirurgen notwendig sei. Diese müsse durch ein interdisziplinäres Herzteam (Heart team) und das
Vorhandensein beider Fachabteilungen in einem Krankenhaus gewährleistet sein (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA
vom 22.1.2015 zu der MHI-RL, S. 9 ff.).
Die Klägerin hat keine Stimmen aus der Fachwelt benannt, die konkret für das Jahr 2014, einen demgegenüber abweichenden Konsens
i.S. eines Überwiegens der (deutschen) Gegenauffassung belegen. Dabei hat der G-BA die Wissenschaftlichen Grundlagen aus den
Jahren 2012 – 2015 herangezogen (vgl. S. 8 f. seiner Tragenden Gründe zu seinem Beschluss). Vor diesem Hintergrund hat – wie
auch 2013 – im Jahr 2014 mit Blick auf die unterschiedlichen Auffassungen zur Überzeugung des Senats gerade kein breiter wissenschaftlicher
Konsens darüber bestanden, dass die TAVI-Leistungen auch in Krankenhäusern ohne eine Fachabteilung für Herzchirurgie erbracht
werden konnte. Demgemäß entsprach die Leistungserbringung in Form eines Kooperationsmodells, bestehend aus einem Dienstleistungsvertrag
zwischen der Klägerin und einem Herzzentrum mit der verpflichtenden Teilnahme von Mitarbeiterinnen des letztgenannten Zentrums,
auch nicht einem breiten wissenschaftlichen Konsens. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der TAVI auch 2014 noch um eine
relativ neue und hochkomplexe Behandlungsmethode handelte, für die in Publikationen besondere Anforderungen an die Struktur-
und Prozessqualität gestellt wurden.
Wörtlich führt der G-BA dazu aus:
„TAVI wird zwar als „minimalinvasiver“ Eingriff bezeichnet. Dies trifft bezüglich des Zugangs grundsätzlich zu, beschreibt
aber nicht die tatsächliche Komplexität der Intervention und die erforderliche Infrastruktur. In einer aktuellen interdisziplinären
Leitlinie der amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie (ACCF) und Herzchirurgie (STS) wird TAVI als ein Eingriff beschrieben,
der von seiner Komplexität und bezüglich der erforderlichen Ressourcen mit einer Herztransplantation zu vergleichen ist.“
(Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA vom 22.1.2015 zu der MHI-RL, S. 3, 6).
Der Senat war nicht gehalten, zu der Frage des 2014 bestehenden wissenschaftlichen Konsenses ein Sachverständigengutachten
einzuholen. Er kann sich zur Beantwortung der Frage auf die Übersicht des G-BA zu den wissenschaftlichen Studien aus dem Verfahren
zum Erlass der MHI-RL stützen. Der G-BA hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass und welche Studien im Jahr 2015,
zum Zeitpunkt des Erlasses der RL, vorlagen und nach diesen nicht von einem weitgehenden wissenschaftlichen Konsens hinsichtlich
der Qualität der Behandlungsmethode in einem Krankenhaus mit nur einer der beiden Fachabteilungen auszugehen war. Demgegenüber
hat die Klägerin auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, dass und warum im Jahr 2014, dem Jahr der streitgegenständlichen
Behandlung, ein davon abweichender Konsens bestanden hat. Näher liegt es bei dieser Sachlage, davon auszugehen, dass bis 2015
eine Verengung der wissenschaftlichen Erkenntnis dergestalt stattgefunden hat, dass sich aus der Vielzahl der Stimmen mehr
und mehr eine überwiegende Meinung herausgebildet hat. Diese hielt es für zwingend, dass das ausführende Krankenhaus über
beide Fachabteilungen verfügt. Andere Anhaltspunkte hat die Klägerin – speziell für das Jahr 2014 – nicht dargelegt. Die dem
Senat mit dem Beweisantrag angetragenen Ermittlungen wären damit solche ins Blaue.
Ausgehend von der Feststellung, dass die TAVI 2014, die in einem Krankenhaus ohne herzchirurgische Fachabteilung erbracht
wurde, nicht dem Qualitätsgebot nach §§
39,
12,
2 SGB V entsprach, handelte es sich bei der Leistung der Klägerin nicht um eine „im Einzelfall“ zweckmäßige Versorgung.
Eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche
sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden
(grundlegend BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 5/08 R – Rdnr. 52; jüngst, BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 26/21 R – Leistung durch einen nicht approbierten Krankenhausarzt, Pressmitteilung). Nach alldem war der Vergütungsausschluss für
die TAVI unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten (Kronenberger in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-
SGB V, G-BA, 1. Aufl., §
1 MHI-RL [Stand: 23.08.2019] Rdnr. 27).
b) Die Klägerin kann sich für den Vergütungsanspruch weder auf die Übergangsregelung in § 9 Satz 1 MHI-RL noch auf die 2014
geltenden Entgeltvereinbarungen (oder deren behördliche Genehmigung) berufen.
aa) Gemäß § 9 Satz 1 MHI-RL konnten TAVI-Leistungen bis zum 30. Juni 2016 auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung
für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden, die keine Fachabteilung für Herzchirurgie aufwiesen, diese Leistungen
jedoch im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 bereits erbracht hatten.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die MHI-RL die Leistungserbringung erst ab Eintritt ihrer Geltung regelt, damit ab dem 25.
Juli 2015, oder zumindest mit § 9 MHI-RL bzw. ihrem Sinn und Zweck nach eine rückwirkende Geltung hat. Denn die Klägerin hat
ihre Leistung schon nicht bis zum 30. Juni 2014 erbracht, vielmehr begann der stationäre Aufenthalt erst an diesem Tag. Selbst
wenn aber zugrunde gelegt wird, dass der noch am 30. Juni 2014 begonnene Aufenthalt einheitlich betrachtet werden könnte (einheitlicher
Behandlungsfall), so sollen durch die Anknüpfung an die genannten Zeiträume der Leistungserbringung zwischen dem 1. Januar
2013 und dem 30. Juni 2014 bereits nach dem Wortlaut von § 9 MHI-RL nicht gerade diese Leistungen selbst legitimiert werden.
Die genannten Bedingungen sind vielmehr Voraussetzung für die Anwendung der Übergangsregelung ab Inkrafttreten der RL ab Juli
2015. Das bestätigt sich neben dem Wortlaut durch Sinn und Zweck der Regelung. Der Wortlaut unterscheidet zwischen den TAVI,
die „erbracht werden können“ und solchen, die die genannten Krankenhäuser in der Vergangenheit bereits „erbracht haben“. Nur
für die ersteren schafft § 9 MHI-RL eine Übergangsregelung. Mit dieser sollte Krankenhäusern, die in dem vorgenannten Zeitraum
TAVI-Leistungen auch ohne Vorhandensein einer herzchirurgischen Fachabteilung erbracht haben, Gelegenheit gegeben werden,
die erforderlichen organisatorischen Umstrukturierungen (ab Juli 2015) noch bis zum 30. Juni 2016 vorzunehmen. In dem genannten
Zeitraum bestand dagegen weder eine Routine der Leistungserbringung (TAVI) noch ein Schutzbedürfnis für die Kliniken, denn
es fehlte gerade ein breiter fachlicher Konsens dergestalt, dass es keiner herzchirurgischen Abteilung bedurfte (dazu oben,
vgl. auch BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R – Rdnr. 35). Letztlich zeigte sich die mangelnde Ausstattung der Klägerin daran, dass sie zum 1. Juli 2016, damit unmittelbar
nach dem Ende des Übergangszeitraums des § 9 MHI-RL, die Erbringung von TAVI gänzlich eingestellt hat.
bb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Schiedsstelle nach § 13 KHEntgG i.V.m. § 18a KHG den Schiedsspruch über die Entgeltvereinbarung für das Jahr 2014 genehmigt hat. Es kann offen bleiben, ob die maßgebende
Entgeltvereinbarung für die Klägerin „festgestellt hat, dass sie berechtigt ist, in Kooperation mit ambulanten Herzzentren
TAVI-Leistungen zu erbringen“ (so das Sozialgericht). Selbst wenn das so wäre, folgt daraus kein Vergütungsanspruch für die
hier streitgegenständliche Leistung. Die Vereinbarung über das Erlösbudget und die sonstigen Entgelte nach §§ 6, 7 KHEntgG
regelt die Vergütung und die Vergütungsvoraussetzungen der voll- und teilstationären Krankenhausleistungen (vgl. § 7 Abs.
1 KHEntgG). Selbst wenn die Vertragsparteien für die TAVI-Leistungen davon ausgegangen sind, dass die Klägerin diese erbringen
wird, wurde damit keine Abkehr oder Modifizierung des Qualitätsgebotes für diese Leistungen vereinbart. Denn dazu sind die
Partner der Entgeltvereinbarungen schon nicht befugt und demgemäß ginge eine solche Vereinbarung „ultra vires“ ins Leere.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG sind allgemeine Krankenhausleistungen solche, „die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit
des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung
des Patienten notwendig sind.“ Eine dem Qualitätsgebot entsprechende und damit grundsätzlich zu vergütende Leistung wird damit
für die Vergütung vorausgesetzt. Die Klägerin konnte daher nicht darauf vertrauen, allein durch die 2016 im Wege des Schiedsspruchs
im Ergebnis rückwirkend begründete Entgeltvereinbarung, auch soweit diese für die TAVI-Leistungen Entgelttatbestände vorsah,
einen Anspruch für die nicht qualitätsgerechte Leistung zu erwerben. Denn die Schiedsstelle ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG
bei ihrer Entscheidung an die für die Vertragsparteien geltenden Rechtsvorschriften gebunden. Auch die landesbehördliche Genehmigung
des Schiedsspruchs änderte daran nichts. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 KHentgG ist auch die für die Genehmigung zuständige Landesbehörde
an die für die Vertragsparteien bezüglich der Vereinbarung geltenden Rechtsvorschriften, mithin auch das Qualitätsgebot der
SGB V, gebunden. Ein davon abweichender, nur entgeltmäßiger Dispens ist daher nicht möglich. Mit Blick darauf genießt die Klägerin
auch keinen Vertrauensschutz auf eine Vergütung der nicht qualitätsgerecht erbrachten Leistungen, zumal die Schiedsentscheidung
2016 für das Jahr 2014 erst rückwirkend erfolgte.
Es kann nach alldem offen bleiben, ob die streitige TAVI-Leistung 2014 zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin
gehörte.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).