Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für die Beschaffung einer
Echthaarperücke über den Vertragspreis hinaus zu erstatten.
Der 1940 geborenen, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Klägerin wurde wegen einer Alopecia androgenetica (erblich
bedingter Haarausfall an der Kopfhaut, ausgelöst durch männliche Sexualhormone im Blut) am 28. Januar 2019 durch den Facharzt
für Hautkrankheiten Dr. D. ein medizinischer Echthaarersatz zur Dauerversorgung wegen Verschleißes des derzeit getragenen
Hilfsmittels verordnet. Der Leistungserbringer (LE), die E. GmbH, übersandte der Beklagten daraufhin unter dem 31. Januar
2019 einen Kostenvoranschlag für eine Echthaarperücke (Mono, vollhandgeknüpft) in Höhe von 1375,00 Euro brutto abzüglich 10,00
Euro gesetzlicher Zuzahlung.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2019 erklärte sich die Beklagte bereit, die Kosten in Höhe von 934,15 Euro zu übernehmen. Die
Klägerin sei bis zum 31. Dezember 2019 von der gesetzlichen Zuzahlung befreit. Für den Fall, dass sie sich für eine höherwertige
Versorgung entschieden habe, zahle sie die Mehrkosten und die Folgekosten für Reparatur- und Wartungsleistungen selber und
erhalte hierüber eine Privatrechnung des LE.
Hiergegen legte die Klägerin am 27. Februar 2019 Widerspruch ein. Sie habe einen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit
Echthaarersatz, und ein die Kosten nicht deckender Zuschuss sei evident rechtswidrig. In vergleichbaren Fällen seien von Gerichten
1.500,00 Euro zugesprochen worden.
Nach Versorgung der Klägerin stellte der LE ihr am 27. Februar 2019 einen Betrag von 850,85 Euro in Rechnung, den die Klägerin
beglich. Aus der Rechnung sowie der Dokumentation über Mehrkosten geht ein Preis von 1785,00 Euro hervor, von dem der LE den
von der Beklagten gewährten Festbetrag in Höhe von 934,15 Euro in Abzug gebracht hatte. In der Dokumentation wurde des Weiteren
durch Ankreuzen u.a. einerseits angegeben, dass es in Höhe des Zuschusses keine ausreichende und zweckmäßige Versorgungsmöglichkeit
gegeben habe, und andererseits, dass Versorgungsmöglichkeiten zu Vertragspreisen/Zuschüssen besprochen und angeboten worden
seien.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 1. März 2019 der Klägerin mitgeteilt hatte, dass Mehrkosten für eine besondere Haarqualität,
-farbe oder -länge das Maß des Notwendigen überstiegen, und unter Benennung von Vertragspartnern, die eine eigenanteilsfreie
Versorgung sicherstellen könnten, darauf hingewiesen hatte, dass alle Vertragspartner verpflichtet seien, ihre Kunden eigenanteilsfrei
nach ihren medizinischen Anforderungen zu versorgen, und der vereinbarte Vertragspreis daher auch Sonderversorgungen, die
zum Beispiel aufgrund besonderer Kopfformen oder Allergien notwendig seien, beinhalte, wies die Beklagte den Widerspruch der
Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2020 zurück. Sie führte ergänzend aus, dass die Ersatzkassen gemäß §§
126,
127 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) mit dem Bundesverband für Zweithaareinzelhändler und zertifizierter Zweithaarpraxen e.V. (BVZ) zur Sicherstellung der Haaransatzversorgung
Verträge geschlossen und darin vertragliche Maximalpreise bzw. Pauschalen vereinbart hätten. Die Vertragspartner des BVZ seien
verpflichtet, jede Versicherte eigenanteilsfrei nach ihren medizinischen Anforderungen zweckmäßig und wirtschaftlich zu versorgen.
Die Lieferung von Haaransatz umfasse unterschiedliche Qualitäten sowie das Einschneiden, Frisieren, Präparieren sowie die
Beratung über Pflege und Handhabung. Weiter sei vertraglich geregelt, dass die Erhebung eines Eigenanteils bzw. einer Aufzahlung
gegenüber den Versicherten für die Versorgung mit Hilfsmitteln durch den Vertragspartner mit Ausnahme der gesetzlich vorgeschriebenen
Zuzahlung unzulässig sei. Für den Fall, dass der Versicherte – trotz ausführlichen Hinweises und Beratung durch den LE – eine
höherwertige Versorgung als medizinisch notwendig und vertraglich vereinbart wünsche, habe der LE den Versicherten zu informieren,
dass die Kasse die hierdurch entstehenden Mehrkosten nicht übernehme. Dies sei schriftlich in Form einer Mehrkostenerklärung
vom Versicherten zu bestätigen und vom LE festzuhalten und bei der jeweiligen Ersatzkasse auf Verlangen einzureichen. Bei
dem von der Klägerin in Anspruch genommenen LE handele es sich um einen Vertragspartner nach §
126 i.V.m. §
127 SGB V. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Verband der Ersatzkassen (vdek) und dem BVZ werde die Perückenversorgung
mit asiatischem Echthaar in Höhe von 934,15 Euro (abzüglich eines Eigenanteils von 10,00 Euro) vergütet. Wähle der Versicherte
statt einer vertraglichen Versorgung eine höherwertige Versorgung, habe dieser die Mehrkosten selbst zu tragen. Dem Anliegen
der Klägerin, die Kosten in voller Höhe zu tragen, könne die Beklagte unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und der
geltenden Rechtsprechung nicht entsprechen. Andere, der Klägerin bereits benannte Leistungserbringer in deren näherem Umkreis
seien bereit, eine aufzahlungsfreie Versorgung mit einem Haaransatz anzubieten.
Die Klägerin hat am 16. Juni 2020 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung weiterer 850,85 Euro begehrt. Zur Begründung hat sie unter
Bezugnahme auf Urteile des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Juni 2018 – S 16 KR 190/16 – und des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 15. August 2019 – L 9 KR 728/17 – sowie einen Protokollhinweis des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 19. September 2019 im dortigen Rechtsstreit L 5 KR 123/17 ausgeführt, dass eine Versorgung mit einem ausreichenden und zweckmäßigen medizinischen Echthaarsatz mit dem gewährten Betrag
in Höhe von 934,15 Euro nicht möglich sei. Die Verträge zwischen den LE und den Krankenkassen entfalteten keine unmittelbare
Rechtskraft gegenüber den Versicherten. Deren Anspruch auf ein ausreichendes und zweckmäßiges Hilfsmittel resultiere als Sachleistungsanspruch
aus §§
27,
33 ff.
SGB V. Dieser gesetzliche Anspruch könne vertraglich nicht verkürzt werden. Für den Fall, dass zu den vereinbarten Vertragspreisen
kein ausreichender und zweckmäßiger Echthaarersatz für den Versicherten erhältlich sei, könne die Verhandlungsschwäche des
Vertragspartners nicht zu Lasten des Versicherten gehen. Für die Versicherten bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Versorgung
mit Echthaarperücken als unmittelbarer Behinderungsausgleich. Es sei unzulässig, wenn unabhängig vom individuellen Anspruch
und ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der Versicherten pauschal für die Versicherte nur der Vertragspreis übernommen
werde.
Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegengetreten.
Nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2020 als unbegründet abgewiesen.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Kostenerstattung sei §
13 Abs.
3 S. 1, Var. 2.
SGB V. Die Rechtsnorm bestimme: „Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die
selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit
die Leistung notwendig war.“ Ein Anspruch auf Kostenerstattung sei demnach u.a. nur gegeben, wenn ein Primärleistungs-(Naturalleistungs-)anspruch
der Versicherten bestehe und dieser rechtswidrig nicht erfüllt worden sei (Hinweis auf st. Rspr. des BSG, z.B. Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –).
Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt.
Nach §
27 Abs.
1 S. 1 und S. 2 Nr.
3 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit habe Krankheitswert,
so dass eine Krankheit nur vorliege, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt sei oder die anatomische
Abweichung entstellend wirke. Grundsätzlich führe Haarlosigkeit nicht zu einer Beeinträchtigung der Körperfunktionen und der
Einsatz von Haarersatz als Hilfsmittel nicht dazu, die verlorengegangene Körperbehaarung wiederherzustellen. Gemäß der Rechtsprechung
des BSG könne der Totalverlust der Haare im Einzelfall dennoch Krankheitswert haben und deshalb als Krankheit im Sinne des §
27 Abs.
1 S. 1
SGB V gelten, weil dem vollständigen Haarverlust unter dem Aspekt der entstellenden Wirkung Krankheitswert zukommen könne und sich
der Versicherte aus der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zurückziehe. Dabei sei nach dem Geschlecht sowie nach Ursache
und Ausmaß des Haarverlustes zu differenzieren (Hinweis auf BSG, Urteile vom 22. April 2015 – B 3 KR 3/14 R – sowie 23. Juli 2002 – B 3 KR 66/01 R –).
Zum Anspruch auf Krankenbehandlung gehöre auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, §
33 Abs.
1 S. 1
SGB V. Hiernach hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln,
die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen
oder eine Behinderung auszugleichen, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder
nach §
34 Abs.
4 SGB V aus der GKV(gesetzliche Krankenversicherung)-Versorgung ausgeschlossen seien. Demgemäß bestehe nach §
33 Abs.
1 S. 1
SGB V ein Anspruch auf Haarersatz nur, soweit dies im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§
12 Abs.
1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –).
Demzufolge verpflichte auch §
33 Abs.
1 S. 1
SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen
seien danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich
funktionell ebenfalls geeignet sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O.); Mehrkosten seien andernfalls von dem jeweiligen Versicherten selbst zu tragen (§
33 Abs.
1 S. 6
SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV sei eine kostenaufwändigere Versorgung (nur) dann, wenn durch sie eine
Verbesserung bedingt sei, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative biete. Keine
Leistungspflicht bestehe dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität beträfen, sondern in erster Linie die
Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gelte für lediglich ästhetische Vorteile. Weitere
Grenzen der Leistungspflicht könnten schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens
ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenüberstehe (Hinweis auf BSG, a.a.O.).
Die Versorgung mit Haarersatz diene dazu, die natürlich gewachsenen Haare bei Haarverlust zu ergänzen oder zu ersetzen. Somit
handele es sich um einen Ausgleich ohne Verbesserung elementarer Körperfunktionen und diene damit sonstigen allgemeinen Grundbedürfnissen
wie der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Deshalb bemesse sich der Umfang der Leistungspflicht der GKV nicht nach dem
technisch Machbaren. Ziel der Hilfsmittelversorgung sei nicht die möglichst umfassende Rekonstruktion des verlorenen früheren
Zustandes, sondern die Sicherung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. Juli 2002, a.a.O.).
Begrenzt sei der Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach §
33 SGB V des Weiteren durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 Abs.
1 SGB V. Die Leistungen müssten danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht
überschreiten; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen, dürften
die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Zwar sei für Haarersatz ein Festbetrag im Sinne von §
36 SGB V bisher nicht festgesetzt worden. §
33 Abs.
6 S. 2 i.V.m. §
33 Abs.
7 SGB V stelle aber die hier geltende, nach §
127 Abs.
1 SGB V maßgebliche Vorgabe für den vom Verband der Beklagten mit dem BZV geschlossenen und durch zugelassenen Versorgungsvertrag
besondere und zulässige Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar, das eine entsprechende Begrenzung des Leistungsumfangs
rechtfertige, sofern eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag nicht unmöglich sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –). Dieser Vertrag sehe gemäß seinem maßgeblichen Anhang 1 als Preis für eine Echthaar- oder Kunsthaarperücke mit längerer
Nutzungszeit (Hilfsmittelposition 24.00.18.0013) für Erwachsene, alle Größen, inkl. Sonderanfertigung/Maßkonfektion, einen
Betrag von 934,15 Euro vor.
Anders als in den von der Klägerin angeführten Entscheidungen sei im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten nicht streitig,
dass die Klägerin einen Anspruch auf Versorgung mit einer Echthaarperücke habe. Durch die Bewilligung des Vertragspreises
habe die Beklagte somit den der Klägerin zustehenden Sachleistungsanspruch erfüllt (Hinweis auf BSG, Urteile vom 23. Januar 2003 – B 3 KR 7/02 R – sowie 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R; a.A. SG Speyer, Urteil vom 18. September 2015 – S 19 KR 509/14 –).
Gebrauchsvorteile über die Versorgung mit einer Echthaarperücke hinaus seien nicht denkbar. Es sei auch nicht vorgetragen,
aus welchen individuellen Gründen die bewilligte Echthaarperücke zum Vertragspreis nicht genügend sein sollte. Die Echthaarperücke
sei in der Form, für die der Vertragspreis vereinbart sei, mithin leistungsrechtlich ausreichend.
Die Klägerin könne nicht mit dem Argument durchdringen, dass die vereinbarten Preise für den LE für die Versorgung von Versicherten
mit einer Echthaarperücke nicht auskömmlich seien und die Beklagte daher den mit den Versicherten individuell vereinbarten
Preis zu zahlen habe. Das Gericht sei daran gehindert, die den Krankenkassen verliehene Verhandlungsmacht durch das Vertragsmodell
der §§
125 ff.
SGB V zu korrigieren. Dieses solle den Krankenkassen ermöglichen, auf den jeweils günstigsten Anbieter zurückzugreifen, der Gesetzgeber
setze in § 127 ganz auf die Segnungen des Wettbewerbs (Hinweis auf Luthe in Hauck/Noftz, SGB, 05/16, §
127 SGB V, Rn. 4), d.h. auf die Konkurrenz der Anbieter untereinander, um Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Hilfsmittelversorgung
auszuschöpfen (Hinweis auf BT-Drs. 15/1525 zu Nr. 91 zu lit b). Nach dem Vertrags- und Partnerschaftsmodell des § 127 sei es grundsätzlich Sache der Parteien, Vertragsinhalte festzulegen (Hinweis auf BSG, Urteile vom 5. August 1999 – B 3 KR 12/98 R – sowie 17. Juli 2008 – B 3 KR 23/07 R –). Denn dem Vertragspartnermodell hinsichtlich der in §§
126 ff.
SGB V geregelten Beziehungen der Krankenkassen zu den LE von Hilfsmitteln liege eine gesetzliche Konzeption zu Grunde, mit der
die Vertragspartner im freien Spiel der Kräfte ausgewogene und interessengerechte Lösungen vereinbaren könnten, die es den
Krankenkassen ermöglichten, die Versorgung der Versicherten zu möglichst günstigen Bedingungen mit hohen Qualitätsstandards
zu gewährleisten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 KR 26/08 R –).
Dass der LE für die Versorgung von der Klägerin mehr verlange als das, zu dem er sich gegenüber der Beklagten vertraglich
verpflichtet habe, sei ohne Belang, §
33 Abs.
7 SGB V. Nach §
4 Abs.
6 des maßgeblichen Vertrages sei die Erhebung eines Eigenanteils (Aufzahlung) ohne Beratung und ausführlichen Hinweis auf die
dann selbst zu tragenden Mehrkosten im Übrigen unzulässig (Hinweis auf SG Hamburg, Urteil vom 23. Mai 2019 – S 48 KR 1746/18 – sowie LSG Hamburg, Beschluss vom 24. Februar 2020 – L 1 KR 79/19).
Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember 2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18. Januar
2021 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Sie bekräftigt, dass
die vereinbarten Vertragspreise nicht auskömmlich seien und dass dies seitens des BVZ in Anwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten
auch schon im Jahr 2015 bei den Vertragsverhandlungen mit dem vdek vorgebracht worden sei. Der regelmäßige Anspruch auf eine
Echthaarversorgung sei zum Vertragspreis für die Betroffenen objektiv nicht in zumutbarer Weise zu erlangen. Dies sei aber
vom BSG in der auch vom SG zitierten Rechtsprechung zur Voraussetzung gemacht worden, weshalb bei einer ablehnenden Entscheidung des Berufungsgerichts
die Revision zuzulassen sei. Ihr Prozessbevollmächtigter habe eine Vielzahl von LE angeschrieben und deren Antworten belegten,
dass die Mehrheit von diesen die Versicherten nicht zum Vertragspreis versorgen könne. Die Klägerin zitiert aus einer E-Mail
der Geschäftsführerin des BVZ vom 3. Julio 2018, wonach Rückmeldungen der Mitglieder gezeigt hätten, dass es zwar grundsätzlich
nach wie vor möglich sei, Perücken in einfacher Ausführung zu den Vertragspreisen abzugeben, im Echthaarbereich allerdings
mit großen Einschränkungen. Eine kurze bis mittlere Echthaarperücke könne zum Vertragspreis abgegeben, aber auch nur abgegeben
werden ohne Einschnitt, ohne Beratung. Für eine Langhaar-Echthaarperücke reiche der Preis tatsächlich gar nicht. Dies belege
auch ein kürzlich vom Schleswig-Holsteinischen LSG im dortigen Rechtsstreit L 10 KR 122/17 eingeholtes Sachverständigengutachten vom 20. September 2021. Aus diesen Gründen sei die Preisvereinbarung mit dem vdek vom
BVZ mittlerweile zum 30. Juni 2019 gekündigt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hamburg vom 17. Dezember 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides
vom 5. Februar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2020 zu verurteilen, ihr weitere Kosten in Höhe
von 850,85 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Die Beteiligten haben durch Erklärungen vom 25. Juni 2021 (Beklagte) und 16. Juli 2021 (Klägerin) ihr Einverständnis mit einer
Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats erteilt (§
155 Abs.
3 und
4 des
Sozialgerichtsgesetzes <SGG>).
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Oktober 2021, die vorbereitenden
Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.
Die im Wesentlichen wiederholenden Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung vermögen keine Zweifel an der Richtigkeit
des angefochtenen Gerichtsbescheids zu begründen. Dass der Anspruch auf Versorgung mit einer Echthaarperücke durch die Krankenkasse
regelmäßig durch die Gewährung des dafür ausgehandelten Festbetrages erfüllt wird und dies auch für eine Versorgung nach dem
auch vorliegend noch (Versorgung im Februar 2019) einschlägigen, hinsichtlich des Preisteils erst zum 30. Juni 2019 gekündigten
Vertrag zwischen dem vdek und dem BVZ gilt, hat der 1. Senat des LSG Hamburg bereits in seinem auch vom SG zitierten Beschluss vom 24. Februar 2020 – L 1 KR 79/19 – entschieden, in dem er Folgendes ausgeführt hat:
Die generelle Behauptung, dass die zwischen dem Verband der Ersatzkassen e.V. – dem die Beklagte angehört – und dem BVZ –
dem der LE angehört, bei dem sich die Klägerin die Echthaarperücke selbst beschafft hat – vertraglich vereinbarten Preise
wirtschaftlich ruinös für die LE seien und eine Versorgung der Versicherten hierzu nicht möglich sei, vermag nichts an der
vom SG fehlerfrei dargelegten Rechtslage zu ändern, wonach die Beklagte die Sachleistungsansprüche ihrer Versicherten dadurch erfüllt,
dass sie durch Vertragsabschlüsse mit LE, deren vertragsgemäße Lieferungen und Übernahme des Vertragspreises abzüglich des
gesetzlichen Eigenanteils die entsprechenden Hilfsmittel zur Verfügung stellt.
Abgesehen davon ist die Behauptung der Klägerin auch der Sache nach durch nichts belegt. In dem von ihr selbst zur Akte gereichten
Informationsschreiben des BVZ vom 14. Juni 2018 wird bekräftigt, dass es seinen Mitgliedern möglich sein müsse, eine hinreichende
Auswahl an Echthaar-Modellen oder Kunsthaar-Modellen mit längerer Nutzungszeit für brutto 934,15 € abzugeben. Es erscheint
auch wenig realistisch, dass der zuständige Verband Verträge zu Bedingungen abschließt, die die eigenen Mitglieder ruinieren
würde. Damit würde er seine eigene Existenz untergraben. Hieran vermögen auch die von der Klägerin überreichten formularmäßigen
Erklärungen einiger LG, wonach eine Versorgung erst zu einem deutlich höheren Preis von – mit großer Bandbreite genannten
– 1150,00 € bis 2000 € (netto!) möglich sei, sowie der Hinweis auf die von ihr zitierten gerichtlichen Entscheidungen nichts
zu ändern. Schon die stark schwankenden Angaben zeigen, dass diese interessengeleitet und nicht fundiert realitätsbezogen
sein dürften. Die den im Berufungsverfahren zitierten Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte betrafen jeweils Echthaar-Perücken
zu ebenfalls deutlich variierenden Preisen von 1199,00 €, 1585,00 und 1785,00 €, wobei der Streit sich jeweils darum drehte,
ob ein Anspruch auf Versorgung mit einer Echthaar- statt einer Kunsthaarperücke bestand. Auch vor diesem Hintergrund erscheint
die Grundlage für die Äußerungen des 5. Senats des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 19. September 2019 vorliegend nicht einschlägig.
Derselbe Senat hat im Übrigen in seinem Urteil vom 19. September 2019 – L 5 KR 121/17 – sogar ausdrücklich festgestellt, dass grundsätzlich nur ein Anspruch auf Erstattung der vereinbarten Vertragspreise besteht,
und lediglich im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen darüber hinausgehenden Erstattungsanspruch im Einzelfall
bejaht, weil die dort beklagte Krankenkasse ebenso wie der LE, dessen Verhalten sie sich zurechnen lassen müsse, die dahingehende
Beratungspflicht verletzt habe, die dortige Klägerin darüber aufzuklären, dass sich der LE gegenüber der Beklagten vertraglich
verpflichtet hatte, die Leistungsempfänger zu den dort genannten Vertragspreisen zu versorgen. Hiervon kann im vorliegenden
Sachverhalt keine Rede sein. Der LE hat in seiner Beratungsdokumentation mitgeteilt, er habe der Klägerin Versorgungsmöglichkeiten
zu Vertragspreisen/Zuschüssen angeboten, was im Übrigen auch impliziert, dass Versorgungsmöglichkeiten zum Vertragspreis bestanden
haben, wobei die Klägerin zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt hat, warum diese nicht ausreichend sein sollten. Die Beklagte wiederum
hat in ihrem vor der Selbstbeschaffung erteilten Bescheid auf die Höhe des Zuschusses hingewiesen, zu dem eine angemessene
Versorgung gewährleistet sei.
Entsprechend hat der Senat auch durch einen anderen als den vorliegend entscheidenden Beisitzer als Einzelrichter geurteilt
(Urteil vom 21. Juni 2021 – L 1 KR 162/19 , juris).
Auch durch den Vortrag im hiesigen Berufungsverfahren vermag die Klägerin nicht schlüssig darzulegen, dass eine Versorgung
zu den zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung gültigen Vertragspreisen objektiv unmöglich gewesen wäre. Ganz im Gegenteil folgt
bereits aus ihrem eigenen Vortrag, wonach die Mehrheit der von ihrem Prozessbevollmächtigten angeschriebenen LE keine Versorgung
zum Vertragspreis bieten könne, dass dies jedenfalls nicht für alle LE gilt. So hat bereits die Beklagte in ihrem Schreiben
vom 1. März 2019 an die Klägerin drei LE am Wohnort der Klägerin benannt, die eine eigenanteilsfreie Versorgung sicherstellen
könnten. Auch aus der zitierten E-Mail der Geschäftsführerin des BVZ geht nicht hervor, dass nach deren Auffassung zu diesem
Zeitpunkt im Sommer 2018 eine Versorgung mit Echthaarersatz zu den Vertragspreisen objektiv unmöglich gewesen wäre. Sie räumt
vielmehr ein, dass eine Abgabe von kurzen bis mittleren Echthaarperücken zum Vertragspreis möglich sei. Die weitere Einschränkung
bleibt im Unkonkreten. Möglich ist, dass sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Entwicklung abzeichnete, die zur Kündigung
der Vertragspreise durch den BVZ zum 30. Juni 2019 – aber eben auch nicht früher – geführt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt sind
die Mitglieder des BVZ jedoch an der vertraglichen Regelung festzuhalten. Schließlich ist das vom Prozessbevollmächtigten
der Klägerin im Verhandlungstermin vor dem Einzelrichter überreichte, vom Schleswig-Holsteinischen LSG eingeholte Sachverständigengutachten
vom 20. September 2021 nicht geeignet, die noch nicht einmal schlüssig vorgetragene Behauptung der Klägerin zur objektiven
Unmöglichkeit der Versorgung zu Vertragspreisen zu belegen. Zum einen setzt das Gutachten sich im Wesentlichen mit der Unterscheidung
der Versorgung mit Kunsthaarersatz einerseits und Echthaarersatz andererseits auseinander, zum anderen finden sich nur nicht
näher ausgeführte Angaben in einer Tabelle zur Preisspanne für Echthaarversorgung nur eines einzigen Herstellers, aus der
nicht einmal hervorgeht, welche Abweichungen von diesem angegebenen durchschnittlichen Preissegment insbesondere nach unten
in der Praxis bestehen, ob also eine objektive Unmöglichkeit der Versorgung zu Vertragspreisen vorliegt. Vor diesem Hintergrund
und insbesondere der Unschlüssigkeit des Vortrags der Klägerin zur zwar angegebenen, jedoch selbst durch den Hinweis darauf,
dass sich dies auf eine „Mehrheit“ der LE beziehe, gleich wieder in Abrede gestellten objektiven Unmöglichkeit, sieht sich
das erkennende Gericht nicht dazu gedrängt, selbst ein Sachverständigengutachten bezogen auf den vergangenen Zeitraum der
Selbstbeschaffung einzuholen. Schließlich hat auch die Klägerin nicht in Abrede gestellt, dass die drei von der Beklagten
benannten LE zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung am Wohnort der Klägerin in der Lage gewesen wären, sie zum Vertragspreis
angemessen zu versorgen.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 liegen nicht vor. Der Senat orientiert sich vielmehr
gerade an der Rechtsprechung des BSG. Im Übrigen betrifft der vorliegende Sachverhalt nach der Kündigung der Vertragspreise durch den BVZ zum 30. Juni 2019 eine
obsolete Rechtslage.