Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
Der 1947 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 5. Juli 2010 sowie vom 2. August 2011 bis zum 30. November
2011 als hauptberuflich Selbständiger bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2 pflegeversichert.
Bei der Beantragung der freiwilligen Mitgliedschaft hatte er jeweils angegeben, dass er beabsichtige, nur für einige Monate
/ vorläufig als Büroleiter für Ingenieursdienstleistungen im Anlagenbau eines deutschen Unternehmens mit internationalen Einsätzen
selbstständig tätig zu sein. Er erwarte Einnahmen in Höhe von durchschnittlich monatlich 2000,00 Euro (ab 2008) bzw. 1300,00
Euro (2011).
Die Beklagte zu 1, die wie bei allen streitgegenständlichen Bescheiden zugleich im Namen der Beklagten zu 2 handelte, setzte
die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zunächst jeweils unter Vorbehalt fest; die endgültige Höhe werde sie aus
dem ersten Einkommenssteuerbescheid zu der selbstständigen Tätigkeit ermitteln. Dabei legte sie die vom Kläger geschätzten
Einnahmen in Höhe von 2000,00 Euro (2008) bzw. die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbemessungsgrenze in Höhe von 1916,25
Euro (2011) monatlich zugrunde.
Ab dem 1. November 2012 bezog der Kläger eine Regelaltersrente und verrichtete nebenher eine „variable selbstständige Aushilfstätigkeit“.
Ergänzend erhielt er laufende Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.
Mit Schreiben vom 16. November 2012 forderte die Beklagte zu 1 den Kläger auf, zur Festsetzung der endgültigen Beiträge ab
Februar 2008 eine Kopie aller Seiten seiner Einkommenssteuerbescheide ab dem Jahr 2008 zu übersenden. Zur Berechnung der Beiträge
ab dem 1. Oktober 2012 bat sie zudem um Übersendung eines aktuellen Steuervorauszahlungsbescheids bzw. einer schriftlichen
Bestätigung des Finanzamtes darüber, dass keine Vorauszahlungen zu leisten sind, des Rentenbescheids und einer reellen Schätzung
der zu erwartenden Einnahmen aus seiner Tätigkeit.
Nachdem – abgesehen von telefonischen Nachfragen – keine Reaktion des Klägers erfolgt war, forderte die Beklagte zu 1 die
Unterlagen mit Schreiben vom 14. März 2013 und 18. März 2013 unter Fristsetzung erneut an und wies darauf hin, dass die Beiträge
anderenfalls pauschal als Höchstbeiträge nach der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen seien.
Mit Bescheid vom 2. April 2013 teilte die Beklagte zu 1 dem Kläger mit, dass dieser trotz wiederholter Aufforderung Einkommenssteuerbescheide
zu seiner Selbstständigkeit nicht vorgelegt habe. Daher seien für die Zeit vom 1. Dezember in 2008 (die Beitragsansprüche
für die Zeit davor seien verjährt) bis zum 5. Juli 2010 und vom 2. August 2011 bis 30. November 2011 Höchstbeiträge aus der
jeweils gültigen, aktuell 3937,50 Euro betragenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu erheben. Die Beklagte zu 1 setzte
die Beiträge „bis zur endgültigen Klärung der Einnahmeverhältnisse“ entsprechend fest. Aufgrund der rückwirkenden Änderung
bestehe für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2011 ein Beitragsrückstand in Höhe von 10.179,48 Euro.
Mit weiterem Bescheid vom 12. Juli 2013 setzte die Beklagte zu 1 die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung
für die Zeit ab dem 1. Juli 2013 neu fest und teilte dem Kläger mit, dass für die Zeit vom Dezember 2008 bis Dezember 2012
ein Beitragsrückstand von insgesamt 15.693,28 Euro bestehe.
Nur gegen letzteren Bescheid erhob der Kläger mit am 17. Juli 2013 bei der Beklagten zu 1 eingegangenem Schreiben vom 10.
Juli 2013 Widerspruch und bat um Überprüfung der Beitragseinstufung sowie des -rückstands.
Daraufhin teilte die Beklagte zu 1 dem Kläger mit, dass der in der Beitragsmitteilung vom 12. Juli 2013 mitgeteilte Beitragsrückstand
nicht zutreffend sei. Für die Zeit von Dezember 2008 bis Dezember 2012 bestehe lediglich ein Beitragsrückstand in Höhe von
10.912,26 Euro. Hinsichtlich der Überprüfung der Beiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 und vom 2.
August 2011 bis zum 30. November 2011 forderte sie zudem erneut den Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2008 an. Für die Zeit
ab dem 1. Januar 2009 liege bereits eine Bestätigung des Finanzamts Lindau vor, dass der Kläger dort steuerlich nicht mehr
geführt werde und aufgrund seiner Einkünfte keine Steuererklärung mehr einreichen müsse.
Unter dem 31. Juli 2013 erwiderte der Kläger, dass er nicht nachvollziehen könne, warum die Beklagte den Einkommenssteuerbescheid
für das Jahr 2008 benötige, wenn die Beklagte für das Jahr 2008 lediglich Beiträge für den Monat Dezember verlange. Er habe
den Bescheid jedoch erneut vom Finanzamt angefordert. Für die Zeit von August bis November 2011 habe er um Stundung der Beiträge
gebeten er sei in dieser Zeit arbeitslos gewesen, habe jedoch keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezogen. Einnahmen aus seiner Selbstständigkeit habe er in dieser Zeit jedoch nicht gehabt. Seine von der Beklagten zu 1
angesprochenen häufigen Auslandsreisen hätten nichts mit der deutschen Krankenversicherung zu tun.
Im August 2013 übersandte der Kläger der Beklagten zu 1 eine Kopie des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2008. Auf der
Seite 3 des Bescheides waren mehrere Textpassagen sowie – wie auf allen Seiten – die Steuer- und die Identitätsnummer geschwärzt.
Mit Bescheid vom 6. September 2013 teilte die Beklagte zu 1 dem Kläger mit, dass anhand der eingereichten Unterlagen eine
Änderung der Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 nicht vorgenommen werden könne. Sofern
und solange Nachweise auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorgelegt würden, seien nach § 6 Abs. 5 der Einheitlichen Grundsätze
zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler <BeitrVerfGrSz>) für die weitere
Beitragsbemessung für den Kalendertag beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze
zugrunde zu legen Zur Prüfung der Beitragsfestsetzung des Klägers fehlten weiterhin die ungeschwärzte dritte Seite des Einkommenssteuerbescheides
2008 und entsprechende Nachweise über ausländische Einkünfte ab dem Jahr 2009, die ebenfalls für die Bemessung der Beiträge
maßgebend seien.
Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 27. September 2013. Die angeforderten Unterlagen übersandte er jedoch nicht und machte
auch im Übrigen keine Angaben zu seinem im Ausland erzielten Einkommen.
Nachdem die Beklagte zu 1 dem Widerspruch des Klägers insoweit abgeholfen hatte, dass die Säumniszuschläge rückwirkend in
Höhe von 1% neu festgesetzt worden waren (Bescheid vom 31. Oktober 2013), wies sie den Widerspruch gegen die Ablehnung des
im Widerspruchsschreiben des Klägers vom 10. Juli 2013 gesehenen Überprüfungsantrags hinsichtlich der Beitragseinstufung für
die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 sowie vom 2. August 2011 bis zum 30. November 2011 mit Widerspruchsbescheid
vom 4. Dezember 2013 im Übrigen zurück (mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom selben Tag wurde der Widerspruch gegen
die Beitragsfestsetzung für die Zeit ab dem 1. Juli 2013 zurückgewiesen). Für den Kläger als Existenzgründer sei die Beitragseinstufung
ab dem 1. Februar 2008 – vorbehaltlich einer späteren Korrektur nach Erlass des ersten Steuerbescheids – anhand der geschätzten
Einnahmen erfolgt. Der Kläger habe im Rahmen der nachgehenden Einkommensbefragung nicht nachgewiesen, dass sein tatsächliches
Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze gelegen habe. Die hierfür erforderlichen Nachweise – insbesondere auch zur
Art und Höhe seines im Ausland erzielten Einkommens – habe der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung nicht erbracht.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 15. Januar 2014 beim Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage gewandt und gemeint, die Beitragsanhebung seit 2008 nebst daraus resultierenden Nachforderungen
sei nicht begründet. Eine Einstufung als hauptberuflich Selbständiger setze voraus, dass jemand nachweisbar während eines
längeren Zeitraums über ein entsprechend hohes Einkommen verfügt habe. Dies treffe auf ihn nicht zu. Er sei über längere Zeiträume
arbeitslos gewesen und habe zeitweise Arbeitslosengeld II bezogen.
Das SG Augsburg hat sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das SG Hamburg
verwiesen (Beschluss vom 28. Februar 2014).
Das SG Hamburg hat den Kläger vergeblich mehrfach und zuletzt unter Fristsetzung nach §
106a des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) aufgefordert, den kompletten ungeschwärzten Steuerbescheid sowie eine Erklärung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher
Höhe er in den Jahren 2008 bis 2011 Einkommen im Ausland erzielte, vorzulegen. Schließlich hat es die Klage nach diesbezüglicher
Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 2. Februar 2021 abgewiesen, wobei das Rubrum lediglich die Beklagte zu 1
als einzige Beklagte ausgewiesen hat.
Streitgegenstand sei der Bescheid vom 6. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2013, mit dem
die Beklagte (zu 1) eine Überprüfung des Bescheids vom 2. April 2013 über die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 sowie vom 2. August 2011 bis zum 30. November 2011 abgelehnt habe,
denn die Klage richte sich ausdrücklich nur gegen den Widerspruchsbescheid mit dem Aktenzeichen S607789322/0564/6391/2013
und beziehe sich inhaltlich auf die „Anhebung der monatlichen Krankenkassenbeiträge seit dem Jahr 2008“ sowie „daraus resultierende
Nachzahlungen“. Der ebenfalls am 4. Dezember 2013 ergangene Widerspruchsbescheid, mit dem die Beklagte (zu 1) über den Widerspruch
des Klägers gegen die Beitragseinstufung als freiwillig versicherter Rentner entschieden habe, trage das Geschäftszeichen
S607789322/0564/6392/2013 und sei nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.
Die so verstandene Klage sei als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig und insbesondere rechtzeitig erhoben worden.
In der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Widerspruchsbescheids sei das Sozialgericht Augsburg als zuständiges Gericht
angeführt worden; da der Kläger zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses seinen Wohnsitz jedoch im Ausland gehabt habe, hätte die
Beklagte (zu 1) das SG Hamburg als örtlich zuständiges Gericht angeben müssen (§
57 Abs.
3 SGG). Die insoweit unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung setze die Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf (Hinweis auf Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
13. Aufl. 2020,
SGG §
66 Rn. 7d unter Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 5 B 2/09, juris), sodass gemäß §
66 Abs.
2 S. 1
SGG die Jahresfrist gelte.
Die Klage sei jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Anspruch auf Abänderung der Beitragsbescheide ergebe sich nicht aus § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 44 Abs.1 S. 1 SGB X gelte: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Beklagte (zu 1) habe die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids vom 2. April 2013 überprüft. Die Beitragsfestsetzung für
die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 sowie vom 2. August 2011 bis zum 30. November 2011 sei rechtmäßig. Der
Kläger habe keinen Anspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X auf Aufhebung oder Änderung der Beitragsbescheide.
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung sei §
240 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung vom 20. Dezember 2011. Danach werde die Beitragsbemessung für
freiwillige Mitglieder durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (Abs. 1 S. 1), wobei sicherzustellen sei,
dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtige (Abs. 1 S. 2). Bei
der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seien mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen,
die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen seien (Abs. 2 S.
1).
Gemäß §
240 Abs.
4 SGB V und §
7 der auf der Grundlage von §
240 Abs.
1 S. 1
SGB V vom GKV (gesetzliche Krankenversicherung)-Spitzenverband erlassenen BeitrVerfGrSz, die als untergesetzliche Normen auch die
Versicherten bänden und als solche grundsätzlich verfassungsgemäß seien (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom
19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 – juris, Rn. 21 ff.) gelte als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens
der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig
seien, gelte als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze
(§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen
Gründungszuschuss nach §
93 des
Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches erhielten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimme, unter welchen
Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens
jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, zugrunde gelegt würden. Dabei seien insbesondere das Vermögen des
Mitglieds sowie Einkommen und Vermögen von Personen, die mit dem Mitglied in Bedarfsgemeinschaft lebten, zu berücksichtigen.
Als beitragspflichtige Einnahmen seien das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen
Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt
verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs.
1 S. 1 BeitrVerfGrSz). Einnahmen, die nicht in Geld bestünden, seien entsprechend den für die Sachbezüge geltenden Regelungen
der Sozialversicherungsentgeltordnung zu bewerten (§
3 Abs.
1 S. 2 BeitrVerfGrSz). Nach §
242 SGB V könnten die Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben.
Nach dieser für den Kläger maßgeblichen Bemessungsgrundlage habe die Beklagte (zu 1) die Beiträge mit Bescheid vom 2. April
2013 rückwirkend für die Zeiträume vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 und vom 2. August 2011 bis zum 30. November 2011
in Höhe des Höchstbeitrages festgesetzt gehabt. Diese Vorgehensweise sei nicht zu beanstanden.
Für die mit Bescheid vom 2. April 2013 erfolgte Beitragsfestsetzung in Höhe des Höchstbetrags könne sich die Beklagte (zu
1) auf § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrSz stützen. § 6 Abs. 5 der BeitrVerfGrSz in der vom 1. Januar 2009 bis zum 26. November 2014
gültigen Fassung bestimme, dass für die weitere Beitragsbemessung 1/30 der Beitragsbemessungsgrundlage als beitragspflichtige
Einnahmen für den Kalendertag zugrunde zu legen seien, sofern und solange Nachweise zum Einkommen auf Verlangen der Krankenkasse
nicht vorgelegt würden. Änderungen der Beitragsbemessung seien erst ab dem 1. des Folgemonats nach Vorlage der Nachweise zu
berücksichtigen, wenn diese später vorgelegt würden.
Diese Vorschrift finde im vorliegenden Fall Anwendung, denn eine „weitere Beitragsbemessung“ im Sinne von § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrSz
sei nicht (nur) temporär und auf zukünftige Beitragszeiträume bezogen zu verstehen, sondern gelte auch für eine neue Beitragsfestsetzung
(Hinweis auf SG Aachen, Urteil vom 11. Januar 2011 – S 13 KR 234/10, juris, Rn. 24). § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrSz stelle im vorliegenden Fall eine hinreichende Rechtsgrundlage dar, um den Beitragsbescheid
gegenüber dem Kläger zu erlassen. Zwar habe das BSG festgestellt, dass der Verband Bund der Krankenkassen bei der Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlage die Grenzen seiner
Regelungsbefugnis überschritten habe, indem er beim Fehlen eines Nachweises über das tatsächliche Einkommen auch für nichtselbstständige
Erwerbstätige Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze unterstelle (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 15/11 R). Diese Einschränkung gelte jedoch nicht für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige, für die § 240 Abs. 4 S. 2 SGB eine
Beitragsfestsetzung in dieser Höhe grundsätzlich gestatte.
Dem habe auch nicht entgegengestanden, dass die Beklagte (zu 1) die Beiträge des Klägers mit Aufnahme der selbständigen Tätigkeit
ab dem 1. Februar 2008 zunächst nach den voraussichtlichen Einnahmen festgesetzt gehabt habe. Bei dieser Beitragsfestsetzung
habe es sich nicht um eine endgültige Regelung gehandelt, denn sie sei nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten vorläufig
erfolgt gewesen. Eine solche vorläufige Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 5 SGB X habe das BSG bei freiwillig versicherten, hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigen als zulässig erachtet, wenn diese mit Beginn der
freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbstständige Tätigkeit aufgenommen hätten und damit der Nachweis niedrigerer Einnahmen
aus dieser Tätigkeit mittels eines Steuerbescheides für die endgültige Beitragsfestsetzung noch nicht möglich sei (Hinweis
auf BSG, Urteil vom 22. März 2006 – B 12 KR 14/05 R, juris, Rn. 17).
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrSz lägen vor. Die Beklagte habe den Kläger mehrfach zur Vorlage von Einkommensnachweisen,
der ungeschwärzten Seite 3 des Steuerbescheids 2008 sowie von Angaben zu seinem im Ausland erwirtschaftete Einkommen aufgefordert
gehabt. Der Kläger habe jedoch den insoweit maßgeblichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 nicht vollständig, sondern
in weiten Teilen geschwärzt vorgelegt. Auch habe er der Beklagten keine Auskunft über sein im Ausland erwirtschaftetes Einkommen
gegeben und sei damit seiner nach §
206 Abs.
1 Nr.
1 SGB V grundsätzlich bestehenden Auskunftspflicht nicht nachgekommen.
Schließlich habe sich die Beklagte auch nicht veranlasst sehen müssen, die Beiträge abermals neu festzusetzen. Zwar habe der
Kläger vorgetragen, er sei über längere Zeit arbeitslos gewesen. Dies führe jedoch nicht zwangsläufig zu einer Herabstufung
der Beiträge. Die in §
240 Abs.
4 S. 2 Hs. 2.
SGB V in der Fassung vom 20. Dezember 2011 grundsätzlich vorgesehene Möglichkeit einer Beitragsermäßigung setze den Nachweis niedriger
Einnahmen voraus. Da der Beklagten jedoch keine vollständigen Nachweise über die Einnahmen des Klägers vorgelegen hätten,
lägen die Voraussetzungen für eine Beitragsermäßigung nicht vor. Darüber hinaus ermögliche die Vorschrift lediglich eine Beitragsermäßigung
für die Zukunft. So bestimme §
240 Abs.
4 S. 6
SGB V in der Fassung vom 20. Dezember 2011, dass Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten
Nachweises nur zum ersten Tag auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam würden.
Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Neufestsetzung der Beiträge nach der mit Wirkung zum 15. Dezember 2018
– und damit nach Klagerhebung – eingeführten Erlassregelung des §
240 Abs.
1 S. 4
SGB V. Die Regelung bestimme:
„Für Zeiträume, für die der Krankenkasse hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die beitragspflichtigen Einnahmen
des Mitglieds die nach Absatz 4 Satz 1 oder Satz 2 jeweils anzuwendende Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschreiten,
hat sie die Beiträge des Mitglieds neu festzusetzen. Wird der Beitrag nach den Sätzen 3 oder 4 festgesetzt, gilt §
24 des
Vierten Buches nur im Umfang der veränderten Beitragsfestsetzung.“
Diese Regelung gelte unabhängig von der Mitwirkungserfüllung und verpflichte die Kranken- und Pflegekasse (sogar) von Amts
wegen zur unbegrenzt rückwirkenden Neufestsetzung der Beiträge (Hinweis auf SG Berlin, Beschluss vom 24. Januar 2019 – S 56 KR 3411/18 ER, juris, Rn. 61). Der Anspruch gelte jedoch ausschließlich für die Fälle, in denen das Einkommen des Versicherten die Mindestbemessungsgrenze
nicht überschreite.
Dies begründe der Gesetzgeber (Hinweis auf BT<Bundestags>-Drs.<Drucksache> 19/4454, S. 27 zu Art. 1 Nr. 6) wie folgt:
„Die Neuregelung in § 240 Absatz 1 Satz 4 sieht darüber hinaus eine rückwirkende Korrektur der Beitragsfestsetzung auf den
Höchstbeitrag in den Fällen vor, in denen das Mitglied zwar nach wie vor nicht den Nachweis geringerer Einnahmen erbringt,
jedoch aufgrund hinreichender Anhaltspunkte klar ist, dass die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die jeweils einschlägige
Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschreiten. Entsprechende Anhaltspunkte dafür können z. B. das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit
im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II oder der Sozialhilfe nach SGB XII sein. […] Die „hinreichenden Anhaltspunkte“ stellen einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der grundsätzlich von der zuständigen
Krankenkasse eigenverantwortlich ausgelegt und angewandt werden muss. Dabei ist davon auszugehen, dass die Krankenkassen hierzu
einheitliche Vorgaben abstimmen werden.“
Die Regelung finde auf den vorliegenden Sachverhalt rückwirkend Anwendung, obwohl sie erst nach Klagerhebung in Kraft getreten
sei (zur Anwendbarkeit auf noch nicht bestandskräftig beschiedene Zeiträume vor Inkrafttreten der Änderung Hinweis auf Landessozialgericht
LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. April 2019 - L 6 KR 80/17 - juris Rn. 51; Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 4. Aufl., §
240 SGB V, Stand: 17. Dezember 2020, Rn. 36). Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (Hinweis auf BT-Drs. 19/4454, S. 27), in
der es heiße:
„Die Regelung gilt zeitlich unbeschränkt und bezieht sich auf alle vergangenen Zeiträume der Zwangseinstufung. Die rückwirkende
Anpassung der Beiträge auf den Mindestbeitrag dient dem Abbau „fiktiver“ Beitragsschulden und setzt für die Betroffenen Anreize,
den korrigierten Beitragsforderungen nachzukommen. […]“
Die Anspruchsvoraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt, denn es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der
Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Einnahmen unterhalb der Mindestbeitragsbemessungsgrenze erzielt habe. Zwar habe
der Kläger eine Bescheinigung des Jobcenters Lindau über den Bezug von Leistungen nach dem SGB II vorgelegt. Jedoch sei der Leistungsbezug danach in den Zeiträumen vom 6. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 sowie ab dem 1.
Dezember 2011 erfolgt und damit gerade nicht im hier zu prüfenden Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 sowie
vom 2. August 2011 bis zum 30. November 2011. Im Übrigen habe der Kläger lediglich angegeben, dass sein Einkommen aus dem
Ausland „meist geringer Natur gewesen sei“. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um Einnahmen unterhalb der
Mindestbeitragsbemessungsgrenze gehandelt habe, ergäben sich hieraus nicht.
Gegen diesen ihm am 5. Februar 2021 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25. Februar 2021 eingelegte Berufung
des Klägers, mit der er weiterhin weder die geforderten konkreten Angaben zu Art und Höhe der in den streitigen Zeiträumen
im Ausland erzielten Einkünften macht noch den vollständigen ungeschwärzten Einkommensteuerbescheid für 2008 vorlegt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des SG Hamburg vom 2. Februar 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. September 2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheids
vom 2. April 2013 für die Zeiträume vom 1. Dezember 2008 bis zum 5. Juli 2010 sowie vom 1. August 2011 bis zum 30. November
2011 niedrigere Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung unter Berücksichtigung seines tatsächlichen
Einkommens festzusetzen.
Die Beklagten beantragen schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nehmen Bezug auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 12. August 2021 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit
den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§
153 Abs.
5 SGG).
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Oktober 2021, die vorbereitenden
Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Inhalt der Prozessakte einschließlich der vom Kläger eingereichten Fotos sowie
der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.
Der Senat hat trotz Ausbleibens des Klägers und der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden
können, weil die ordnungsgemäß geladenen Beteiligten auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung. Weder enthält
es relevante inhaltliche Ausführungen noch hat der Kläger die erforderlichen Mitwirkungshandlungen nachgeholt.