Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen eine Meldeaufforderung der Agentur für Arbeit
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Meldeaufforderung der Beklagten.
Die 1968 geborene Klägerin stand im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld. Mit Änderungsbescheid vom 2. Juli 2019 wurde der
Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 24,39 Euro bewilligt. Mit Schreiben vom 11. November 2019 richtete die Beklagte
eine Meldeaufforderung an die Klägerin, wonach diese sich am 19. November 2019 um 11:15 Uhr bei der Beklagten einzufinden
habe. Als Grund gab die Beklagte an, die Klägerin habe mit dem Einreichen des ärztlichen Attestes vom 2. Oktober 2019 zum
Ausdruck gebracht, nicht in der Lage zu sein, sich dem Arbeitsmarkt für eine versicherungspflichtige Tätigkeit zur Verfügung
zu stellen. Um dieses zu widerlegen, solle die Klägerin ein aktuelles ärztliches Attest mitbringen, aus dem hervorgehe, dass
sie arbeitsfähig sei. Die Klägerin nahm den Meldetermin am 19. November 2019 wahr.
Der gegen die Meldeaufforderung gerichtete Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 25. November 2019 als unbegründet
zurückgewiesen. Ein Arbeitsloser habe sich während der Zeit, für den er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebe, u.a. bei der
Arbeitsagentur persönlich zu melden, wenn die Arbeitsagentur dazu auffordere.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. Dezember 2019 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Hintergrund der Meldeaufforderung
sei die Mitteilung der Bevollmächtigten der Klägerin an die Beklagte gewesen, dass die Klägerin bis auf weiteres nicht arbeitsfähig
sei. Aktuell laufe ein Rentenverfahren. Die zuständige Sachbearbeiterin der Beklagten habe mit der Bevollmächtigten der Klägerin
vereinbart, dass bis zum Abschluss des Rentenverfahrens weiter Leistungen gezahlt würden, um schließlich abzuklären, ob eine
Arbeitsunfähigkeit bestehe. Bis zur endgültigen Begutachtung sei die Bundesagentur für Arbeit nach Auskunft ihrer Sachbearbeiterin
davon ausgegangen, dass die Klägerin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Das Rentenverfahren sei noch nicht abgeschlossen,
so dass ein Meldetermin unter keinen denkbaren Umständen angezeigt gewesen sei.
Die Beklagte hat sich auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen.
An ein entsprechendes Telefonat mit der Bevollmächtigten könne sich die Sachbearbeiterin nicht erinnern. Eine solche Auskunft
wäre rechtlich auch nicht korrekt gewesen. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe nur, wenn die Klägerin der Arbeitsvermittlung
der Beklagten zur Verfügung stehe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Januar 2021 abgewiesen. Zweifel bestünden bereits an der Zulässigkeit
der Klage. Richtige Klageart sei die Fortsetzungsfeststellungsklage anstelle der Anfechtungsklage. Der in der Meldeaufforderung
liegende Verwaltungsakt habe sich mit Verstreichen des Meldetermins erledigt. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage bedürfe
es eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses (§
131 Abs.
1 Satz 3
SGG). Hier genüge ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder
ideeller Natur sein könne. Das hierfür erforderliche berechtigte Interesse komme vorliegend nur in Form der Wiederholungsgefahr
in Betracht. Für eine Wiederholungsgefahr sei die hinreichend bestimmte konkrete Gefahr ausreichend, dass unter im Wesentlichen
unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen werde. Allerdings sei ein vorbeugender
Rechtsschutz gegen künftige Meldeaufforderungen in aller Regel nicht möglich. Zwar seien künftige Meldeaufforderungen zwecks
Abklärung der subjektiven und objektiven Verfügbarkeit als Voraussetzung für einen Arbeitslosengeldanspruch nicht auszuschließen.
Aber die Klägerin könne zumutbar auf die Möglichkeit des nachträglichen Rechtsschutzes verwiesen werden. Auch stehe ihr, sollte
sie abermals vorgeladen werden und sich hiergegen wehren wollen, auch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zur
Verfügung.
Die Klage sei unabhängig von der Frage der Zulässigkeit auch materiell unbegründet. Die Meldeaufforderung vom 11. November
2019 sei auf der Grundlage des §
309 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III) rechtmäßig und beschwere die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die hier streitige Meldeaufforderung genüge den formellen
Anforderungen, die an derartige Aufforderungen zu stellen seien. Die Meldeaufforderung sei auch mit einer ordnungsgemäßen
Rechtsfolgenbelehrung versehen gewesen. Diese sei konkret, richtig und vollständig gewesen und zeitnah im Zusammenhang mit
dem geforderten Verhalten erfolgt. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung lägen nicht vor und seien
von der Klägerin auch nicht nachvollziehbar geltend gemacht worden.
Diese ergäben sich auch nicht aus dem Vortrag einer Vereinbarung mit einer Sachbearbeiterin der Beklagten, bis zum Abschluss
des Rentenverfahrens Leistungen weiterzuzahlen. Selbst wenn man eine entsprechende Vereinbarung zugunsten der Klägerin unterstelle,
wäre diese nicht geeignet, die Beklagte daran zu hindern, von ihrer gesetzlichen Verpflichtung Abstand zu nehmen, die gesetzlichen
Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitslosengeldanspruches zu überprüfen. Genau dies sei aber Grundlage und Ansinnen
der Meldeaufforderung, welche ausweislich ihres Inhalts darauf abgezielt habe, die Verfügbarkeit der Klägerin für den allgemeinen
Arbeitsmarkt abzuklären. Die Beklagte sei zur Klärung der subjektiven Verfügbarkeit als Voraussetzung für das Bestehen eines
Arbeitslosengeldanspruchs nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet entsprechende Ermittlungen durchzuführen. Anhaltspunkte
für eine willkürliche Vorgehensweise der Beklagten bestünden nicht.
Gegen den ihr am 25. Januar 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 25. Februar 2021 Berufung eingelegt. Es
liege eine hinreichend bestimmte konkrete Gefahr vor, dass unter den wesentlich unveränderten tatsächlichen und rechtlichen
Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen werde. Das Sozialgericht hätte prüfen müssen, ob die Klägerin arbeitsunfähig
erkrankt gewesen sei und schon deshalb nicht zum Meldetermin hätte erscheinen müssen. Die Meldepflicht sei zwar als solche
nicht willkürlich, aber vorliegend habe ein widersprüchliches Verhalten zwischen der Vereinbarung mit der Sachbearbeiterin
und der Meldeaufforderung bestanden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Januar 2021 aufzuheben und festzustellen, dass die Meldeaufforderung
vom 11. November 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2019 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass die Klägerin nicht mehr im Leistungsbezug stehe. Sollte sie dies wieder tun, lägen andere tatsächliche
und rechtliche Umstände vor. Eine Vereinbarung mit der Sachbearbeiterin sei nicht nachgewiesen. Weder in den Beratungsvermerken
ergäben sich Hinweise darauf noch habe die Sachbearbeiterin dies bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Prozessakte zum Aktenzeichen L 2 AL 26/21 , die Verwaltungsakten der Beklagten und die Sitzungsniederschrift vom 13. April 2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unzulässig. Nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen
für mehr als ein Jahr betrifft. Die Aufhebung der von der Klägerin beanstandeten Meldeaufforderung konnte nur eine Sperrzeit
von einer Woche und damit Arbeitslosengeld unterhalb des Beschwerdewertes von §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG als Rechtsfolge haben (vgl. BSG, Beschluss vom 3. August 2021 – B 11 AL 33/21 B, juris; Beschluss vom 8. Mai 2019 – B 14 AS 86/18 B, juris).
Die Berufung ist auch nicht deshalb zulässig, weil das Sozialgericht in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheides
die Berufung als zulässiges Rechtsmittel angegeben hat, da eine unrichtige Belehrung einen nach dem Gesetz nicht gegebenen
Rechtsbehelf nicht eröffnen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
66 Rn. 12a m.w.N.). Ferner liegt in der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung keine Zulassung der Berufung (BSG, Beschluss vom 12. Mai 2020 – B 12 KR 12/18, juris; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/96 R, juris).
Die Berufung ist aber auch unbegründet. Das Sozialgericht hat die hier allein zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage zu
Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse
(§
131 Abs.
1 Satz 3
SGG) lag und liegt nicht vor. Vorliegend beruft sich die Klägerin auf eine allein in Betracht kommende Wiederholungsgefahr. Hierfür
ist die hinreichend bestimmte konkrete Gefahr ausreichend, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen
Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl., §
131 Rn. 10b). Wie das Sozialgericht ausgeführt hat, kommt zum einen ein vorbeugender Rechtsschutz gegen künftige Meldeaufforderungen
nicht in Betracht, da es dem Betroffenen zugemutet werden kann, sich auf den Rechtsschutz gegen ergangene Meldeaufforderungen
verweisen zu lassen. Zum anderen ist aber auch nicht zu befürchten, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen
und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird. Die Klägerin steht nicht mehr im Bezug von Arbeitslosengeld.
Bei einem erneuten Bezug von Arbeitslosengeld hätten sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände wesentlich geändert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.