Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Ereignisses vom 4. Dezember 1996 (Sturz auf
einer Treppe) streitig.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts
Hamburg vom 22. Mai 2003 verwiesen, der wie folgt zu ergänzen ist: Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren den Unfallhergang
sowohl gegenüber allen Ärzten als auch auf die schriftliche Anfrage der Beklagten selbst handschriftlich so beschrieben, dass
er beim Hinaufgehen einer Treppe auf die linke Schulter gefallen sei. Dabei habe er den linken Arm angewinkelt am Körper gehalten
und in der Hand seinen "Timer" getragen. Gegenüber Prof. Dr. T1 hat der Kläger nochmals ausdrücklich bestätigt, er sei bei
gewinkeltem Arm auf die linke Schulter gestürzt - ohne dass eine Abstützreaktion stattgefunden habe.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente bestehe nicht, denn die am 12.
Dezember 1996 kernspintomographisch festgestellte Rotatorenmanschettenruptur sei nicht wesentlich ursächlich auf den Sturz
vom 4. Dezember 1996 zurückzuführen.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt und sogleich einen Antrag auf Begutachtung gemäß
§
109 SGG durch Dr. T. gestellt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Mai 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober
1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine
Verletztenrente wegen einer Rotatorenmanschettenruptur im linken Schultergelenk aufgrund des Ereignisses vom 4. Dezember 1996
zu gewähren, hilfsweise einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme anzuordnen und zu diesem Termin
den vom Gericht bestellten Sachverständigen Dr. W. zu laden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
In seinem Gutachten vom 18. März 2005 ist der Facharzt für Chirurgie Dr. T. nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis
gekommen, ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Sturz und der beim Kläger aufgetretenen Rotatorenmanschettenruptur sei zu
bejahen. Dabei ist er davon ausgegangen, der Kläger sei nicht nur auf die Schulter gestürzt, sondern es liege ein geeigneter
Unfallhergang vor, weil der Kläger versucht habe, den Sturz durch Festhalten am Geländer abzuwenden. Hierzu hat sich Dr. S.
in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20. April 2005 ablehnend geäußert. Insbesondere habe Dr. T. nicht die erhebliche
degenerative Vorschädigung berücksichtigt.
Der Kläger hat das Gutachten von Dr. T. vor allem mit dem Argument verteidigt, bei der Berücksichtigung einer Vorschädigung
zu seinem Nachteil werde übersehen, dass jeder in dem Gesundheitszustand versichert sei, in dem er sich zum Unfallzeitpunkt
befinde.
Demgegenüber hat der Orthopäde Dr. W. nach Untersuchung des Klägers im Gutachten vom 20. Oktober 2006 die Auffassung vertreten,
es liege keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Unfallzusammenhang vor, denn - abgesehen von der Vorschädigung der
im Jahre 1991 erstmals gerissenen Rotatorenmanschette, die zwar einen Einsatz des Gelenks nach dem Verheilen wieder erlaube,
aber dennoch ein minderwertigeres Gewebe hinterlassen habe - fehle es bereits an einem geeigneten Unfallereignis. Ein seitlicher
Fall auf die Schulter könne nicht zur (isolierten) Zerreißung der Rotatorenmanschette führen. Hierin seien sich alle medizinischen
Sachverständigen einig. Weder die vom Prof. Dr. I. unterstellte axiale Krafteinwirkung, welche eine Abstützreaktion o. ä.
voraussetze, noch die von Dr. T. angenommene Drehverletzung beim Festhalteversuch am Geländer seien vorliegend zu diskutieren.
Hierzu hat der Kläger die gutachtliche Stellungnahme von Dr. T. vom 18. Dezember 2006 vorgelegt, in der dieser ausführt, das
Gutachten von Dr. W. könne nicht überzeugen. Bereits der Sturz auf die Schulter an sich sei geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur
hervorrufen. Die in seinem eigenen Gutachten erwähnte Möglichkeit, dass der Kläger versucht habe, den Sturz abzuwenden und
es daher auch zu einer Rotationsverletzung gekommen sei, sei ein zusätzliches Argument.
Im Erörterungstermin am 6. November 2009 ist der Augenarzt Dr. M. vernommen worden. Er hat ausgesagt, sich daran erinnern
zu können, dass der Kläger ihm von einem Sturz auf dem Weg in seine Praxis berichtet habe. Er habe sich an diesem Tage mit
dem Kläger in dessen Eigenschaft als Versicherungsvertreter getroffen. Der Kläger hat nunmehr zum Unfallhergang ergänzt, es
habe an der linken Seite der Treppe ein Geländer gegeben, nach dem er habe greifen wollen. Dabei sei ihm sein "Timer" aus
der Hand gerutscht. Er habe das Geländer bzw. die Sprossen, an denen es befestigt war, eben noch erwischt und sei dann ruckartig
gefallen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 9. Februar 2010 aufgeführten Akten und Unterlagen
verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) ist nicht begründet.
Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung
(
SGB VII) am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, §
212 SGB VII).
Gemäß § 581 Abs. 1 Nr. 2
RVO wird, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, der
Teil der Vollrente, der dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) entspricht (Teilrente), als Verletztenrente gewährt.
Für die Berücksichtigung einer Folge eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten
zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung
zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität)
und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende
Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende
Kausalität) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Mai 2006
- B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit,
d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges
nicht aus.
Vorliegend ist ein Unfallzusammenhang zu verneinen. Es fehlt zumindest an einem geeigneten Ereignisablauf. Dabei geht der
Senat davon aus, dass der Kläger (direkt) auf die Schulter gefallen ist, ohne dass es zu einer Abstützreaktion oder zu einem
Ergreifen des Geländers kam. Einen solchen Ereignisablauf hat der Kläger sowohl mit eigenen Worten gegenüber dem Durchgangsarzt
und den Gutachtern im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren beschrieben als auch auf die detaillierten Fragen der Beklagten
kurz nach dem Ereignis schriftlich in seiner Antwort niedergelegt. Der im Erörterungstermin im Jahre 2009 erstmals eingeführten
Variante mit einem Festhalteversuch am Geländer folgt der Senat nicht. Der Kläger vermochte nicht darzulegen, wie sich die
gegenüber den zeitlich früheren Äußerungen erhebliche Abweichung in der Darstellung erklärt. Es ist nicht anzunehmen, dass
einer Schilderung, die viele Jahre nach dem Ereignis abgegeben wird, gegenüber einer in näherem zeitlichen Bezug erfolgten
Beschreibung - ohne Hinzutreten besondere Umstände - ein höherer Wahrheitsgehalt zukommt.
Der zugrunde zu legende Unfallhergang hat die Rotatorenmanschettenruptur nicht verursacht. Lediglich Dr. T. behauptet in seiner
Stellungnahme vom 18. Dezember 2006, dass ein bloßer Sturz auf die Schulter zu einer Rotatorenmanschettenruptur führen könne.
Abgesehen davon, dass er sich damit zu seinem Gutachten vom 18. März 2005 in Widerspruch setzt, in dem er noch ausführt, dass
ein Sturz mit einem Festhalteversuch ein für einen solchen Körperschaden geeignetes Ereignis sei, kann diese ohne weitere
Begründung geäußerte Auffassung nicht überzeugen. Alle anderen Gutachter legen mit gut nachvollziehbaren Argumenten dar, dass
ein Fallen auf das Schultergelenk nicht zu einer Verletzung im Inneren des Gelenks (nämlich an der durch andere Körperteile
ummantelten Rotatorenmanschette) führen kann, ohne dass auch eine Verletzung der umgebenden Körperteile erfolgt. Vielmehr
ist für eine isolierte Verletzung der Rotatorenmanschette unabdingbar, dass eine Krafteinwirkung auf das Gelenkinnere, z.
B. die von Prof. Dr. I. beschriebene axiale Krafteinwirkung durch einen Abstützversuch mit Hand bzw. Arm, vorliegt. Wie oben
dargelegt, ist aber davon auszugehen, dass der Kläger nicht versucht hat, sich abzustützen (oder sich festzuhalten). Deswegen
kann im Ergebnis auch dem Gutachten von Prof. Dr. I. nicht gefolgt werden, welcher gerade einen solchen Abstützversuch annimmt
und nur unter dieser Voraussetzung zur Bejahung eines Ursachenzusammenhanges kommt.
Dem Hilfsantrag auf Ladung und Vernehmung des Sachverständigen Dr. W. in einem weiteren Verhandlungstermin ist der Senat nicht
gefolgt. Mit ihm soll eine sachverständige Äußerung zur Bewertung der im Verhandlungstermin am 6. November 2009 erstmals erfolgten
Unfallschilderung, wonach der Kläger sich während des Fallens am Geländer festgehalten habe, herbeigeführt werden. Da der
Senat wie oben ausgeführt entsprechend des früheren Vorbringens des Klägers von einem Fall auf die Schulter ohne Abstütz-
oder Festhalteversuch ausgeht, gibt es keinen Anlass für eine medizinische Neubewertung.
Der Senat hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGG aufzuerlegen, im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Der Kläger hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihm und seinem Bevollmächtigten
von der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2010 die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung
ausführlich und für beide nachvollziehbar dargelegt worden ist und beide auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung
des Rechtsstreits hingewiesen worden sind. Der Senat hat die Verschuldenskosten auf den pauschalen Betrag von 750 Euro festgesetzt,
der schätzungsweise durch die Absetzung und Zustellung des Urteils unter Beteiligung von drei Richtern sowie weiteren Mitarbeitern
des Gerichts entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG nicht vorliegen.