Sperrzeit bei Arbeitsablehnung
Aufklärungsfunktion und Warnfunktion einer Rechtsfolgenbelehrung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsablehnung in der Zeit vom 29. Juni bis 19.
Juli 2017 sowie die von der Beklagten insoweit erhobene Erstattungsforderung von 1.395,03 Euro.
Der 1979 geborene Kläger studierte von September 2002 bis August 2008 an der I. mit dem Abschluss „Wirtschaftsingenieur Maschinenbau“.
Anschließend arbeitete er bis Oktober 2016 in abhängigen Beschäftigungen als Projektleiter bzw Logistikplaner. Mit Bescheid
vom 13. Dezember 2016 bewilligte die Beklagte ihm für die Zeit vom 1. November 2016 bis 31. Oktober 2017 Arbeitslosengeld
(Alg) für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen bei einem täglichen Leistungsbetrag von 66,43 Euro.
In einem Verbis-Vermerk vom 27. Juni 2017 hielt die Beklagte fest, dass der Kläger an diesem Tag in einem Beratungsgespräch
über „ Verfügbarkeit und Zumutbarkeit bei Arbeitslosigkeit “ belehrt worden sei. Ihm seien unter Hinweis auf das Merkblatt 1 für Arbeitslose seine Rechte und Pflichten erläutert und
„ mögliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung aufgezeigt “ worden. Am selben Tag schlossen die Beteiligten eine neue Eingliederungsvereinbarung, in der als Ziel die Aufnahme einer
Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt als Wirtschaftsingenieur/Logistiker in einem Umkreis von 200 km vom Wohnort vereinbart
wurde. Zusätzlich überreichte die Beklagte dem Kläger an diesem Tag einen Vermittlungsvorschlag für eine Beschäftigung als
Projektleiter bei der J. GmbH. In diesem Schreiben wurde der Kläger aufgefordert, sich dort unverzüglich zu bewerben. Ob der
Kläger an diesem Tag gegenüber der Beklagten zusagte, sich auf diese Stelle zu bewerben, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Das in den Verwaltungsunterlagen enthaltene Exemplar des Vermittlungsvorschlags enthält auf Seite 2 (Rückseite) eine Rechtsfolgenbelehrung.
Dort heißt es ua wörtlich: „ Wenn Sie ohne wichtigen Grund (…) das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindern (zB indem
Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein (…). Während der Sperrzeit ruht ihr Anspruch auf Leistungen (….). Hinweise
dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Alg erworben wird und wann eine Sperrzeit eintritt, enthält das „Merkblatt
für Arbeitslose, Ihre Rechte – Ihre Pflichten“. (…) “ (vgl Ausdruck von Bl 2 der von der Beklagten elektronisch geführten Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 19. Juli 2017 (Eingang bei der Beklagten: 25. Juli 2017) teilte der Kläger der Beklagten mit, sich auf das
Stellenangebot nicht beworben zu haben, weil er keine beruflichen/fachlichen Erfahrungen im Sanitärbereich aufweise.
Die Beklagte stellte daraufhin den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsablehnung für die Zeit vom 29. Juni bis
19. Juli 2017 sowie eine Minderung der Anspruchsdauer um 21 Tage fest. Die zuvor erfolgte Leistungsbewilligung wurde für die
Tage der Sperrzeit aufgehoben und der Kläger zur Erstattung von 1.395,03 Euro aufgefordert (Sperrzeit-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom 2. August 2017; Änderungsbescheid vom 2. August 2017 mit Festsetzung des Alg-Leistungsanspruchs für die Zeit vom 29. Juni
bis 19. Juli 2017 auf 0,00 Euro).
Mit Widerspruch vom 14. August 2017 machte der Kläger geltend, dass sich das Stellenangebot auf eine Projektleitung im Bereich
Energie und Wasserzähler beziehe. Er habe jedoch ausschließlich Berufserfahrung „ in der automotiven Logistik mit den Schwerpunkten in der Materialfluss- und Verpackungsplanung “. Zuletzt sei er als Projektleiter in der Logistik tätig gewesen; zu seinen Aufgaben habe die „ Definition und die Terminierung der Arbeitspakete sowie die fachliche Betreuung der Mitarbeiter “ gehört, was ein hohes Maß an Fachwissen der Prozesse in der automotiven Logistik erfordert habe. Dagegen weise die angebotene
Stelle keine „ Schnittstellen “ zu seinen bisherigen Tätigkeiten auf. Ihm fehle das Fachwissen in der Energie- und Gasbranche, so dass sich die Frage stelle,
wie er als Projektleiter Mitarbeiter anleiten, Arbeitspakete definieren und verfolgen solle, wenn er selbst nicht wisse, um
was es gehe. Das Stellenangebot habe seinem Profil nicht entsprochen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass im Rahmen des persönlichen Beratungsgesprächs
auch die Inhalte und Anforderungen des Stellenangebots ausführlich besprochen worden seien. Der Vermittlungsvorschlag habe
eine vollständige und verständliche Belehrung über die Rechtsfolgen bei Nichtbewerbung enthalten. Der Kläger habe das Zustandekommen
eines Vorstellungsgesprächs und damit die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert, indem er sich nicht beworben
habe. Von der Arbeitgeberin seien lediglich ein abgeschlossenes Studium als Ingenieur, Wirtschaftsingenieur oder vergleichbare
Fähigkeiten und Erfahrungen gefordert worden. Spezielle Fachkenntnisse habe die Arbeitgeberin als wünschenswert, nicht aber
als Bedingung angegeben. Das Anforderungsprofil sei mit dem Kläger bei Aushändigung des schriftlichen Stellenangebots ausführlich
besprochen worden. Dem Kläger habe für das Unterlassen der Bewerbung kein wichtiger Grund zur Seite gestanden, zumal er zum
Zeitpunkt der Aushändigung des Stellenangebots bereits im 7. Monat seiner Arbeitslosigkeit gestanden habe. Die rückwirkende
Aufhebung der Alg-Bewilligung beruhe auf § 48 Abs 1 Nr 4 SGB X. Aufgrund der vollständigen und verständlichen Rechtsfolgenbelehrung im Vermittlungsvorschlag habe der Kläger zumindest wissen
müssen, dass sein Leistungsanspruch bei Nichtbewerbung ruhen bzw ganz oder teilweise wegfallen werde (Widerspruchsbescheid
vom 24. Oktober 2017).
Hiergegen hat der Kläger am 22. November 2017 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig Klage erhoben. Er hat unter Vorlage einer Fotokopie von Seite 1 des Vermittlungsvorschlags geltend gemacht,
dass der Vermittlungsvorschlag nur aus einer Seite (Vorderseite) sowie der Stellenbeschreibung (als Anlage zum Vermittlungsvorschlag)
bestanden habe. Eine Seite 2 des Vermittlungsvorschlags mit Rechtsfolgenbelehrung habe er nicht erhalten. Das Stellenangebot
habe nicht seinen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprochen. Unabhängig davon habe er im Juni 2017 sogar sechs Bewerbungen
vorgenommen, obwohl er laut Eingliederungsvereinbarung lediglich zu vier Bewerbungen verpflichtet gewesen sei.
Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren unter Bezugnahme auf ua den Verbis-Vermerk vom 31. Juli 2017 (Bl 37 der Verwaltungsakte
– VA -) vorgetragen, dass der Vermittlungsvorschlag einschließlich Rechtsfolgenbelehrung übergeben worden sei. Vermittlungsvorschläge
würden sowohl bei zentralem als auch bei einem vor Ort in der Arbeitsagentur erfolgenden Druck üblicherweise doppelseitig
ausgedruckt; lediglich die Anlagen würden einseitig ausgedruckt.
Auf die Aufforderung des SG, den Original-Vermittlungsvorschlag zur Gerichtsakte zu reichen (richterliche Verfügung vom 23. April 2018), hat der Kläger
über einen Zeitraum von ca drei Monaten nicht reagiert. Auf die Erinnerung des SG hat der Kläger dann mitgeteilt, den Vermittlungsvorschlag der Beklagten „ in seinen Unterlagen nicht mehr finden “ zu können (Schriftsatz vom 14. August 2018). Bei seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger angegeben, sich nicht mehr erinnern zu können, ob er den Vermittlungsvorschlag in einem persönlichen Gespräch
oder aber per Post erhalten habe. Er habe sich den Vermittlungsvorschlag natürlich angesehen. Er könne nicht genau sagen,
wann er sich dazu entschieden habe, sich nicht zu bewerben. Ihm sei damals nicht bekannt gewesen, dass eine Nichtbewerbung
zu einer Sperrzeit führen könne. Wenn er dies gewusst hätte, hätte er sich auch auf ein für ihn nicht geeignetes Stellenangebot
beworben.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2019 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte keine Rechtsfolgenbelehrung
nachgewiesen habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger die Rechtsfolgenbelehrung, die sich nach Angaben der
Beklagten auf Seite 2 des Vermittlungsvorschlags befunden haben soll, auch tatsächlich erhalten habe. Der Vortrag, dass Vermittlungsvorschläge
doppelseitig ausgedruckt würden, reiche nicht zum Nachweis aus, dass dies auch im konkreten Fall des Klägers in dieser Weise
erfolgt sei. Zudem habe die Beklagte den Zeitraum der Sperrzeit fehlerhaft bestimmt. Für den Beginn der Sperrzeit sei auf
den Zeitpunkt des Schreibens des Klägers, mit dem er der Beklagten die Nichtbewerbung mitgeteilt habe, abzustellen. Da dieses
Schreiben vom 19. Juli 2017 stamme, beginne die Sperrzeit am 20. Juli 2017. Dieser Zeitpunkt liege jedoch außerhalb der von
der Beklagten für die Zeit vom 29. Juni bis 19. Juli 2017 festgestellten Sperrzeit.
Gegen das der Beklagten am 23. Oktober 2019 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 11. November 2019 eingelegte Berufung.
Sie macht geltend, dass sich der Kläger bis zum 6. Februar 2017 auf keines der ihm von der Beklagten übermittelten Stellenangebote
beworben habe. Der Kläger habe diese als für sich fachlich nicht geeignet angesehen. Bereits in einem Beratungsgespräch vom
6. Februar 2017 sei ihm erläutert worden, dass er sich auch auf Stellen bewerben solle bzw müsse, die keine hundertprozentige
Übereinstimmung mit seinen Fähigkeiten aufweisen. Mit dem Kläger sei bereits damals ausdrücklich abgesprochen worden, dass
aus dem bisherigen Nichtbewerben bislang keine leistungsrechtlichen Konsequenzen gezogen worden seien. Zukünftige Vermittlungsvorschläge
würden dagegen mit Rechtsfolgenbelehrung versehen und hätten dann bei Nichtbewerbung die entsprechenden Konsequenzen. In den
Eingliederungsvereinbarungen vom 6. Februar und 27. Juni 2017 sei jeweils geregelt worden, dass sich der Kläger auf die Vermittlungsvorschläge
der Beklagten bewerbe. Der streitbefangene Vermittlungsvorschlag sei ausweislich des Beratungsvermerks „ nach Interessenklärung “ unterbreitet worden, habe also auch nach Auffassung des Klägers ein passendes Stellenangebot dargestellt. Bei der Aushändigung
des Vermittlungsvorschlags sei von der Arbeitsvermittlerin ausdrücklich auf die angefügte Rechtsfolgenbelehrung hingewiesen
worden. Der für den Kläger in Papierform ausgedruckte Vermittlungsvorschlag sei auch „ in die elektronisch geführte Akte gedruckt “ worden und belege die dort enthaltene Rechtsfolgenbelehrung. Hierzu könne auch die zuständige Arbeitsvermittlerin als Zeugin
gehört werden, zumal der Kläger den Original-Vermittlungsvorschlag nicht mehr vorlegen könne und der Vortrag, keine Rechtsfolgenbelehrung
erhalten zu haben, erstmals im Klageverfahren erfolgt sei. Über den (konkreten) Beginn der Sperrzeit habe nach der Rechtsprechung
des BSG sowie des 7. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen (Urteile vom 27. Juni 2019 – B 11 AL 14/18 R sowie B 11 AL 17/18 R -; Urteil vom 19. Juni 2018 – L 7 AL 66/16 -) nicht belehrt werden müssen. Der anderslautenden Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 8. Mai 2018 – L 11 AL 67/16 NZB -) sei nicht zu folgen (vgl hierzu im Einzelnen: Schriftsatz vom 10. Juni 2021). Das Stellenangebot sei für den Kläger
geeignet gewesen (vgl hierzu im Einzelnen: Seite 2 des Schriftsatzes vom 25. November 2019). Das diesbezügliche Bestreiten
des Klägers stelle eine Schutzbehauptung dar. Entgegen der Auffassung des SG sei nach der BSG-Rechtsprechung von einem Beginn der Sperrzeit am 29. Juni 2017 auszugehen. Der Vermittlungsvorschlag habe die Vorgabe enthalten,
sich umgehend auf die sofort zu besetzende Arbeitsstelle zu bewerben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. Oktober 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte ihn in den Beratungsgesprächen informiert habe, dass zukünftige Vermittlungsvorschläge
mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen würden und ggf die in den Belehrungen genannten Konsequenzen eintreten würden. Ein
Gespräch dieses Inhalts habe nicht stattgefunden. An ein Beratungsgespräch vom 27. Juni 2017 könne er sich nicht mehr erinnern.
Er könne sich nicht mehr daran erinnern, den Vermittlungsvorschlag persönlich überreicht bekommen zu haben. Er meine vielmehr,
den Vermittlungsvorschlag per Post erhalten zu haben. Der Vermittlungsvorschlag sei nicht mit einer Rechtsfolgenbelehrung
versehen gewesen. Aus diesem Grund sei dem Kläger auch kein Hinweis auf die beigefügte Rechtsfolgenbelehrung gegeben worden.
Ansonsten hätte er sich allein deshalb auf die Stelle beworben, um eine Sperrzeit zu verhindern. Er könne mit Gewissheit sagen,
dass ihm lediglich ein Vermittlungsvorschlag, jedoch keine Rechtsfolgenbelehrung ausgehändigt worden sei. Den Original-Vermittlungsvorschlag
habe er bei Klageerhebung für seinen Rechtsanwalt abfotografiert und danach entsorgt. Der Vortrag der Beklagten, wonach der
Vermittlungsvorschlag vom 27. Juni 2017 auf den Kläger gepasst habe, stelle sich nach dem Widerspruch des Klägers und dem
bisherigen Klageverlauf als reine Provokation dar. Er habe sich nicht vor einer Arbeitsuche drücken wollen. Vielmehr habe
er sich intensiv um eine Arbeitsstelle bemüht und sogar mehr Bewerbungen geschrieben als er laut Eingliederungsvereinbarung
gemusst habe. Unabhängig davon habe das SG einen Beginn der Sperrzeit zutreffend erst ab dem 20. Juli 2017 angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die den Kläger betreffende
Verwaltungsakte der Beklagten, die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte sowie die Sitzungsniederschrift vom 23. Juni 2021
(Anhörung des Klägers) verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Mangels rechtswirksamer
Rechtsfolgenbelehrung ist keine Sperrzeit eingetreten, so dass das SG die angefochtenen Bescheide im Ergebnis zu Recht aufgehoben hat.
Nach §
159 Abs
1 Satz 1
SGB III ruht der Alg-Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer versicherungswidrig
verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund gehabt zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt ua vor, wenn die arbeitslose
Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art
der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses,
insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung,
§
159 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III).
Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, muss eine Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret,
richtig, vollständig und verständlich sein. Damit die Rechtsfolgenbelehrung ihre Aufklärungs- und Warnfunktion erfüllen kann,
muss sie der oder dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen
auf den Leistungsanspruch die ohne wichtigen Grund erfolgende Ablehnung des unterbreiteten Arbeitsangebotes nach sich ziehen
kann (vgl etwa: BSG, Urteil vom 10. Dezember 1981 – 7 RAr 24/81 –, BSGE 53, 13, Rn 24). Erforderlich ist insoweit auch eine Belehrung über den Beginn der angedrohten Sperrzeit (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R -, Rn 22 – zur Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II; Beschluss des erkennenden Senats vom 8. Mai 2018 – L 11 AL 67/16 NZB –, info also 2018, 209 sowie Lüdtke/Schaumberg in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, LPK-
SGB III, 3. Auflage 2019, §
159 Rn 25 – jeweils zur Sperrzeit nach §
159 SGB III). Ein Hinweis - gleich in welcher Form - auf den Inhalt eines Merkblattes reicht für die in §
159 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III vorgeschriebene Rechtsfolgenbelehrung nicht aus (vgl BSG, Urteil vom 10. Dezember 1981, aaO, Rn 28).
In Übereinstimmung mit der Aktenlage sowie dem Vortrag der Beklagten spricht vieles dafür, dass der dem Kläger überreichte
Vermittlungsvorschlag auf Seite 2 (Rückseite) eine Rechtsfolgenbelehrung enthielt. Schließlich wurde gleichzeitig mit dem
Papierausdruck (in der örtlichen Agentur für Arbeit im Rahmen des am 27. Juni 2017 geführten Beratungsgesprächs) ein Aktenexemplar
hiervon „ in die elektronisch geführte Akte gedruckt “, also als elektronisches Dokument in der elektronisch geführten Verwaltungsakte gespeichert. Der in der Verwaltungsakte
der Beklagten gespeicherte Vermittlungsvorschlag enthält auf Seite 2 eine entsprechende Rechtsfolgenbelehrung.
Ein unvollständiger Ausdruck dieser Datei (lediglich Seite 1 statt beide Seiten) ist zwar nicht ausgeschlossen, aber angesichts
der gleichzeitig erfolgten automatischen Speicherung des zweiseitigen elektronischen Dokuments eher unwahrscheinlich. Zudem
hat die zuständige Sachbearbeiterin der Beklagten am Tag des Beratungsgesprächs sowie Ende Juli 2017 nochmals in Aktenvermerken
festgehalten, dass der Vermittlungsvorschlag am 27. Juni 2017 mit dem Kläger besprochen und sodann einschließlich Rechtsfolgenbelehrung
an ihn übergeben worden sei (vgl Verbis-Vermerke vom 27. Juni und 31. Juli 2017). Der anderslautende Vortrag des Klägers ist
unsubstantiiert und zumindest teilweise unglaubwürdig. So ist der Vortrag des Klägers widerlegt, den Vermittlungsvorschlag
nicht übergeben bekommen, sondern per Post übersandt erhalten zu haben (vgl Sitzungsniederschrift vom 23. Juni 2021). Eine
postalische Versendung des Vermittlungsvorschlags ist jedoch nicht erfolgt. Auch der Vortrag des Klägers, sich an das Beratungsgespräch
vom 27. Juni 2017 nicht mehr erinnern zu können, ist unglaubwürdig. Schließlich ist dieses Beratungsgespräch Ausgangspunkt
der vorliegend streitbefangenen Sperrzeit gewesen. Dass der Kläger, der erfolgreich ein Hochschulstudium absolviert und von
dem sich der erkennende Senat im Verhandlungstermin am 23. Juni 2021 einen persönlichen Eindruck verschafft hat, ein solches
Ereignis trotz des von ihm gegen die Sperrzeit geführten Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahrens vollständig vergessen
haben will, ist nicht nachvollziehbar. Bemerkenswert ist insoweit auch, dass der Kläger den Original-Vermittlungsvorschlag
zwar bis zur Klageerhebung aufbewahrt, dann aber „entsorgt“ haben will. Schließlich war dem Kläger seit Erlass des Widerspruchsbescheides
bekannt, dass die Beklagte ihm die Kenntnis einer Rechtsfolgenbelehrung entgegenhält. Damit handelte es sich bei dem Original-Vermittlungsvorschlag
um ein schriftliches Beweismittel, welches das Fehlen einer solchen Rechtsfolgenbelehrung hätte nachweisen können. Dass der
Kläger dieses Beweismittel nach der Fertigung von Handy-Fotos zu einem Zeitpunkt, in dem das von ihm geführte Klageverfahren
gerade erst eingeleitet und noch lange nicht abgeschlossen war, vernichtet haben will, ist nicht nachvollziehbar. Nach dem
vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck ist dieser durchaus in der Lage, seine eigenen
Anliegen zu formulieren und zu verfolgen. Angesichts ua seines schulischen und beruflichen Werdegangs ist ihm zweifelsfrei
auch die Bedeutung schriftlicher Beweismittel bekannt.
Letztlich kann der Senat jedoch offenlassen, ob der dem Kläger zugegangene Vermittlungsvorschlag auf Seite 2 die in der Verwaltungsakte
der Beklagten dokumentierte Rechtsfolgenbelehrung enthielt. Mangels einer Belehrung auch über den Beginn der Sperrzeit stellt
sich die von der Beklagten verwendete Rechtsfolgenbelehrung nämlich als unvollständig und damit unwirksam dar.
Für die der Rechtsfolgenbelehrung nach §
159 SGB III vergleichbare Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II hat das BSG ausdrücklich entschieden, dass nicht nur über die Dauer der zu erwartenden Leistungseinschränkung, sondern auch über deren
Beginn zu belehren ist (Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R -, Rn 22). Dieser Rechtsprechung wird – soweit ersichtlich – allgemein gefolgt (vgl etwa: Berlit in: Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Auflage 2021, § 31 Rn 87; derselbe in: Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, 3. Auflage 2019, Kapitel 23 Rn 33; A. Loose in: Hohm
(Hrsg), GK SGB II, Stand 2021, VI-1 § 31 Rn 83; Dauber in: Mergler/Zink, SGB II, Stand 2020, § 31 SGB II Rn 8a; Zimmermann, Das Hartz IV-Mandat, 4. Auflage 2020, § 5 Rn 11). Das Erfordernis, auch über den Beginn der angedrohten
Sanktion zu belehren, hat der 14. Senat des BSG aus der Rechtsprechung der für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen BSG-Senate zur Rechtsfolgenbelehrung nach §
159 SGB III hergeleitet (vgl BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, aaO, Rn 20).
Der Rechtsprechung des 14. BSG-Senats folgend hat der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 8. Mai 2018 – L 11 AL 67/16 NZB – (info also 2018, 209) entschieden, dass eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung nach §
159 SGB III auch eine Belehrung über den Beginn der angedrohten Sperrzeit erfordert (ebenso: Lüdtke/Schaumberg in: Böttiger/Körtek/Schaumberg,
LPK-
SGB III, 3. Auflage 2019, §
159 Rn 25; LSG Sachsen, Urteil vom 1. Februar 2018 – L 7 AL 42/14 – [Urteil aufgehoben durch BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 – B 11 AL 14/18 R –]; offen gelassen: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. August 2018 – L 18 AL 76/17 -).
Die auf Seite 2 des Aktenexemplars des Vermittlungsvorschlags befindliche Rechtsfolgenbelehrung enthält dagegen keine ausreichende
Belehrung über den Beginn der bei Arbeitsablehnung drohenden Sperrzeit. Vielmehr heißt es dort lediglich „ Hinweise dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Alg erworben wird und wann eine Sperrzeit eintritt, enthält
das „Merkblatt für Arbeitslose, Ihre Rechte – Ihre Pflichten“.Ein solcher Hinweis auf das einschlägige Merkblatt erfüllt nicht die Anforderungen an eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung
iSd §
159 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III (vgl BSG, Urteil vom 10. Dezember 1981, aaO, Rn 28). Unabhängig davon geht dieser Verweis auf das Merkblatt im vorliegenden Fall ins
Leere: Das in Bezug genommene Merkblatt (Stand März 2016; vgl zu der im November 2016 erfolgten Aushändigung dieses Merkblatts
an den Kläger: Seite 3 des Alg-Antrags vom 21. November 2016) enthält weder im Abschnitt Sperrzeit (Seite 55 bis 59) noch
auf irgendeiner anderen im Stichwortverzeichnis des Merkblatts für das Stichwort „Sperrzeit“ angegebenen Seitenzahl Ausführungen
über den Beginn einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung.
Entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl hierzu im Einzelnen: Schriftsatz vom 10. Juni 2021) ist eine Belehrung über den
Beginn der Sperrzeit nicht entbehrlich.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass über den konkreten Beginn der Sperrzeit (Hervorhebung durch den Senat) schon deshalb nicht habe belehrt werden können, weil eine „ vorherige (prognostische) Belehrung über den genauen Beginn einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung unmöglich “ sei, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. Mai 2018 (aaO, Rn 26) unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG darauf hingewiesen, wie eine im Ergebnis wirksame Rechtsfolgenbelehrung lauten kann – gerade auch unter Berücksichtigung
der Schwierigkeit, im konkreten Einzelfall den datumsmäßigen Zeitpunkt des Eintritts einer Sperrzeit zu bestimmen. Für die
Wirksamkeit einer Rechtsfolgenbelehrung ist nicht zwingend die Benennung eines konkreten Datums als Beginn der drohenden Sperrzeit
erforderlich. Dem steht oftmals – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – die Vielzahl der denkbaren Handlungen entgegen,
durch die sich zB eine Arbeitsablehnung iSd §
159 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB III manifestieren kann. Zur Unwirksamkeit der Rechtsfolgenbelehrung führt im vorliegenden Fall deshalb auch nicht das Fehlen
eines konkreten Datums als Beginn der angedrohten Sperrzeit, sondern jegliche Belehrung über den Zeitpunkt, an dem die angedrohte Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung beginnt.
Dem von der Beklagten angeführten Urteil des BSG vom 27. Juni 2019 – B 11 AL 14/18 R – kann der erkennende Senat nicht entnehmen, dass für eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung nach §
159 SGB III keinerlei Belehrung über den Beginn der Sperrzeit erforderlich sein soll (vgl auch die Urteilsanmerkung von Lehmann, NZS
2020, 318, wonach diese BSG-Entscheidung hierzu keine Aussage enthält). Dies gilt auch für die von der Beklagten zitierte Entscheidung des 7. Senats
des erkennenden Gerichts (Urteil vom 19. Juni 2018 – L 7 AL 68/18 -). Zwar wird im Tatbestand dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Vorinstanz die Sperrzeitbescheide unter Bezugnahme auf
das Urteil des BSG vom 10. Dezember 1981 – 7 RAr 24/81 - aufgehoben habe, weil keine Belehrung dahingehend erfolgt sei, wann die dem dortigen Kläger angedrohte Sperrzeit „ in seinem konkreten Einzelfall jeweils beginne “ (Hervorhebung durch den Senat). In den Entscheidungsgründen konkretisiert der 7. Senat des erkennenden Gerichts die diesbezüglichen
Anforderungen an eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung jedoch nicht weiter, sondern hält die Entscheidung des BSG vom 10. Dezember 1981 – anders als offenbar das SG in der Ausgangsentscheidung - bereits deshalb für den konkreten Fall nicht für anwendbar, weil es nicht um einen Erlöschenstatbestand
nach dem Eintritt mehrerer Sperrzeiten, sondern um eine erstmalige Sperrzeit von drei Wochen gehe (vgl Abschnitt 3 c) der
Entscheidungsgründe des Urteils des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19. Juni 2018 – L 7 AL 68/18 -). Den Rechtssatz, dass für eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung nach §
159 SGB III keinerlei Belehrung über den Beginn der drohenden Sperrzeit erforderlich ist, enthält das Urteil des 7. Senats vom 19. Juni
2018 nicht, ebenso wenig eine Auseinandersetzung mit der zum Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bereits veröffentlichten
anderslautenden Rechtsprechung des LSG Sachsen und des erkennenden Senats (Urteil vom 1. Februar 2018 – L 7 AL 42/14 – sowie Beschluss vom 8. Mai 2018 – L 11 AL 67/16 NZB –).
Ebenso wenig ergibt sich aus den Erwägungen des BSG im Urteil vom 27. Juni 2019 - B 11 AL 17/18 R -, wonach es sich bei § 31 SGB II (Sanktion) und §
159 SGB III (Sperrzeit) um von-einander abweichende Normprogramme handelt (Rn 25), dass eine Belehrung über den Beginn von angedrohten
Sperrzeiten generell nicht erforderlich sein soll. Schließlich hat der 14. Senat des BSG – wie bereits ausgeführt - die Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II ausdrücklich aus der Rechtsprechung der Arbeitsförderungssenate des BSG zur Rechtsfolgenbelehrung bei Sperrzeiten hergeleitet (vgl hierzu erneut: BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R -). Aus der Begründung dieser Entscheidung, wonach der Warnfunktion einer Rechtsfolgenbelehrung im Existenzsicherungsrecht
nach dem SGB II eine noch größere Bedeutung zukommt als im Bereich der Arbeitsförderung, folgt nicht, dass in einer Rechtsfolgenbelehrung
nach §
159 SGB III – anders in einer Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II – die Belehrung über den Beginn der Sperrzeit gänzlich entbehrlich sein könnte. Schließlich kann auch eine Sperrzeit nach
§
159 SGB III direkt zu einer Minderung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II führen (Sanktion nach § 31 Abs 2 Nr 3 SGB II). Ein Alg-Bezieher, der über kein anderweitiges existenzsicherndes Einkommen oder Vermögen verfügt, ist bei Feststellung
einer Sperrzeit in seinem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl hierzu Bundesverfassungsgericht,
Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 -) somit ebenso betroffen wie ein SGB II-Leistungsempfänger bei Eintritt einer Sanktion. An die Rechtsfolgenbelehrung nach §
159 SGB III können somit keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an eine Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II.
Da nach alledem keine Sperrzeit eingetreten ist, hat sich die Alg-Anspruchsdauer des Klägers nicht um 21 Tage vermindert.
Ebenso wenig ist er zur Erstattung des in der Zeit vom 29. Juni bis 19. Juli 2017 an ihn gezahlten Alg (1.395,03 Euro) verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen. Der erkennende Senat folgt der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R -), so dass kein Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
1 oder 2
SGG vorliegt.