Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung
Nachweis von Praxisbesonderheiten durch den Vertragsarzt
Rechtswidrigkeit des Regressbescheides
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Richtgrößenregresses.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung in E. teil. 2001 verordnete er Arznei-
und Verbandmittel iHv 1.570.956,49 DM (brutto) und überschritt damit die fachgruppenbezogene Richtgröße um 52,09 vH.
Im Anschluss setzte der Prüfungsausschuss Niedersachsen gegen den Kläger einen Richtgrößenregress iHv 92.893,32 DM fest. Dabei
berücksichtigte der Ausschuss Praxisbesonderheiten des Klägers iHv 127.854,85 DM und weitere Abzüge iHv 38.828,54 DM (Bescheid
vom 9. Dezember 2005).
Auf Widerspruch des Klägers setzte der beklagte Beschwerdeausschuss den Richtgrößenregress demgegenüber iHv 5.913,81 DM fest.
Dafür bereinigte der Beklagte zunächst die Daten der verwandten Einzelverordnungsstatistik iHv 43.898,93 DM (wegen fehlerhaft
enthaltenen Hilfsmittelverordnungen, nicht dem Datensatzformat entsprechenden Datensätzen, Verordnungen aus dem Jahr 2000).
Ferner stufte er freiwillig versicherte Patienten, die die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten hatten und bisher als
"Mitglieder" (M) bzw "Familienangehörige" (F) geführt worden waren, als "Rentner" (R) ein; dies führte zu einem zusätzlichen
Differenzbetrag zugunsten des Klägers iHv 36.704,64 DM. Außerdem erkannte der Beklagte weitere Praxisbesonderheiten des Klägers
iHv 54.853,17 DM (laut Anl 1 des Bescheids) an (nach den Anl 3.1 und 3.2 der Richtgrößenvereinbarung (RGV), wegen der Verordnung
von Anti-Parkinsonmitteln und Anti-Depressiva, drei Patienten mit einem besonderen Versorgungsbedarf). Weitere Besonderheiten
seien aber nicht ersichtlich (Bescheid vom 5. Februar 2008).
Der Kläger hat am 8. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Die Richtgrößenprüfung sei in mehrfacher Hinsicht formell rechtswidrig (ua treuwidrig späte Einleitung
des Prüfverfahrens, zu späte Veröffentlichung der Richtgrößen für 2001, falsche Ermittlung der Richtgröße für 2001, Verletzung
des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs). Zudem seien die der Richtgrößenprüfung zugrunde gelegten Verordnungsdaten in hohem
Maße fehlerhaft. Ferner habe der Beklagte die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten intransparent gehandhabt und die im
Verwaltungsverfahren vorgetragenen Praxisbesonderheiten nur unzureichend berücksichtigt.
Das SG hat mit Urteil vom 13. April 2011 den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 (unter Benennung des Beschlussdatums vom
27. November 2007) aufgehoben und ihn verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Zunächst sei der Bescheid mangels einer ausreichenden Begründung iS von § 35 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rechtswidrig. Der Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, weshalb er nur drei der insgesamt 89 vom Kläger benannten Patienten
mit einem besonderen Versorgungsbedarf als Praxisbesonderheit anerkannt habe. Anhand der Ausführungen in dem Bescheid bleibe
unklar, welcher Patient mit welchen Verordnungen noch als "normal" bzw als "schwer" angesehen werde. Da sich die Vertragsärzte
aber gegen die mit Richtgrößenregressen verbundenen Eingriffe im Wesentlichen nur durch die Darlegung von Praxisbesonderheiten
wehren könnten, sei zu verlangen, dass zumindest ein sachgerechter, plausibler und nachvollziehbarer Grund für die Festlegung
der Grenze zur Praxisbesonderheit im Regressbescheid dargelegt (oder später nachgeschoben) werde. Ferner habe der Beklagte
die vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragene Rüge, die aufgelisteten Pharmazentralnummern mit dem Eintrag "4E+08"
etc seien mangelhaft, sowie die substantiiert geltend gemachte Sonderbelastung durch mehr zuzahlungsbefreite Patienten nicht
hinreichend berücksichtigt. Hinsichtlich der weiteren vom Kläger in formeller und materiell-rechtlicher Hinsicht geltend gemachten
Einwendungen sei der Bescheid des Beklagten aber nicht zu beanstanden.
Gegen dieses Urteil (zugestellt am 30. Juni 2011) wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 14. Juli 2011. Entgegen
der Auffassung des SG habe er sich ausreichend mit den vom Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Praxisbesonderheiten auseinandergesetzt.
Soweit einzelne Praxisbesonderheiten nicht berücksichtigt worden seien, habe der Kläger diese nicht ausreichend substantiiert
dargelegt. Schließlich seien die falschen Bezeichnungen von Pharmazentralnummern mit dem Eintrag "4E+08" etc darauf zurückzuführen,
dass der vom Kläger beauftragte Dienstleister beim Öffnen der ihm überlassenen erweiterten Arzneimitteldatei nicht das vom
Beklagten beigefügte Merkblatt beachtet habe. Es sei daher zu einem Exportfehler der in der Datei gespeicherten Daten gekommen,
der im Verantwortungsbereich des Klägers liege und nicht dazu führen könne, dass der Beklagte zu einer Neubescheidung zu verpflichten
sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. April 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte
des Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat den Ausschuss zu Unrecht verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom
9. Dezember 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Auf die Berufung des Beklagten war
daher die Entscheidung des SG insoweit zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2008 zu Recht gegenüber dem Kläger
einen Richtgrößenregress iHv 5.913,81 DM festgesetzt hat. Diese Entscheidung ist in der Berufung allerdings nur noch insoweit
streitbefangen, als die im Urteil des SG vom 13. April 2011 enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn
das Urteil des SG ist nur vom Beklagten und zudem ausdrücklich unter diesem Aspekt mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten worden. Hingegen
sind die im Urteil des SG ebenfalls enthaltenen Vorgaben, die für den Kläger nachteilig sind, mangels eines von ihm eingelegten Rechtsmittels nicht
Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Insoweit ist die Entscheidung rechtskräftig und damit nach §
141 Abs
1 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch für den erkennenden Senat bindend (eingehend zur Differenzierung zwischen
der Rechtskraft und der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 141 Nr 1 Rn 22 mwN).
2. Rechtsgrundlage für den Regressbescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 ist die Regelung in §
106 Abs
2 S 1 Nr
1, Abs
5a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ((
SGB V), hier anzuwenden idF des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22. Dezember 1999
(GKVRefG 2000)). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung ua durch eine arztbezogene Prüfung ärztlich
verordneter Leistungen bei der Überschreitung fachgruppenbezogener Richtgrößen gemäß §
84 SGB V (hier anzuwenden idF des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes vom 19. Dezember 1998 (GKV-SolG)) geprüft. Eine Überschreitung
der Richtgrößen um mehr als 5 vH löst gemäß §
106 Abs
5a S 1
SGB V regelmäßig eine solche Wirtschaftlichkeitsprüfung aus.
3. In Hinblick auf die in diesem Berufungsverfahren beschränkte Überprüfungskompetenz des Senats lässt die streitbefangene
Wirtschaftlichkeitsprüfung des Beklagten und der daraus resultierende Bescheid vom 5. Februar 2008 keine Rechtsfehler erkennen.
Die Verwaltungsentscheidung leidet weder unter einem Begründungsmangel iSv § 35 SGB X (dazu a), noch sind vom Kläger geltend gemachte Rügen bzw Sonderbelastungen unzureichend berücksichtigt worden (dazu b).
a) Entgegen der Auffassung des SG ist die Verwaltungsentscheidung des Beklagten nicht wegen einer "unzureichenden Begründung" rechtswidrig.
(aa) Zwar muss jede behördliche Entscheidung im Interesse des effektiven Rechtsschutzes der davon Betroffenen eine Begründung
enthalten (§ 35 SGB X). Daher ist es auch erforderlich, dass die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen
der Wirtschaftlichkeitsprüfung in dem zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens ergehenden Bescheid derart verdeutlichen, dass
im Rahmen der - infolge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen der Gremien eingeschränkten - sozialgerichtlichen Überprüfung
zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe im Einzelfall erkennbar und nachvollziehbar ist
(vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 mwN). Die Anforderungen an die Darlegungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, zumal sich gerade Maßnahmen der
Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 23). Die Ausführungen in einem Regressbescheid müssen lediglich erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten eines Arztes
bewertet worden ist und auf welchen Erwägungen die getroffene Kürzungsmaßnahme beruht (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41). Insbesondere ist es zur Erfüllung der den Prüfgremien obliegenden Begründungspflicht nicht erforderlich, ausdrücklich
auf vom Arzt geltend gemachte Praxisbesonderheiten einzugehen, für deren Vorliegen sich im Prüfverfahren keine konkreten Anhaltspunkte
ergeben haben und zu denen keine substantiierten Ausführungen erfolgt sind (BSG SozR 3-1300 §
16 Nr 1; vgl hierzu auch Engelhard in: Hauck/Noftz, Kommentar zum
SGB V, Stand: November 2013, §
106 Rn 579 mwN).
(bb) Nach diesen Maßgaben ist die (hier: im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X nachgeholte) Begründung im Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 dafür, nur den Verordnungsbedarf von drei der vom Kläger
geltend gemachten 89 Patienten als Praxisbesonderheit anzuerkennen, nicht zu beanstanden. So lässt der Bescheid erkennen,
dass sich der Beklagte mit der vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Patienten-liste besonders verordnungsträchtiger
Behandlungsfälle befasst und einen (wenn auch nur geringen) Teil der dadurch entstandenen Verordnungskosten vollständig aus
dem Verordnungsvolumen des Klägers herausgerechnet hat. Im Übrigen hat der Ausschuss den Vortrag des Klägers rechtsfehlerfrei
als nicht ausreichend substantiiert angesehen und daher den Verordnungsbedarf der übrigen 86 Patienten nicht als weitere Praxisbesonderheit
berücksichtigt. Zwar kann der Umstand, dass eine Praxis im Vergleich mit anderen Arztpraxen derselben Facharztgruppe einen
signifikant höheren Anteil besonders behandlungsbedürftiger und damit uU auch verordnungsträchtiger Patienten aufweist, eine
Praxisbesonderheit darstellen. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass den Prüfgremien - wie hier - eine entsprechende
Patientenliste vorgelegt wird. Weil schwierige Behandlungsfälle regelmäßig in jeder Arztpraxis anzutreffen sind, muss der
betroffene Arzt vielmehr den besonderen Zuschnitt seiner Patienten beschreiben und plausibel machen, dass seine Praxis signifikant
vom insoweit sonst üblichen Arztgruppendurchschnitt abweicht (stRspr; vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27 und Nr 49; zuletzt bestätigt ua durch BSG SozR 4-2500 §
84 Nr 2; vgl auch die zusammenfassenden Ausführungen von Clemens in: jurisPK -
SGB V, 2. Aufl, §
106 Rn 156/157 mwN). Der Kläger hat hierzu aber weder im verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren substantiiert vorgetragen;
auch ansonsten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Praxis des Klägers einen besonderen Zuschnitt bei der Behandlung
besonders verordnungsträchtiger Patienten aufweist. Insoweit ist eine gesonderte Begründung des Beklagten iS von § 35 SGB X, weshalb er nur den Verordnungsbedarf von drei (und nicht den der übrigen 86) Patienten als Praxisbesonderheit anerkennt,
auch nicht erforderlich gewesen.
(cc) Dabei teilt der Senat nicht die Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (vgl hierzu Urteil vom 6. Juni 2012 - L 7 KA 99/09 - juris), wonach die Prüfgremien im Klageverfahren (generell) nicht mehr damit gehört werden könnten, das Vorbringen des
geprüften Arztes sei unsubstantiiert gewesen, wenn sie auf der Grundlage des Vortrags im Verwaltungsverfahren bereits in eine
Sachprüfung über das Vorliegen bestimmter Praxisbesonderheiten (hier: hinsichtlich des besonderen Verordnungsbedarfs von drei
Patienten) eingestiegen seien. Dies kann nur in dem Umfang gelten, in dem die Prüfgremien tatsächlich auch Praxisbesonderheiten
zugunsten eines geprüften Arztes anerkannt haben. Denn nur in Hinblick auf diese eigenständige Zwischenfeststellung im Rahmen
des mehrstufigen Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die Gerichte angesichts des Beurteilungs- und Ermessensspielraums
der Prüfgremien an deren Verwaltungsentscheidung gebunden. Eine Bindung an die rechtliche (Vor-)Bewertung der Prüfgremien,
der Vortrag eines geprüften Arztes zu seinen Praxisbesonderheiten sei substantiiert, würde dagegen der sich aus Art
19 Abs
4 Grundgesetz (
GG) ergebenden Pflicht der Gerichte widersprechen, die Sach- und Rechtslage selbst umfassend und vollständig zu prüfen, ohne
an Tatsachenfeststellungen oder Wertungen der Verwaltung gebunden zu sein (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), BVerfGE 101,
106, 123 mwN).
Vorliegend hat der Beklagte als Praxisbesonderheit aber nur den Verordnungsbedarf einiger weniger Patienten des Klägers anerkannt.
Diese Zwischenfeststellung bezieht sich weder auf den Verordnungsbedarf der Patienten, die der Kläger im Verwaltungsverfahren
darüber hinaus aufgelistet hat, noch darauf, dass der Patientenzuschnitt in der Arztpraxis des Klägers signifikant von dem
üblichen Arztgruppendurchschnitt abweicht. Daher kann sich aus dem (Teil-)Anerkenntnis des Beklagten hinsichtlich der vom
Kläger insgesamt geltend gemachten Praxisbesonderheiten auch keine gesonderte Begründungspflicht (bezogen auf die vom SG zu Unrecht geforderte Abgrenzung zwischen "normalen" und "schweren" Patienten) iS von § 35 SGB X ergeben, wenn - wie hier - der Vortrag des Arztes zu den Praxisbesonderheiten seiner Arztpraxis über den von den Prüfgremien
hinaus anerkannten Umfang erkennbar unsubstantiiert ist.
(dd) Vor diesem Hintergrund hält der Senat allerdings an seiner in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu den Richtgrößenprüfungen
in Niedersachsen der Jahre 2001 bis 2003 vertretenen (vorläufigen) Auffassung - wonach sich die Prüfgremien auch dann noch
auf die fehlende Substantiierung im Vortrag eines Arztes zu den von ihm geltend gemachten Praxisbesonderheiten berufen können,
wenn sie diese ganz oder teilweise anerkannt haben (vgl hierzu ua LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. November 2012
- L 3 KA 75/12 B ER -) - in der Hauptsache nicht mehr fest. Maßgeblich ist hierfür die Überlegung, dass es in erster Linie den Krankenkassen
(KKen) obliegt, die wegen mangelnder Substantiierung uU beurteilungsfehlerhaft durch die Prüfgremien erfolgte Anerkennung
von Praxisbesonderheiten durch Rechtsmittel anzufechten (vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27). Soweit die KKen hierauf verzichten, ist die Verwaltungsentscheidung der Prüfgremien zumindest insoweit als bestandskräftig
anzusehen und kann dann nicht mehr Streitgegenstand eines sozialgerichtlichen Überprüfungsverfahrens sein, in dem sich nur
der von einem Richtgrößenregress betroffene Arzt gegen die aus seiner Sicht unzutreffende Quantifizierung von dem Grunde nach
durch die Prüfgremien anerkannten Praxisbesonderheiten wehrt.
b) Unabhängig davon ist der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2008 aber auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Entgegen
der Auffassung des SG hat der Beklagte die Rügen und Einwendungen des Klägers - soweit sie hier im Berufungsverfahren noch maßgeblich sind (die
aufgelisteten Pharmazentralnummern mit dem Eintrag "4E+08" etc seien mangelhaft, höhere Belastung durch Zuzahlungsbefreiungen
von Patienten) - rechtsfehlerfrei berücksichtigt.
aa) Mit dem Beklagten geht der Senat davon aus, dass die aus Sicht des Klägers mangelhaft gelisteten Pharmazentralnummern
iHv 5.502,64 DM (Anl 2 zum Schriftsatz vom 13. August 2008) auf einen Bedienungsfehler des Arztes beim Öffnen der ihm überlassenen
(und auf einer CD gespeicherten) Arzneimitteldatei zurückzuführen sind. Dafür spricht, dass sich die zur Gerichtsakte gereichte
CD auf einem Gerichts-PC ohne Probleme öffnen und die darauf befindliche Arzneimitteldatei fehlerfrei - also ohne Zusätze
wie "4E+08" - auslesen ließ. Zudem ist in zahlreichen Parallelverfahren vor dem Senat von keinem der dort klagenden Ärzte
ein vergleichbarer Fehler in den den Richtgrößenprüfungen zugrunde liegenden Arzneimitteldateien geltend gemacht worden.
bb) Schließlich muss der Beklagte auch nicht mehr ermitteln, ob der Kläger durch die von ihm im Verwaltungsverfahren geltend
gemachte Anzahl zuzahlungsbefreiter Patienten besonders belastet sein könnte. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber eine nicht
(mehr) versicherten- bzw arztbezogene, sondern pauschalierte Berücksichtigung der Zuzahlungsbeträge erst zum 1. Januar 2008
eingeführt hat (vgl hierzu die Regelung in §
106 Abs
5c S 1 Hs 2
SGB V). Damit hat er erreichen wollen, dass Zuzahlungsbefreiungen von Patienten und Unterschiede beim Abschluss von Rabattverträgen
zwischen den Krankenkassen zukünftig keinen Einfluss mehr auf die Höhe eines Richtgrößenregresses haben (vgl hierzu den Fraktionsentwurf
zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), BT-Drs 16/3100, S 138). Eine Verpflichtung des Beklagten, schon für das Jahr 2001 und damit deutlich vor Einführung der
Vorgabe pauschalierter Abzugsbeträge die möglicherweise besondere Belastung eines Arztes durch eine im Vergleich mit anderen
Ärzten hohe Anzahl zuzahlungsbefreiter Patienten im Rahmen eines Richtgrößenregresses zu berücksichtigen, ist nicht ersichtlich.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs
2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm den §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und bemisst sich anhand der vom Beklagten geltend gemachten Regressforderung.