Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren
Rechtmäßigkeit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II wegen Nichtvorlage bestimmter Unterlagen und Nachweise
Begründung und Grenzen der Mitwirkungsobliegenheiten gegenüber der Behörde
Gründe
I.
Die Klägerin zu 1) ist litauische Staatsangehörige. Die Kläger zu 2) bis zu 4) sind ihre minderjährigen Kinder. Die Kläger
halten sich seit Mai/Juni 2014 in der Bundesrepublik auf. Vater des Klägers zu 4) ist der litauische Staatsangehörige C, mit
dem die Kläger zusammen wohnen.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2014 den Antrag der Klägerin
zu 1) auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 12.06.2014 unter Berufung auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. Hiergegen haben die Kläger Klage (S 31 AS 3244/14) erhoben.
Die Klägerin zu 1) und Herr C nahmen im Oktober 2014 abhängige Erwerbstätigkeiten auf. Im einstweiligen Rechtschutzverfahren
- L 6 AS 1888/14 B ER - verpflichtete sich die Klägerin zu 1) in einem gerichtlichen Vergleich, die Lohnabrechnungen des Herrn C und ihre
eigenen Lohnabrechnungen jeweils umgehend nach Erhalt dem Beklagten vorzulegen. Der Beklagte erkannte den Anspruch der Klägerin
zu 1) dem Grunde nach an und erklärte sich bereit, Leistungen ab dem 01.10.2014 unter Berücksichtigung des Einkommens der
Klägerin zu 1) und Herrn C vorläufig zu bewilligen. Dabei werde er berücksichtigen, dass nach derzeitigem Stand der Klägerin
zu 1) und des Herrn C im Monat Oktober kein Einkommen aus Arbeitstätigkeiten zugeflossen sei.
Mit Bescheid vom 29.06.2015 bewilligte der Beklagte den Klägern und Herrn C als Bedarfsgemeinschaft auf den Antrag der Klägerin
zu 1) vom 12.06.2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.02.2015 bis zum 31.07.2015.
Auf den Folgeantrag der Klägerin zu 1) vom 15.07.2015 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus den Klägern
und Herrn C, für die Zeit vom 01.08.2015 bis zum 31.01.2016 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Mit Schreiben vom 15.12.2014 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1) auf, zur abschließenden Klärung des Anspruchs auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts, unter Vorlage bestimmter Unterlagen und Nachweise mitzuwirken. Mit Schreiben vom 16.01.2015,
06.02.2015, 13.04.2015 und 01.06.2015 erinnerte der Beklagte an die Vorlage bestimmter Unterlagen und Nachweise. Mit Schreiben
vom 29.06.2015 teilte der Beklagte mit, dass für die Bewilligung von Oktober 2014 bis Januar 2015 "die Nachweise über den
Tag der Gutschrift/Auszahlung des Lohns von Herrn C der Abrechnungen Oktober 2014 bis Januar 2015 (Kontoauszüge, Quittungen
o.ä.)" und die Heizkostenabrechnung nicht vorlägen. Zur Vorlage der Unterlagen setzte er eine Frist bis zum 16.07.2015. In
dem Schreiben heißt es u.a.: "Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht,
können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66, 67 Erstes Buch Sozialgesetzbuch).
Dies bedeutet, dass Sie und die mit Ihnen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen keine Leistungen erhalten".
Mit Bescheid vom 30.07.2015, adressiert an die Klägerin zu 1), versagte der Beklagte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
für die Zeit ab dem 01.10.2014 bis zum 31.01.2015 unter Berufung auf §
66 SGB I ganz. Die Klägerin zu 1) habe trotz Aufforderung die Nachweise über den Tag der Gutschrift/Auszahlung des Lohns von Herrn
C entsprechend den Abrechnungen Oktober 2014 bis Januar 2015 (Kontoauszüge, Quittungen o.ä.) nicht vorgelegt. Es lägen keine
Gründe vor, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu ihren Gunsten hätten berücksichtigt werden können. Die Klägerin zu
1) sei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Deshalb könne der Anspruch nicht geprüft werden. Nach Abwägung des Sinns
und Zwecks der Mitwirkungsvorschriften mit ihrem Interesse an Leistungen sowie dem öffentlichen Interesse an Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit würden Leistungen ganz versagt.
Hiergegen legte die Klägerin zu 1), vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein. Sie trug vor, dass der Lohn
zusammen mit der Monatsabrechnung Herrn C übergeben worden sei, soweit eine Barauszahlung erfolgt sei. Dies sei im Folgemonat
gewesen. Im November sei die Vergütung für Oktober zugeflossen. Durch Widerspruchsbescheid vom 22.09.2015 wies der Beklagten
den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, dass die Grenzen der Mitwirkungspflichten i.S.d. §
65 SGB I nicht überschritten worden seien, insbesondere habe er sich nicht mit geringerem Aufwand als die Klägerin zu 1) die erforderlichen
Kenntnisse selbst beschaffen können. Eine andere Informationsquelle sei ihm nicht eröffnet gewesen. Die Interessen der Klägerin
zu 1) seien bei der Ermessenausübung angemessen berücksichtigt. Die Klägerin zu 1) und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
seien nicht mittellos gewesen. In dem abgeschlossenen Bewilligungszeitraum seien der Bedarfsgemeinschaft Einkünfte aus der
geringfügigen Beschäftigung der Klägerin zu 1) und der Erwerbstätigkeit von Herrn C zugeflossen.
Am 01.10.2015 haben die Kläger Klage mit dem Begehren erhoben, den Beklagten zu verurteilen, an sie Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2014 bis zum 31.01.2015 in gesetzlicher Höhe zu erbringen, soweit noch nicht geschehen unter Aufhebung
des Bescheides vom 30.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2015.
Durch Beschluss vom 03.12.2015 hat das Sozialgericht Dortmund die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe
wird Bezug genommen.
Hiergegen haben die Kläger Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde der Klägerin zu 1) ist begründet (1.). Die Beschwerde der Kläger zu 2) bis zu 4) ist unbegründet (2.).
Nach §§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 114
ZPO erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht
aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine
gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt
des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar
hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht
auch dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage
abhängt. Danach muss Prozesskostenhilfe nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar
noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf die
durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen aber ohne Schwierigkeit beantwortet werden kann (BVerfG
Beschlüsse vom 19.07.2010 - 1 BvR 1873/09 - und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in den gerichtskostenfreien
Verfahren Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auf. §
73a Rn. 7a m.w.N.); Ausnahmen kommen bei selbständigen Streitgegenständen, also insbesondere bei einer Klagehäufung, in Betracht.
1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin zu 1) bietet teilweise eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. §
114 ZPO. Die von der Klägerin zu 1) erhobene Leistungsklage i.S.v. §
54 Abs.
4 SGG ist unzulässig. Denn Streitgegenstand des Verfahrens ist ein Versagungsbescheid i.S.v. §
66 SGB I. Gegen einen solchen Bescheid, mit dem eine Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung versagt wird, ist grundsätzlich nur
die reine Anfechtungsklage i.S.v. §
54 Abs.
2 SGG gegeben. Eine unmittelbare Klage auf existenzsichernde Leistungen kommt nur dann in Betracht, wenn sich bei einer Aufhebung
der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde (vgl.
BSG, Beschluss v. 25.02.2013 - B 14 AS 133/12 B und Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 R - BSGE 104, 26). Ein solcher Ausnahmefall liegt vorliegend nicht vor. Denn zwischen den Beteiligten ist weder geklärt noch unstreitig, wann
und in welcher Höhe Herrn C in der Zeit vom 01.11.2014 bis zum 31.01.2015 - auch unter Würdigung der Erklärungen von Herrn
C im Erörterungstermin vom 20.11.2014 - Einkommen aus Erwerbseinkommen zugeflossen ist. Eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens
ist auch nicht wahrscheinlich, da sich der Beklagte durch die Einholung einer Auskunft von Seiten des Arbeitgebers gemäß §§
57, 60 Abs. 3 SGB II Gewissheit über den Zeitpunkt der Barauszahlung des Arbeitsentgelts verschaffen kann (vgl. zum Umfang von Arbeitgeberauskünften
nach §§
57,
60 Abs.
3 SGB I: BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 38/13 R - SozR 4-4200 § 60 Nr. 2). Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Leistungsklage gegeben wären, wäre eine Leistungsklage
wegen doppelter Rechtshängigkeit (§
202 SGG i.V.m. §
17 Abs.
1 GVG) unzulässig. Denn Streitgegenstand des Verfahrens S 31 AS 3244/14 ist der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 01.06.2014 bis zum 31.07.2015.
Die von der Klägerin zu 1) erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Das Prozesshindernis der doppelten Rechtshängigkeit liegt
nicht vor, da der angefochtene Versagungsbescheid nicht Gegenstand des Verfahrens S 31 AS 3244/14 gemäß §
96 SGG geworden ist. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist der Bescheid vom 26.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 05.08.2014, abgeändert durch den Bescheid vom 29.06.2015, mit dem der Beklagte u.a. den Leistungsanspruch der Kläger für
die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.01.2015 abgelehnt hat. Dieser Bescheid wird durch den angefochtenen Versagungsbescheid
vom 30.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2015 für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 31.01.2015
weder teilweise i.S.v. §
96 Abs.
1 SGG abgeändert oder ersetzt. Denn die Regelungsgegenstände der Bescheide sind nicht identisch (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
96 Rn. 4a m.w.N.). Während im Bescheid vom 26.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2014, abgeändert durch
den Bescheid vom 29.06.2015, eine materiell-rechtliche Entscheidung über den von der Klägerin zu 1) geltend gemachten Leistungsanspruch
getroffen wird, wird in dem angefochtenen Bescheid nur geregelt, dass die beantragte Leistung für den Zeitraum vom 01.10.2014
bis zum 31.01.2015 bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung versagt wird und bei Nachholung der Mitwirkung eine Entscheidung
nach §
67 SGB I vom Beklagten zu treffen ist.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Anfechtungsklage begründet. Der angefochtene Bescheid vom 30.07.2015
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2015 ist rechtswidrig. Der Beklagte ist nicht berechtigt gewesen, aufgrund
der Nichtvorlage der angeforderten Unterlagen die Leistungen nach §
66 SGB I vollständig zu versagen. Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach
den §§
60 bis
62,
65 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger nach §
66 Abs.
1 S. 1
SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit
die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder
entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht
nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist, §
66 Abs.
3 SGB I.
Die Klägerin hat keine Mitwirkungspflichten i.S.v. §
66 Abs.
1 S. 1
SGB I verletzt. Zwar hat sie die vom Beklagten mit Schreiben vom 29.06.2015 angeforderten Nachweise über den Zeitpunkt der Barauszahlung
des von Herrn C in dem Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 31.01.2015 erzielten Arbeitsentgelts nicht vorgelegt. Jedoch ist sie
zur Vorlage dieser Nachweise gegenüber dem Beklagten nicht gemäß §
60 Abs.
1 Nr.
3 SGB I verpflichtet gewesen. Danach hat, wer Sozialleistungen beantragt und erhält, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen
des zuständigen Leistungsträger Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die Klägerin zu 1) hat zwar eine
Mitwirkungsobliegenheit in dem Verwaltungsverfahren getroffen, das durch ihren Antrag vom 12.06.2014 eingeleitet worden ist
(vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260). Dieses Verwaltungsverfahren ist aber mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2014 beendet worden, so dass zu
diesem Zeitpunkt auch die damit verbundene Mitwirkungsobliegenheit entfallen ist. Insoweit hat die Klägerin zu 1) nunmehr
eine Obliegenheit zur Mitwirkung gemäß §
103 Abs.
1 S. 1
SGG gegenüber dem Sozialgericht in dem Verfahren S 31 AS 3244/14, da dieses den streitbefangenen Sachverhalt - Leistungsanspruch der Kläger für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.07.2015
- von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten zu erforschen hat. Allein die Tatsache, dass durch die Aufnahme der Erwerbstätigkeit
der Klägerin zu 1) und von Herrn C eine Änderung des Sachverhalts während des laufenden gerichtlichen Verfahren eingetreten
ist und der Beklagte nunmehr eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich hält, begründet keine Mitwirkungsobliegenheit
der Klägerin zu 1) i.S.v. § 60 Abs. 1 SGB II gegenüber dem Beklagten. Ebenso lässt sich aus dem gerichtlichen Vergleich keine Mitwirkungsobliegenheit i.S.v. §
60 SGB I ableiten.
Auch die Tatsache, dass der Klägerin zu 1) zeitgleich mit dem Aufforderungsschreiben durch den Bescheid vom 29.06.2015 rückwirkend
Leistungen ab dem 01.02.2015 bewilligt worden sind, begründet keine Mitwirkungsobliegenheit betreffend Zeiträume, für die
keine Sozialleistungen bezogen werden. Die in §
60 Abs.
1 Nr.
2 SGB I festgelegte Mitwirkungsobliegenheit - unverzügliche Mitteilung von Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung
erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben wurden - bezieht sich bei antragsabhängigen
Leistungen - wie z. B. Leistungen nach dem SGB II - auf den Zeitraum, in dem Leistungen bezogen werden (vgl. hierzu Seewald in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2010, §
60 SGB I Rn 9).
Des Weiteren ist die Klägerin zu 1) nicht in der Lage gewesen, schriftliche Nachweise über den Zeitpunkt des Zuflusses des
bar ausgezahlten Arbeitsentgelts dem Beklagten vorzulegen. Die Klägerin zu 1) ist - wie aus ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren
und gerichtlichen Verfahren hervorgeht und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht im Besitz solcher Beweisurkunden.
Zwar steht der Umstand, dass der Leistungsberechtigte eine Urkunde nicht in seinem Besitz hat, sondern sie erst beschaffen
muss, der Mitwirkungspflicht nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.1983 - 10 RKg 13/82 - SozR 1200 § 66 Nr. 10). Allerdings sind gerade bei erst zu beschaffenden Urkunden die sich aus §
65 Abs.
1 Nr.
3 SGB I ergebenden Grenzen der Mitwirkung zu beachten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber von Herrn C als Mitglied
der Bedarfsgemeinschaft gemäß §§ 57, 60 Abs. 3 SGB II gegenüber dem Beklagten auskunftspflichtig ist und nicht die Klägerin zu 1), sondern allenfalls Herr C von seinem Arbeitgeber
eine schriftliche Auskunft über den Zeitpunkt der Barauszahlung einholen kann.
Offenbleiben kann daher, ob der schriftliche Hinweis auf die Folgen einer fehlende Mitwirkung im Aufforderungsschreiben vom
29.06.2015 den Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung gemäß §
66 Abs.
3 SGB I entspricht (verneinend: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.09.2015 - L 13 AS 170/13, [Revision anhängig: B 4 AS 52/15 R]). Ebenso kann dahinstehen, ob die Aufklärung des Sachverhalts - Zeitpunkt der Barauszahlung des Arbeitsentgelts - im Hinblick
auf die Auskunftspflicht des Arbeitgebers gemäß §§ 57, 60 Abs. 3 SGB II durch die Nichtvorlage der angeforderten Nachweise, die die Klägerin zu 1) erst hätte beschaffen müssen, erheblich erschwert
i.S.v. §
66 Abs.
1 S. 1
SGB I gewesen ist.
Die Klägerin zu 1) ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung
aufzubringen (§
73a SGG i.V.m. §
115 ZPO), so dass ihr ratenfrei Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.
2. Die Rechtsverfolgung der Kläger zu 2) bis zu 4) bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. §
114 ZPO. Die erhobene Leistungsklage ist unzulässig. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Ebenso ist die Anfechtungsklage
unzulässig. Die Kläger zu 2) bis zu 4) sind durch den angefochtenen Versagungsbescheid nicht beschwert i.S.v. §
54 Abs.
2 SGG. Denn sie sind nicht Adressat des Versagungsbescheides. Aus dem Bescheid vom 30.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.09.2015 ergibt sich weder mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Beklagte außer den Ansprüchen der Klägerin zu 1)
auch die Ansprüche der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft - der Kläger zu 2) bis zu 4) und Herrn C - ganz versagt
hat, noch ist der Bescheid an die Klägerin zu 1) in ihren Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin der Kläger zu 2) bis zu
4) adressiert.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, §
177 SGG.