Gründe
I.
Die Beteiligten streiten, ob das Verfahren vor dem Sozialgericht Dortmund mit dem Aktenzeichen S 35 AS 590/15 durch Klagerücknahme beendet worden ist. Die Kläger begehren die Fortsetzung dieses Verfahrens.
Die im Jahr 1967 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter des im Jahre 1997 geborenen Klägers zu 2. Die Kläger, welche bei dem
Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen, begehrten im Wege der Klage die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum Januar 2015
bis Juni 2015.
Gegen den dies ablehnenden Bescheid vom 12.11.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.1.2015 haben die Kläger am 10.2.2015 bei dem Sozialgericht Dortmund Klage mit der Begründung erhoben, ggf. würde eine
Rückkehr des schwerbehinderten Tochter der Klägerin zu 1 in den Haushalt anstehen. Aufgrund dieser besonderen Lebensumstände
seien die Kosten als angemessen zu erachten. Diese Klage wurde von dem Sozialgericht Dortmund unter dem Aktenzeichen S 35 AS 590/15 geführt. In diesem sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte eingewendet, dass das Jugendamt einem Umzug der Tochter
in den Haushalt der Klägerin nicht zugestimmt habe. Bis zu einem tatsächlichen Umzug könnten daher höhere Kosten der Unterkunft
nicht anerkannt werden.
Das Sozialgericht hat die Klägerin in dem sozialgerichtlichen Verfahren um Stellungnahme zu dieser Auskunft des Beklagten
gebeten und zweimal daran erinnert. Die Klägerin bat mit Blick auf ein laufendes familienrechtliches Verfahren telefonisch
um Fristverlängerung bis Mai 2016. Mitte Mai 2016 und im Juli 2016 hat das Sozialgericht die Klägerin erneut erinnert. Mit
in beglaubigter Abschrift und gegen PZU zugestelltem Schreiben vom 25.8.2016 hat das Gericht die Klägerin aufgefordert, das
Verfahren innerhalb von drei Monaten zu betreiben und zu der Auskunft des Beklagten vom 4.11.2015 Stellung zu nehmen. Auf
die Rechtsfolgen des §102 Abs. 2 Satz 1
SGG wies das Gericht hin. Das Schreiben ist der Klägerin am 30.8.2016 zugegangen.
Mit Schreiben vom 28.11.2016, bei dem Sozialgericht am 30.11.2016 eingegangen, bat die Klägerin erneut um Fristverlängerung.
Es sei ein familienrechtliches Verfahren anhängig, eine neue Anwältin habe das dortige Verfahren übernommen. Mit Verfügung
vom 2.12.2016 hat das Gericht bei den Klägern angefragt, welcher relevante Sachverhalt im familiengerichtlichen Verfahren
entschieden werde und in welchem Zeitraum mit einer weiteren Stellungnahme zu rechnen sei. Eine Reaktion der Klägerin unterblieb
abermals. Im Januar 2017 erinnerte das Sozialgericht erneut.
Mit in beglaubigter Abschrift gefertigtem und gegen PZU zugestelltem Schreiben vom 4.5.2017 forderte das Gericht zur Stellungnahme
auf das gerichtliche Schreiben vom 2.12.2016 auf und wies auf die Rechtsfolgen des §
102 Abs.
2 Satz 1
SGG hin. Die Verfügung ist mit vollem Namen unterschrieben. Die Aufforderung wurde den Klägern am 9.5.2017 zugestellt, das Verfahren
ist am 10.8.2017 als erledigt ausgetragen worden.
Nach Mitteilung davon hat die Klägerin am 21.8.2017 die Fortführung des Verfahrens beantragt. Das Sozialgericht hat das Verfahren
sodann unter dem Aktenzeichen S 35 AS 4430/17 geführt. In dem Wiederaufnahmeverfahren hat sich eine neue Prozessbevollmächtigte für die Kläger gemeldet. Die Kläger haben
durch diese vortragen lassen, dass das Verfahren fortzuführen sei. Die Rechtsfolge des §
102 Abs.
2 SGG sei nicht eingetreten. Weder die Eingangsverfügung noch die Verfügung vom 4.5.2017 würden die Voraussetzungen der Vorschrift
erfüllt. Die Betreibensaufforderung sei nicht hinreichend konkret. Allein die Aufforderung, die Klage zu begründen, sei nicht
ausreichend. Insbesondere dürfe das Gericht die Rücknahmefiktion nicht mit Vorgängen verknüpfen, die es in Ausübung seiner
prozessualen Befugnisse selbst herbeiführen könne. Die Frage des Umzugs der Tochter der Klägerin sei für die Bewertung der
angemessenen Wohnkosten nicht allein entscheidungserheblich. Vielmehr habe das Gericht von sich aus die von den Beklagten
als angemessen bewerteten Kosten der Unterkunft mit den bereits bekannten Tatsachen aus der Verwaltungsakte überprüfen müssen.
Eine weitere Stellungnahme der Kläger habe es mithin nicht bedurft.
Am 7.9.2020 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, die Beteiligten haben dort Ihr Einverständnis mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Mit Urteil vom 23.11.2020 hat das Sozialgericht Dortmund festgestellt, dass die Klage mit dem Aktenzeichen S 35 AS 590/15 als zurückgenommen gilt. Die formellen Voraussetzungen einer Betreibensaufforderung im Sinne des §
102 Abs.
2 Satz 1
SGG seien erfüllt.
Die Betreibensaufforderung vom 4.5.2017 sei mit vollem Namen unterzeichnet sowie den Klägern zugestellt worden. Die Aufforderung
sei auch hinreichend konkret und klar. Die Klägerin sei aufgefordert worden, dem Gericht mitzuteilen, welcher relevante Sachverhalt
in dem familiengerichtlichen Verfahren entschieden werde und in welchem Zeitraum mit einer weiteren Stellungnahme zu rechnen
sei. Aufgrund sämtlicher zu berücksichtigen Umstände vor nach Erlass der Betreibensaufforderung habe die Kammer davon ausgehen
dürfen, dass die Kläger das Interesse an dem Rechtsstreit verloren hätten. Die Aufforderung der Kammer sei auf eine Äußerung
zu entscheidungserheblichen Tatsachen gerichtet gewesen. Die Kläger selbst hätten vorgetragen, dass ein bevorstehender Einzug
der Tochter der Klägerin die Übernahme höherer Kostenunterkunft begründen würde. Ob ein Umzug abgelehnt worden sei - wie der
Beklagte vorgetragen habe - oder noch streitig sei, sei entscheidungserheblich gewesen. Die Kammer habe nicht in unzulässiger
Weise die Amtsermittlung auf die Kläger überwälzt, sondern diesen vielmehr Gelegenheit zur Wahrnehmung ihres Anspruchs auf
rechtliches Gehör gegeben.
Gegen das den Klägern am 5.1.2021 zugestellte Urteil haben diese bei dem Sozialgericht Dortmund zunächst eine "Beschwerde"
eingereicht. Der Beklagte solle die Höhe des Wohngeldes zzgl 10 % als Miete übernehmen. Sie, die Klägerin, sei nicht für die
Behandlungs- und Pflegefehler bei ihrer Tochter verantwortlich. Die Tochter habe das Recht auf zwei Zimmer. Gegen ihre Bevollmächtigte
werde sie strafrechtlich vorgehen. Am 4.2.2021 haben die Kläger sodann bei dem LSG Nordrhein-Westfalen Berufung eingelegt.
Mit Schreiben vom 5.7.2021 hat der Senat die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung nach §
153 Abs.
4 SGG angehört.
II.
Der Senat entscheidet in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 Satz 1
SGG. Angesichts der einfachen Tatsachen- und Rechtsfragen hält der Senat eine mündliche Verhandlung einstimmig nicht für erforderlich.
Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung angehört worden. Sie haben
sich beide geäußert; ihre Zustimmung ist nicht erforderlich.
Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber zur einstimmigen Überzeugung des Senates unbegründet.
1. Nach der Rechtsprechung ist gegen eine Feststellung, dass ein Verfahren beendet worden ist, das Rechtsmittel einzulegen,
das auch gegen eine Entscheidung in der Sache einzulegen wäre (LSG Nordrhein-Westfalen, 23.3.2018 - L 21 R 955/16 -, Rn. 19, unter Berufung auf BVerwG, 23.8.1984 - 9 CB 48/84 -, Rn. 3 ff.). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt
750,00 € (Differenz zwischen den tatsächlichen Unterkunftskosten von 791,60 € zu den bewilligten von 541,62 € für sechs Monate),
sodass die Berufung statthaft ist.
2. Das Sozialgericht Dortmund hat eine Fortsetzung zu Recht mit Urteil vom 23.11.2020 unter dem Aktenzeichen S 35 AS 4430/17 abgelehnt.
Der Senat nimmt zunächst auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug und macht sich diese zu Eigen (§
153 Abs.
2 SGG). Das Sozialgericht hat dabei zutreffend berücksichtigt, dass für die Zulässigkeit einer Betreibensaufforderung nicht jegliche
Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten genügt, vielmehr nur das Unterlassen solcher prozessualen Handlungen oder Äußerungen
beachtlich ist, die z.B. für die Feststellung von Tatsachen bedeutsam sind, die das Gericht nach seiner Rechtsansicht für
entscheidungserheblich und deren Klärung es für notwendig hält (BSG, 1.7.2010 - B 13 R 74/09 R -, Rn. 52 m.w.N.). Das Bundessozialgericht legt dies eng aus. Es weist in der genannten Entscheidung darauf hin, dass eine
Betreibensaufforderung nur ergehen darf, wenn diese erforderlich ist, um in der Sache zu entscheiden und weniger einschneidende
prozessuale Mittel nicht zur Verfügung stehen (a.a.O., Rn. 53). Dies war hier aber der Fall: Streitentscheidend kam es darauf
an, ob für die Tochter der Klägerin zu 1 ein zusätzlicher Raumbedarf anzuerkennen war. Die Frage, was Gegenstand des familiengerichtlichen
Verfahrens war, auf welches die Kläger selbst Bezug nahmen, war aber allein aus ihrer Sphäre zu beantworten und das Sozialgericht
war- zumindest ohne Nennung eines Aktenzeichens und Einverständnis der Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens -
überhaupt nicht in der Lage, dies von Amts wegen zu ermitteln. Von den Klägern erfolgte keinerlei Reaktion. Das Sozialgericht
durfte daher von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses auch unter Berücksichtigung einer engen Auslegung ausgehen.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil vom 23.11.2020 konnte daher keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
4. Gründe, im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.