Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig, insbesondere die Hilfebedürftigkeit aufgrund einer Bedarfsgemeinschaft als eheähnliche Lebensgemeinschaft.
Die am 00.00.1965 geborene Klägerin bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die Klägerin lebt in einer ca. 75 m² großen Mietwohnung mit Balkon und Kellernutzung. Die Wohnung besteht aus einem Kinderzimmer,
einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer, sowie Küche, Diele und Bad. Die Klägerin war in dem streitgegenständlichen Zeitraum
verheiratet, lebte aber schon lange in Trennung. Seit dem 1.6.2016 lebt auch der Zeuge E C in der Wohnung.
Der Zeuge bezog bereits zuvor SGB II-Leistungen von einem anderen Leistungsträger. Der Zeuge selbst äußerte bei dem für ihn (zuvor) zuständigen Leistungsträger
bei einer Vorsprache am 7.10.2015 die Absicht, in den Ortsteil ziehen zu wollen, in welchem die Klägerin wohnt. Am 8.6.2016
gab er an, zum 1.7.2016 umzuziehen. In dem entsprechenden Vermerk heißt es hierzu: "Kunde zieht zum 1.7.2016 mit Partnerin
zusammen, die in Schwalmtal Leistungen bezieht". Mit Bescheid vom 8.6.2016 hob das Jobcenter Mönchengladbach gegenüber dem
Zeugen die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1.7.2016 wegen des Umzugs und des dadurch bedingten Zuständigkeitswechsels auf.
Am 20.6.2016 sprach die Klägerin bei dem Beklagten vor. Der Beklagte hat in seiner Akte vermerkt, die Kundin habe den Zuzug
des Partners mitgeteilt. Ob die Klägerin selbst diesen Begriff gewählt hat, lässt sich dem Vermerk nicht entnehmen.
Am 23.6.2016 reichte die Klägerin bei dem Beklagten die entsprechende Veränderungsmitteilung über den Zuzug des Zeugen E C
ein. Es wurde angegeben, von den zugezogenen Personen gehöre eine Person zur Bedarfsgemeinschaft. Diese Angabe findet sich
in allen späteren Leistungsanträgen. Ausweislich der beigefügten Meldebestätigung vom 15.6.2016 war der Zeuge am 1.6.2016
in die Wohnung eingezogen.
Am 24.8.2016 wurde das Haus verkauft, in welchem der Zeuge zuvor wohnte.
Am 8.9.2016 forderte der Zeuge den Beklagten auf, seinen Leistungsanteil auf sein Konto zu überweisen.
Mit Schreiben vom 7.5.2018 wies der Beklagte vor dem Hintergrund des baldigen Ablaufs des - nunmehrigen - Bewilligungsabschnitts
zum 30.6.2018 auf das Erfordernis eines Weiterbewilligungsantrags hin. Am 15.5.2018 ging bei dem Beklagten ein von der Klägerin
und dem Zeugen gemeinsam unterschriebener Weiterbewilligungsantrag zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1.7.2018 ein. Mit Bewilligungsbescheid vom 16.5.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin und dem Zeugen
für die Zeit ab 1.7.2018 bis 30.6.2019 als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich
1.338,00 Euro (jeweils Regelbedarf gemäß der Regelbedarfsstufe 2 - Partner - und jeweils Bedarfe für Unterkunft und Heizung
in Höhe von 295,00 Euro).
Mit Schreiben vom 25.9.2018 zeigte der Zeuge durch seinen Bevollmächtigten bei dem Beklagten den Anfall einer Erbschaft an
und legte einen Kontoauszug vor, aus dem sich ein Zufluss auf seinem Konto von 10.000,00 Euro am 18.9.2018 ergab. Der Beklagte
stellte daraufhin die Auszahlung der Leistungen ein.
Mit hier streitgegenständlichen Bescheiden vom 12.10.2018 hob der Beklagte den Bescheid vom 16.5.2018 insoweit auf, als der
Klägerin für die Zeit vom 1.9.2018 bis 28.2.2019 Leistungen nach dem SGB II bewilligt wurden. Zur Begründung wurde auf das von dem Zeugen erzielte Einkommen in Höhe von 10.000,00 Euro verwiesen. Mit
weiterem Bescheid vom 12.10.2018 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II für die Zeit ab 1.3.2019 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit auf. Die Klägerin legte gegen die Bescheide vom 12.10.2018
Widerspruch mit der Begründung ein, dass das Einkommen des Zeugen nicht bei ihr anzurechnen sei. Mit Schreiben vom 9.11.2018
trug sie zur Begründung ergänzend vor, dass sie und der Zeuge keine Wirtschaftsgemeinschaft bildeten, sondern lediglich eine
Wohngemeinschaft gegeben sei.
Mit Widerspruchs- und Teilabhilfebescheid vom 21.11.2018 half der Beklagte teilweise ab und hob den Änderungsbescheid vom
12.10.2018 hinsichtlich der Monate September 2018 und Oktober 2018 auf. Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 4.12.2018 bei dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben.
Mit Bescheid vom 11.7.2019 hob der Beklagte gegenüber der Klägerin die Bewilligung der bereits erbrachten Leistungen für den
Monat Oktober 2018 auf und forderte die Klägerin zur Erstattung von 669,00 Euro auf.
Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht Düsseldorf beantragt, die Bescheide des Beklagten vom 12.10.2018 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21.11.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Leistungen in Höhe von 669,00
Euro monatlich ab Oktober 2018 zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung führte er aus, die Leistungen für September 2018 und Oktober
2018 seien ausgezahlt worden. Für Oktober 2018 seien sie mit dem weiteren Bescheid vom 11.7.2019 aufgehoben worden. Für die
Zeit ab November 2018 könne die Klägerin keine Leistungen beanspruchen, da das Einkommen des Zeugen aus der Erbschaft auch
auf ihren Bedarf anzurechnen sei. Die Klägerin und der Zeuge hätten sich von Beginn des Zusammenlebens an als "Partner" und
"Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft" bezeichnet. Der Vortrag, dass lediglich eine Wohngemeinschaft vorliege, sei vor diesem
Hintergrund nur als Schutzbehauptung zu werten.
Die Klägerin gab an, dass sie in der Folgezeit keine weiteren Leistungen beantragt habe, stellte dann aber in der mündlichen
Verhandlung einen formlosen Leistungsantrag.
Sie erklärte, dass sie den Zeugen in Mönchengladbach kennengelernt habe. Man habe sich an einer Bushaltestelle zufällig kennengelernt.
Es habe sich daraus eine gute Freundschaft entwickelt. Man habe sich ab und zu getroffen, auch mal einen Kaffee zusammen getrunken.
Dies sei ein paar Wochen lang so gewesen. Später habe man sich darauf geeinigt, dass der Zeuge zu der Klägerin ziehe, weil
die Klägerin nach dem Auszug ihrer Kinder noch ein freies Zimmer habe. Befragt, warum in dem Leistungsantrag "Partner" angegeben
sei, erklärte diese, die erste Seite sei von der Sachbearbeiterin des Beklagten ausgefüllt worden. Sie selbst leide an einer
Lese- und Rechtschreibschwäche und habe den Antrag nur unterschrieben. Sie erklärte, den Vermieter vor dem Einzug des Zeugen
über den Einzug informiert zu haben. Einen Mietvertrag zwischen ihr und dem Zeugen gebe es nicht. Weiter gab sie an, dass
sie in dem ehemaligen Kinderzimmer schlafe. Das Schlafzimmer stehe dem Zeugen zur alleinigen Benutzung zur Verfügung. In diesem
befinde sich ein Bett und ein Kleiderschrank. Es gebe ein gemeinsames Badezimmer, eine gemeinsame Küche und in der gemeinsamen
Küche stünden zwei Herde; der Zeuge selbst habe einen weiteren funktionstüchtigen Herd mitgebracht. Es gebe entsprechend auch
zwei Waschmaschinen. Die Waschmaschine der Klägerin befinde sich in der Küche, die Waschmaschine des Zeugen im Waschraum im
Keller. Der Zeuge habe noch Schränke und Regale mitgebracht und seine Kleidung. Es seien auch zwei Kühlschränke vorhanden,
der Kühlschrank des Zeugen stehe im Wohnzimmer. Derzeit finanziere der Zeuge sie. Er zahle auch die Krankenversicherungs-
und die Pflegeversicherungsbeiträge. Als beide noch im Leistungsbezug standen, habe man abwechselnd eingekauft.
Das Sozialgericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn E C als Zeugen.
Der Zeuge gab an, dass nach seiner Erinnerung zu einem späteren Zeitpunkt noch eine weitere Zahlung aus der Erbschaft i. H.
v. 2000 € erfolgt sei. Derzeit würden ihm aus dem ererbten Lebensversicherung monatliche Leistungen i. H. v. 1200 € zur Verfügung
stehen. Davon müsse er seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten und noch bestimmte Kosten der Klägerin übernehmen. Er zahle
derzeit die Krankenversicherungsbeiträge und die volle Miete, ebenso Strom. Er übernehme auch die Kosten für die Prepaid-Karte
und den Lebensmitteleinkauf für beide Personen.
Er habe die Klägerin ca. im Jahr 2015 / 2016 in Mönchengladbach kennengelernt an einer Bushaltestelle. Sein Vater sei bettlägerig
gewesen. Bereits zu dieser Zeit habe die Klägerin ihn besucht. Sein Vater sei ca. zwei Jahre vor seiner Mutter gestorben,
die Mutter sei im Jahr 2016 gestorben.
Seine Mutter sei krank gewesen und habe in ein Pflegeheim gemusst, in der Zwischenzeit habe das Haus der Mutter verkauft werden
müssen. Er habe in dem Haus gewohnt. Er habe eine neue Bleibe benötigt. In diesem Zusammenhang habe die Klägerin ihm angeboten,
bei ihr zu wohnen. Man habe sich dann gemeinsam bei dem Vermieter erkundigt, ob das ginge.
Er selber bewohne das Schlafzimmer. Man lebe zusammen, sei aber kein Partner. Man verstehe sich sehr gut, könne sich gegenseitig
unterstützen. Er habe auch andere Bekannte, zu denen er noch Kontakt pflege. Zu seinen sozialen Kontakten würde er auch die
Schwester, die Kinder und den Bruder der Klägerin zählen.
Er habe diverse Küchengeräte, Fernseher, Teller, Lampen usw. mit in die Wohnung gebracht. Sein Kühlschrank stehe im Wohnzimmer.
In den beiden Kühlschränken würden unterschiedliche Sachen gelagert, so etwa in dem einen Gemüse und in dem anderen andere
Lebensmittel. Die zweite Waschmaschine sei eine Reserve, genauso wie der Herd. Persönliche Gegenstände habe er ebenfalls mitgebracht.
Diese befänden sich in seinem Schlafzimmerschrank.
Mit Urteil vom 19.11.2019 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2018 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2018 verpflichtet, der Klägerin im Zeitraum von Oktober 2018 bis Februar
2019 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 669 Euro zu gewähren. Den weiteren Bescheid vom 12.10.2018, mit welchem der Beklagte den Bewilligungsbescheid
vom 16.5.2018 für die Zeit ab dem 1.3.2019 aufgehoben hat, hielt das Sozialgericht nicht für streitgegenständlich. Am 12.10.2018
seien zwei getrennte Bescheide ergangen. Die Klägerin habe nur gegen "den" Bescheid vom 12.10.2018 Widerspruch erhoben. Es
sei daher dem Wortlaut nach nicht Widerspruch gegen zwei Bescheide eingelegt worden. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung,
dass nach dem objektiven Empfängerhorizont sich der eingelegte Widerspruch allein auf den Änderungsbescheid vom 12.10.2018
beziehe.
Das Sozialgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Kläger als Partner in einem Haushalt zusammen leben würden.
Es handele sich um ein Zusammenwohnen, wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall sei. Beide Personen seien aufgrund einer
freundschaftlichen Beziehung zueinander verbunden und hätten aus einer Not heraus eine WG gegründet. Als beide Eltern des Zeugen verstorben seien, habe dieser eine Wohnung für sich gesucht. Die Klägerin, deren Kinder
nicht mehr im Haushalt lebten, habe ihm das freie Zimmer angeboten. Der Kläger nutzte das Schlafzimmer, die Klägerin das ehemalige
Kinderzimmer. Der weitere Raum werde gemeinsam genutzt, ebenso wie die Küche. Die Angaben im Verwaltungsverfahren zum Einzug
eines "Partners" seien einem Missverständnis geschuldet. Ursache dafür könnten teilweise falsche Vermerke oder auch falsche
Angaben seien. Auch im Rahmen der rechtlichen Erörterungen hätten teilweise widersprüchliche Angaben beobachtet werden können;
dies lasse sich allerdings auch damit erklären, dass beide Person Schwierigkeiten hätten, sich klar und verständlich auszudrücken
und das Gewollte und Gesagte nicht unbedingt übereinstimmten. Die Kammer habe den Eindruck gewonnen, dass beide mit Behördenangelegenheiten
mehr als überfordert seien und die Bedeutung und Reichweite einzelner Erklärungen nicht richtig oder nicht vollständig erfassen
könnten.
Gegen das ihm am 5.12.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 20.12.2019
Berufung eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, dass entgegen der Auffassung des Sozialgerichts der Einzug des Zeugen nicht aus einer Not heraus
erfolgt sei, sondern dass dieser Schritt im Vorhinein für den Fall geplant gewesen sei, dass die Mutter des Zeugen in ein
Pflegeheim komme und das Haus verkauft werde. Aus diesem Grunde sei eine Ankündigung bereits im Oktober 2015 erfolgt. Die
Nutzung unterschiedlicher Zimmer sowie das etwaige Fehlen einer Intimbeziehung würde noch nicht zu einer Annahme einer bloßen
Wohngemeinschaft genügen. Die Nutzung unterschiedlicher Schlafbereiche sei auch bei unstreitigen Partnerschaften keine Seltenheit.
Auch das Vorhandensein mehrerer Elektrogeräte genüge nicht als Indiz. Die Gesamtumstände würden für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft
sprechen.
Auf Nachfrage durch den Senat teilte der Beklagte mit, dass eine Wohnungsbesichtigung nicht erfolgt sei, da nach Aktenlage
vom Bestehen einer Partnerschaft auszugehen gewesen sei. Beide hätten sich unabhängig voneinander bereits vor dem Zuzug als
"Partner" bezeichnet.
Zudem hätten sie in den Anträgen selbst "Bedarfsgemeinschaft" angegeben. Im Rahmen der Zeugenvernehmung habe der Zeuge erklärt,
dass er von den monatlichen Einnahmen aus der Erbschaft seine und auch die Kosten der Klägerin trage. Man lebe zusammen, verstehe
sich gut und könne sich gegenseitig im Alltag unterstützen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.1.2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Rahmen eines Erörterungstermins hat die Klägerin erklärt, sie habe den Zeugen in Mönchengladbach kennengelernt, als sie
sich nach dem Bus erkundigt habe bzw. warten musste. Man sei dann einen Kaffee trinken gegangen. Anschließend seien sie noch
einige Male zusammen Kaffeetrinken gewesen. Sie habe den Zeugen aufgenommen, da Ihre Wohnung mit 75 m² zu groß gewesen sei.
Sie habe noch ein nicht benötigtes Zimmer gehabt und sei zuvor von dem Beklagten darauf hingewiesen worden, dass die Wohnung
für sie alleine zu groß sei. Sie selbst schlafe im Kinderzimmer, der Zeuge schlafe in dem Elternschlafzimmer, weil er so groß
sei und dort das Bett größer sei. Sie habe zwei inzwischen erwachsene Kinder. Zurzeit würde der Zeuge alles bezahlen, das
könne aber nicht so bleiben. Der Zeuge habe einen Kühlschrank, persönliche Sachen, eine Waschmaschine und noch einige weitere
Elektrogeräte wie den Fernseher mitgebracht, ferner zwei Schränke. Der Zeuge habe einen separaten Kühlschrank, sie würden
alles separat halten. Auch in der Vergangenheit sei separat eingekauft worden. Über drei Jahren zahle der Zeuge nun alles.
Auf Nachfrage, was hinsichtlich einer Rückzahlung vereinbart sei, erklärte die Klägerin: "Von Wegen geschenkt. Der Kläger
bezahlt alles." Es gebe Aufzeichnungen, der Kläger habe inzwischen ungefähr 30.000 Euro ausgelegt.
Im Rahmen des Verhandlungstermins am 1.10.2021 hat der Senat den Zeugen C erneut vernommen. Auf das Protokoll der Vernehmung
wird Bezug genommen. Der Zeuge gab in diesem Zusammenhang unter anderem an, dass er unter Konzentrationsstörungen leide, welche
medikamentös behandelt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt derGerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
des Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 19.1.2019 ist rechtmäßig.
a) Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der Aufhebungsbescheid vom 12.10.2018. Zur Überzeugung des Sozialgerichts
hat die Klägerin mit ihrem Widerspruch allein den Aufhebungsbescheid vom 12.10.2018 betreffend den Zeitraum September 2018
bis Februar 2019 angegriffen; das Sozialgericht hat den Beklagten nur insoweit verurteilt. Da lediglich der Beklagte Berufung
erhoben hat, beschränkt sich das Berufungsverfahren auf diesen Zeitraum.
b) Die Klägerin ist hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II. Bei der Klägerin sind entgegen der Auffassung des Beklagten Einkommen und Vermögen des Zeugen C nach § 9 Abs. 2 SGB II nicht zu berücksichtigen. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Zeuge und die Klägerin eine Bedarfsgemeinschaft
nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II bilden.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehört zu einer Bedarfsgemeinschaft als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille
anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II normiert für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen
müssen: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, und zwar 3. so, dass nach
verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen
(BSG, 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R -, m.w.N.). Unter einem gemeinsamen Haushalt ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (allein) eine "Wohn-
und Wirtschaftsgemeinschaft" zu verstehen, die gegenüber der (bloßen) Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet ist, dass ihre
Mitglieder nicht nur in einer Wohnung leben, sondern einen gemeinsamen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf"
wirtschaften (BSG, 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R - Rn. 25 mit zahlr. Nachw.). Die dritte Voraussetzung kann nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet werden, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2),
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen
(Nr. 4).
Die materielle Beweislast für die anspruchsvernichtende bzw. -reduzierende Tatsache des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft
trägt - mit der Erleichterung in § 7 Abs. 3a SGB II - nach allgemeinen Beweislastregeln die Beklagte.
aa) Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer
Gesamtwürdigung festzustellen (vgl. BSG, 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - Rn. 13). Zwar sind die in § 7 Abs. 3, 3a SGB II genannten Voraussetzungen eigenständig und daher vom Senat auch eigenständig festzustellen; eine trennscharfe Abgrenzung
ist aber zur Überzeugung des Senates nicht durchgängig möglich. Dies zeigt sich beispielsweise an dem eigenständigen Tatbestandsmerkmal
der Partnerschaft. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II steht in einer Reihe mit den (verfassten) Lebensformen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft. In diesen beiden
Lebensformen gibt es hinsichtlich der Ausgestaltung von Treue, Ausschließlichkeit, der Trennung der finanziellen Mittel, aber
auch von Betten oder Räumen alle erdenklichen Ausgestaltungen. Zugleich - und richtigerweise - kommt es auf die geschlechtlichen
Beziehungen nicht an. Maßgebend für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft sind nicht die geschlechtlichen Beziehungen,
sondern allein die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft (BVerfGE 9, 20, 32f.). Das einer Partnerschaft innewohnende Für-Einander-Einstehen wiederum stellt eine eigenständige Voraussetzung dar
und müsste daher bei der Feststellung der Partnerschaft selbst- bei strenger Betrachtung - unberücksichtigt bleiben. Einiges
spricht daher dafür, dass sich bei lebensnaher Betrachtung durch ein Tatsachengericht weder die Merkmale "Wirtschaftsgemeinschaft"
und "Einstehenswille" noch die Indizien für eine Partnerschaft klar gegeneinander abgrenzen lassen (gegen eine - dort so genannte
- "Verabsolutierung" der Merkmale: BSG, 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R - Rn. 41). In diesem Sinne versteht der Senat die o. g. Aufforderung des Bundessozialgerichts zu einer Gesamtwürdigung.
Bei dieser vorzunehmenden Gesamtwürdigung liegt keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II zwischen der Klägerin und dem Zeugen vor.
bb) Der Senat hat bereits Bedenken, ob die Klägerin und der Zeuge in einem gemeinsamen Haushalt i.S. des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II leben. Dieses Zusammenleben erfordert das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". Zusätzlich zum eigentlichen
Wohnen in einer Wohnung bedarf es somit des gemeinsamen Wirtschaftens. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen
dabei über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig
anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern
zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend insoweit ist,
dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen
und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des
Haushalts muss gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der
Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache
zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen
(BSG, Urteil vom 23.8.2012, B 4 AS 34/12 R). Hierbei ist unter einem gemeinsamen Haushalt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft"
zu verstehen, die gegenüber der (bloßen) Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet ist, dass ihre Mitglieder nicht nur in einer
Wohnung leben, sondern einen gemeinsamen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf" wirtschaften (BSG, 12.10.2016, B 4 AS 60/15 R). Dafür gibt es - jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in welchem der Beklagte die Zahlungen an die Klägerin einstellte, wenig
Anhaltspunkte. Unmittelbar nachdem der Beklagte beide als Bedarfsgemeinschaft führte und die Leistungen für beide an die Klägerin
auszahlte, sprach der Zeuge vor und bat, seinen Anteil auf sein Konto zu zahlen.
cc) Der Senat konnte sich jedenfalls nicht davon überzeugen, dass die Klägerin und der Zeuge in dem streitgegenständlichen
Zeitraum tatsächlich den wechselseitigen Willen hatten, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Die Klägerin und der Zeuge sind gute Freunde. Als solche stehen sie in der Not füreinander ein. Im Rahmen der Beweisaufnahme
ist für den Senat allerdings deutlich geworden, dass dieses Einstehen nicht damit verbunden ist, auf eine Rückzahlung der
ausgelegten Gelder zu verzichten. Auch wenn dies zwischen der Klägerin und dem Zeugen nicht "auf Heller und Pfennig" festgelegt
ist, so ist dies doch der entscheidende Unterschied zu dem Einstehenmüssen und der Einstehensverpflichtung, wie sie üblicherweise
in einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft vorherrschend sind. Dort wird - allein wegen der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen
- die Rückzahlungsverpflichtung regelmäßig überhaupt nicht mitgedacht; hier stand sie für beide die ganze Zeit im Raum.
dd) Es spricht ferner zu der Überzeugung des Senats wenig dafür, dass es sich bei der Klägerin und dem Zeugen im streitigen
Zeitraum um "Partner" im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehandelt hat. Gemeint ist damit eine Gemeinschaft, die nicht durch bloßes Zusammenleben begründet wird, sondern Ausschließlichkeitscharakter
im Sinne einer Eheähnlichkeit aufweist und keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt (BSG, 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 -, Rn. 20; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand: 5.1.2021, § 7 Rn. 222). Dieses eigenständige Merkmal ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Dafür genügt es ganz grundsätzlich
nicht, dass zwei Personen sich als "Partner" bezeichnen, denn damit können im alltäglichen Sprachgebrauch ganz unterschiedliche
Wertungen verbunden und Sachverhalte beschrieben werden. Dies mag allerdings ein Indiz sein. Selbst ein solches ist aber vorliegend
nicht gegeben, weil es keinerlei belastbare Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Klägerin und der Zeuge sich "selbst" als Partner
- zudem im Rechtssinne des SGB II - bezeichnet haben. Der Beklagte nimmt als Beleg ausschließlich auf Vermerke seiner Sachbearbeiter Bezug, wobei es keinerlei
Hinweise darauf gibt, dass in den Vermerken die eigenen Worte der Klägerin oder des Zeugen - etwa durch einen Hinweis "so
die Antragstellerin wörtlich" o.ä. - wiedergegeben wurden. Die eigenen Notizen der Sachbearbeiter sind naturgemäß nicht frei
von deren Wertungen und daher als Indiz ungeeignet.
Der Senat konnte zudem keine Indizien feststellen, die dafür sprechen, dass die Klägerin und der Zeuge ihr Zusammenleben "eheähnlich
ausschließlich" verstehen. Solche hat auch der Beklagte nicht vorgetragen. Dafür genügt jedenfalls nicht, dass beide im streitgegenständlichen
Zeitraum keine andere Beziehung geführt - oder das zumindest im Verfahren nicht erwähnt - haben. Anhaltspunkte dafür, dass
dies für beide aus einer Verbundenheit zu dem anderen eher ausgeschlossen erscheint, gibt es nicht.
Auch daraus, dass die Klägerin es unbeanstandet ließ, dass sie nur den verringerten Regelsatz für Partner erhielt, ergibt
sich kein Indiz für das Bestehen einer Partnerschaft. Es mag viele Gründe geben, warum eine zu geringe Zahlung durch einen
Leistungsempfänger akzeptiert wird. Die Klägerin - von der auch der Senat im Rahmen der mündlichen Verhandlung wie bereits
das Sozialgericht den Eindruck hatte, dass sie mit formellen Angelegenheiten regelhaft überfordert ist - hat schlüssig dargelegt,
dass sie vor dem Zusammenzug lediglich auf den aus Sicht des Beklagten angemessenen Betrag gekürzte Kosten der Unterkunft
erhielt. Diese Kürzung entsprach zufällig annähernd der Differenz zwischen Regelbedarfsstufe 1 und 2.
ee) Fehlt es bereits an einer Partnerschaft, so fehlt es bereits an der Voraussetzung der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II.
ff) Nach Gesamtwürdigung aller Indizien und festgestellten Tatsachen spricht mehr gegen als für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft
iSd. § 7 Abs. 3c SGB II. Der Beklagte konnte auch im Rahmen der von ihm geführten Berufung nicht beweisen, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt;
im Ergebnis geht die Nichterweislichkeit der Tatsachen zu seinen Lasten. Neue Tatsachen konnte der Beklagte im Berufungsverfahren
nicht benennen.
Der Vortrag der Klägerin und des Zeugen ist nicht frei von Widersprüchen. Soweit der Beklagte sich allerdings darauf beruft,
so verkennt er, dass nicht die Klägerin das Nicht-Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft beweisen muss, sondern der
Beklagte das Vorliegen. Dazu konnte er wenig beitragen. Insoweit wirkt sich aus, dass der Beklagte eigene und zeitnahe Ermittlungen
nicht vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte sich nicht darauf berufen kann,
dass die Klägerin in den Antragsformularen jeweils "ein weiteres Mitglied der Bedarfsgemeinschaft" angegeben habe. Zunächst
konnte der Senat im Rahmen der Vernehmung feststellen, dass Klägerin und Zeuge keine rechtlich zutreffende Vorstellung von
dem Begriff haben. Zudem erscheint dem Senat bereits die Abfrage in dem Formular nicht unproblematisch. Letztlich wird damit
keine Tatsache abgefragt, sondern eine rechtliche Wertung. Rechtliche Wertungen vorzunehmen ist allerdings Aufgabe des SGB II-Leistungsträgers, nicht des Antragstellers; dieser hat "Tatsachen" anzugeben. Um eine solche handelt es sich bei dem Begriff
"Bedarfsgemeinschaft" nicht. Rückschlüsse auf Tatsachen sind daher aus dieser Angabe kaum möglich.
Zudem halten sich die Ungenauigkeiten des Zeugen etwa bei den zeitlichen Angaben durchaus im Rahmen des Üblichen. Er gab an,
dass seine Mutter im Jahr 2018 verstorben sei und sein Vater ca. drei Jahre zuvor. Die Klägerin sei bei der Beerdigung des
Vaters anwesend gewesen. Zugleich gab er an anderer Stelle an, dass man sich erst "wenige Wochen" vor dem Zusammenzug im Juni
2016 kennengelernt habe; er korrigierte das später auf "einige Monate". Dem Beklagten ist zuzugeben, dass dies nicht restlos
schlüssig ist;möglicherweise ist der Vater nicht exakt drei Jahre vor der Mutter des Zeugen verstorben, möglicherweise kannten
die Klägerin und der Zeuge sich tatsächlich bereits einige Monate. Dann aber sind die zeitlichen Abläufe schlüssig. Insbesondere
vor dem Hintergrund der deutlich gewordenen und sehr glaubhaft vorhandenen Konzentrationsstörungen des Zeugen misst der Senat
dieser Ungenauigkeit keine große Bedeutung bei. Zudem verkennt der Beklagte auch mit diesem Einwand die Beweislastverteilung.
c) Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
3. Gründe, im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.