Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren bei Nichterreichen
des Wertes des Beschwerdegegenstandes in der Hauptsache
Gründe:
I. Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg (SG), mit dem dieses die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines mittlerweile erledigten sozialgerichtlichen
Verfahrens abgelehnt hat. Die Beteiligten stritten in diesem Untätigkeitsklageverfahren darüber, ob der Beklagte verpflichtet
werden muss, über einen Antrag des Klägers vom 9. November 2010 zu entscheiden.
Die Betreuerin des Klägers beantragte für diesen am 9. November 2010 die Übernahme der Jahresverbrauchsforderung der St Werke
M. iHv 262,38 EUR als Darlehen. Mit Bescheid vom 24. Februar 2011, der an den Kläger adressiert war, lehnte der Beklagte dies
ab. Die Sperrankündigung durch den Versorger sei durch eigenes Handeln verursacht worden, da der Kläger seit Oktober 2010
die laufenden Stromabschläge nicht gezahlt habe.
Der Kläger hat am 5. März 2011 Untätigkeitsklage beim SG erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat gleichzeitig beantragt, den Beklagten im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen, hilfsweise als Darlehen zu gewähren (S 46 AS 791/11 ER). Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass er bereits mit Bescheid vom 24. Februar 2011 über den Antrag entschieden habe.
Der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat hierauf mitgeteilt, dass ihm das Verfahren nicht bekannt sei. Er kenne nur das
inzwischen rechtskräftig abgeschlossene Eilverfahren. Mit Schreiben vom 20. September 2012 hat er die Erledigung des Rechtsstreits
erklärt. Das SG hat das Verfahren daraufhin mit Verfügung vom 21. September 2012 ausgetragen.
Mit Beschluss vom 26. September 2012 hat das SG den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Beklagte habe über den Antrag vom 9. November
2010 bereits mit Bescheid vom 24. Februar 2011 entschieden, so dass die am 15. März 2011 erhobene Untätigkeitsklage keine
hinreichende Erfolgsaussicht gehabt habe. Der Bescheid sei auch der gesetzlichen Betreuerin zugegangen, da diese diesbezüglich
einen Überprüfungsantrag gestellt habe.
Gegen den ihm am 21. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 26. Oktober 2012 Beschwerde beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat er vorgetragen, der
Bescheid vom 24. Februar 2011 sei weder ihm noch seiner gesetzlichen Betreuerin bekanntgegeben worden. Der Beklagte hat erwidert,
die Beschwerde sei unzulässig, da der Beschwerdewert iHv 750,00 EUR nicht erreicht werde, denn der Kläger begehre die Verpflichtung
des Beklagten auf Übernahme seiner Stromschulden iHv 262,38 EUR. Der Kläger hat hierauf vorgetragen, das SG habe in seinem Beschluss nicht über die wirtschaftlichen Voraussetzungen entschieden. Es sei vielmehr von einem unzutreffenden
Sachverhalt ausgegangen. Trotz der Erledigungserklärung im vorliegenden Verfahren sei ein entsprechender sozialgerichtlicher
Beschluss bis heute nicht ergangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand
der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 26. September 2012 ist unzulässig und war daher zu verwerfen.
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
richtet sich nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG iVm §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO. Die Verweisung bezieht sich auf alle in dem Buch 1, Abschnitt 2, Titel 7 der
ZPO enthaltenen Vorschriften über die Prozesskostenhilfe, soweit das
SGG nicht ausdrücklich - etwa in §
73a Abs.
1 Satz 2
SGG - etwas anderes regelt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, §
73a, Rn. 2). Dabei fordert die "entsprechende Anwendung" allerdings eine Anpassung der jeweils maßgeblichen Vorschriften der
ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren, soweit prozessuale Besonderheiten bestehen. Dies betrifft insbesondere die Ersetzung
des dem sozialgerichtlichen Verfahren fremden Rechtsmittels der "sofortigen Beschwerde" durch die "Beschwerde", ferner die
Bestimmung des Beschwerdegerichts und des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstands für die Berufung.
Die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von §
172 Abs.
3 Ziffer 2
SGG modifiziert worden. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfebeschluss nur dann
zulässig ist, wenn die Erfolgsaussichten verneint werden und in der Sache die Berufung zulässig wäre (vgl. zur Begründung
im Einzelnen die Ausführungen in seinem Beschluss vom 20. Februar 2009, L 5 B 304/08, L 5 B 305/08, juris).
Auch nach der Neuregelung des §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl I, 1127) mit Wirkung zum 11. August 2010 sieht der Senat keinen Grund, von seiner
Rechtsauffassung abzuweichen. Er sieht sich im Gegenteil durch diese Neufassung bestätigt (so seit der Gesetzesänderung auch:
LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Januar 2012, L 2 AS 180/11 B; Bayrisches LSG, Beschluss vom 7. November 2011, L 11 AS 754/11 B PKH; Beschluss vom 27. September 2010, L 9 AL 133/10 B PKH; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 30. Mai 2011, L 3 AL 65/11 B PKH; Beschluss vom 3. September 2010, L 11 AS 146 und 152/10; Hessisches LSG, Beschluss vom 16. Mai 2011, L 6 AS 642/10 B, Beschluss vom 25. März 2011, L 9 AS 108/11 B, Beschluss vom 4. Oktober 2010, L 7 AS 436/10 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2010, L 34 AS 2182/10 B PKH, Beschluss vom 29. Oktober 2010, L 25 B 2246/08 AS PKH; Beschluss vom 27. September 2010, L 20 AS 1602/10 B PKH; Sächsisches LSG, Beschluss vom 6. Dezember 2010, L 1 AL 212/09 B PKH; alle recherchiert über juris).
Nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG n.F. ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung
nicht zulässig wäre; dies gilt auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Durch
die Neuregelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Konvergenz zwischen Prozesskostenhilfeverfahren als Nebenverfahren
und dem Verfahren in der Sache auch für das einstweilige Rechtsschutzverfahren gilt. Es sollte verhindert werden, dass gegen
die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weitergehende Rechtsmittel
bestehen als im einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst (vgl. BT-Drs. 17/1684, S. 16,17).
Die Regelung ist eine Sonderregelung für einstweilige Rechtsschutzverfahren im Rahmen des
SGG. Für das Klageverfahren hatte der Gesetzgeber durch die Neufassung des §
127 Abs.
2 ZPO den Konvergenzgedanken bereits manifestiert. Er hat in seiner Begründung ausgeführt (BT-Drs. 14/163, S. 14):
"In Rechtsprechung und Literatur ist seit langem umstritten, ob die Zulässigkeit einer Beschwerde in Fällen sachlicher Nebenentscheidungen
nach §
91a Abs.
2, §
99 Abs.
2 und §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO davon abhängt, dass in der Hauptsache ein Rechtsmittel zulässig wäre. Ein Teil der Rechtsprechung wendet in diesen Fällen
den Konvergenzgedanken an und hält deshalb eine Beschwerde nur für zulässig, wenn nicht nur der Beschwerdewert erreicht ist,
sondern auch die fiktive Rechtsmittelgrenze gemäß § 511a Abs. 1
ZPO überschritten würde. Ob eine derartige Zulassungsbeschränkung von Rechtsmitteln im Wege der Interpretation möglich ist, ist
im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Prozesskostenhilfe im Asylverfahrensrecht fraglich (vgl.
BVerfGE 78, 88). Der Konvergenzgedanke sollte deshalb in den genannten Fällen gesetzlich geregelt werden, um den Rechtsmittelausschluss
auf eine sichere Grundlage zu stellen.
Aus Sachgründen ist der Rechtsmittelausschluss angezeigt. Stellt der Gesetzgeber nämlich für die Hauptsacheentscheidung nur
eine Instanz zur Verfügung, so besteht kein Grund für die wirtschaftlich weniger bedeutsame Nebenentscheidung, die im Regelfall
im Zusammenhang mit der Hauptsacheentscheidung getroffen wird, einen weitergehenden Instanzenzug zu eröffnen. Bei PKH-Sachen
greift die Beschränkung des Beschwerderechtszuges nur für die Frage der Beurteilung der Erfolgsaussichten."
Die Anwendung dieses Gedankens auch für sozialrechtliche Klageverfahren hatte der Gesetzgeber bereits durch die Verweisungsvorschrift
des §
73a SGG sichergestellt. Für andere als Klageverfahren hat die Zivilgerichtsbarkeit den Konvergenzgedanken des §
127 Abs.
2 ZPO analog angewendet. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. Februar 2005 (Az.: XII ZB 1/03, juris) entschieden, eine Beschwerde gegen eine Prozesskostenhilfe-Entscheidung sei nicht zulässig in Verfahren (dort einstweilige
Anordnungen nach §§ 620, 620c, 644
ZPO (nunmehr §§ 49, 57 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FamFG])), in denen die Entscheidung in der Hauptsache nicht anfechtbar ist. Eine ausdrückliche Regelung für die Behandlung
von Prozesskostenhilfeverfahren in Verfahren der rechtswegbeschränkten einstweiligen Anordnung fehlte sowohl in der
ZPO als auch bis zum 11. August 2010 im
SGG. Die Verweisung des §
73a SGG auf §
127 ZPO führte mithin nicht zum vom Gesetzgeber geäußerten Willen, die Konvergenz auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
im sozialgerichtlichen Verfahren sicherzustellen. Es bedurfte insoweit einer gesetzlichen Regelung, zumal in der Rechtsprechung
und Literatur diese Rechtsfrage umstritten war.
Soweit vereinzelt vertreten wird, dass weder vor noch nach der Rechtsänderung mit Wirkung vom 11. August 2010 §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG oder §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO entsprechend anwendbar seien (so etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Januar 2011, L 7 AS 4623/10, juris), folgt der erkennende Senat dem nicht. Die Begründung, wonach die Anregung des Bundesrats (BR-Drs 152/10 S. 5 Nr.
9) zur klarstellenden Formulierung des Beschwerdeausschlusses auch bei Klageverfahren von der Bundesregierung trotz zugesagter
Prüfung (BT-Drs 17/1684 S. 25) nicht in die Neufassung des Gesetzes aufgenommen worden sei, überzeugt nicht. Allein daraus
lässt sich nicht schließen, dass der Gesetzgeber die Prozesskostenhilfebeschwerde in Klageverfahren unterhalb des Beschwerdewerts
von 750,00 EUR (weiterhin) für zulässig gehalten hätte. Angesichts der von den Landessozialgerichten vor der Gesetzesänderung
überwiegend vertretenen Auffassung hätte es dann vielmehr nahegelegen, anlässlich der Gesetzesänderung eine ausdrückliche
Regelung dahingehend aufzunehmen, dass die Beschwerde in Klageverfahren ausdrücklich zugelassen ist. Dies ist aber nicht erfolgt.
Der maßgebliche Werte des Beschwerdegegenstands wird nicht erreicht, denn der Kläger begehrte eine Entscheidung des Beklagten
zur darlehensweisen Übernahme von Stromschulden iHv 262,38 EUR. Die Wertgrenze des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG findet auch auf Untätigkeitsklagen Anwendung, denn diese sind entweder auf die Vornahme eines beantragten, aber ohne zureichenden
Grund innerhalb von sechs Monaten nicht erlassenen Verwaltungsaktes gerichtet, oder sie haben den Erlass eines Widerspruchsbescheides
zum Gegenstand, wenn ohne zureichenden Grund innerhalb von drei Monaten über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist.
Betreffen die zu erlassenden Verwaltungsakte Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, die einen Wert von 750 Euro nicht übersteigen,
unterliegt auch die Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung (Thüringer LSG, Beschluss vom 26. März 2012 - L 4 AS 1282/11 - Rn. 3, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2010 - L 12 AL 5449/09 - jeweils juris).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten, §
73a SGG iVm §
127 Abs.
4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, §
177 SGG.