Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung psychischer Gesundheitsstörungen als weitere Folge eines anerkannten Arbeitsunfalls
und daraus resultierender Leistungen (Verletztengeld und Verletztenrente).
Der 1968 geborene Kläger war am 6. Juli 2013 als Selbstständiger (im ergänzenden Leistungsbezug nach dem SGB II) auf einer Baustelle mit dem Reinigen eines Eisenträgers von Sand beschäftigt, als ihm ein etwa 10 kg schwerer Metallgegenstand
auf den Kopf fiel. Dabei bewegte er sich reflexartig ausweichend zur Seite, so dass sein Helm herunterfiel und der Gegenstand
seinen Kopf traf.
Der Kläger wurde anschließend im Neurozentrum in der A aufgenommen. Dort wurde eine Kopfplatzwunde festgestellt, Paresen gab
es nicht. Der Kläger berichtete, ihm sei nach dem Unfall kurz schwindelig gewesen. Der neurologische Untersuchungsbefund und
die Elektroenzephalographie waren unauffällig. Die cranielle Computertomographie zeigte keine knöcherne Verletzung, allerdings
eine kleine Hyperdensität im Bereich des Foramen Monroi rechts, die zunächst nicht eindeutig als Blutung oder kleine Verkalkung
identifiziert werden konnte, bei Entlassung am 9. Juli 2013 jedoch als kleine unspezifische Verkalkung bewertet wurde. Der
Kläger berichtete den behandelnden Ärzten davon, jeweils vor dem Einschlafen immer wieder das Unfallereignis vor Augen ablaufen
zu sehen, verbunden mit Todesangst (D-Arztbericht W, Bericht A vom 9. Juli 2013). Der D-Arzt P hielt über die Untersuchung
am 10. Juli 2013 fest, dass der Kläger am Kopf parietal knapp rechts der Mittellinie eine knapp pfenniggroße Schorfkruste
habe, wach und orientiert sei und es keinen Hinweis für ein höhergradiges Schädelhirntrauma gebe. Es gab keine Sensibilitätsstörungen,
jedoch Druck- und Bewegungsschmerzhaftigkeit im Bereich der seitlichen Hals- und Nackenmuskulatur und der Schultermuskulatur.
Die Ärzte diagnostizierten am 9. Juli 2013 eine Schädelprellung ohne eindeutige Hirnbeteiligung (Bericht A vom 9. Juli 2013)
bzw ein Schädelhirntrauma mit milder Verlaufsform und eine HWS-Distorsion (D-Arzt P am 10. Juli 2013). Die radiologische CT-Verlaufskontrolle
des Schädels am 30. Juli 2013 zeigte keine Fraktur, keine Blutung und im Übrigen unauffällige Verhältnisse insbesondere epidural,
subdoral und subarachnoidal. Reizlose Verhältnisse zeigten sich auch um das Foramen Monroi (beidseitige Öffnung, welche die
beiden Seitenventrikel mit dem Ventriculus tertius (III. Ventrikel) verbindet). Die neurologische Untersuchung am 12. August
2013 zeigte keine neurologischen Auffälligkeiten und eine unauffällige Elektroenzephalographie (Bericht G/B vom 13. August
2013).
Ab Ende Juli 2013 berichtete der Kläger den behandelnden Ärzten - weiterhin - von Angstzuständen (ua Berichte P vom 31. Juli
2013, 16. August 2013, 26. September 2013; G/G1 vom 14. August 2013; G/B vom 13. August 2013, 15. Januar 2014; G2/S vom 24.
August 2013; Bericht Reha-Zentrum N vom 14. Dezember 2013). Das Auftreffen des Gegenstandes habe er wie eine Explosion erlebt,
er sei zunächst völlig desorientiert gewesen und habe nur noch gezittert. Aus dem Krankenhaus hätte er sich gern früher selbst
entlassen, allerdings sei ihm gesagt worden, er könne an einer Hirnschwellung oder Hirnblutung sterben, wodurch er und seine
Familie sehr geängstigt worden seien. Den "Einschlag" und die "Explosion" sowie den "schlimmen Krankenhausaufenthalt" erlebe
er immer wieder, so dass er Schlafstörungen habe. Er könne sich nicht vorstellen, diese gefährliche Tätigkeit wiederaufzunehmen.
G/B beschrieben, insgesamt zeige sich das Bild einer Anpassungsstörung nach einem Unfall mit Schädelprellung oder möglicher
Gehirnerschütterung, das Denken sei eingeengt auf Zukunftsängste und körperliche Beschwerden (Bericht vom 13. August 2013).
G/G1 hielten eine ausgeprägte Grübelneigung mit getriggerten Vorstellungsbildern vom Unfall bzw. von der Zeit im Krankenhaus
fest. Ferner seien situationsbezogene Ängste im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz nicht völlig auszuschließen (Bericht vom
14. August 2013). Der Kläger berichtete ferner über anhaltende Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen, die auch in seinen linken
Arm strahlen würden, sowie - neben den Schlafstörungen - von einem anhaltenden Schwächegefühl (siehe Berichte der behandelnden
Ärzte a.a.O., P vom 11. November 2013). Der Kläger erhielt ab 21. August 2013 erweiterte ambulante Physiotherapie und ab 29.
August 2013 psychologische Betreuung (Bericht Reha-Zentrum N vom 26. September 2013; Berichte Dipl.-Psych. W1 vom 23. September
2013, November 2013), die er zunächst als entlastend schilderte (Bericht P vom 12. September 2013) allerdings beklagte der
Kläger im Verlauf weiterhin eine allgemeine Kraftlosigkeit und Antriebslosigkeit mit allumfassenden Ängsten und anhaltenden
Schlafstörungen, die verhaltenstherapeutisch sowie durch Strukturierung und Aktivierung zu überwinden angestrebt wurde (Bericht
Reha-Zentrum N vom 14. Dezember 2013).
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30. Dezember 2013 fasste der Facharzt für Neurologie/Psychiatrie S1 zusammen,
dass der Kläger ein leichtgradiges, unkompliziertes gedecktes Schädel-Hirn-Trauma mit kurzfristiger Bewusstlosigkeit ohne
Hirnsubstanzverletzung erlitten habe und erstmals am 12. August 2013 eine Anpassungsstörung diagnostiziert worden sei, der
Kläger jedoch auch von erheblichem finanziellem und wirtschaftlichem Druck berichtete. Bei der Gemengelage sei die psychische
Symptomatik dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit habe maximal
bis 16. Juli 2013 bestanden. Eine stationäre Behandlung sei nicht zu Lasten der Beklagten abzurechnen. Diese Einschätzung
bestätigte er am 21. Januar 2014, da sich während der stationären Erstaufnahme weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem
Fachgebiet eine Auffälligkeit gezeigt habe.
Der Dipl.-Psych. W1 widersprach dieser Einschätzung im Januar 2014. Auch aufgrund von Sprachproblemen und der äußerst freundlichen,
aber dadurch herunterspielenden Art des Klägers sei die Schwere der Symptome erst im Laufe der Behandlung erkennbar geworden.
G berichtete am 22. Dezember 2013 über die von dem Kläger geschilderten anhaltenden Ängsten, Überforderung, anhaltenden Schlafstörungen,
Vertrauensverlust in andere Menschen, Angst zu Sterben und lautem Schreien auch unter der Dusche. Er diagnostizierte eine
Anpassungsstörung und empfahl eine stationäre Behandlung.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2014 erkannte die Beklagte den Unfall vom 6. Juli 2013 als Arbeitsunfall an, bei dem es zu einem
leichtgradigen unkomplizierten gedeckten Schädel-Hirn-Trauma gekommen sei. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit
erkannte sie vom 6. Juli 2013 bis 16. Juli 2013 an. Für die über den 16. Juli 2013 hinaus ärztlich behandelte psychotische
Symptomatik werde eine Entschädigung nicht gewährt, weil sie nicht Folge des Unfalls vom 6. Juli 2013 sei. Die erstmals am
12. August 2013 diagnostizierte psychische Symptomatik sei keine Unfallfolge, die lebensgeschichtlichen Faktoren - erheblicher
finanzieller und arbeitstechnischer Druck - seien am ehesten geeignet, die aktuelle psychische Symptomatik zu bewirken. Mit
weiterem Bescheid vom 22. Januar 2014 entschied die Beklagte, dass der Kläger keinen Anspruch auf Verletztengeld habe. Die
unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ende innerhalb der zweiwöchigen Wartefrist am 16. Juli 2013. Von einer Rückforderung des
für den Zeitraum 21. Juli 2013 bis 6. Januar 2014 gezahlten Verletztengeldes sehe sie jedoch ab.
Am 28. Januar 2014 - Eingang 10. Februar 2014 - teilte der Kläger handschriftlich zu dem Unfall vom 6. Juli 2014 mit, mit
diesem Bescheid nicht einverstanden zu sein. Er halte die Beschwerden weiterhin für unfallbedingt. In der Akte vorgeheftet
ist der Bescheid vom 22. Januar 2014 betreffend den Anspruch auf Verletztengeld. Beide Schriftstücke weisen einen bildtechnischen
Rahmen auf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Januar 2014, der einen
Anspruch auf Verletztengeld ablehnte, zurück, da unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 16. Juli 2013 bestanden habe.
Mit der am 29. April 2014 bei dem Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Klage hat der Kläger die Gewährung von Verletztengeld
bis zum Ende der Heilbehandlung und die Zahlung einer Verletztenrente ab dem 13. Januar 2014 begehrt. Der anerkannte Arbeitsunfall
sei für die wirtschaftlichen Folgen - und damit den Bezug von Leistungen nach dem SGB II - ebenso verantwortlich wie für die dadurch verursachte seelische Erkrankung. Diese sei vom Unfallversicherungsschutz als
Kleinunternehmer erfasst. Er hat auf die Berichte des Diplom-Psychologen W1 und die Befundberichte der behandelnden Ärzte
des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses verwiesen, die seine Einschränkungen beschreiben. Es sei nicht nachvollziehbar,
dass die Beklagte die Anpassungsstörung in den allgemeinen lebensgeschichtlichen Umständen des Klägers begründet sehe. Gegen
die Ablehnung einer Verletztenrente wird ein weiteres Verfahren unter dem Aktenzeichen S 9 U 34/18 geführt.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass nur der Bescheid über die Ablehnung eines Anspruchs auf Verletztengeld streitgegenständlich
sei und sie noch nicht über einen Anspruch auf Verletztenrente entschieden habe, und im Übrigen an ihrer Einschätzung festgehalten.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte bei den den Kläger behandelnden Ärzten T und K eingeholt, die berichtet
haben, der Kläger habe Gedankenkreisen, gedrückte Stimmung, Traurigkeit, Unruhe, Affektlabilität, eingeschränkte Konzentrations-
und Leistungsfähigkeit, verminderten Antrieb, Freudlosigkeit, belastende starke Albträume und Grübelzwang geschildert.
S2 hat im November 2014 in seinem Gutachten für die DRV Bund beschrieben, es liege eine massive Fehlverarbeitung des erlittenen
Unfalls mit depressiver Verstimmung und Ängsten vor, aber keine posttraumatische Belastungsstörung. Der Unfall stelle lediglich
den pathogenetischen Nukleus dar, um das sich alle weiteren schicksalsgeprägten Probleme deutlich tendenzgerichtet herumranken.
Der Leidensdruck des Klägers sei erkennbar, einem Gespräch über unfallunabhängige Faktoren bei der Aufrechterhaltung seiner
Beschwerden sei er nicht zugänglich. Die Symptomatik aufrechterhaltende Faktoren dürften eine narzisstische Kränkung und ausgeprägte
Versorgungswünsche sein. Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit.
In seinem im Auftrag des Sozialgerichts Itzehoe erstellten Gutachten vom 29. November 2017 hat der Neurologe und Psychiater
B1 als durch den Unfall am 6. Juli 2013 verursacht eine persönlichkeitsgetragene Anpassungsstörung mit obsessiven Zügen als
Ausdruck einer Fehlverarbeitung des Unfallereignisses festgestellt. Letztlich drehe sich sein gesamtes Denken, Fühlen und
Erleben nahezu vollständig um das Unfallgeschehen bzw. die kompromisslos stereotyp vorgetragene Behauptung, dass man ihm damals
im Krankenhaus unmissverständlich zu verstehen gegeben habe, dass sein Leben an einem seidenen Faden hinge. Davon habe er
sich nicht freimachen können. Alternativen Überlegungen gegenüber sei er nicht aufgeschlossen, Zweifel an dieser Darstellung
erlebe der Kläger als heftigen Angriff und Diskreditierung seiner Person. Andererseits habe er nach eigenen Angaben von 2014
bis 2016 eine Kinder-Fußballmannschaft aufgebaut und durchaus positive Erfahrungen gemacht. Symptombeeinflussende Vorerkrankungen
seien nicht nachgewiesen. Die Dauer der Behandlungsbedürftigkeit lasse sich rückblickend nicht festlegen.
In seinem auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG eingeholten Gutachten hat der Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie H ausgeführt, dass der Sturz des
Gegenstandes auf den Kopf des Klägers zu einer Commotio cerebri im Sinne einer kurzfristigen vorübergehenden Funktionsstörung
ohne bleibende Auswirkungen geführt haben dürfte. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass der Sturz Auslöser einer nachhaltigen
organisch begründeten Störung des Gehirns sein könne. Der Kläger habe die Ereignisse anders erlebt. Möglicherweise sei ihm
erläutert worden, dass es noch zu einer Schwellung des Gehirns kommen könne, völlig unwahrscheinlich sei aber, dass ihm der
drohende Tod vorhergesagt worden sei. Möglich seien sprachliche Missverständnisse oder eine Fehlinterpretation der Äußerungen
durch die eigene Angst. Der Unfall erfülle aber nicht die Kriterien für eine Posttraumatische Belastungsstörung. Die katastrophisierende
Haltung des Klägers sei nicht auf eine bekannte psychische Erkrankung zurückführbar, allerdings habe der Kläger über zwei
Verkehrsunfälle an Abhängen in der Türkei, eine Messerstichverletzung nach einer Auseinandersetzung, einer Verwicklung seines
Bruders in eine tödliche Messerstecherei und dem Scheitern seiner ersten Ehe mit Diebstahl durch die Schwiegerfamilie und
diversen gescheiterten selbständig ausgeübten Erwerbstätigkeiten berichtet. Diese Summe der belastenden Ereignisse sei geeignet,
die eigene Kompensationsfähigkeit bezüglich neuer belastender Erfahrungen zu reduzieren. Der weitere Krankheitsverlauf werde
durch die psychische Erkrankung der Ehefrau ungünstig beeinflusst. Ferner habe der Kläger von bis vor kurzem praktiziertem
Cannabiskonsum berichtet, der Psychosen auslösen könne. Diagnostisch habe der Kläger eine rezidivierende depressive Störung
auf dem Boden einer Anpassungsstörung, ferner einen schädlichen Konsum von Cannabinoiden und Alkohol. Die andauernde psychische
Fehlverarbeitung sei nicht auf das Unfallereignis selbst zurückzuführen, sondern der Persönlichkeit des Klägers, seiner Lebensgeschichte
und den noch andauernden situativen Belastungen zuzurechnen. Durch den Unfall selbst habe der Kläger eine leichte Prellmarke
am Schädel, eine HWS-Distorsion und eine Gehirnerschütterung erlitten. Unfallbedingte Heilbehandlungsbedürftigkeit habe allenfalls
bis zum 31. Juli 2013 bestanden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2018 abgewiesen. Hinsichtlich des Begehrens nach Verletztengeld
fehle es - selbst bei mit dem Gutachten von H unterstellter Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Juli
2013 - an einer Beschwer des Klägers, da die Beklagte auch für diesen Zeitraum Verletztengeld gezahlt habe, jedoch mit Bescheid
vom 22. Januar 2014 verbindlich einen Rückforderungsverzicht erklärt habe. Über die in dem streitgegenständlichen Bescheid
der Beklagten anerkannten Unfallfolgen hinaus seien keine weiteren Unfallfolgen festzustellen. Weder die geltend gemachte
Posttraumatische Belastungsstörung noch eine andere Unfallfolge auf psychiatrischem Fachgebiet sei als Unfallfolge festzustellen.
Nach beiden Diagnosesystemen - ICD-10-GM-2017 und DSM-IV-TR fehle es vorliegend an den Voraussetzungen für eine Diagnosestellung.
Das Ereignis sei auch nicht geeignet, ein Trauma im Sinne einer PTBS anzunehmen. Die Ausführungen von B1 und H, dass die depressive
Symptomatik mit völligem Rückzug nicht durchgehend bestanden habe und bei dem Kläger eine andauernde - aber nicht unfallbedingte
- Fehlverarbeitung vorliege, seien nachvollziehbar. Eine richtunggebende Verschlimmerung sei auch nicht anzunehmen.
Gegen den am 4. Dezember 2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 2. Januar 2019 eingegangene Berufung des Klägers.
Bei der Entscheidung sei sein türkischer Hintergrund zu berücksichtigen, was die bisherigen Gutachter nicht getan hätten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 28. November 2018 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2014
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 21. Juli 2013
bis zum Ende der gesetzlichen Anspruchsdauer Verletztengeld zu zahlen sowie ab dem 13. Januar 2014 eine Verletztenrente zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat einen Befund- und Behandlungsbericht von K über einen stationären Aufenthalt im Frühjahr 2019 eingeholt, in
dem der Kläger über anhaltende Schlafstörungen, Albträume sowie Intrusionen und Flashbacks bezogen auf erlebte Traumata aus
der Vergangenheit berichtete und in dem ua von Verhaltens- und psychischen Störungen durch Cannabinoide und Alkohol als Diagnosen
berichtet wird.
In seinem auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG eingeholten Gutachten vom 11. November 2020 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 11. September 2011 und ergänzender Ausführungen
im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2022) hat der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie A1 festgehalten,
dass der Kläger von nach dem Unfall am 6. Juli 2013 anhaltenden Todesängsten und Vertrauensverlust in Menschen berichtet habe,
da er eine Absicht seiner Kollegen vermute. Der Kläger habe von anhaltendem mehrmals wöchentlichem Drogenkonsum und gelegentlichem
Alkoholkonsum berichtet. Bei dem Kläger liege seit mindestens 1997 eine psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol: Schädlicher
Gebrauch (ICD-10: F10.1) und seit mindestens 2013 eine psychische und Verhaltensstörung durch Cannabinoide: Abhängigkeitssyndrom
(ICD-10: F63.0) vor. Ferner liege eine seit mindestens 2013 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode
mit psychotischen Symptomen vor. Als Verdachtsdiagnose komme eine seit mindestens 2013 bestehende posttraumatische Belastungsstörung
in Betracht (ICD-10: F43.1). Schließlich bestehe eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und emotional-instabilen
Anteilen. Eine Aussage eines Arztes, der Kläger würde sterben oder querschnittsgelähmt bleiben, sei angesichts des Befundes
der Computertomographie vom 6. Juli 2013 erstaunlich. Der Sachverständige A1 hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass eine
PTBS eine mögliche Folge des Unfalls sei bzw. der Verdacht auf eine PTBS bestehe. Der Kläger habe durch den Unfall etwas Grauenhaftes
erlebt, seine körperliche Unversehrtheit sei bedroht und stark verletzt worden. Er habe sich vollkommen machtlos, schutzlos
und ausgeliefert gefühlt; diese Gefühle seien auch nach dem Gespräch mit dem Krankenhausarzt verstärkt worden. Der Kläger
habe Entsetzen und extreme (Todes-)Angst verspürt. Das Ereignis sei geeignet, eine PTBS hervorzurufen. Der Kläger zeige Vermeidungsverhalten
(Baustellen und rote Fahrzeuge), habe Intrusionen und eine vegetative Übererregung. Begünstigende Faktoren wie z.B. zwanghafte
oder abhängige Persönlichkeitszüge oder Persönlichkeitsstörung in der Vorgeschichte könnten die Schwelle für die Entwicklung
dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren seien weder notwendig noch ausreichend,
um das Auftreten der Störung zu erklären. Der Kläger habe eine ganz erhebliche Vulnerabilität in seiner Persönlichkeit, die
sehr leicht ansprechbar gewesen sei. Es könne angenommen werden, dass der Kläger nach dem Unfall unter erheblichem finanziellen
und arbeitstechnischen Druck gestanden habe, die als krankheitsverstärkende Einflussfaktoren eine Rolle spielten. Für die
Dauer der Arbeitsunfähigkeit stellt er auf die aktenkundigen Berichte ab (6. Juli 2013 bis 13. Januar 2014 sowie Dauer der
stationären Behandlungen). Die unfallbedingte MdE sei mit 30 bis 40 vH zu veranschlagen, wofür er die Versorgungsmedizinverordnung
zugrunde gelegt habe. Seine von vorangehend eingeholten Gutachten abweichende Einschätzung zur PTBS begründet er damit, dass
das Risiko einer PTBS sich erhöhe, wenn der Unfall mit Absicht herbeigeführt worden sei - der Kläger habe insoweit angegeben,
dass die Kollegen den Unfall möglicherweise mit Absicht verursacht hätten. Ferner korreliere die Schwere des Ereignisses nicht
unbedingt mit der Schwere der Folgesymptome. Auf das gleiche Ereignis könnten Menschen unterschiedlich reagieren. Risikofaktoren
bei dem Kläger seien mangelnde Bewältigungsstrategien und Abwehrmechanismen. Der Kläger habe das Unfallgeschehen und die Folgen
für ihn sehr bildlich, weitschweifig, ohne Schwerpunktsetzung und mit längeren Sätzen geschildert. Von anderen Ereignissen
und über seine Ehe habe der Kläger nur mit knappen Sätzen berichtet. Einen Verifikationstest zur Erfassung der Depression
habe er nicht durchgeführt, weil dieser nur die letzten drei Wochen erfasse.
Der Kläger stützt sein Begehren ergänzend auf das Gutachten des Sachverständigen A1.
Die Beklagte reicht zu diesem Gutachten ergänzend eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie / Psychiatrie
M vom 12. Juli 2021 zur Akte, der ausführt, das zur Diskussion gestellte Ereignis sei nicht geeignet, eine PTBS zu verursachen,
da es sich um kein so katastrophales und das Weltbild erschütterndes Ereignis gehandelt habe, das bei fast jedem eine tiefgreifende
Verzweiflung auslösen würde. Er merkt ferner eine fehlende Beschwerdeevaluierung auch mit testpsychologischer Untermauerung
an, da die Angaben des Klägers recht akzentuiert seien. Zwar komme es nicht nur auf die objektive Schwere eines Ereignisses
an, sondern auch auf das subjektive Wahrnehmen des Betroffenen. Allerdings sei für psychotraumatologisch minderschwere Ereignisse
zu verlangen, dass eine außergewöhnliche psychische Erstreaktion im Sinne von Verzweiflung, dissoziativen Zuständen etc dokumentiert
sei, was nicht vorliege. Viele Aussagen des Klägers seien unplausibel und inkonsistent. Führend seien unfallunabhängige Kontextfaktoren.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge vorgelegen. Sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.
1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März
2014, mit dem die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Verletztengeld abgelehnt hat.
Soweit der Kläger in diesem Verfahren einen Anspruch auf Verletztenrente ab dem 13. Januar 2014 geltend macht, ist die Klage
unzulässig, da die Beklagte in dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 22. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 27. März 2014 nicht über einen Anspruch auf Verletztenrente entschieden hat. Es fehlt an den für eine kombinierte Anfechtungs-
und Leistungsklage erforderlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes und eines Widerspruchsverfahrens (vgl §
78 Abs.
1 und
3 SGG).
Für den geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld fehlt es - wie bereits das Sozialgericht ausgeführt hat - an einer Beschwer
des Klägers für den Zeitraum bis einschließlich 6. Januar 2014, da die Beklagte - aus ihrer Sicht ohne Vorliegen bis zu diesem
Tag anhaltender zu entschädigender Unfallfolgen - Verletztengeld gezahlt hat, jedoch gleichwohl von einer Rückforderung abgesehen
hat. Soweit der Kläger mit dieser Klage einen Anspruch über den 6. Januar 2014 hinaus geltend macht, da er an über diesen
Tag hinaus anhaltenden Unfallfolgen leide, kann er dieses Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage
(§
54 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. Abs.
4 SGG) geltend machen. Denn Ermächtigung und Anspruchsgrundlage erfassen nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch.
Ermächtigung und Anspruch betreffen auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle
oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind
(vgl BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, B 2 U 17/10 R - Rn 17).
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2014, mit dem sie einen
Anspruch des Klägers auf Verletztengeld - insbesondere über den 6. Januar 2014 hinaus - abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Das
Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet.
2. Der Kläger hat - insbesondere über den 6. Januar 2014 hinaus - keinen Anspruch auf Verletztengeld. Verletztengeld wird
nach §
45 Abs.
1 Nr.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung
eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können. Zwar hat der Kläger am 6. Juli 2013 einen Versicherungsfall erlitten
<a)> und die behandelnden Ärzten haben nach dem Unfall Arbeitsunfähigkeit attestiert <b)>, jedoch sind bei dem Kläger vorliegende
psychische Gesundheitsstörungen <c)> nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen <d)>.
a) Der Kläger hat am 6. Juli 2013 einen - von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Januar 2014 anerkannten - Arbeitsunfall im
Sinne des §
8 Abs.
1 SGB VII erlitten, als er auf einer Baustelle während der Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit von einem herabfallenden Gegenstand
am Kopf getroffen wurde.
b) Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern,
fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (so st RSpr seit BSG, Urteil vom 19. Juni 1963 - 3 RK 37/59 - Rn 20). Dem Kläger wurde von dem behandelnden Arzt P bis zum 22. Februar 2014 Arbeitsunfähigkeit attestiert (Zwischenbericht vom
16. Januar 2014). Der Arzt T teilte mit, der Kläger habe über eine fortlaufend durch einen BG-Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit
berichtet (Bericht vom 22. April 2017).
c) Die vom Kläger als einen Anspruch auf Verletztengeld begründend geltend gemachte Posttraumatische Belastungsstörung steht
nicht zur Überzeugung des Senats (§
128 SGG) fest. Hinsichtlich des Beweismaßstabs gilt dabei, dass das "Unfallereignis" und der "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden"
sowie die Tatsachen, die den inneren Zusammenhang der Verrichtung im Zeitpunkt des Unfalls zur versicherten Tätigkeit begründen,
im Wege des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - für das Gericht feststehen müssen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, Rn 20; Urteil vom 31. Januar 2012, B 2 U 9/11 R, Rn 28). Dafür ist zwar keine absolute Gewissheit erforderlich; verbliebene Restzweifel sind bei einem Vollbeweis jedoch nur solange
unschädlich, wie sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 9. Dezember 2020, L 3 U 42/19, Rn 21; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Dezember 2019, L 3 74/18, Rn 69; BSG, Urteil vom 24. November 2010, B 11 AL 35/09 R, Rn 21; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, B 9 V 3/15 R, Rn 26). Dabei sind Gesundheitsstörungen im Bereich psychischer Störungen durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (zB
ICD-10, DSM V) unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen exakt zu beschreiben (BSG, Urteil vom 26. November 2019 - B 2 U 8/18 R, Rn 19)
Es steht nicht im Vollbeweis fest, dass der Kläger an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach ICD-10 F 43.1
erkrankt ist. Der Senat legt seiner Entscheidung die ICD-10 zugrunde. Die ICD-11 ist noch nicht anzuwenden, da die endgültige
Fassung in der deutschen Übersetzung - validiert durch die medizinischen Fachgesellschaften - noch nicht vorliegt (https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/_node.html,
Stand 22. April 2022).
Bei der Prüfung, ob eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegt oder nicht, ist die Leitlinie der AWMF "Teil III Begutachtung
bei Kausalitätsfragen im Sozial-, Zivil- und Verwaltungsrecht", Stand 1. Dezember 2019, zugrunde zu legen. Nach dem ICD-10-Katalog
(F 43.1) setzt die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein
belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem
Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, voraus. Dazu gehören durch Naturereignisse oder von
Menschen verursachte Katastrophen, schwere Unfälle oder Zeuge eines gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung,
Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen zu sein (A-Kriterium, Leitlinie a.a.O. Seite 19 4.2.2). Prädisponierende
Faktoren wie bestimmte, z. B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte
können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren
sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben
des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund
eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten (B-Kriterium). Ferner finden sich Gleichgültigkeit
gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und
Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten (C-Kriterium: Vermeidungsverhalten). Meist tritt ein Zustand
von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf (D-Kriterium).
Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer
Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine
Heilung erwartet werden.
Der Senat ist bereits nicht davon überzeugt, dass das von dem Kläger am 6. Juli 2013 erlebte Unfallereignis das A-Kriterium
erfüllt. Bei dem Herabfallen eines Gegenstandes und Auftreffen desselben auf einen menschlichen Körper handelt es sich nicht
regelhaft um ein Ereignis außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung
hervorrufen würde. Diese Überzeugung stützt der Senat auf die Gutachten der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie B1 und
H (verwertet als Sachverständigenbeweis, §§
118 Abs.
1 SGG,
402 ZPO) und die beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie M (verwertet als Parteivortrag der
Beklagten), die ein katastrophenartiges oder vergleichbares Ereignis nicht feststellen bzw. das Vorliegen eines solchen explizit
verneinen. Diese Einschätzung überzeugt den Senat auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger durch den Aufprall nur eine leichte
Prellmarke ohne Schädelfraktur oder Hirnblutungen erlitten hat. Dass das herabfallende Metallteil den Kläger unvorbereitet
traf, reicht nicht aus, um ein katastrophengleiches Ereignis anzunehmen. Ein absichtsvolles Handeln der Kollegen steht für
den Senat nicht im Vollbeweis fest. Der Kläger schilderte solches erstmals bei dem Sachverständigen A1. Keiner der den Kläger
behandelnden Ärzte und untersuchenden Gutachter hat eine solche Schilderung zuvor festgehalten. Der Kläger berichtete vormals
nur, Sicherheitslücken moniert zu haben. Auch seine regelmäßig wiederholte Aussage, die Ärzte hätten ihm den drohenden Tod
oder eine bleibende Querschnittlähmung angekündigt, ist nach der Einschätzung der Sachverständigen (B1, H, A1) nicht glaubhaft.
Gegen die Darstellung des Klägers, ihm sei bleibende Querschnittlähmung in Aussicht gestellt worden, spricht, dass er dem
Gutachter A1 (Seite 11) schilderte, er habe sich die Anschlüsse der medizinischen Instrumente abgerissen und sei aus dem Zimmer
gelaufen. Das spricht bereits gegen aufgetretene Lähmungserscheinungen, die dem Kläger von den Krankenhausärzten als möglicherweise
anhaltend in Aussicht gestellt worden sein könnten. Die stereotype Schilderung des Klägers zeigt vielmehr auf, dass er auf
den Aufenthalt im Krankenhaus und von ihm erinnerte Aussagen der behandelnden Ärzte fokussiert ist, ohne dass diese auf einer
plausibel wahrnehmbaren Tatsachengrundlage beruhen. Sie können keine Grundlage für die Annahme sein, der Kläger habe ein Ereignis
katastrophenartigen Ausmaßes erlebt. Im Übrigen haben die behandelnden Ärzte und Gutachter zwar die Schilderungen des Klägers
aufgenommen, er erinnere sich und habe Todesangst und Albträume. Eine testpsychologische Validitätsprüfung fand allerdings
nicht statt. Die kontinuierliche akzentuierte Wiedergabe der - fast obsessiv anmutenden - Schilderungen des Klägers umfassen
nicht, immer wieder zu empfinden, dass Gegenstände auf seinen Kopf fallen oder er durch ein plötzliches Ereignis an den Unfall
erinnert wird. Der Kläger scheint vielmehr die aus seiner Sicht bedrohlichen Aussagen der Krankenhausärzte in seiner Erinnerung
aufrechtzuerhalten und sich an ein Gefühl erlebter Todesangst im Krankenhaus zu erinnern. Er schilderte, einmal ein Arbeitsgespräch
auf einer Baustelle nicht wahrgenommen haben zu können und auch sonst Baustellen zu vermeiden. Körperliche Reaktionen des
Klägers wie Hypervigilanz (erhöhte Wachsamkeit oder Wachheit) oder erhöhte Schreckhaftigkeit auf Reize (D-Kriterium) werden
nicht beschrieben. Ferner war er bereits 2014 in der Lage, eine Kinder-Fußballmannschaft aufzubauen und bis 2016 zu betreuen,
was ihm nach eigenen Schilderungen gegenüber den Gutachtern auch Freude bereitete und daher gegen eine durchgehende Handlungsunfähigkeit
des Klägers spricht. Eine anhaltende emotionale Betäubung und Abgestumpftheit (B-Kriterium) lässt sich darin auch nicht erkennen.
Der Einschätzung des Sachverständigen A1, es reiche für die Diagnose einer PTBS aus, dass der Kläger das Ereignis subjektiv
als lebensbedrohlich wahrgenommen habe, vermag sich der Senat angesichts der oben geschilderten Kriterien einer PTBS nicht
anzuschließen. Diesen lässt sich nicht entnehmen, dass die subjektive Wahrnehmung für die Annahme einer PTBS ausreicht. Der
Sachverständige A1 gibt in seinem Gutachten überdies im Wesentlichen die Merkmale einer PTBS ohne konkreten Bezug zum Kläger
wieder und grenzt bei der Diagnostik der vom Kläger geschilderten Symptome und der Kausalität nicht zwischen der Eignung des
Unfallereignisses für die Entstehung einer PTBS und der Persönlichkeitsstruktur des Klägers ab. Sofern behandelnde Ärzte des
Psychiatrischen Zentrums - Rehabilitation und Pflege in R eine PTBS diagnostizierten (Bericht vom 24. April 2017) beschränkten
auch diese sich auf die Wiedergabe der Schilderungen des Klägers und der Symptome Schlafstörungen, eingeengtes Denken und
depressive Symptomatik, ohne dass sie das Ereignis vom 6. Juli 2013 als katastrophenartiges Ereignis einordneten. Die den
Kläger im Reha-Zentrum H1 ab August 2013 behandelt habenden Ärzte beschrieben eine Anpassungsstörung (Bericht vom 14. Dezember
2013).
Bei dem Kläger besteht vielmehr - wie bereits das Sozialgericht herausgearbeitet hat - eine andauernde psychische Fehlverarbeitung
der Ereignisse am und um den 6. Juli 2013, die nicht durch das Unfallereignis begründet wurde, sondern der Persönlichkeit
des Klägers, seiner Lebensgeschichte (mehrere Unfälle, berufliche Misserfolge, belastende Ehe) und dem missbräuchlichen Konsum
von Cannabis geschuldet ist und zu einer rezidivierenden depressiven Störung auf dem Boden einer als Diagnose festzuhaltenden
Anpassungsstörung (F43.2: Anpassungsstörung: Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im
Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung
oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten) führte. Diese Überzeugung stützt der Senat auf die Einschätzung von G (Bericht
vom 22. Dezember 2013, verwertet als Urkundsbeweis - §
118 Abs
1 SGG i.V.m. §
418 ZPO) und die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen B1 und H, die nachvollziehbar eine durch die narzisstische Persönlichkeitsstruktur
des Klägers und diverse Ereignisse in der Lebensgeschichte des Klägers herabgesetzte Kompensationsfähigkeit bezüglich neuer
belastender Erfahrungen herausgearbeitet haben. Diese führte bei dem Kläger zu der anhaltenden depressiven Symptomatik.
d) Die andauernde Fehlverarbeitung auf dem Boden einer Anpassungsstörung ist nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, sondern
ist vorbestehend und damit unfallunabhängig als Summe narzisstischer Persönlichkeitsmerkmale und herabgesetzter Kompensationsfähigkeit
entstanden und wird durch nicht dem Unfall anzulastende situative Lebensumstände aufrechterhalten. Angesichts der aufgezeigten
zeitlichen Abläufe kommt es auf die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweismaßstäbe für die Kausalität
zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Erkrankung - die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl hierzu stRspr BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, Rn 19 - 20 mwN) - nicht an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.