Sozialrechtliche Versicherungspflicht
Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität
Besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen
Abgrenzung selbständiger Tätigkeit von abhängiger Beschäftigung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin seit dem 1. Juni 2010 bei der Beigeladenen zu 1. versicherungspflichtig
beschäftigt ist.
Die 1979 geborene Klägerin beantragte im Mai 2010 die Feststellung ihres versicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten.
Seit dem 1. Juni 2010 seien sie und T. M. Gesellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. Er sei Kfz-Meister und
zuständig für den Geschäftsbereich der Werkstatt, sie habe den Beruf der Steuerfachangestellten erlernt und sei für das Büro
zuständig. Zurzeit betrage ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit aufgrund Elternzeit 10 Stunden, ab Dezember werde sie
40 Stunden wöchentlich arbeiten.
Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1. (Autoreparatur K. und F. GmbH) war mit Gesellschaftsvertrag vom 5. Juni 1997
gegründet worden. Gesellschafter waren B. F. und G. K. Sie übertrugen am 1. Juni 2010 ihre Geschäftsanteile an T. M. (51 v.H.)
und die Klägerin (49 v.H.). Die Gesellschaft wurde am 15. Juli 2010 in Fahrzeugtechnik K. & M. GmbH umbenannt. Der Gesellschaftsvertrag
(GV) der Beigeladenen zu 1. vom 15. Juli 2010 enthält u.a. folgende Bestimmungen:
"§ 2 Gegenstand des Unternehmens
1. Gegenstand des Unternehmens ist die Autoreparatur und der Handel mit Neu- und Gebrauchtwagen sowie die Vermittlung von
Versicherungen und Finanzierungen für Kraftfahrzeuge.
2. Die Gesellschaft ist berechtigt, alle Geschäfte und Maßnahmen zu treffen, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes nützlich
oder notwendig erscheinen.
§ 3 Stammkapital
1. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 26.000 EUR (i. W. sechsundzwanzigtausend Euro).
§ 6 Geschäftsführung und Vertretung
1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer ...
4. Die Geschäftsführer bedürfen für folgende Angelegenheiten im Innenverhältnis der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss
mit einer Mehrheit von 75 %:
- die Errichtung und Auflösung von Zweigniederlassungen,
- den Erwerb, die Veräußerung oder Belastung von Beteiligungen an anderen Unternehmen,
- den Erwerb oder Veräußerung von Betrieben oder Betriebsteilen,
- jede Bestellung von Prokuristen, Bevollmächtigten oder Generalhandlungsbevollmächtigten,
- schuldrechtliche Verträge mit Ehegatten der Geschäftsführer, mit Gesellschaftern oder deren Angehörigen,
- der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten,
- die Begründung und Aufhebung von Arbeits- oder Dienstverhältnissen mit einem Jahresgehalt von über 25.00,00 EUR (i. W. fünfundzwanzigtausend
Euro),
- die Begründung von Miet-, Pacht- und Leasingverträgen mit einer Vertragsdauer von mehr als 2 Jahren oder wenn die Kosten
der während der Vertragsdauer von der Gesellschaft für den einzelnen Vertrag aufzubringenden Gelder mehr als 5.000,00 EUR
(i. W. fünftausend Euro) betragen,
- Abschluss von Lieferverträgen, Dienstleistungsverträgen, Bezugsverträgen, Kooperationsverträgen und dergleichen mit einer
Laufzeit von mehr als sechs Monaten,
- Investitionen, die im Einzelfall einen Aufwand von mehr als 25.000,00 EUR (i. W. fünfundzwanzigtausend Euro) erfordern,
es sei denn, es handelt sich um zwingend notwendige Ersatzbeschaffung,
- die Übernahme von Bürgschaften oder Eingehen von Wechselverbindlichkeiten,
- das Eingehen von sonstigen Verbindlichkeiten einschließlich Darlehen mit einem Gesamtbetrag bzw. Gesamtbelastung von mehr
als 5.000,00 EUR (i. W. fünftausend Euro),
- alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen und eine Zahlungsverpflichtung von mehr als 25.000,00
EUR (i. W. fünfundzwanzigtausend Euro) begründen,
- alle Geschäfte, welche die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss für zustimmungsbedürftig erklären. Weitergehende
gesetzliche Bestimmungen bleiben unberührt. Im Übrigen wird auf die Geschäftsordnung für Geschäftsführer verwiesen.
§ 7 Gesellschafterversammlung, Gesellschafterbeschlüsse
5. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen und mindestens 51 v.H. des Stammkapitals
vertreten sind
7. Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Das Stimmrecht aus einem Geschäftsanteil kann nur einheitlich ausgeübt
werden. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen gefasst,
soweit nicht zwingend das Gesetz oder dieser Vertrag etwas anderes vorschreiben. Beschlüsse über eine Änderung des Gesellschaftsvertrages
oder eine Auflösung der Gesellschaft bedürfen einer Mehrheit von drei Vierteln aller vorhandenen Stimmen.".
Mit Geschäftsführervertrag vom 1. Juni 2010 wurde die Klägerin zur Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1. bestellt. Er enthält
u.a. folgende Regelungen:
"§ 1 Geschäftsführung und Vertretung
(1) Die Geschäftsführerin ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages
und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weisungen
der Gesellschafterversammlung sind zu befolgen, soweit Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht entgegenstehen.
(3) Die Geschäftsführerin ist von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit.
§ 2 Einzelne Aufgaben
(1) Der Geschäftsführerin obliegt die Leitung und Überwachung des Unternehmens im Ganzen.
(2) Die Geschäftsführerin nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften
wahr.
§ 3 Genehmigungsbedürftige Geschäfte
Die Geschäftsführerin bedarf für folgende Angelegenheiten im Innenverhältnis der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss
mit einer Mehrheit von 75 %:"
Hier werden die im § 6 Nr. 4 GV genannten Geschäfte wiederholt.
§ 4 Dienstleistung
(1) Die Geschäftsführerin hat ihre ganze Arbeitskraft und ihre gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung
zu stellen.
(2) An bestimmte Arbeitszeiten ist die Geschäftsführerin nicht gebunden.
§ 6 Nebentätigkeit, Wettbewerb
(1) Nebentätigkeit, auch die Wahrnehmung von Ehrenämtern, bedürfen der Einwilligung der Gesellschafterversammlung.
(2) Die Geschäftsführerin verpflichtet sich, für die Dauer dieses Vertrages und der darauf folgenden zwei Jahre nach dessen
Beendigung ohne Zustimmung der Gesellschaft in keiner Weise für ein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft oder ein mit diesem
verbundenen Unternehmen tätig zu werden oder sich mittelbar oder unmittelbar an einem solchen zu beteiligen sowie Geschäfte
für eigene oder fremde Rechnung auf dem Arbeitsgebiet der Gesellschaft zu machen.
§ 7 Bezüge des Geschäftsführers
(1) Die Geschäftsführerin erhält ein monatliches Gehalt von 500,00 EUR. Das Gehalt wird in monatlichen Teilbeträgen bis zum
15. des Folgemonats ausgezahlt.
(2) Besteht das Dienstverhältnis während eines Kalenderjahres, so erhält die Geschäftsführerin eine zusätzliche Weihnachtsgratifikation
in Höhe von 1.000,00 EUR. Die Gratifikation wird mit dem November-Gehalt des Jahres ausgezahlt.
(3) Ferner erhält die Geschäftsführerin eine Tantieme in Höhe von 10 % des Jahresüberschusses der Handelsbilanz nach Verrechnung
mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
(4) Ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit besteht nicht.
(5) Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibt der Gehaltsanspruch (Abs. 1) für die Dauer von
sechs Monaten bestehen. Dauert die Verhinderung länger als ununterbrochen sechs Monate an, so wird der Tantiemeanspruch (Abs.
2) entsprechend der 6 Monate überschreitende Zeit anteilig gekürzt.
§ 9 Urlaub
(1) Die Geschäftsführerin hat Anspruch auf 30 Arbeitstage (Samstag ist kein Arbeitstag) bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr.
(2) Kann die Geschäftsführerin ihren Jahresurlaub nicht nehmen, weil Interessen der Gesellschaft entgegenstehen, so hat er
Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs unter Zugrundelegung der Höhe des Grundgehaltes (§ 7 Abs. 1). Die Abgeltung wird mit dem
dritten Gehalt des folgenden Geschäftsjahres gezahlt."
Unter dem 13. Oktober 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige einen Bescheid über das Vorliegen einer
abhängigen Beschäftigung zu erlassen und räumte ihr Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Die Klägerin trug vor, die Beteiligung
mit 49 v.H. an der Beigeladenen zu 1. habe steuerrechtliche Gründe, weil sie Mieteinnahmen aus der GmbH beziehe. Nach § 6
Nr. 4 GV sei bei einer Reihe von Angelegenheiten eine Zustimmung von 75 v.H. notwendig. Der Gesellschafter-Geschäftsführer
T. M. sei daher auf ihre Einwilligung angewiesen, womit sie sehr wohl Einfluss auf wichtige Entscheidungen habe. Sie könne
ihre Arbeitszeit, die Dauer und den Ort der Tätigkeit selbst bestimmen. T. M. sei für den technischen Bereich, sie für den
gesamten kaufmännischen Bereich zuständig. Gegenseitige Anweisungen seien völlig überflüssig und würden auch nicht erteilt.
Dies bestätigte der Gesellschafter-Geschäftsführer T. M. mit Schreiben vom 21. Oktober 2010.
Mit Bescheid vom 5. November 2010 stellte die Beklagte nach §
7 Abs.
1 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 1. Juni 2010 der Versicherungspflicht in
der Kranken-, sozialen Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung
der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Mit einer Kapitalbeteiligung
von 49 v.H. sei sie nicht im Besitz der Sperrminorität und habe keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft.
Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Geschäftsführung sei ihr eine weitgehende Gestaltungsfreiheit
belassen. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine von der Gesellschafterversammlung vorgegebene
Ordnung des Betriebes eingliedere.
Im Widerspruchsverfahren hielt die Klägerin an ihrer Auffassung fest und gab an, sie erhalte seit 1. Dezember 2010 eine monatliche
Vergütung in Höhe von 1.300 EUR. Ab 1. Januar 2011 werde sämtliches Anlagevermögen aus Finanzierungsgründen an sie verkauft
und anschließend von der Beigeladenen zu 1. angemietet. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai
2011).
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei für das Wohl der GmbH auch insoweit verantwortlich, als sie im Rahmen
einer Besitzgesellschaft Eigentümerin des Anlagevermögens sei und dieses an die Beigeladene zu 1. vermiete. Sie treffe die
kaufmännischen Grundsatzentscheidungen und wickle alle Geschäfte selbstständig und unabhängig ab. Zwischenzeitlich betrage
das Gehalt beider Geschäftsführer 1.600 EUR monatlich. Mit Urteil vom 24. April 2012 hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2011 aufgehoben und
festgestellt, dass die Klägerin ab 1. Juni 2010 betreffend der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. nicht versicherungspflichtig
zur gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung ist. Sie habe nach § 6 GV bei wichtigen Rechtsgeschäften faktisch eine Sperrminorität inne und sei vom Selbstkontrahierungsverbot nach §
181 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) befreit. Sie sei alleingeschäftsführungsberechtigte Geschäftsführerin und habe diese Tätigkeit nach ihren glaubhaften Angaben
und den Angaben des T. M. tatsächlich so ausgeübt. Zudem bestehe zwischen ihr und ihm eine familiäre Bindung in Form einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einem gemeinsamen Kind. Insofern sei nicht mehr von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis
zu reden, weil die Klägerin nach eigenen Angaben nicht im Wesentlichen nach Art, Ort, Zeit und Umfang in den Betrieb eingegliedert
gewesen sei. Zwar sei sie zu den üblichen Öffnungszeiten im Betrieb zugegen, bei Bedarf habe sie sich aber auch um das gemeinsame
Kind gekümmert.
Im Berufungsverfahren vertritt die Beklagte die Ansicht, eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende
tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung
gehe der formellen Vereinbarung nur dann vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich sei. Umgekehrt gelte,
dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich sei, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen sei. Nach § 1
Nr. 1 des Geschäftsführervertrages sei die Klägerin verpflichtet, ihre Geschäftsführertätigkeit nach Maßgabe der Gesetze,
des GV und einer etwaigen Geschäftsführerordnung auszuüben und Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Sie habe
sich also nicht weisungsfrei im Unternehmen betätigen können. Nach § 7 des Geschäftsführervertrages stehe ihr ein vom Gewinn
und Verlust der Gesellschaft unabhängiges festes Monatsgehalt, Weihnachtsgeld und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die
Dauer von sechs Monaten sowie nach § 9 des Geschäftsführervertrages ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zu.
Für den Fall, dass der Urlaub nicht oder nicht in voller Höhe in Anspruch genommen werde, bestehe Anspruch auf Abgeltung des
Urlaubs unter Zugrundelegung der Höhe des Grundgehaltes. Diese Regelungen deuteten - wegen der sich aus ihrer Stellung als
Minderheitsgesellschafterin ergebenden fehlenden Rechtsmacht auch folgerichtig - auf Weisungsgebundenheit hin und zeigten
deutlich, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet werden sollte. Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. April 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erfülle ihre Aufgaben selbstständig. Dazu sei sie fachlich in der Lage und habe derartige Entscheidungen auch in der Vorgängerfirma,
die ihrem Vater gehört habe, getätigt. Eine sog. "Schönwetter-Selbstständigkeit" liege bei ihr nicht vor. Sie erledige eigenständig
die gesamte Finanzbuchhaltung mit der Erstellung des Jahresabschlusses und übernehme alle Aufgaben aus ihrem Geschäftsbereich
selbstständig. Unter dem 13. Mai 2015 hat sie angegeben, nunmehr auch Eigentümerin des Betriebsgrundstückes zu sein. Sie habe
privat ein Darlehen aufgenommen, um den Anbau auf dem Betriebsgrundstück zu finanzieren. Das Grundstück sei mit Pachtvertrag
an die Beigeladene zu 1. verpachtet worden. Insoweit trage sie auch ein erhebliches unternehmerisches Risiko. Ferner sei sie
Eigentümerin des Anlagevermögens und verpachte dieses an die Beigeladene zu 1.
Die Klägerin hat u.a. einen Darlehensvertrag zwischen E. und M. K. und der Beigeladenen zu 1. über 20.000 EUR vom 10. Mai
2010, einen Darlehensvertrag zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. über 40.000 EUR vom 12. März 2012, einen notariellen
Kaufvertrag zwischen ihr und ihrem Vater über das von der Beigeladenen zu 1. angemietete Grundstück vom 21. August 2014, einen
Immobiliardarlehensvertrag zwischen ihr und der K. E. über 100.000 EUR sowie einen Darlehensvertrag zwischen ihr und der K.
E. über 150.000 EUR und mit Schriftsatz vom 13. Januar 2016 eine notarielle Urkunde vom 7. Januar 2016 bezüglich eines ihr
eingeräumten Vetorechts bei grundsätzlichen Entscheidungen hinsichtlich einer Änderung und Erweiterung des Unternehmens zu
den Akten gereicht. In der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2016 hat sie auf Befragen des Senatsvorsitzenden mitgeteilt,
welche genehmigungspflichtigen Angelegenheiten im Sinne des § 6 Abs. 4 GV tatsächlich anfallen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten am 29. Mai 2015 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage
durchgeführt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2011 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Urteil der Vorinstanz war aufzuheben.
Im Zeitraum ab 1. Juni 2010 unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in der Kranken-, sozialen Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht (§
5 Abs.
1 Nr.
1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V); §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI); §
1 Satz 1 Nr. 1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI), §
25 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt sie voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden
Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art
der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer
Art - eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige
Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der
Arbeitsleistung. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im
Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt
sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden
ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen
Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen
Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur
der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist.
Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen
ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten
zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen
abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie die rechtlich
zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R m.w.N., Rn. 15, 16, nach juris).
Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob die Gesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis
steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung der Geschäftsführerin als Gesellschafterin
ausgeschlossen. Bei am Stammkapital beteiligten Geschäftsführern ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus
für sie ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital
beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit
im Einzelfall ausnahmsweise aufheben. Vergleichbares muss auch bei Geschäftsführern gelten, die zwar zugleich Gesellschafter
sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine sogenannte Sperrminorität verfügen. Auch für
diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung
kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit
vor (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 - Az.: B 11a AL 5/06 R m.w.N., Rn. 16, nach juris). Die Klägerin ist in einem von ihr selbst personenverschiedenen,
unterhaltendem Betrieb der Beigeladenen zu 1., einer juristischen Person des Privatrechts, eingegliedert. Aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung
ist sie nicht in der Lage, im Konfliktfall ihr nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern. Sie ist am Stammkapital
der Gesellschaft von 26.000 EUR mit einer Stammeinlage von 12.740,- EUR (49 v.H.) beteiligt. Nachdem jeder Euro eines Geschäftsanteils
eine Stimme gewährt, kann dies die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit nicht vermeiden. Auch eine Sperrminorität
steht ihr nicht zu, denn die Gesellschafterbeschlüsse werden nach § 7 Nr. 7 GV mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung
abgegebenen Stimmen gefasst. Die Gesellschafterversammlung ist nach § 7 Nr. 5 GV beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen
ist und mindestens 51 v.H. des Stammkapitals vertreten sind. Der GV sieht in § 6 Nr. 4 zwar Schutzklauseln für die Minderheit
vor. Sie beziehen sich allerdings nicht auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft. Die dort genannten Entscheidungen haben
überwiegend keine praktische Bedeutung. Nach eigenen Angaben der Klägerin in der Senatssitzung am 26. Januar 2016 haben bisher
nur die Fälle von Mietverträgen über Grundstücke, Gebäude und Anlagen, die Darlehen mit ihr selbst und ihrem Vater und die
Dienstleistungsverträge für Fahrzeugteile und Motortester praktische Bedeutung erlangt. Sie können nicht verhindern, dass
sich die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin mit einer Beteiligung von weniger als 50 v.H. gegen nicht genehme Anweisungen
der Mehrheit in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort ihrer Geschäftsführertätigkeit nicht zur Wehr setzen kann (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 1992 - Az.: 7 RAr 12/92 m.w.N., Rn. 19, 20, nach juris). Dies gilt entsprechend für das mit notarieller Urkunde vom 7. Januar 2016 eingeräumte Vetorecht
hinsichtlich der Änderung und Erweiterung des Gegenstands des Unternehmens. Hinsichtlich der Geschäftsführung ist die Klägerin
nach § 1 des Geschäftsführervertrages verpflichtet, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Maßregeln zur Prüfung
und Überwachung der Geschäftsführung gehören nach § 46 Nr. 6 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zu den Aufgaben, die der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen. Insbesondere könnte sie den weiteren Geschäftsführer
und Mehrheitsgesellschafter T. M. als Geschäftsführer nicht gegen seinen Willen nach § 46 Nr. 5 GmbHG abberufen oder entlassen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg seinen Weisungen entziehen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 - Az.: B 12 KR 9/14 R, Rn. 30, nach juris). Umgekehrt hätte sie keine gesellschaftsrechtliche Möglichkeit, die eigene Abberufung oder Entlassung
zu verhindern. Bei diesen tatsächlichen rechtlichen Umständen führt es auch nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit,
dass der Klägerin in dem von ihr geführten kaufmännischen Geschäftsbereich nach eigenen und den Angaben des T. M. keine Weisungen
erteilt wurden, denn aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann nicht
auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden. Gleichzeitig machen weitreichende Entscheidungsbefugnisse
einen "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht
unterliegt, nicht zu einem Selbstständigen, selbst wenn die Umstände auf besonderer Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens
beruhen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - Az.: B 12 R 1/15 R, m.w.N., Rn. 20, nach juris). Dass die Klägerin im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit alleinvertretungsberechtigt und
vom Selbstkontrahierungsverbot befreit ist, ist dagegen bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und spricht nicht zwingend
für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 - Az.: B 11a AL 5/06 R, Rn. 17, nach juris).
Ist sonach die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses weder aufgrund der Kapitalbeteiligung noch aufgrund einer
Sperrminorität ausgeschlossen, bleibt entscheidend, ob die Klägerin nach der Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen zur
GmbH und der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen
weisungsfrei ist. Dies ist nicht der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beigeladenen
zu 1. und ihr nur zum Schein getroffen wurden, liegen nicht vor. Der Geschäftsführervertrag, in dem u.a. die Höhe des Arbeitsentgelts
(500 EUR, seit 1. Dezember 2010 1.300 EUR, später 1.600 EUR), der Urlaubsanspruch (30 Arbeitstage im Kalenderjahr), der Anspruch
auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs, die Kündigungsfrist (vier Wochen zum Monatsende), die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
(hier sogar für die Dauer von sechs Monaten), ein Wettbewerbsverbot nach Beendigung der Tätigkeit, die Verschwiegenheitspflicht,
der Anspruch auf Weihnachtsgratifikation, die Erstattung von Kosten und Aufwendungen, die Erstattung von Reisespesen und der
Anspruch auf eine betriebliche Direktversicherung geregelt sind, entspricht weitgehend einem üblichen Anstellungsvertrag eines
Arbeitnehmers. Auch enthält der Geschäftsführervertrag die Klausel, dass sie ihre Arbeitskraft und ihre gesamten Kenntnisse
und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen und sie bei der Bestimmung des Urlaubszeitpunktes den Bedürfnissen
der Geschäftsführung Rechnung zu tragen und den Urlaub mit dem weiteren Geschäftsführer abzustimmen hat. Es handelt sich um
typische Bestandteile von Arbeits- und Dienstverträgen abhängig Beschäftigter (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 1999 - Az.: B 2 U 35/98 R, Rn. 24, nach juris). Der Geschäftsführervertrag räumte der Klägerin auch keine besonderen Freiheiten ein. Dass keine festen
Arbeitszeiten geregelt sind, verliert angesichts der Tatsache, dass sie ihre ganze Arbeitskraft und ihre gesamten Kenntnisse
und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen hat, an Gewicht. In tatsächlicher Hinsicht ist sie nach eigenen
Angaben auch nicht für sämtliche Geschäftsbereiche der Beigeladenen zu 1. verantwortlich, sondern auf den kaufmännischen Geschäftsbereich
beschränkt. Der Anspruch auf Gewährung einer Tantieme schließt eine Beschäftigung nicht aus. Hierin liegt lediglich ein Anknüpfungspunkt
für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht
gewinnen kann. Er ist jedoch nicht allein entscheidend. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme
an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R, Rn. 28, nach juris). Aufgrund des erfolgsunabhängigen monatlichen Grundbetrages ist die Bedeutung der Tantieme tatsächlich
als gering einzustufen (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2014 - Az.: L 6 R 1488/13, nach juris).
Eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen wird auch für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft
durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R m.w.N., Rn. 31, nach juris). Allerdings ist der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als
Teil der tatsächlichen Verhältnisse größere Bedeutung beizumessen. Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen
Tätigkeit ist anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften
die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme
solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses
zwischen den Beteiligten kommt jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass
auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit"
ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar
(vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R, Rn. 32, nach juris).
Für eine Selbständigkeit spricht auch nicht, dass die Klägerin durch das der Beigeladenen zu 1. gewährte Darlehen in Höhe
von 40.000 EUR ein wirtschaftliches Eigeninteresse hat. Ein für Selbständigkeit sprechendes "typisches Unternehmerrisiko"
wird hierdurch nicht begründet, weil es keinen Zusammenhang mit den laut Arbeitsvertrag geschuldeten Diensten gibt (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R, nach juris). Das Darlehen war für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich. Die Gründe für seine Aufnahme
liegen vielmehr außerhalb der Beschäftigung. Dies gilt auch, soweit die Klägerin als Privatperson das Gebäude, in dem die
Beigeladene zu 1. ihre Betriebstätigkeit ausübt, und deren Anlagevermögen erworben hat.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.