Gewährung eines Mehrbedarfs für behinderte Menschen zur Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben
Maßnahme zur grundlegenden Vorbereitung auf Anforderungen am Arbeitsmarkt
Berücksichtigung der besonderen persönlichen Fähigkeiten und Einschränkungen von Teilnehmern
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens die Gewährung eines Mehrbedarfs für behinderte Menschen bei Teilnahme
an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben im Zeitraum vom 11. August 2016 bis zum 10. Februar 2018.
Der 1988 geborene Kläger stand im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 10. August 2016 ein GdB von 60 wegen einer sozialen Störung mit schweren sozialen Anpassungsstörungen
und Lernbehinderung zuerkannt. Einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung hatte der zuständige Rentenversicherungsträger
mit Bescheid vom 29. Februar 2016 abgelehnt, weil der Kläger in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Auf den Antrag des Klägers vom 12. Oktober 2018 gewährte die Bundesagentur für Arbeit als Leistung zur Teilhabe am
Arbeitsleben das Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich WfbM P ab 19. November 2018 für 27 Monate. Seit März 2019 erhält
der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Beklagte schloss mit dem Kläger am 11. August 2016 eine Eingliederungsvereinbarung ab. In dieser wurde die Teilnahme des
Klägers an dem ESF-Integrationsprojekt „A“ beim Bildungswerk B e.V. ab dem 11. August 2016 für 12 Monate vereinbart. Es wurde
angegeben, die Teilnahme diene zur Stabilisierung der persönlichen Rahmenbedingungen und zur Unterstützung der Entwicklung
von beruflichen Perspektiven sowie Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Weiterhin wurde vereinbart, der Kläger
solle einen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung stellen. In weiteren Eingliederungsvereinbarungen vom 29.
November 2016, 7. Februar 2017 und 15. August 2017 wurde jeweils weiterhin die Teilnahme des Klägers an der Maßnahme vereinbart,
zuletzt bis zum 10. Februar 2018.
Das Projekt „A“ richtete sich an junge Erwachsene mit persönlichen und sozialen Problemlagen. Die Teilnehmer sollten im Projekt
Grundfertigkeiten und Kompetenzen erwerben, die sie im Arbeitsleben anwenden können. Auf die Beschreibung des Projekts (Bl.
17 d. A.) wird Bezug genommen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger durchgängig Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen und unter Berücksichtigung der vollen Unterkunftskosten, und zwar mit Bescheid vom 15. März
2016 in der Fassung der Änderungsbescheides vom 26. November 2016 und 4. April 2017 für Mai 2016 bis April 2017 sowie mit
Bescheid vom 23. März 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides 23. Mai 2017 für Mai 2017 bis April 2018. Am 7. Juni 2017
beantragte der Kläger die Überprüfung aller Bescheide für den Zeitraum ab August 2016 mit der Begründung, ihm stehe wegen
der Teilnahme an der Maßnahme ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Juli 2017 ab. Es handele sich bei der Maßnahme nicht um eine Maßnahme
zur Teilhabe am Arbeitsleben. nach §
33 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX). Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die Maßnahme sei ihm wegen seiner Schwerbehinderung vom Team
Reha vermittelt worden. Es handele sich um eine regelförmige Maßnahme der Eingliederung. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.
Juli 2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft der das Projekt betreuenden Sozialpädagogin eingeholt. Auf die Auskunft vom 8. Mai 2018
(Bl. 34 d. A.) wird Bezug genommen. Zudem hat es den Kläger in der mündlichen Verhandlung zur Ausgestaltung des Projekts vernommen
und die Klage mit Urteil vom 21. Februar 2019 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Maßnahme eine Leistung zur Teilhabe
am Arbeitsleben nach §
33 SGB IX oder eine „sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben“ i.S.d. § 21 Abs. 4 SGB II darstelle, denn das Projekt sei nicht geeignet, einen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu begründen. Nach den Schilderungen des Klägers hätten die Teilnehmer die einzelnen Bestandteile der Maßnahme weitestgehend
frei gestalten können. Es habe weder theoretischen Unterricht noch wissensvermittelnde Lehrgänge gegeben, noch sei ein Stundenplan
oder die Absolvierung bestimmter Module vorgesehen gewesen. Es handele sich daher nicht um eine strukturierte Teilhabeleistung
i.S.d. der Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs. 4 SGB II.
Der Kläger hat Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, die Maßnahme erfülle die nach § 21 Abs. 4 SGB II zu stellenden Anforderungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 21. Februar 2019 sowie den Bescheid vom 5. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 18. Juli 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 15. März 2016 in der Fassung der Bescheide
vom 26. November 2016 und 4. April 2017 sowie den Bescheid vom 23. März 2017 in der Fassung des Bescheides vom 23. Mai 2017
abzuändern und ihm einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB für den Zeitraum vom 11. August 2016 bis zum 10. Februar 2018 zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf. Er habe durch das Projekt nicht in die Lage gebracht werden
sollen, Einmündung in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Ziel des Projekts sei eine schrittweise Heranführung an eine Tagesstruktur
gewesen. Nach den vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten der Agentur für Arbeit vom 7. Juni 2017 und 28. August 2018 sei
die Leistungsfähigkeit des Klägers mit unter drei Stunden arbeitstäglich eingestuft worden. Es habe immer eine Eingliederung
in eine Werkstatt für behinderte Menschen im Raum gestanden. Der Beklagte hat außerdem eine Auskunft der Leiterin des Projekts
vorgelegt. Hiernach sei mit dem Kläger wegen dessen starker psychischer Probleme vereinbart worden, dass zunächst wöchentlich
mit einem Tag Anwesenheit bei der praxisorientierten Maßnahme begonnen worden sei, daneben habe es Beratungsgespräche gegeben.
Im Laufe der Maßnahme habe die Anwesenheit auf vier bis fünf Tage wöchentlich gesteigert werden können.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht eine Abänderung der Bescheide für den Zeitraum vom 11.
August 2016 bis zum 10. Februar 2018 abgelehnt.
Rechtsgrundlage ist § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach Abs. 2 ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch
nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch
für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2).
Der Bescheide vom 15. März 2016 in der Fassung der Bescheide vom 26. November 2016 und 4. April 2017 sowie der Bescheid vom
23. März 2017 in der Fassung des Bescheides vom 23. Mai 2017 sind rechtswidrig, soweit darin kein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II gewährt wurde. Der Kläger hat ausdrücklich nur diesen Mehrbedarf geltend gemacht, er hat seine Klage damit auf den abtrennbaren
Streitgegenstand des Regelbedarfs und der Mehrbedarfe begrenzt. Die Unterkunftskosten sind daher nicht Gegenstand des Verfahrens.
Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
3 des
Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach §
33 Abs.
3 Nr.
2 und
4 des
Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
Von der Erwerbsfähigkeit des Klägers ist auszugehen. Zum einen hatte der Rentenversicherungsträger den Rentenantrag des Klägers
mit Bescheid vom 29. Februar 2016 wegen bestehender Erwerbsfähigkeit abgelehnt. Zum anderen ist unabhängig von etwaigen Veränderungen
im Gesundheitszustand des Klägers nach § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II von der Erwerbsfähigkeit auszugehen, soweit - wie hier - kein Feststellungsverfahren nach § 44a SGB II eingeleitet worden ist (BSG, Urteil vom 5. August 20115 - B 4 AS 9/15 R). Die vorliegenden Gutachten der Agentur für Arbeit, die von einer Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden ausgehen,
sind daher ohne Belang.
Unerheblich ist, ob die Maßnahme selbst schon nach ihrer abstrakten Ausgestaltung speziell auf Bedürfnisse von behinderten
Menschen zugeschnitten ist. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf knüpft vielmehr typisierend an die Teilnahme an einer Maßnahme
an, durch die der Mensch mit Behinderung besser in das Erwerbsleben integriert werden kann (BSG, Urteil vom 5. August 2015 - B 4 AS 9/15 R). Diese Voraussetzung liegt vor. Das Projekt „A“ war darauf ausgerichtet, den Teilnehmern Grundfertigkeiten und Kompetenzen
zu vermitteln, die sie im Arbeitsleben anwenden können. Zwar war bei den Teilnehmern die Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit
in weniger als zwölf Monaten unwahrscheinlich, die Maßnahme hatte jedoch gerade den Zweck, die Teilnehmer hierauf vorzubereiten.
Auch kommt es nicht darauf an, ob für den Kläger eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt in absehbarer Zukunft in Betracht
kam. Auch wenn der Kläger nicht kurzfristig integriert werden sollte, diente das Projekt dennoch als erster Schritt, um ihn
auf eine Tätigkeit vorzubereiten. Auch die Vermittlung grundlegender Kompetenzen wie die Heranführung an eine Tagesstruktur
dient letztendlich dem Zweck, den Betroffenen auf lange Sicht in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dass in bestimmten Fällen
hierfür eine längere Dauer erforderlich ist, ändert nichts am Charakter der Maßnahme.
Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob es sich um Maßnahme nach §
33 SGB IX handelt oder um eine sonstige Hilfe i.S.d. § 21 Abs. 4 SGB II handelt. Es spricht allerdings viel dafür, dass die Bewilligung aufgrund der Behinderung des Klägers erfolgte. Dies ergibt
sich daraus, dass zum einen die Maßnahme auf Teilnehmer mit multiplen persönlichen und sozialen Problemlagen ausgerichtet
ist und der Kläger gerade an einer sozialen Anpassungsstörung leidet, und zum anderen die Zuweisung durch das Team Reha erfolgte.
Erfolgt die Bewilligung jedoch aufgrund einer Behinderung, ist regelmäßig davon auszugehen, dass es sich um eine Teilhabeleistung
i.S.d. §
33 SGB IX handelt (BSG, Urteil vom 5. August 2015 - B 4 AS 9/ 15 R, Rn. 17). Der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II setzt jedoch in jedem Fall die Teilnahme an einer regelförmigen Maßnahme voraus (BSG, Urteil vom 5. August 2015 - B 4 AS 9/15 R, Rn. 19; Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 44/09 R). Auch die „sonstigen Hilfen“ i.S.d. § 21 Abs. 4 SGB II müssen über das hinausgehen, was dem Jobcenter etwa im Rahmen des § 14 SGB II als allgemeine Unterstützungsaufgabe zugewiesen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt das Erfordernis der Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme
aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsregelung. Bereits die Bezeichnung als „Maßnahme“
in § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB II setzt voraus, dass sich die Leistungserbringung innerhalb eines organisatorischen Rahmens vollziehen muss, der eine Bezeichnung
als „Maßnahme“ rechtfertigt. Weiterhin geht die Vorschrift auf Regelungen im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zurück. Insofern hatte das Recht der Eingliederungshilfe in § 41 Abs. 2 S. 2 BSHG vorgesehen, dass für Behinderte, die nicht mehr im volksschulpflichtigen Alter waren, für den laufenden Lebensunterhalt ein
Mehrbedarf von mindestens 50 vH des maßgebenden Regelbedarfs anzuerkennen war, wenn der Lebensunterhalt nach Regelsätzen bemessen
war. Die enge Anlehnung an den Leistungsumfang der vormaligen Ausbildungsbeihilfe belegt, dass der Mehrbedarf an strukturierte
Maßnahmen geknüpft war, die jedenfalls vom Grundsatz geeignet waren, einen zusätzlichen Bedarf hervorzurufen. Dies wird durch
die Parallelregelung des § 30 Abs. 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestätigt, der eine strikte Anknüpfung ausschließlich an die strukturierten Maßnahmen des § 54 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII enthält (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 5. August 2015 - B 4 AS 9/15 R, Rn. 20).
Entgegen der Annahme des Sozialgerichts ist für eine Maßnahme i.S.d. § 21 Abs. 4 SGB II jedoch nicht erforderlich, dass ein mit der Förderung angestrebtes Maßnahmeziel formuliert wird, diese regelmäßig auf eine
auf dem Arbeitsmarkt einsetzbare Qualifikation gerichtet ist und ihr ein fester Lehrplan zugrunde liegt, in dem einzelne unselbständige
Bestandteile in einem engen zeitlichen, inhaltlichen und organisatorischen Zusammenhang stehen. Hierbei handelt es sich vielmehr
um die vom Bundessozialgericht zum Begriff der förderungsfähigen Maßnahme im Recht der Weiterbildungsförderung im Arbeitsförderungsrecht
entwickelten Grund-sätze, die nur sinngemäß auf eine einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II auslösende Maßnahme anwendbar sind. Es muss sich lediglich um eine Maßnahme handeln, deren einzelne Elemente von vorneherein
nach Inhalt und Dauer als einheitliche Maßnahme ausgewiesen sind und entsprechend ihrer Ausgestaltung, insbesondere auch hinsichtlich
ihres zeitlichen Umfangs, geeignet sind, den Mehrbedarf in seiner vom Gesetzgeber historisch angenommenen Zielrichtung auszulösen
(vgl. BSG, Urteil vom 5. August 2015 - B 4 AS 9/15 R, Rn. 21).
Diese Voraussetzung erfüllt das Projekt „A“. Es handelt sich um ein auf mindestens zwölf Monate ausgerichtetes Projekt, das
regelmäßige Anwesenheit der Teilnehmer erfordert und dem ein Konzept zugrunde liegt. Offen bleiben kann, ob der Kläger durchgängig
nur zwei bis dreimal wöchentlich an dem Projekt teilnahm, wie er selbst geschildert hat, oder ob seine Anwesenheit auf vier
bis fünfmal wöchentlich gesteigert wurde, wie die Leiterin des Projekts mitgeteilt hat. In jedem Fall handelte es sich um
eine regelmäßige Teilnahme. Zudem war das Projekt darauf ausgelegt, die Teilnehmer je nach ihrem persönlichen Fähigkeitsstand
zu fördern und nach und nach Grundfähigkeiten für eine Heranführung an den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Der Kläger war aufgrund
seiner sozialen Anpassungsstörung zumindest zunächst noch nicht in der Lage, regelmäßig an fünf Tagen die Woche an dem Projekt
teilzunehmen. Insofern zeigt sich, dass die geringe Anwesenheitszeit Teil eines Konzepts war, welches die individuelle Förderung
der Teilnehmer in den Vordergrund stellte. So war dem Kläger auch die Teilnahme nicht freigestellt, sondern es wurde lediglich
die Teilnahme begrenzt, um auf seine bestehenden Probleme, die Teil seiner Behinderung waren, Rücksicht zu nehmen. Entsprechendes
gilt auch für die offenbar relativ freie Auswahl der Tätigkeiten. Der Kläger arbeitete nach seiner Schilderung zunächst im
Bereich Küche, danach im Wechsel im Bereich Küche und Nähen. Andere Bereiche z.B. Holz oder Garten konnte er zwar ausprobieren,
da sie ihm jedoch nicht lagen, wurde er dort nicht weiter eingesetzt. Dennoch erfolgte der Einsatz in den verschiedenen Bereichen
nach Rücksprache mit den Leitern des Projekts und war nicht völlig freigestellt, es wurde lediglich auf seine Wünsche Rücksicht
genommen. Dass kein theoretischer Unterricht erfolgte, ist ebenfalls ohne Belang. Ziel des Projekts war gerade nicht die Vermittlung
bestimmter theoretischer Kenntnisse, sondern die Vermittlung von Grundfertigkeiten wie der Einhaltung einer Tagesstruktur.
Dementsprechend waren theoretischer Unterricht oder auch Prüfungen nicht erforderlich. Dennoch wurden Kenntnisse vermittelt,
so lernte der Kläger in der Küche beispielsweise vegetarisches und veganes Kochen und im Bereich Nähen den Umgang mit verschiedenen
Stoffen.
Insgesamt betrachtet handelte es sich um eine Maßnahme, die der grundlegenden Vorbereitung auf Anforderungen am Arbeitsmarkt
diente und die besonderen persönlichen Fähigkeiten und Einschränkungen der Teilnehmer besonders berücksichtigte. Aufgrund
der geringen Vorkenntnisse der Teilnehmer waren eine Gliederung in verschiedene verpflichtende Module und die Teilnahme an
theoretischem Unterricht oder Prüfungen nicht praktikabel, dennoch war eine regelmäßige Teilnahme erforderlich und es wurde
Wissen auf praktische Art und Weise - angepasst an die Fähigkeiten der Teilnehmer - vermittelt. Insofern unterscheidet sich
die Maßnahme deutlich von dem Projekt BINS50plus der Volkshochschule in dem vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 5. August
2015 (B 4 AS 9/15 R) entschiedenen Fall, in welchem frei wählbare, teils nur eintägige Kurse aus den Bereichen Gesundheitsprävention, Persönlichkeitsentwicklung,
gesellschaftliche Integration, Allgemeinbildung und berufliche/künstlerische/sprachliche Entwicklung sowie individuelle Beratung
und Coaching angeboten wurden (beispielsweise Thai Chi für Anfänger, Malen und Zeichnen an Orten mit besonderer Energie, Kontakt
und Grenzen, gnostische Evangelien und spielerische Monotypie - Bildermaltechnik aus dem 17. Jahrhundert). Ein konkretes Ziel
wurde mit letzterem nicht verfolgt, während das Projekt „A“ gerade die Vermittlung konkreter Fähigkeiten beabsichtigte und
auch eine regelmäßige verpflichtende Teilnahme vorsah.
Der Kläger hat daher einen Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II während der Teilnahme an der Maßnahme.
Die Kostentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.