Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens
Zustellung eines Vollstreckungsbescheides
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung eines der Beklagten gewährten Mietkautionsdarlehens.
Die im Jahr 1985 geborene Beklagte steht seit Längerem im Leistungsbezug beim Kläger und bezog unter anderem im Jahr 2011
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 27. September 2011 schlossen die Beklagte sowie ihr damaliger Partner und jetziger Ehegatte einen Mietvertrag über eine
Unterkunft in der H-straße in M ab und zogen in diese im Oktober 2011 um. Als Sicherheit wurde eine Mietkaution in Höhe von
760,00 € vereinbart. Im Oktober 2011 beantragte die Beklagte die Gewährung eines Mietkautionsdarlehens in Höhe von 760,00
€, die ihr vom Kläger auch gewährt wurde. Grundlage der Gewährung war ein Darlehensvertrag vom 12. Oktober 2011. In dem Darlehensvertrag
war unter anderem geregelt, dass das Darlehen zuzüglich der hierauf anfallenden Zinsen zurückzuzahlen ist, wenn die Wohnung
durch Auszug oder Tod des Darlehnsnehmers aufgegeben wird oder der Leistungsbezug nach dem SGB II endet (§ 1 des Darlehensvertrages). Weiterhin war geregelt, dass die Beklagte zur Sicherung der Ansprüche des Klägers die dem Vermieter
überwiesene Mietkaution in der sich nach § 1 ergebenden Höhe einschließlich der anfallenden Zinsen unwiderruflich abtritt
(§ 2 des Darlehensvertrages). § 3 des Darlehensvertrages regelte, dass die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten
gegenüber dem Kläger von eventuellen Rückgriffen des Vermieters auf die Mietkaution wegen etwaiger Ansprüche aus dem Mietverhältnis
unberührt bleibt. Ergänzend zum Darlehensvertrag trat die Beklagte den Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution gegen den
Vermieter zur Sicherung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag unwiderruflich an den Kläger ab (Abtretungserklärung vom 12.
Oktober 2011).
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 wurde der ehemalige Vermieter der Beklagten über den Darlehensvertrag und die Abtretungserklärung
informiert. Ausfertigungen der Dokumente waren dem Schreiben beigefügt.
Nachdem die Beklagte Mitte des Jahres 2013 in eine Unterkunft in der W Straße in M umgezogen war, forderte der Kläger den
ehemaligen Vermieter der Beklagten mit Schreiben vom 6. Juli 2016 zur Rückzahlung der Mietkaution in Höhe von 760,00 € bis
zum 25. Juli 2016 auf. Eine Reaktion erfolgte ausweislich der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte nicht.
Mit Schreiben vom 30. September 2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des Mietkautionsdarlehens bis zum 15.
Oktober 2016 auf.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 erinnerte der Kläger den ehemaligen Vermieter an die Rückzahlung der Mietkaution. Als
Zahlungsfrist wurde der 20. Januar 2017 bestimmt. Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung
des Mietkautionsdarlehens bis zum 20. Januar 2017 auf.
Am 15. November 2017 beantragte der Kläger beim Amtsgericht Aschersleben (Gemeinsames Mahngericht der Länder Sachsen-Anhalt,
Sachsen und Thüringen) den Erlass eines Mahnbescheides über den Darlehensbetrag in Höhe von 760,00 € zuzüglich Zinsen. Am
22. November 2017 wurde der Mahnbescheid wie beantragt erlassen und der Beklagten am 24. November 2017 zugestellt. Am 13.
Dezember 2017 beantragte der Kläger den Erlass eines Vollstreckungsbescheides, welcher am 14. Dezember 2017 erlassen und der
Beklagten am 16. Dezember 2017 zugestellt wurde. Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 legte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte
der Beklagten gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein.
Mit Abgabeverfügung vom 12. Januar 2018 hat das Amtsgericht Aschersleben das Verfahren an das Sozialgericht Nordhausen abgegeben.
Mit Urteil vom 12. November 2018 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 760,00
€ zu zahlen. Die statthafte und zulässige Klage sei begründet. Der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen sei im Sommer 2013
entstanden und im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erlass des Mahnbescheides weder verjährt noch verwirkt gewesen. Auch wenn
Zweifel an der Zulässigkeit zur Durchführung eines Mahnverfahrens bestehen würden, sei die Hemmung der Verjährung durch die
Zustellung des Mahnbescheides eingetreten. Bei dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Darlehensvertrag handele es sich
um einen wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§ 53ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Für die Verjährung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag gelte damit eine vierjährige Verjährungsfrist. Deren Lauf sei
mit Ablauf des Jahres 2013 in Gang gesetzt worden. Es habe dahinstehen können, ob der Vermieter der Beklagten die Kaution
an die Beklagte ausgezahlt oder mit Mietrückständen verrechnet habe, da die Beklagte in beiden der Fälle verpflichtet sei,
den Darlehensbetrag an den Kläger zu erstatten. Lediglich ein Anspruch auf Verzinsung bestehe nicht. Seinen Verzinsungsantrag
habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung nach Hinweis zurückgenommen. Klarstellend sei der Vollstreckungsbescheid abgeändert
worden. Unabhängig davon, ob er wirksam und durch das zuständige Gericht erlassen worden sei, stelle er einen Vollstreckungstitel
dar, dessen Inhalt durch die vorliegende Entscheidung maßgeblich beeinflusst werde.
Am 13. Dezember 2018 hat die Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der
Rückzahlungsanspruch verjährt sei, weil der Mahnantrag den Lauf der Verjährung nicht gehemmt habe. Zumindest sei der Rückzahlungsanspruch
des Klägers mit Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der Mietkaution verwirkt. Jedenfalls handele es sich um ein rechtsmissbräuchliches
und von der Rechtsordnung nicht toleriertes Verhalten des Darlehensgläubigers, einerseits die Darlehensrückzahlung zu verlangen
und andererseits die Sicherheit nicht mehr durchsetzbar zurückzugewähren. Die von ihrem ehemaligen Vermieter für die Nichtrückzahlung
des Mietkautionsdarlehens angegebenen Gründe hätten nicht bestanden. Es handele sich um eine reine Schutzbehauptung des Vermieters.
Die Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid vom 14. Dezember 2017 in der Fassung des Urteils vom 12. Dezember 2018 aufzuheben und die Klage
vom 19. Januar 2018 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt er auf das Urteil des Sozialgerichts Bezug.
Mit Verfügung vom 22. Juni 2021 ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass der Vollstreckungsbescheid
vom 14. Dezember 2017 mangels rechtzeitiger Einlegung des Einspruchs rechtskräftig geworden ist. Aufgrund eines am 22. Juni
2021 gestellten Akteneinsichtsantrags wurde dem Prozessbevollmächtigen der Beklagten am selben Tag der vom Amtsgericht Aschersleben
gemäß §
696 Abs.
2 Satz 1 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) erstellte Aktenausdruck per Telefax übersandt. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten
beantragt, den Ehemann der Beklagten zum Beweis der Tatsache zu hören, dass vor dem Einwurf des Vollstreckungsbescheids in
den zur Wohnung gehörenden Briefkasten nicht zunächst dessen persönliche Übergabe versucht worden sei.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die
Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Klägers, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats waren,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte, gemäß §
143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten (den Rechtsweg hat das Berufungsgericht nach §
17 a Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz nicht mehr zu prüfen) ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig. Zwar hätten
der Mahn- und der Vollstreckungsbescheid nicht erlassen werden dürfen, da es sich bei der vom Kläger geltend gemachten Forderung
um eine solche handelt, die nicht im Wege des Mahnverfahrens verfolgt werden darf (I.). Da die Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid
jedoch nicht fristgemäß Einspruch eingelegt hat, ist formelle und materielle Rechtskraft eingetreten, sodass dessen Rechtmäßigkeit
im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen war (II.).
I. Soweit der Kläger wegen der Rückzahlung der Forderung aus dem Darlehensvertrag vom 12. Oktober 2011 vor dem Amtsgericht
Aschersleben das Mahnverfahren durchgeführt hat, war dieses Vorgehen unzulässig. Gesetzliche Voraussetzung für die Durchführung
des Mahnverfahrens ist, dass es sich um einen Anspruch handelt, für den der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist (vgl. z.B.
OLG München, MDR 2017, 899; Saenger,
Zivilprozessordnung, §
700, Rn. 23ff.; Schüler in: Münchner Kommentar
ZPO, 6. Auflage 2020, §
691, Rn. 2f.). Bei der vom Kläger geltend gemachten Forderung handelt es sich nicht um einen solchen Anspruch. Die Darlehensforderung,
deren Rückzahlung der Kläger begehrt, findet ihre Grundlage in § 22 Abs. 6 SGB II, sodass gemäß §
51 Abs.
1 Nr.
4a SGG der Sozialrechtsweg eröffnet ist. Soweit auf der Grundlage von §
182a SGG auch Ansprüche, für die der Sozialrechtsweg gegeben ist (vgl. §
51 Abs.
1 Nr.
2 SGG), ausnahmsweise im Mahnverfahren nach der
Zivilprozessordnung verfolgt werden können, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift für den vorliegend streitigen Anspruch nicht eröffnet. §
182a SGG ist als eng auszulegende Sondervorschrift ausschließlich auf Beitragsansprüche von Unternehmen der privaten Pflegeversicherung
nach dem
Elften Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) anwendbar (vgl. z.B. Lüdtke/Berchtold,
Sozialgerichtsgesetz,
SGG §
182a, beck-online).
II. Die Berufung der Beklagten ist gleichwohl unbegründet. Auch wenn der Anspruch auf Rückzahlung des Mietkautionsdarlehens
nicht im Wege des Mahnverfahrens nach der
Zivilprozessordnung verfolgt werden durfte, kann die Beklagte mit ihrem Vorbringen nicht durchdringen. Das Gericht ist an einer inhaltlichen
Überprüfung des mit dem Vollstreckungsbescheid titulierten Anspruchs gehindert, weil der Vollstreckungsbescheid sowohl für
das Gericht als auch für die Beteiligten bindend geworden ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach §
700 Abs.
1 ZPO steht der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Er wird, wenn der Antragsgegner
nicht innerhalb der sich aus §
700 Abs.
1 i.V.m. §
339 Abs.
1 ZPO ergebenden Zweiwochenfrist Einspruch einlegt, formell rechtskräftig und unterliegt fortan in materiellrechtlicher Hinsicht
nach §§
794 Abs.
1 Nr.
4,
795 ZPO der Vollstreckungsabwehrklage des §
767 ZPO, wobei nach §
796 Abs.
2 ZPO Einwendungen gegen den Anspruch selbst nur insoweit zulässig sind, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Zustellung
des Vollstreckungsbescheids entstanden sind. Der Vollstreckungsbescheid kann weiterhin, wie sich aus §
584 Abs.
2 ZPO ergibt, mit der Wiederaufnahmeklage angegriffen werden. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Vollstreckungsbescheid mithin
nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BGH, Urteil vom 24. September 1987, III ZR 187/86 = BGHZ 101, 380-393, Rn. 15 – zitiert nach juris; BGH NJW 1991, 30; 1998, 2818; Saenger,
Zivilprozessordnung, §
700, Rn. 12ff. – beck-online).
Ist der Einspruch verspätet, das heißt nach Ablauf der sich aus §
339 Abs.
1 ZPO ergebenden Frist eingelegt worden, ist dieser ohne jede Sachprüfung als unzulässig zu verwerfen (vgl. z.B. BGH, Beschluss
vom 7. März 1995, XI ZB 1/95; OLG Koblenz, Beschluss vom 5. Oktober 2015, 5 U 674/15; Toussaint in: BeckOK
ZPO, 40. Ed. 1. März 2021, §
341 Rn. 5), wobei auch die Zustellung eines zu Unrecht erlassenen Vollstreckungsbescheids die Einspruchsfrist in Lauf setzt (vgl.
für den Fall eines Versäumnisurteils BGH, Urteil vom 12. April 1973, II ZR 126/72).
Da die Zulässigkeit des Einspruchs Prozessfortsetzungsbedingung für das durch Erlass des Vollstreckungsbescheides zunächst
beendete Verfahren und damit Sachverhandlungs- und auch Sachurteilsvoraussetzung ist, ist diese in jedem Stadium des Verfahrens,
d.h. auch durch das Rechtsmittelgericht, zu prüfen (BGH, Urteil vom 21. Juni 1976, III ZR 22/75, Rn. 18f. – zitiert nach juris; Toussaint, a.a.O., Rn. 2; Büscher in: Wieczorek/Schütze,
ZPO, 4. Auflage 2015, §
341 Einspruchsprüfung). Hat das erstinstanzliche Gericht bei seiner Entscheidung die Unzulässigkeit des Einspruchs nicht beachtet,
ist dessen Urteil abzuändern und der Einspruch als unzulässig zu verwerfen (OLG Naumburg, Urteil vom 13. Februar 1997, 3 UF 94/96; LG Rottweil, Urteil vom 30. September 2015, 1 S 19/15; Herget in: Zöller,
ZPO, 33. Auflage 2020, §
341 ZPO, Rn. 6; Toussain, a.a.O., Rn. 5), wobei insoweit das Verschlechterungsverbot nicht gilt, da sich dieses nicht auf Verfahrensfragen
bezieht, über die von Amts wegen zu befinden ist (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Mai 2007, 9 UF 28/07, Rn. 4 – zitiert nach juris; Büscher, a.a.O.).
Hiervon ausgehend war den von der Beklagten erhobenen Einwänden, welche diese gegen den mit dem Vollstreckungsbescheid titulierten
Anspruch erhoben hat, nicht nachzugehen. Die Beklagte hat gegen den Vollstreckungsbescheid nicht innerhalb der gemäß §
700 Abs.
1 i.V.m. §
339 Abs.
1 ZPO geltenden Zweiwochenfrist Einspruch eingelegt, so dass dieser formell und materiell rechtskräftig geworden ist (vgl. BGH,
NJW 1987, 3259; 1991, 30; 1998, 2818). Ausweislich des vom Amtsgericht Aschersleben gemäß §
696 Abs.
2 Satz 1
ZPO maschinell erstellten Aktenausdrucks sind der Beklagten der Mahnbescheid am 24. November 2017 und der Vollstreckungsbescheid
am 16. Dezember 2017 zugestellt worden. Die rechtskundig vertretene Beklagte hat erst mit Schreiben vom 11. Januar 2018 Widerspruch
eingelegt. Zwar wird gemäß §
694 Abs.
2 Satz 1
ZPO ein verspäteter Widerspruch als Einspruch behandelt. Jedoch entfällt durch die Vorschrift für den Antragsgegner lediglich
die Verpflichtung, Einspruch einzulegen, soweit er gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hat. Die weiteren Voraussetzungen
für die Zulässigkeit des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid werden jedoch nicht gesetzlich fingiert. Daher hindert
auch nur ein Widerspruch, der innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Vollstreckungsbescheides beim Antragsgegner
eingelegt wird, den Eintritt der formellen Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides. Diese Frist war bei Eingang des Widerspruchs
beim Mahngericht weit überschritten.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, zum Beweis der Tatsache, dass
am 16. Dezember 2017 ein Bediensteter der Deutschen Post keine persönliche Übergabe des Vollstreckungsbescheides in der Wohnung
der Beklagten versucht hat, ihren Ehemann als Zeugen zu hören, war diesem Beweisantrag nicht nachzugehen. Nach §
696 Abs.
2 Satz 2
ZPO gelten für den maschinell erstellten Aktenausdruck die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechend.
Das bedeutet: Wie die Postzustellungsurkunde selbst, begründet die im Aktenauszug bei maschinell bearbeiteten Mahnverfahren
als Inhalt der Postzustellungsurkunde festgehaltene Beurkundung der postalischen Zustellung über die Art und Weise derselben
gemäß §
418 Abs.
1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (OLG Köln, Beschluss vom 28. Februar 2001, 13 W 82/00, Rn. 2 – zitiert nach juris; OLG Dresden, Beschluss vom 23. November 1998, 13 W 0285/98, 13 W 285/98, Rn. 11 – zitiert nach juris; LG Berlin, Urteil vom 10. April 2008, 32 O 252/27, Rn. 23ff. – zitiert nach juris).
Soweit §
418 Abs.
2 ZPO dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet, den Gegenbeweis zu führen, war der vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten formulierte
Beweisantrag schon im Ausgangspunkt ungeeignet, die Unrichtigkeit der in dem Aktenauszug bekundeten Tatsachen nachzuweisen,
sodass ihm nicht nachzugehen war. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert
den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufes, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers oder eine Falschbeurkundung
in der Zustellungsurkunde belegt. Gefordert wird der volle Gegenbeweis in der Weise, dass die Beweiswirkung in der Zustellungsurkunde
vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr bezeugten Tatsachen ausgeschlossen wird (Bundessozialgericht,
Beschluss vom 24. November 2009, B 12 KR 27/09 B Rn. 9 – zitiert nach juris). Aus diesem Grunde muss der Beweisantritt substantiiert erfolgen und der angebotene Beweis geeignet
sein, die Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde niedergelegten Angaben zu belegen. Notwendig ist die Darlegung näherer
Umstände, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde
zu belegen geeignet sind, z. B., dass der Postzusteller schon wiederholt Zustellungsurkunden falsch ausgefüllt oder sich in
der Person des Zustelladressaten geirrt habe, er am dokumentierten Zustellungstag überhaupt nicht erschienen sei oder den
Schuldner bereits öfter mit einer anderen Person verwechselt habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1984, 9 C 23/84).
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat zur Begründung des Beweisantrags geltend gemacht, dass vor dem Einwurf des Vollstreckungsbescheids
in den zur Wohnung in der H-straße in M gehörenden Briefkasten nicht zunächst ein Zustellversuch nach §
177 bzw. §
178 Abs.
1 Nr.
1 ZPO unternommen worden sei; der als Zeuge benannte Ehemann der Beklagten sei zur fraglichen Zeit mit den Kindern zu Hause gewesen.
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, jede Möglichkeit der Richtigkeit der vom Postzusteller in der Postzustellungsurkunde bezeugten
Tatsachen auszuschließen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat nicht behauptet, dass der von ihm benannte Zeuge gesehen
habe, dass der Postzusteller die zur Wohnung gehörende Klingel nicht betätigt, sondern die den Vollstreckungsbescheid enthaltende
Briefsendung unmittelbar in den Briefkasten eingeworfen hat. Er schlussfolgert vielmehr, dass der Postzusteller keinen Klingelversuch
unternommen haben könne, weil er sich mit den Kindern in der Wohnung aufgehalten habe. Hiervon ausgehend könnte der angebotene
Zeuge lediglich aus eigener Wahrnehmung bekunden, dass er die Klingel nicht gehört hat. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht
zwingend der Rückschluss gezogen werden, dass die Klingel vor dem Einlegen der Sendung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten
nicht betätigt worden ist. Die Klingel könnte auch defekt oder der Strom ausgefallen gewesen sein oder der Klingelton durch
andere Geräusch- oder Lärmquellen (z.B. die in der Wohnung befindlichen Kinder) übertönt worden sein.
Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass die rechtskundig vertretene Beklagte nicht den Erhalt des Vollstreckungsbescheides
bestritten, sondern lediglich die Nichteinhaltung der Förmlichkeiten der Zustellung geltend gemacht hat. Den Vortrag des Prozessbevollmächtigten
der Beklagten als richtig unterstellt, wäre eine fehlerhafte Zustellung mit dem tatsächlichen Zugang des Vollstreckungsbescheides
bei der Beklagten geheilt worden (§
189 ZPO).
Ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahmeklage nach §
584 Abs.
2 ZPO vorliegen, die Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs nach §
826 BGB durchbrochen werden könnte (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 29. Juni 2005 – VIII ZR 299/04 –, Rn. 31, juris) oder sonstige vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe erhoben werden könnten, ist nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens.
Soweit der Kläger im Mahnverfahren auch die Festsetzung von Zinsen beantragt hat und diese auch mit dem Vollstreckungsbescheid
festgesetzt worden sind, hat sich der Vollstreckungsbescheid insoweit erledigt, weil der Kläger als Forderungsinhaber in der
mündlichen Verhandlung den Verzicht auf die Zinsen erklärt hat (vgl. zur Problematik Jooß, Die Erledigung der Hauptsache im
Mahnverfahren, JR 2010, 507ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.