Sonstiges Sozialrecht: Anzeigepflicht, Ausländerrechtliche Zuzugsbeschränkung, Dauerndes Getrenntleben, Rückforderung, Unverzüglichkeit,
Wiederverheiratung
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 15.965,93 DM (8.163,25 EUR).
Der am 09.09.1956 in Marokko geborene Kläger war vom Mai 1991 bis zum Mai 1994 mit einer griechischen Staatsangehörigen verheiratet.
Aus dieser Ehe sind die beiden Söhne F. (geboren am 02.06.1989) und I. (geboren am 28.11.1991) hervor gegangen.
Nach der Scheidung der ersten Ehe heiratete der Kläger am 17.09.1994 in Marokko seine zweite Ehefrau. Diese reiste am 06.11.1995
aufgrund eines Visums der Deutschen Botschaft Rabat, gültig vom 30.10.1995 bis zum 31.01.1996, in das Bundesgebiet ein.
Bereits im April 1994 hatte der Kläger für beide Söhne UVG-Leistungen beantragt. Die Mutter der Kinder gab auf Anfrage des Beklagten an, dass sie wegen Lohnpfändungen, die auf Schulden
ihres Ehemanns beruhten, nicht in der Lage sei, Unterhalt zu zahlen. Die Kinder befänden sich zudem seit September 1994 in
Marokko bei der Mutter ihres geschiedenen Mannes.
Am 12.12.1994 sprach der Kläger beim Sozialamt der Stadt H. vor und teilte mit, dass die Kinder seit dem 10.12.1994 wieder
in H. seien. Daraufhin bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem UVG für die Kinder I. und F. für die Zeit vom 07.04.1994 bis zum 31.08.1994 und für die Zeit vom 10.12.1994 bis 23.08.1998.
Bei einer Überprüfung der UVG-Leistungen im Monat Oktober 1997 gab der Kläger an, er sei seit dem 19.09.1994 wieder verheiratet und legte Kopien der im
Königreich Marokko ausgestellten Heiratsurkunde vor. Der Anhörungsbogen trägt kein Datum und keinen Eingangsstempel des Beklagten.
Vom Beklagten wird als Eingangsdatum der 24.11.1997 genannt.
Mit Bescheiden vom 04.12.1997 hob der Beklagte die Bewilligungsbescheide für die beiden Kinder auf. Als Begründung ist angegeben:
"Einstellung wegen Heirat am 27.09.1994". Gleichzeitig wurde die Einstellung der Hilfe zum 26.09.1994 verfügt und die Rückzahlung
gewährter Leistungen in Höhe von 8.876,20 DM und 10.769,20 DM verlangt.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers legte gegen diese Bescheide am 12.12.1997 Widerspruch ein. Dem Widerspruchsschreiben
war eine Vollmacht des Klägers vom 09.12.1997 beigefügt. Mit Schriftsatz vom 16.02.1998 machte der Kläger geltend, seine zweite
Frau sei erst im Jahre 1995 nach H. gekommen. Über diese Umstände habe er eine Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienst
auch unverzüglich informiert. Falls diese Information amtsintern nicht weitergegeben worden sei, liege dies nicht in seiner
Verantwortung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2000 änderte das Regierungspräsidium Stuttgart die beiden Bescheide vom 04.12.1997 dahin,
dass der Rückforderungszeitraum auf 01.10.1994 bis 30.11.1997 festgesetzt werde. Die Rückforderungsbeträge für F. und I. betrugen
danach 9.058,93 DM bzw. 6.907 DM. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht gegeben seien,
wenn der Elternteil, bei dem die Kinder lebten, mit einer anderen Person verheiratet sei und von dieser nicht dauernd getrennt
lebe. Beim Kläger fehle es mithin am Merkmal der Alleinerziehung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG. Auch wenn die zweite Ehefrau erst 1995 aus Marokko nach Deutschland gezogen sei, habe kein Getrenntleben vorgelegen. Das
Fehlen einer Einreisegenehmigung stehe einem Getrenntleben nicht gleich. Nach § 5 Abs. 1 UVG habe der Elternteil, bei dem die Berechtigten leben, die zu Unrecht erbrachten Zahlungen zu erstatten, wenn die Leistungen
auf vorsätzlich oder fahrlässig falschen oder unvollständigen Angaben beruhten oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen worden sei. Durch die Eheschließung im September 1994 seien die Anspruchsvoraussetzungen mit Ablauf des September
1994 weggefallen. Von daher bestehe eine Erstattungspflicht für den Zeitraum 01.10.1994 bis zum 30.11.1997. In diesem Zeitraum
seien insgesamt 15.965,93 DM zu Unrecht gezahlt worden.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger persönlich am 13.01.2000 zugestellt.
Der Kläger hat am 13.04.2000 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, mit der er sich gegen die Rückforderung wendet.
Die Erteilung des Einreisevisums habe sehr lange gedauert. Sofort nach der Einreise seiner zweiten Frau im November 1995 habe
er der Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes die Einreise mitgeteilt, ebenso die Tatsache, dass er bereits mehr
als ein Jahr zuvor in Marokko geheiratet habe. Der Widerspruchsbescheid habe nicht ihm persönlich zugestellt werden dürfen,
weshalb die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt worden sei. Der Verfahrensbevollmächtigte habe erst im April 2000 von dem Widerspruchsbescheid
Kenntnis erlangt.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Bescheide des Beklagten vom 04.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids
vom 11.01.2000 aufzuheben.
Der Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide entgegen getreten und hat deren Abweisung beantragt.
Er hält die Klage bereits für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Die Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes
des Jugendamts sei an der Weitergabe von Sozialdaten gemäß § 65 SGB VIII gehindert gewesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.02.2002 hat das Verwaltungsgericht die Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes
als Auskunftsperson darüber angehört, ob und wann genau der Kläger sie im Jahre 1995 darüber informiert habe, dass er wieder
verheiratet sei und dass seine 2. Ehefrau zu ihm gezogen sei.
Mit Urteil vom 27.02.2002 hat das Verwaltungsgericht der Klage statt gegeben. In den Entscheidungsgründen heißt es u.a.: Die
Klage sei zulässig, weil durch die Zustellung des Widerspruchsbescheids an den Kläger die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt
worden sei. Sie sei auch begründet, weil die UVG-Leistungen bis zur Einreise der zweiten Ehefrau nicht zu Unrecht erbracht worden seien. Denn diese sei im Zeitraum September
1994 bis November 1995 ausländerrechtlich gehindert gewesen, nach Deutschland zu kommen und die familiäre Lebensgemeinschaft
mit den Kindern zu begründen. Dies stehe einem Getrenntleben gleich. Faktisch habe sich der Kläger im fraglichen Zeitraum
allein um die Kinder kümmern müssen. Für den Folgezeitraum lägen die Voraussetzungen einer Ersatzpflicht des Klägers nicht
vor, weil dieser weder vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht, noch eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen habe. Der Kläger habe auch nicht gewusst oder wissen müssen, dass die Leistungsvoraussetzunge nicht mehr vorgelegen
hätten. Denn er habe die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft dem Beklagten angezeigt. Durch die Anhörung der Mitarbeiterin
des Jugendamts im Termin zur mündlichen Verhandlung sei bewiesen, dass der Kläger den Zuzug seiner neuen Ehefrau dem Beklagten
mitgeteilt habe. Des weiteren habe die Anhörung ergeben, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Bewilligung von Jugendhilfe
zutreffende Angaben über seinen Familienstand gemacht habe. Diese Angaben, die der Kläger gegenüber der Mitarbeiterin des
allgemeinen Sozialdienstes gemacht habe, seien dem Beklagten auch zuzurechnen. Denn es sei genau um Jugendhilfeleistungen
gegangen, dann reiche aber eine Anzeige gegenüber einer Mitarbeiterin des Jugendamtes aus, um der Anzeigepflicht zu genügen.
Schließlich habe der Kläger auch nicht gewusst bzw. fahrlässig nicht gewusst, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht vorgelegen
hätten. Zwar habe der Kläger dem ihm ausgehändigten Merkblatt entnehmen können, dass eine Wiederverheiratung leistungsschädlich
sein könne. Nachdem er aber den Beklagten mehrfach über seine Wiederverheiratung und den Zuzug der zweiten Ehefrau informiert
habe und gleichwohl UVG-Leistungen in unveränderter Höhe erhalten habe, könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass er die Umstände besser habe einschätzen
können als die zuständige Behörde.
Das Urteil vom 27.02.2003 wurde dem Beklagten am 25.03.2002 zugestellt.
Der Beklagte hat am 22.04.2002 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Der Beklagte hat die Berufung mit Schriftsatz vom 22.07.2002 innerhalb der antragsgemäß verlängerten Berufungsbegründungsfrist
begründet. Er macht geltend, dass eine Ausweitung des begünstigten Personenkreises über den Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 UVG hinaus nicht zulässig sei. Ein ausländerrechtliches Hindernis bei der Einreise stehe nicht dem Getrenntleben gleich. Das
UVG knüpfe an den Begriff Getrenntleben in §
1567 BGB an, der voraussetze, dass mindestens ein Ehegatte den Beweggrund habe, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherstellen
zu wollen. Hierbei sei die Erkennbarkeit des Trennungswillens in eindeutiger und unmissverständlicher Form erforderlich. Hiervon
abweichende Fallgestaltungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG seien als Ausnahmetatbestände eng auszulegen. Durch die Änderung von § 1 Abs. 2 UVG durch Art. 5 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung mit Wirkung ab dem 01.01.2000 sei der Bezug zum Begriff des Getrenntlebens im
Sinne von §
1567 BGB explizit in das UVG aufgenommen worden. Der zweiten Ehefrau des Klägers habe zudem vor der endgültigen Einreise die Möglichkeit offen gestanden
im Rahmen von Besuchervisa für die Dauer von jeweils drei Monaten die familiäre Gemeinschaft herzustellen. Die Mitarbeiterin
des allgemeinen sozialen Dienstes habe keine Verpflichtung, die Unterhaltsvorschusskasse von der Mitteilung des Klägers zu
informieren. Der im Jugendhilferecht bestehende besondere Sozialdatenschutz stehe solchen Mitteilungen sogar entgegen, weshalb
der Bürger verpflichtet sei, der Stelle, von der er Sozialleistungen erhalte, jegliche Änderung direkt, zeitnah und umfassend
mitzuteilen. Dem sei der Kläger nicht nachgekommen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Februar 2002 - 3 K 3524/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurück zu weisen.
Er hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz
vom 16.08.2002 Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in der Sache angefallenen Gerichtsakten sowie die dem Senat vorliegenden Behördenakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht begründet
worden.
Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die streitgegenständlichen Rückforderungsbescheide
aufgehoben. Denn diese sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§
113 Abs.
1 Satz 1
VwGO).
1. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Klage rechtzeitig erhoben worden ist. Denn durch
die Zustellung des Widerspruchsbescheids an den Kläger persönlich ist die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt worden. Der Bevollmächtigte
des Klägers hatte im Verwaltungsverfahren eine uneingeschränkte Vollmacht vorgelegt, weshalb Zustellungen wirksam nur an ihn
erfolgen konnten. Der Widerspruchsbescheid vom 11.01.2000 enthält zwar auf Seite 2, fünfter Absatz, den Klammerzusatz "ein
Mandat besteht nicht mehr"; den vorgelegten Akten lässt sich aber nicht entnehmen, dass der Rechtsanwalt sein Mandat niedergelegt
hätte bzw. die Vollmacht auf andere Weise erloschen sein könnte.
2. In der Sache selbst kann die Klage aber keinen Erfolg haben. Denn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.01.1994 >BGBl I S. 165< mit späteren Änderungen) sind hinsichtlich des gesamten
streitgegenständlichen Leistungszeitraums gegeben. Nach § 5 Abs. 1 UVG hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, den geleisteten Betrag zu ersetzen, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung
der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen haben,
soweit er die Zahlung durch vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben oder das Unterlassen einer Anzeige
nach § 6 UVG herbeigeführt hat (Abs. 1 Nr. 1) bzw. die Rechtswidrigkeit der Leistung kannte oder fahrlässig nicht kannte (Abs. 1 Nr. 2). Im vorliegenden Fall haben die
Leistungsvoraussetzungen im fraglichen Zeitraum nicht vorgelegen (unten a) und hat der Kläger jedenfalls eine Änderung erheblicher
Umstände nicht unverzüglich mitgeteilt (unten b)
a) Die Leistungsvoraussetzungen haben während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht vorgelegen.
aa) Hinsichtlich des Zeitraums nach der Einreise der zweiten Ehefrau, waren die Voraussetzungen für eine Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen
unzweifelhaft nicht mehr erfüllt, denn der Kläger war nicht nur verheiratet, er lebte nunmehr auch mit seinem Ehegatten zusammen.
Nach dem Urteil des BVerwG vom 07.12.2000 (BVerwGE 112, 259 = NJW 2001, 3205) ist auch grundsätzlich geklärt, dass von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG auch so genannte Stiefelternfamilien umfasst sind; verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen hat das BVerwG für unbegründet
erklärt. Damit konnten nach der Einreise der zweiten Ehefrau und der Herstellung der ehelichen Gemeinschaft UVG-Leistungen rechtmäßigerweise nicht mehr bewilligt werden, für die gleichwohl erfolgten Leistungen lagen die Leistungsvoraussetzungen
nicht vor.
bb) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lagen die Leistungsvoraussetzungen aber auch für den Zeitraum Oktober
1994 bis November 1995 nicht vor. Die Leistungsgewährung ist auch nicht deshalb rechtmäßig erfolgt, weil die zweite Ehefrau
des Klägers ausländerrechtlich bis zu diesem Zeitpunkt an der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland gehindert gewesen
ist.
aaa) § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG (in der Fassung vom 19.01.1994 >BGBl I S. 165<) macht die Gewährung der Leistung u.a. davon abhängig, dass der Berechtigte
bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt.
Im fraglichen Zeitraum war der Kläger verheiratet, weshalb eine Leistungsgewährung nur in Betracht kam, wenn er von seinem
Ehegatten "dauernd getrennt" lebte. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht. Dauernd getrennt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG lebt ein Ehegatte nur dann, wenn eine faktische Trennung der Eheleute besteht und zusätzlich zumindest ein Ehegatte die eheliche
Gemeinschaft nicht herstellen will. Diese Auslegung entspricht dem eindeutigen Wortlaut der Norm. Diese knüpft erkennbar an
die familienrechtlichen Begriffe "ledig, verwitwet, geschieden" an; es gibt keinen Grund zur Annahme, warum dies hinsichtlich
des Tatbestandsmerkmals "dauernd getrennt leben" anders sein soll. Völlig eindeutig ist dies seit der Änderung von § 1 Abs. 2 UVG durch Art. 5 des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 16.08.2001 (BGBl I S. 2074 >2079<). Die (klarstellende) Neufassung von § 1 Abs. 2 UVG stellt nunmehr ausdrücklich auf die Definition des Getrenntlebens in §
1567 BGB ab. Nach §
1567 Abs.
1 Satz 1
BGB leben Ehegatten nur dann getrennt, wenn keine häusliche Gemeinschaft besteht und zumindest ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft
nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Hiervon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein,
weil der Kläger und seine zweite Ehefrau die eheliche Gemeinschaft herstellen wollten und nur ausländerrechtlich hieran gehindert
waren.
Ein solches Normverständnis liegt auch unabhängig von der Begriffsbestimmung des §
1567 Abs.
1 Satz 1
BGB nahe. Denn die hier maßgebliche Fassung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG (Bekanntmachung der Neufassung des UVG vom 19.01.1994 >BGBl I 165<) verlangte jedenfalls ein "dauerndes" Getrenntleben. Hiervon kann bei frisch Verheirateten, die
zusammen ziehen wollen und bei denen auch gewiss ist, dass die ausländerrechtliche Situation ein Zusammenziehen jedenfalls
nicht "dauernd" verhindern wird, nicht gesprochen werden. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte zu Recht auch darauf hin,
dass es der zweiten Ehefrau des Klägers möglich gewesen wäre, zumindest Besuchsvisa zu erlangen, was ebenfalls gegen ein "dauerndes"
Getrenntleben in dieser Phase spricht.
Eine nur an der faktischen Trennung anknüpfende Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG würde auch Sinn und Zweck der Regelung nicht gerecht. Denn dann müssten auch die Kinder, bei denen ein Elternteil wegen der
Berufsausübung oder wegen der Teilnahme an Maßnahmen der Aus- und Fortbildung, die typischerweise ein längerfristiges Getrenntleben
zur Folge haben, als anspruchsberechtigt im Sinne des UVG gelten. Auch bei diesen Personengruppen können sich längere Zeitphasen der faktischen Trennung ergeben, die auch mit Erschwernissen
für den erziehenden Partner verbunden sind oder doch jedenfalls verbunden sein können. Aber diese Personengruppen hat der
Gesetzgeber erkennbar nicht im Auge gehabt. Entscheidend war und ist damit darauf abzustellen, dass die betroffenen Ehegatten
die Lebensgemeinschaft gerade nicht herstellen wollen. Dies trifft für den Kläger und dessen Frau, die sich um die möglichst
baldige Einreise zur Herstellung der ehelichen Gemeinschaft bemüht haben, gerade nicht zu.
bbb) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgt ein Anspruch auf UVG-Leistungen auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 1 Abs. 2 UVG (aA: OVG Lüneburg NVwZ-RR 1999, 764 = FEVS 51, 526).
Nach § 1 Abs. 2 UVG gilt der verheiratete Elternteil, bei dem das Kind lebt, auch dann als dauernd getrennt lebend, wenn sein Ehegatte wegen
Krankheit, Behinderung oder gerichtlich angeordneter Unterbringung für voraussichtlich wenigstens sechs Monate in einer Anstalt
untergebracht ist. Keine dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall erfüllt.
Eine analoge Anwendung dieser Norm auf ausländerrechtliche Zuzugsbeschränkungen kommt nach Auffassung des Senats nicht in
Betracht. Zu Recht weist der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei § 1 Abs. 2 UVG um eine abschließende Aufzählung von Ausnahmetatbeständen handelt, die eng auszulegen sind. Von daher fehlt schon eine regelungsbedürftige
Lücke. Denn die Fälle des faktischen Getrenntlebens von Ehegatten hat der Gesetzgeber gesehen und ausdrücklich in § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UVG geregelt. Welche Regelung der Gesetzgeber treffen wollte, ergibt sich insbesondere aus der oben erwähnten Änderung des §
1 Abs. 2 UVG durch Art. 5 des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 16.08.2001 (BGBl I S. 2074), die eine allein faktische Trennung der Eheleute nicht genügen lässt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll ein faktisches
Getrenntleben regelmäßig nur dann leistungsbegründend sein, wenn die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft nicht herstellen
wollen, oder - ausnahmsweise - wenn die in § 1 Abs. 2 UVG abschließend aufgezählten besonderen Situationen vorliegen.
Eine analoge Anwendung von § 1 Abs. 2 UVG auf Fälle der ausländerrechtlichen Zuzugsbeschränkung verbietet sich auch deshalb, weil solche Trennungszeiten mit den in
§ 1 Abs. 2 UVG gesetzlich geregelten Fallgruppen auch nicht vergleichbar sind. Langfristige Krankheit, Behinderung oder gerichtlich angeordnete
Unterbringung sind besondere Lebenslagen, die nicht nur den betroffenen Ehegatten in außerordentlicher Weise belasten, sondern
in aller Regel auch den dann allein erziehenden Partner und die Kinder. Die vom Gesetz normierten Ausnahmen zeichnen sich
gerade dadurch aus, dass in aller Regel anzunehmen ist, dass der langfristig in einer Anstalt untergebrachte Ehegatte während
dieser Zeit den erziehenden Elternteil nicht nur nicht wird unterstützen können, sondern oft genug eine zusätzliche Belastung
für den erziehenden Elternteil und die gesamte Familie darstellt. Dies gilt für sonstige Fälle faktischer Trennung - auch
bei im Ausland lebenden Partnern - keineswegs. Hier sind sowohl finanzielle Unterstützungsleistungen unschwer möglich und
oft auch üblich. Aber auch durch Gespräch und Rat kann ein ortsabwesender Partner den erziehenden Elternteil unterstützen.
Schließlich besteht in Fällen nur faktischer Trennung in aller Regel auch die Möglichkeit von Besuchen und damit die Gelegenheit
der zumindest zeitweisen Herstellung der familiären Gemeinschaft.
b) Der Kläger ist zur Rückzahlung der zu Unrecht erbrachten Leistungen verpflichtet, weil er jedenfalls eine nach § 6 UVG erforderliche Anzeige unterlassen hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG). Denn der Kläger hat dem Beklagten seine Wiederverheiratung nicht unverzüglich angezeigt.
aa) Gemäß § 6 Abs. 4 UVG muss der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, der zuständigen Stelle die Änderungen in den Verhältnissen, die für die
Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitteilen.
Die zweite Eheschließung des Klägers am 17.09.1994 in Marokko ist eine solche für die Leistungsgewährung erhebliche Tatsache.
Denn die Kinder des Klägers hatten nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nur dann Anspruch auf Leistungen nach dem UVG solange der Kläger geschieden war (siehe oben).
bb) Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Wiederverheiratung an den Beklagten hätte sich dem Kläger auch aufdrängen
müssen. Denn er hat unmittelbar vor der Scheidung von seiner ersten Frau bereits den UVG-Antrag gestellt. Ihm war also völlig klar, dass die Ehescheidung Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von UVG-Leistungen war. Dann war aber mehr als nahe liegend, dass eine Wiederverheiratung anspruchsschädlich, jedenfalls rechtserheblich
sein konnte. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass der Kläger seinerzeit anwaltlich vertreten war. Auf die Möglichkeit
der Beantragung von UVG-Leistungen nach erfolgter Scheidung werden die Mandanten von ihren Prozessbevollmächtigten in aller Regel bereits im Ehescheidungsverfahren
hingewiesen. Im vorliegenden Fall hatten sich die damaligen Verfahrensbevollmächtigten zudem mit Schreiben vom 20.05.1994
in der UVG-Sache an den Beklagten gewandt. Die Lebenserfahrung spricht somit dafür, dass der Kläger über die anspruchsbegründenden Voraussetzungen
seinerzeit umfassend aufgeklärt war und insbesondere dem Umstand der Ehescheidung bzw. der erneuten Eheschließung die gehörige
Bedeutung beimessen konnte.
cc) Der Kläger hat dem Beklagten die rechtserhebliche Tatsache der Wiederverheiratung pflichtwidrig nicht unverzüglich mitgeteilt.
Auf die umstrittenen (späteren) Mitteilungen an die Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes kommt es insoweit nicht
an, weil der Kläger die erforderliche Anzeige der Heirat schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte machen können und müssen.
Denn unverzüglich im Sinne von § 6 Abs. 4 UVG konnte der Kläger nach Lage der Dinge nur handeln, wenn er die Wiederverheiratung vor der Leistungsbewilligung mitgeteilt
hätte, was ihm unschwer möglich war. Ausweislich der Behördenakten hat der Kläger am 12.12.1994 persönlich beim Sozialamt
der Stadt H. vorgesprochen. Nach dem Aktenvermerk vom 12.12.1994 hat er bei dieser Vorsprache der Sachbearbeiterin B. erklärt,
dass seine Kinder seit dem 10.12.1994 wieder in H. seien. Hintergrund dieser Vorsprache und Erklärung war, dass der zuvor
gestellte UVG-Antrag nicht positiv beschieden worden war, weil die geschiedene Ehefrau des Klägers dem Jugendamt auf Anfrage mitgeteilt
hatte, dass sich die Kinder seit September 1994 in Marokko bei der Großmutter befinden würden. Bei dieser Vorsprache, bei
der der Kläger den leistungsbegründenden Umstand der Wiedereinreise der Kinder geltend gemacht hat, um die alsbaldige Bewilligung
und Auszahlung zu befördern, wäre es erforderlich und unschwer möglich gewesen, auch die erst kurz zurück liegende Eheschließung
in Marokko anzugeben.
dd) Die pflichtwidrige Unterlassung der Angabe der Wiederverheiratung war auch ursächlich für die rechtswidrige Bewilligung
der UVG-Leistungen. Hätte der Kläger am 12.12.1994 seine Wiederverheiratung ausdrücklich angesprochen, hätte der Beklagte nicht mit
Bescheid vom 26.01.1995 UVG-Leistungen bewilligt.
3. Die Rückforderungsbescheide vom 04.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.01.2000 erweisen sich auch im
Übrigen als rechtmäßig. Wegen des maßgeblichen Zeitraums und der Höhe des Rückforderungsbetrags wird auf die Begründung des
Widerspruchsbescheids vom 11.01.2000 Bezug genommen. Bedenken werden insoweit von Klägerseite nicht geltend gemacht, solche
sind auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
154 Abs.
1,
188 Satz 2
VwGO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO nicht gegeben sind.