Krankengeld
Nichtzulassungsbeschwerde
Grundsatzrüge
Weiterentwicklung des Rechts
Gründe:
I
Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 20.12.2016 den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld (Krg) ab
dem 15.7.2005 verneint.
Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger bis zum 14.7.2005 Anspruch auf Krg gehabt habe unter Berücksichtigung
der Bescheinigungen des Arztes Dr. S. und der Ärztin S. über die Arbeitsunfähigkeit (AU) im Zeitraum vom 27.6.2005 bis zum
7.7.2005 und anschließend bis zum 14.7.2005. Diesen Anspruch hat die Beklagte im Berufungsverfahren anerkannt. Über den 14.7.2005
hinaus habe aber ein Anspruch auf Krg nicht mehr bestanden. Der Kläger sei ab 15.7.2005 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert
gewesen, denn mangels erneuter ärztlicher Feststellung der AU spätestens am 14.7.2005 habe mit Ablauf dieses Tags die aufrechterhaltende
Mitgliedschaft des Klägers nach §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V geendet. Nach der erneuten AU-Bescheinigung durch die Ärztin S. am 15.7.2005 habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Krg
erworben. Diese AU-Bescheinigung habe einen Krg-Anspruch erst wieder am 16.7.2005 nach §
46 S 1 Nr 2
SGB V entstehen lassen können. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger aber wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem
SGB II (siehe §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V) und daher nach §
44 Abs
2 S 1 Nr
1 SGB V nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen.
Ein vom BSG anerkannter Fall, in dem die nicht rechtzeitige Feststellung der AU für einen Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise nachgeholt
werden könne, liege nicht vor (Hinweis auf BSG Urteile vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R - Juris RdNr 25 und - B 1 KR 19/14 R - Juris RdNr 15; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 23). Ebenso fehle es an den Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Sollte die Ärztin S. tatsächlich davon ausgegangen sein, dass sie das Vorliegen von AU rückwirkend habe bescheinigen können,
so könne dieser Umstand keinen Anspruch auf Krg auslösen, sondern allenfalls zu zivilrechtlichen Ansprüchen gegen die Ärztin
führen. Der Senat habe sich auch nicht gedrängt gesehen, den in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag
des Klägers, die Ärztin S. zu vernehmen, nachzukommen. Ebenso wenig habe der Senat dem Beweisantrag des Klägers folgen müssen,
einen Orthopäden mit der Begutachtung der über den 14.7.2005 hinausgehenden AU des Klägers zu beauftragen. Auch ein nachgehender
Anspruch auf Krg nach §
19 Abs
2 S 1
SGB V scheide aus. Der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz sei auch dann nachrangig, wenn das aktuelle
Versicherungsverhältnis geringere Leistungen vorsehe. Dies gelte bei einer Versicherung nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V aufgrund des Bezugs von Alg II (ua Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 33). Der neue Status sei gegenüber der bloßen Auffangregelung des §
19 Abs
2 SGB V vorrangig und schließe in Bezug auf das Krg weitergehende Ansprüche aus.
Der Kläger hat mit einem von ihm unterzeichneten, am 28.2.2017 beim BSG eingegangenen Schreiben, Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M. aus G. zur Durchführung
des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen das og Urteil des LSG gestellt. Er trägt vor, das Berufungsurteil weiche von
Entscheidungen des BSG ab. Im Übrigen habe er gutgläubig darauf vertrauen dürfen, dass ihm die Ärztin S. lückenlos AU attestiert habe. Die Beklagte
habe zu keiner Zeit einen Hinweis erteilt, dass die AU des Klägers ab 7.7.2005 nicht lückenlos bescheinigt worden sei. Durch
die Bescheinigungen der Ärztin S. vom 23.6.2016 und 13.12.2016 habe diese zeitnah Feststellungen zur durchgängig bestehenden
AU des Klägers vom 7.7.2005 bis 19.9.2008 nachgeholt.
II
Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Gemäß §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint. Hier fehlt es an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde
des Klägers erfolgreich sein könnte.
Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es nicht darum, ob das Urteil des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr ist
gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung
des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf
dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs im Rahmen
der gebotenen summarischen Prüfung durch den Senat nicht ersichtlich.
1. Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das von dem Kläger angegriffene Berufungsurteil auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, von der angestrebten Entscheidung
der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass die in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das Interesse
der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung des Rechts
fördern wird (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57). Rechtsfragen, die in diesem Sinne noch grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind im Rahmen des PKH-Verfahrens
nicht ersichtlich. Das LSG hat den Rechtsstreit anhand der einschlägigen Rechtsnormen und unter Berücksichtigung der hierzu
bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG entschieden.
2. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsurteil von der Rechtsprechung des BSG abweichen könnte iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG. Denn ein Ausnahmefall, der trotz lückenhafter AU-Bescheinigung zu einem Krg-Anspruch führen bzw diesen aufrechterhalten
kann, lag weder nach bisheriger Rechtsprechung (vgl zusammenfassend BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7) noch nach neuer Senatsrechtsprechung vor (vgl BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - für BSGE und SozR 4 vorgesehen). Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass der Versicherte alles in seiner Macht Stehende
und ihm Zumutbare getan haben muss, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt
persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung
des Anspruchs auf Krg zu erreichen und b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw anspruchserhaltenen zeitlichen
Grenzen für den Krg-Anspruch erfolgt ist. Diese Voraussetzung lag nach den Feststellungen des LSG nicht vor. Der Kläger hat
die Ärztin S. erst am 15.7.2005 aufgesucht, obwohl ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt spätestens am 14.7.2005 erforderlich
gewesen wäre, um den Krg-Anspruch aufrechtzuerhalten. Auch im Übrigen kann der Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Das LSG ist in der angefochtenen Entscheidung nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung
abgewichen, vielmehr hat es sich auf die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung bezogen.
3. Ebenso wenig lässt sich ein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Das LSG durfte den Rechtsstreit trotz des in der mündlichen Verhandlung vor dem
LSG gestellten Vertagungsantrags des Prozessbevollmächtigten des Klägers entscheiden. Dem Antrag (vgl §
202 SGG iVm §
227 ZPO) fehlt es an einem erheblichen Grund, der das Berufungsgericht an einer Entscheidung in der Sache hätte hindern können. Es
wurden bereits keine Umstände vorgetragen, die eine erneute Akteneinsicht (§
120 SGG) zur Wahrung rechtlichen Gehörs (§
62 SGG) hätten erfordern können (vgl dazu allgemein BSG Beschluss vom 28.12.2005 - B 12 KR 42/05 B - Juris RdNr 6, vgl auch Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 2. Aufl 2017,
SGG, §
110 RdNr 4b mwN). Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers waren die Gerichtsakten einmal und die Verwaltungsakten der Beklagten
bereits zweimal zur Akteneinsicht überlassen worden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Prozessbevollmächtigte des Klägers
in der mündlichen Verhandlung einen erneuten Antrag auf Akteneinsicht gestellt hat. Es ist auch nicht vorgetragen worden,
dass ihm ein solcher Antrag zur Wahrung rechtlichen Gehörs vor Beginn der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen wäre.
Das LSG musste sich auch nicht gedrängt sehen, den Beweisanträgen des Klägers nachzukommen. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht
(§
103 SGG) scheidet nach summarischer Prüfung aus. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, kam es nicht darauf an, die Ärztin S. zur
durchgängigen AU des Klägers zu vernehmen. Selbst wenn diese AU bestanden hätte, - was die im Gerichtsverfahren nachträglich
erstellten Bescheinigungen attestieren - bleibt es bei der verspätet festgestellten AU am 15.7.2005, die im Verantwortungsbereich
des Klägers liegt. Aus demselben Grund musste sich das LSG auch nicht gedrängt sehen, dem Beweisantrag des Klägers nachzukommen,
einen Orthopäden mit der Begutachtung der über den 14.7.2005 hinausgehenden AU des Klägers zu beauftragen.
Da die aufgezeigten Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vorliegen, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts
für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).