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LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2017 - 1 AS 1815/17
Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche Aufenthaltsrecht für eine schwangere an HIV erkrankte Unionsbürgerin wegen aufenthaltsrechtlicher Vorwirkungen
Bei einer schwangeren an HIV erkrankten bulgarischen Staatsbürgerin, die ein Kind von einem ausländischen Staatsbürger erwartet, der sich seit mehr als 8 Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält und das Kind gegenüber dem Jugendamt anerkannt hat, kann ein Aufenthaltsrecht wegen aufenthaltsrechtlicher Vorwirkungen jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn eine Rückkehr nach Bulgarien zur Durchführung des Sichtvermerkverfahrens die Gesundheit des ungeborenen Kindes beeinträchtigen würde.
1. Das BSG hat klargestellt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II über die wortwörtlich geregelten Fälle hinaus erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedsstaaten der EU umfasst, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU noch über ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen.
2. Denn dem Gesetzgeber kann, wie das BSG zur Begründung überzeugend ausgeführt hat, nicht unterstellt werden, dass einerseits EU-Ausländer, die z.B. über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, von Leistungen nach dem SGB II, die auch der Integration in den Arbeitsmarkt dienen sollen, ausgeschlossen sind, andererseits aber EU-Ausländern, die ohne Bereitschaft zu arbeiten oder ohne Aussicht auf Arbeit, also ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, und ohne ausreichende eigene finanzielle Mittel sich in Deutschland aufhalten, Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind.
3. Jedenfalls nicht erfasst werden demgegenüber vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder dem Aufenthaltsgesetz, welches begrenzt subsidiär anwendbar ist, aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitssuche vorliegen.
4. Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst nicht diejenigen Unionsbürger, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht als die Arbeitssuche berufen können.
5. Der Senat verkennt nicht, dass es durchaus berechtigte Kritik an der Rechtsprechung des BSG gibt; so ist ein Abschiebungshindernis nicht ohne Weiteres einem Aufenthaltsrecht gleichzusetzen.
Normenkette:
AufenthG (2004) § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und S. 2
,
AufenthG (2004) § 7 Abs. 1 S. 3
,
FreizügG/EU (2004) § 11 Abs. 1 S. 11
,
GG Art. 6
,
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. b)
Vorinstanzen: SG Stuttgart 13.04.2017 S 25 AS 1068/17 ER
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.04.2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

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