Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 2.044,27 EUR zu bezahlen, die ihm für Hörgeräte über den Festbetrag
hinaus in Rechnung gestellt worden sind.
Der 1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Bei ihm liegt laut ärztlichem Attest der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin
Dr.S. vom 13.11.2003 eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit vor, die mit HDO-Hörgeräten beidseits versorgt werden
müsse. Sie hatte am 19.12.2002 eine Hörhilfe beidseits verordnet, weil die bislang (seit 1993) verwendeten Geräte nicht mehr
rentabel seien. Um eine ausreichende Diskrimination auch am Arbeitsplatz zu erreichen, benötige der Kläger volldigitale Hörgeräte
beidseits. Deshalb sei eine volle Erstattung der Zuzahlungsgebühren notwendig. Die Hörgeräte S. GmbH (Fachinstitut für Hörberatung)
begründete die Notwendigkeit der Versorgung zusätzlich damit, dass weitere Hörgeräte mit digitaler Technik erprobt wurden,
dabei habe mit den Hörgeräten Aero 311 AZ des Herstellers Phonak subjektiv wie objektiv die beste Sprachverständlichkeit erreicht
werden können. Der Kläger, der als Laborant in der Forschung tätig sei, sei aus beruflichen Gründen auf eine gute Sprachverständlichkeit
angewiesen. Frau Dr.S. bestätigte, dass die geplante Versorgung mit Phonak-Geräten zweckmäßig sei.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 11.12.2003 abgelehnt, Kosten über den Festbetrag (915,73 Euro) hinaus zu übernehmen. Hiergegen
legte der Kläger mit Schreiben vom 23.12.2003 Widerspruch ein. Der von der Beklagten angehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung
(MDK) kam nach Aktenlage zu dem Ergebnis, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Versorgung mit Digitaltechnik nicht nach
Festbetragspreisen möglich sei. Die beantragte Hörgeräteversorgung sei sinnvoll, jedoch nicht zwingend zu diesem Preis notwendig.
Nachdem der Kläger darauf hingewiesen hatte, er habe ein Dreivierteljahr Hörgeräte ausprobiert, die Phonak-Geräte seien die
besten gewesen, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2004 zurückgewiesen.
Hiergegen richtete sich die am 24.05.2004 beim Sozialgericht München eingegangene Klage auf Zahlung der Restkosten aus der
Rechnung vom 17.08.2004, zu deren Begründung vorgetragen wurde, die Beklagte hätte die Erstattung weiterer Kosten nicht ablehnen
dürfen, weil der Bezug der hier vorliegenden Hörgeräte aus medizinischer, technischer und auch wirtschaftlicher Sicht zwingend
erforderlich gewesen sei. Die Beklagte hat im Klageverfahren erneut den MDK befragt, ob auf Grund der beiliegenden Unterlagen
die medizinische Indikation für Hörgeräte über den Festbetrag vorliege. Der Gutachter bestätigte, es liege eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung vor. Die Festbetragsregelung sei zu beachten. Das Sozialgericht hat die Klage mit
Urteil vom 20.06.2006 abgewiesen. Auf Grund der Festbetragsregelung im Bereich der Hörhilfen sei nicht im Einzelfall die optimale,
sondern nur eine im Allgemeinen ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und in der Qualität gesicherte Versorgung geschuldet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 04.09.2006 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung, die der Bevollmächtigte
des Klägers damit begründet, der Kläger sei bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Laborant auf seine Hörhilfen angewiesen.
Es handele sich um eine medizinische Grundversorgung. Das Erstgericht habe die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
nicht ausreichend berücksichtigt, wonach es zu den elementaren Grundbedürfnissen eines Menschen gehöre, einer beruflichen
Tätigkeit nachzugehen und deshalb die Krankenversicherung die für die Berufsausbildung erforderlichen Hilfsmittel als medizinischen
Ausgleich einer Behinderung zur Verfügung stellen müsse.
Der Rentenversicherungsträger hat abgelehnt, sich an den Kosten zu beteiligen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2006 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 11.12.2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Restkosten für die Hörgeräte
"Phonak Aero 311 AZ Forte" in Höhe von 2.044,27 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des Sozialgerichts sei nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß §
144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.
Der Kläger hat keinen Erstattungsanspruch in Höhe von 2.044,27 EUR. Die Voraussetzungen des als einzige Anspruchsgrundlage
in Betracht kommenden §
13 Abs.
3 SGB V sind nicht gegeben. Danach hat die Krankenkasse Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten,
soweit die Leistung notwendig war und sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung
zu Unrecht abgelehnt hat. Dass im Fall des Klägers ein Notfall, der unverzügliches Eingreifen ohne vorhergehende Einschaltung
der Krankenkasse erforderte, vorlag, ist ebenso wenig plausibel wie eine Systemstörung. Es wurde vielmehr der übliche Beschaffungsweg
eingehalten. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Versorgungsbegehrens des Klägers ist §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen
und andere Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden
Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände
des täglichen Lebens anzusehen sind oder nach §
34 Abs.
4 SGB V ausgeschlossen sind. Eine ähnliche Bestimmung findet sich für den hier einschlägigen Bereich der Rehabilitation und Teilnahme
behinderter Menschen auch in dem zum 01.07.2001 in Kraft getretenen §
31 Abs.
1 SGB IX. Danach umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln im Sinne des §
26 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX die technischen Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt werden oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen
werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen
Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchgegenstände des täglichen Lebens sind. Für die Versorgung mit Hörgeräten
ergibt sich hieraus keine Abweichung; die in §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V erwähnten Hörhilfen fallen hier unter "andere Hilfsmittel", die dem Behinderungsausgleich bei einem Grundbedürfnis (Hören)
dienen. Das Bundessozialgericht führte hierzu im Urteil vom 23.10.2003, B 3 KR 7/02 R (BSGE 90, 220) weiter aus, dieser Leistungsanspruch sei grundsätzlich im Wege der Sachleistung zu erfüllen. Dies gelte auch dann, wenn
- wie z.B. für Hörhilfen im Sinne des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V - gemäß §
36 SGB V Festbeträge für Hilfsmittel eingeführt worden sind. Die Festsetzung eines Festbetrags führt nach §
33 Abs.
2 Satz 1
SGB V dazu, dass die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages zu tragen hat, während der etwaige Differenzbetrag bis
zum Abgabepreis des Leistungserbringers grundsätzlich dem Versicherten zur Last fällt. Die Krankenkasse erfüllt ihre Leistungspflicht
mit der Übernahme des Festbetrags (§
12 Abs.
2 SGB V). Der Festbetrag stellt also die Obergrenze des Leistungsanspruchs des Versicherten dar. Dass der Kläger dem Grunde nach
Anspruch auf Hörhilfen hat, ist unbestritten. Unbestritten ist auch, dass die Beklagte den Festbetrag übernommen hat. Der
Medizinische Dienst hat zu der tatsächlichen Versorgung ausgeführt, das beantragte Hörgerät sei als unmittelbarer Behinderungsausgleich
im Sinne einer Optimalversorgung geeignet. Sie sei sinnvoll, jedoch nicht zwingend zu diesem Preis notwendig. Damit schuldet
die Beklagte dem Kläger die von ihm geforderten 2.044,27 EUR nicht. Dies ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat auf Vorlage des Bundessozialgerichts im Urteil vom 17.12.2001
(BGBl I 2003, 126) für Recht erkannt, dass die in §
35 und in §
36 i.V.m. §
35 SGB V den dort genannten Verbänden eingeräumte Ermächtigung, Festbeträge festzusetzen, mit dem
Grundgesetz vereinbar ist. Diese Festbetragsfestsetzung wäre jedoch nicht gesetzeskonform, wenn das Sachleistungsprinzip den Versicherten
im unteren Preissegment nicht erhalten bliebe. Dies wäre dann der Fall, wenn Versicherte, die Hilfsmittel benötigen, diese
- abgesehen von äußersten und eher zufälligen Ausnahmen - nicht mehr als Sachleistung ohne Eigenbeteiligung beziehen können,
da zu diesen Konditionen die Leistungserbringer mit den Krankenkassen nicht mehr die nach §
2 Abs.
2 Satz 2
SGB V vorgesehenen Verträge abschließen. Das Bundessozialgericht konkretisiert dies im Urteil vom 23.01.2003 (aaO.) dahingehend,
dass der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht begrenzt, wenn er für
den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht. Hierzu ergeben sich keine Anhaltspunkte aus dem
Vortrag des Klägerbevollmächtigten. Der Hinweis auf die Berufsausübung des Klägers reicht nicht aus. Es ist nicht nachvollziehbar,
weshalb der Kläger, der als Laborant arbeitet, diesen Beruf mit Festbetragsgeräten wie bislang auch nicht ausführen könnte.
Die Beklagte hat unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes gemäß §
2 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. §
12 SGB V die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistung erbracht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß §
160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.