Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Überprüfung aller Leistungsbescheide der Beklagten seit dem 1. Januar 2005 im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit
des Regelsatzes sowie die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - 12. Buch: Sozialhilfe (SGB XII).
Der Kläger ist 1962 geboren und steht bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2005 im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach
dem 4. Kapitel des SGB XII. Mit Schreiben vom 4. Februar 2008 beantragte er bei der Beklagten eine Überprüfung aller Leistungsbescheide
ab dem 1. Januar 2005 bis zum 10. September 2007 und führte dazu aus, die als Nachteilsausgleiche gemäß §
126 SGB IX gedachten und mit Steuerbescheid vom 22. Januar 2008 anerkannten 60-Euro-Pauschalen für behinderungsbedingte Mehraufwendungen
seien nicht als Sonderbedarf gemäß §
28 Abs.
1 SGB XI hinzugerechnet worden; seine Behinderung mit einem Grad der Behinderung von 60 sei der Beklagten bekannt, er berechne ihr
deshalb 2.280,- EUR, die nachzuzahlen seien. Mit Bescheid vom 28. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab und wies
den Widerspruch des Klägers vom 31. März 2008 mit Bescheid vom 17. Juni 2008 zurück. Auf die Bescheide im Einzelnen wird Bezug
genommen.
Der Kläger verfolgte mit am 21. Juli 2008 beim Sozialgericht Kassel (SG) eingegangener Klage sein Begehren weiter. Vom SG wurde die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2009 abgewiesen. Dabei nahm
das SG gemäß § 136 Abs. 3 Bezug auf die umfassenden Ausführungen zur Sach- und Rechtslage durch die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden. Darüber
hinaus sei festzustellen, dass beim Kläger bislang das Merkzeichen "G" für eine erhebliche Gehbehinderung nicht festgestellt
worden sei und somit eindeutig feststehe, dass er die Voraussetzungen für die Gewährung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs
nach § 30 Abs. 1 SGB XII nicht erfülle. Es gebe im Falle des Klägers nicht den geringsten Hinweis darauf, dass in seinem Fall
ein unabweisbar seiner Höhe nach erheblich vom Durchschnitt abweichender Bedarf bestehe. Die Zustellung erfolgte am 18. Februar
2009.
Mit am 26. Februar 2009 eingelegter Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, zu dessen Begründung er seinen Einkommensteuerbescheid
2008 ("0,00 Euro") vorlegt, in welchem ein Behinderten-Pauschbetrag als außergewöhnliche Belastung in Höhe von 720 Euro ausgewiesen
ist. Welche behinderungsbedingten Sonderbedarfe bei benachteiligten SGB XII- Leistungsberechtigten zu übernehmen seien, sei
unklar und höchstrichterlich noch nicht entschieden. So könne er sich oft nur im Internet informieren und damit seine Schwerbehinderung
wenigstens mildern.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 15. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 28. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2008 zu verpflichten, alle ab 1. Januar 2005 ergangenen
Leistungsbescheide abzuändern und dem Kläger höhere Grundsicherungsleistungen unter Beachtung seines behinderungsbedingten
Mehrbedarfes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den angefochtenen Gerichtsbescheid, den sie für zutreffend hält.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. März 2010 dem Berichterstatter gemäß §
153 Abs.
5 SGG übertragen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen,
deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da dessen Prozessbevollmächtigte
ordnungsgemäß gemäß §
110 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) geladen sowie hierauf hingewiesen worden waren und ausweislich ihrer Mitteilung vom 16. April 2010 den Kläger entsprechend
informiert hatten.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die besonderen Gegebenheiten des Sozialhilferechts stehen vorliegend einer Anwendung des § 44 SGB X nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 29.September 2009 - B 8 SO 16/08 R), jedoch sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt,
denn die Möglichkeit, einen unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, besteht
gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X (nur) dann, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
erweislich unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden
sind. Diese Voraussetzungen sind für die von der Beklagten ab 01. Januar.2005 erlassenen Bescheide nach dem SGB XII nicht
zu bejahen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, denn weder ist feststellbar, dass bei Erlass der Entscheidungen
das Recht unrichtig angewandt oder von einem erweislich unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Soweit pauschal die
Verfassungswidrigkeit der Regelsatzbestimmungen geltend gemacht wurde, wurde diese Auffassung zwar auf den Vorlagebeschluss
des erkennenden Senats vom 29. Oktober 2008 (L 6 AS 336/07) hin durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a.) für das im Wesentlichen insoweit inhaltsgleiche Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bestätigt, wegen der fortdauernden
Anwendbarkeit der streitigen Vorschriften bis zum Ende des laufenden Jahres bleibt dies für das vorliegende Verfahren jedoch
folgenlos.
Zu der vom Kläger geforderten Berücksichtigung eines Behindertenpauschbetrags im Rahmen seiner Grundsicherung hat das SG unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide gemäß §
136 Abs.
3 SGG ausgeführt, dass der Pauschbetrag gemäß §
33 b EStG nach dem Willen des Gesetzgebers eine Form der Steuerermäßigung darstelle, mit der die besonderen Belastungen, die Behinderten
bei der Erzielung ihres Einkommens entstehen würden, ausgeglichen werden sollten. Dem Kläger würden bei der Erzielung seines
Einkommens in Form der Grundsicherung nach dem SGB XII jedoch keine behinderungsbedingt außergewöhnlichen Belastungen entstehen.
Der sozialhilferechtlich relevante Grundsicherungsbedarf werde abschließend in § 42 SGB XII festgelegt. Relevant seien dabei
die Leistungen der §§ 28 bis 32, 34 und 37 SGB XII. Der vom Kläger geltend gemachte Behindertenpauschbetrag gehöre nicht zu
diesem Leistungskatalog und könne daher nicht als Grundsicherungsbedarf berücksichtigt werden. Der Umfang der vom Regelsatz
erfassten Bedarfe werde abschließend in § 28 SGB XII sowie in der ergänzenden Regelsatzverordnung geregelt. Datengrundlage sei die jeweils gültige Einkommens- und Verbraucherstichprobe. Die Regelsatzbedarfe könnten gemäß
§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII abweichend festgelegt werden, wenn ein vom Regelsatz umfasster Bedarf im Einzelfall ganz oder teilweise
anderweitig gedeckt werde oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Hierfür
liege jedoch keinerlei Hinweis vor. Der Kläger habe bis zum heutigen Tag keinen Nachweis erbracht, dass seine Bedarfe in der
Höhe unabweisbar vom durchschnittlichen Bedarf abweichen würden. Bei bestimmten Gruppen von Leistungsberechtigten stehe von
vorn herein fest, dass der im Regelsatz pauschalierte Bedarf ihren besonderen Lebensverhältnissen nicht voll gerecht werde.
Für diese Gruppe habe der Gesetzgeber einen Mehrbedarf gemäß § 30 SGB XII vorgesehen. In Frage käme bei einer Behinderung
der Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 Ziffer 2 SGB XII. Anspruch auf diesen Mehrbedarf habe der Kläger allerdings nicht, da er
die Voraussetzung hierfür, das Vorliegen eines Schwerbehindertenbescheides mit dem Merkmal "G", nicht erfülle. Das Sozialamt
habe daher bei der Bemessung des Regelsatzes und der Nichtberücksichtigung eines Behindertenpauschbetrages das geltende Sozialhilferecht
nicht unrichtig angewandt und sei auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger sich in seinem Berufungsvorbringen nicht mit der angefochtenen Entscheidung inhaltlich
auseinandergesetzt, sondern letztlich nur seinen bisherigen Vortrag wiederholt hat, verweist der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen insoweit auf die zutreffenden und überzeugenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides (vgl.
§
153 Abs.
2 SGG) und ergänzt diese unter Berücksichtigung des bereits erwähnten Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010
nur dahin, dass der Kläger selbst ja keinen atypischen und dauernden Sonderbedarf im Sinne dieser Entscheidung behauptet hat.
Ob die Ergebnisse der EVS bezüglich der Kosten eines Internetanschlusses unzutreffend sind, kann ausweislich dieses Urteils
des Bundesverfassungsgerichts zumindest bis zum Jahresende 2010 jedenfalls dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht zuzulassen.