Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
Gehörsverletzung und Überraschungsentscheidung
Hypothetische Kausalität verhinderten Vortrags
Gründe:
Mit Beschluss vom 28.11.2014 hat das Bayerische LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG). Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen
und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (sog Erwägensrüge, vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 13 S 12; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern
können (sog Überraschungsentscheidung iS von §
128 Abs
2 SGG; vgl BVerfGE 98, 218, 263; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz
selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene
Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36 S 53). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles
getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger sieht eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs darin, dass die Begründung der Berufung aus dem - in der Begründung
zur Nichtzulassungsbeschwerde mit abgedruckten - Schriftsatz vom 30.7.2013 unberücksichtigt geblieben sei und den dortigen
Beweisangeboten und dem entsprechenden Vortrag nicht nachgegangen worden sei.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Daher
muss die Beschwerdebegründung besondere Umstände des Einzelfalls aufzeigen, aus denen auf das Gegenteil geschlossen werden
kann (vgl BVerfGE 54, 86, 91 f mwN). Derartige besondere Einzelfallumstände schildert der Kläger nicht. Die in der Beschwerdebegründung angeführten
Bezüge aus dem LSG-Beschluss belegen vielmehr, dass die vom Kläger beanstandeten Punkte wie die ärztlichen Befundberichte,
Auskünfte und Atteste Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, wenngleich auch nicht in seinem Sinne. Dabei ist jeweils von
der Rechtsauffassung des LSG auszugehen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 23). Welche Schlussfolgerungen das Gericht aus den Tatsachen bzw Beweisergebnissen ziehen wird, muss das Gericht vorab
nicht mitteilen (vgl BSG vom 17.7.2007 - B 6 KA 14/07 B - BeckRS 2007, 46399 RdNr 7). Insbesondere bietet der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz gegen Entscheidungen,
die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt
lassen (vgl BVerfGE 96, 205, 216).
Der Kläger rügt weiter einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG). Hierzu trägt er vor, der Beschluss des LSG gehe "von einer nicht ausreichend aufgeklärten sachlichen Grundlage aus, außerdem"
seien "die Beweisanträge mit konkretem Sachvortrag 'übergangen' worden".
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger eine Verletzung des §
103 SGG nicht schlüssig bezeichnet. Der Kläger hat bereits nicht dargetan, im Berufungsverfahren einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag
gestellt zu haben. Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern
auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte mit welchen Beweismitteln der
ZPO Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des
Beweismittels für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hat weder die zu beweisenden Tatsachen angegeben noch ein Beweismittel ordnungsgemäß bezeichnet. Zwar kann seinem
Vorbringen entnommen werden, dass er die Einholung eines Sachverständigengutachtens schriftsätzlich beantragt hat. Der in
prozessordnungsgerechter Weise gestellte Beweisantrag zum Sachverständigenbeweis (§
118 Abs
1 S 1
SGG iVm §
403 ZPO) im Leistungsminderungsrecht der Rentenversicherung erfordert indes die Benennung eines geeigneten Sachverständigen seiner
medizinischen Ausrichtung nach (Fichte, SGb 2000, 653, 654 f mit Hinweis auf BSG vom 4.11.1999 - B 7 AL 6/99 B - RdNr 5). Diesbezüglich führt die Beschwerdebegründung nichts aus.
Auch die Grundsatzrüge nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat keinen Erfolg. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig
und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre
(abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall
hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"inwieweit ein Hochschullehrer mit einem vollen Dienstvertrag auf eine Tätigkeit als Rechtsanwalt (freiberuflich) verwiesen
werden kann".
Der Kläger wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Er hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder
Anwendungsbereich einer revisiblen (Bundes-)Norm (vgl §
162 SGG) gestellt. Die Formulierung einer Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen
der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den
Aufgaben des BSG, den Vortrag des Beschwerdeführers daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen
ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
Zudem fehlt es an ausreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und zur Klärungsfähigkeit. Diesbezüglich hätte der
Kläger aufzeigen müssen, welchen Sachverhalt das LSG für das BSG bindend festgestellt hat (§
163 SGG) und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die mit der Beschwerde angesprochenen Problematik
entschieden werden muss. Zudem ist eine Rechtsfrage dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel
steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Im Hinblick hierauf muss in der
Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu diesem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage
von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN). Der Vortrag, diese
Frage sei auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden, genügt dafür in keiner Weise.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.