Auskunftsverlangen und Voraussetzungen der Auskunftspflicht
Bestehen eines Unterhaltsanspruchs
Geklärte Rechtsfrage
1. Die Frage, ob eine Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII besteht, wenn Unterhaltsansprüche nach dem Sachvortrag des Auskunftspflichtigen ausgeschlossen sind, ist nicht klärungsbedürftig;
sie ist durch die Rechtsprechung des BVerwG und des BSG geklärt.
2. Das BVerwG hat zur Auskunftspflicht nach der gleichlautenden Vorschrift des § 116 Abs. 1 BSHG ausgeführt, die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setze nicht voraus, dass (der zur Überleitung vorgesehene) Unterhaltsanspruch
auch bestehe, es sei denn, er bestehe offensichtlich nicht.
3. Deshalb ist zur Auskunft schon verpflichtet, wer als Unterhaltsschuldner des Sozialhilfeempfängers in Betracht kommt.
4. Einwendungen gegen die Leistungspflicht - insbesondere der Einwand, es bestehe ein vorrangiger Anspruch auf Schadensersatz
- sind in dem sich ggf. anschließenden Zivilrechtsstreit zu klären.
5. Der Senat hat sich der Rechtsprechung des BVerwG bereits angeschlossen.
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich gegen ein Auskunftsverlangen.
Ihre Mutter lebt in einer Pflegeeinrichtung und erhält neben einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und
Leistungen der sozialen Pflegeversicherung den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 27b Abs 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) und Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff SGB XII; die Klägerin wurde deshalb aufgefordert, Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen (Bescheid
vom 4.6.2010; Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011). Klage und Berufung hiergegen blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Stralsund vom 29.6.2012; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Mecklenburg-Vorpommern vom 21.8.2014).
Die Klägerin beantragt die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen
die Nichtzulassung der Revision im Urteil und die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Sie macht geltend, ein Auskunftsanspruch
habe nicht bestanden, weil vorrangige Schadensersatzansprüche gegen den Landkreis bestünden, dessen Mitarbeiter den Zustand
der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter schuldhaft herbeigeführt hätten. Zudem sei der Auskunftsanspruch jedenfalls in der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG erfüllt worden. Im Übrigen rügt sie die verfahrensfehlerhafte Behandlung der Angelegenheit durch das
LSG.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG] iVm §
114 Zivilprozessordnung [ZPO]); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Ein solcher Zulassungsgrund
ist nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nicht ersichtlich.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG); denn sie wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Frage, ob eine Auskunftspflicht nach § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII besteht, wenn Unterhaltsansprüche nach dem Sachvortrag des Auskunftspflichtigen ausgeschlossen sind, ist nicht klärungsbedürftig.
Sie ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt. Das BVerwG hat zur Auskunftspflicht nach der gleichlautenden Vorschrift des § 116 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz ausgeführt, die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setze nicht voraus, dass (der zur Überleitung vorgesehene) Unterhaltsanspruch
auch bestehe, es sei denn, er bestehe offensichtlich nicht. Deshalb ist zur Auskunft schon verpflichtet, wer als Unterhaltsschuldner
des Sozialhilfeempfängers in Betracht kommt (BVerwGE 91, 375 ff). Einwendungen gegen die Leistungspflicht - insbesondere der Einwand, es bestehe ein vorrangiger Anspruch auf Schadensersatz
- sind in dem sich ggf anschließenden Zivilrechtsstreit zu klären. Der Senat hat sich der Rechtsprechung des BVerwG bereits
angeschlossen (BSG SozR 4-3500 § 117 Nr 2). Eine abweichende Fallgestaltung liegt nicht deshalb vor, weil - aus Sicht der Klägerin - ein Anspruchsübergang nach
§ 94 SGB XII wegen des Bezuges von Leistungen der Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung ausgeschlossen ist; denn jedenfalls erhält
die Mutter der Klägerin auch Leistungen der Hilfe zur Pflege. Ein erkennbar sinnloses Auskunftsverlangen, für das eine Ausnahme
zu machen ist, lag nach den Feststellungen des LSG nicht vor. Die von der Klägerin behauptete Unrichtigkeit dieser Entscheidung
kann nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen damit ebenso wenig.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensfehler geltend gemacht werden könnte, der zur Zulassung der Revision führt.
Die Revision ist nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend
gemachte Verfahrensmangel kann (jedoch) nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
Ein Verfahrensfehler ist nicht erkennbar, soweit die Klägerin vorträgt, in der mündlichen Verhandlung sei der Auskunftsanspruch
erfüllt worden. Die Richtigkeit dieses Vortrages unterstellt, führt dies nicht dazu, dass nicht in der Sache hätte entschieden
werden dürfen. Die Auskunftserteilung als solche beendet den Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens nicht;
ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin folglich auch einen Antrag in der Sache gestellt, über
den das LSG entschieden hat.
Es ist nicht erkennbar, dass das LSG den Grundsatz auf rechtliches Gehör (Art
103 Grundgesetz [GG]; §
62 SGG) dadurch verletzt hat, dass es sich - wie die Klägerin meint - nicht hinreichend mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt
hat. Der Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu
nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Vorliegend hat das LSG den Vortrag der Klägerin ersichtlich in seine
Erwägungen einbezogen und sich mit ihrer gegenteiligen Auffassung auseinandergesetzt. Die Ausführungen der Klägerin zielen
ausschließlich darauf ab, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu beanstanden. Das Recht auf rechtliches Gehör umfasst
aber nicht den Anspruch, dass Anträgen eines Beteiligten auch gefolgt wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 13).
Soweit das LSG über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin erst nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache entschieden
hat (Beschluss vom 4.9.2014), ist ebenfalls nicht erkennbar, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs in
einer Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich gerügt werden könnte. Fehler bei der Ablehnung von PKH führen nicht zu einer Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn zwar die Ablehnung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, in der Sache aber
zu keinem Zeitpunkt eine Gewährung von PKH für das Berufungsverfahren in Betracht gekommen und die Ablehnung deswegen im Ergebnis
nicht zu beanstanden ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 9 RdNr 9 ff). So liegt der Fall hier. Auch für das Berufungsverfahren ergab sich eine hinreichende Erfolgsaussicht zu
keinem Zeitpunkt, weil die Klägerin im Verlaufe des Verfahrens nur Einwendungen gegen ihre Leistungspflicht vorgebracht hat,
die - selbst wenn sie im Ergebnis einer zivilrechtlichen Prüfung durchgriffen - einen nach dem dargestellten Rechtmäßigkeitskriterium
der Negativevidenz zu beurteilenden Auskunftsanspruch nicht entfallen ließen.
Es ist auch nicht erkennbar, dass das angefochtene Urteil dadurch an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, dass an der
Entscheidung der Vorsitzende Richter A mitgewirkt hat, den die Klägerin zuvor erfolglos abgelehnt hatte (Beschluss des LSG
vom 18.9.2013). Das Revisionsgericht ist im Hinblick auf §
557 Abs
2 ZPO iVm §
202 SGG an Entscheidungen gebunden, die der Endentscheidung des LSG vorausgegangen sind, sofern sie unanfechtbar sind. Dies gilt
grundsätzlich auch für Entscheidungen der Vorinstanz, die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen haben (§§
60,
177 SGG; vgl hierzu: BVerfGE 31, 145, 164; BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN). Das Revisionsgericht ist nur in engen Ausnahmen an die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen, die der Endentscheidung
des LSG vorausgegangen sind, nicht gebunden, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs unter Mitwirkung des abgelehnten
Richters darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG grundlegend verkannt hat (vgl BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN).
Ein solcher Sachverhalt liegt hier aber nicht vor. Art
101 Abs
1 Satz 2
GG lässt in dem Fall eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs eine Selbstentscheidung des abgelehnten
Richters über das Gesuch zu, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich
ist (vgl zu dieser Möglichkeit nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
60 RdNr 10d mwN). Vorliegend konnte das LSG über das Gesuch unter Mitwirkung des zuvor abgelehnten Richters entscheiden, weil
das Gesuch der Klägerin offensichtlich unzulässig war. Die Klägerin hat ohne Darlegung objektiver Anknüpfungspunkte dessen
Unparteilichkeit lediglich pauschal behauptet; ein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand war insoweit nicht erforderlich.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).