Veranlagung eines Unternehmens zu einem Gefahrtarif
Gefahrklasse 500
Gerichtlicher Prüfungsumfang bei einer Gefahrtarifveranlagung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Veranlagung des Unternehmens des Klägers nach dem ab 01. Januar 2012 gültigen Gefahrtarif
der Beklagten.
Der Kläger ist seit Februar 2004 Inhaber der DDS (D Dienstleistungen S). Laut der gegenüber der Beklagten abgegebenen Unternehmensbeschreibung
vom 20. Februar 2004 beschrieb der Kläger den Unternehmenszweig mit "Betonbohr- und Sägearbeiten". Dementsprechend wurde das
Unternehmen im bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Gefahrtarif der Beklagten der Gefahrtarifstelle 100 ("Errichten von Bauwerken
des Hoch- und Tiefbaus", Teilbereich "Betonbohren, -sägen und -schneiden") mit der Gefahrklasse 16,1 zugeordnet.
Die Beklagte ermittelte bei einer im September 2011 durchgeführten Betriebsprüfung zwei vom Kläger an Bauunternehmen gestellte
Rechnungen über 2.934,00 EUR bzw. 2.454,00 EUR für die Durchführung von 130-mm- und 100-mm-Kernbohrungen von 48,90 bzw. 33,90
laufende Meter.
Mit Bescheid vom 25. November 2011 stufte die Beklagte den Kläger ab dem 01. Januar 2012 in die Gefahrtarifstelle 500 "Abbruch
und Entsorgung" ihres zum 01. Januar 2012 in Kraft getretenen, am 05. Juli 2011 vom Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde
genehmigten Gefahrtarifs mit der Gefahrklasse 20,74 ein. laut dessen Erläuterungstabelle u.a. Abbruch, Betonbohren, -sägen
und -schneiden erfasst sind. Bzgl. des Büroteils des Unternehmens nahm die Beklagte eine Veranlagung zur Gefahrtarifstelle
900 mit der Gefahrklasse 0,44 vor.
Gegen den Veranlagungsbescheid erhob der Kläger Widerspruch. Der Briefkopf beschrieb das Unternehmen als "Diamanttrenntechnische
Dienstleistungen S Bohren Sägen Fugenschneiden Hydraul. Abbruch". Der Briefkopf enthält zudem das Logo "Fachverband Betonbohren
und -sägen Deutschland e.V.". Der Kläger führte zur Begründung aus, ca. 50 % seines Umsatzes im Spezialtiefbau, ca. 10% im
Abbruch, ca. 10 % im Verkehrswege-, Erd- und Leitungsbau, ca. 10% im Bauwerksbau, ca. 10 % im Bauausbau und in der Fertigteilherstellung
und ca. 10 % durch Baudienstleistungen zu erbringen. Selbst wenn einmal Sägearbeiten ausgeführt würden, sei die Unfallgefährdung
bei Weitem nicht so hoch, als wenn die Abbrecher mit Großgeräten ganze Gebäude abbrechen würden. Außerdem bewiesen die Unfallzahlen
in seinem Betrieb, dass er bisher ohnehin schon zu viele Beiträge gezahlt habe.
Die Beklagte führte mit dem Kläger ein persönliches Gespräch, dessen Ergebnis im Bericht vom 10. Februar 2012 festgehalten
wurde: Danach wurde Einigkeit dahingehend erzielt, dass Tätigkeiten im Bereich Betonbohren, -schneiden und -sägen (Betontrenntechniken)
ausgeführt würden. Das Unternehmen sei auch Mitglied im Fachverband Betonbohren und Betonsägen e.V ... Rechnungen seien für
Kernbohrungen für Strangsanierungen für die Gewerke Heizung und Sanitär sowie in Fußböden und Fundamenten bis ins Erdreich
für die Verstärkung von Fundamenten, für Durchbrüche für Fenster und Türen, für Teilabbrüche in Gebäuden durch Schneiden von
Öffnungen und für Seilsägearbeiten vorgelegt worden. Nach Meinung des Klägers treffe die Veranlagung wegen der Verzahnung
der o.g. Tätigkeiten, wegen der gemeinsamen Berufsausbildung und des Berufsbilds sowie wegen des gemeinsamen Tarifvertrags
nicht zu.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2012, zugestellt am 25. April 2012, den Widerspruch als unbegründet
zurück und verwies zur Begründung auf die von ihr ermittelten Verrichtungen des klägerischen Unternehmens, welche eine Zuordnung
zur Gefahrklasse 500 zuließen. Zu verweisen sei auch u.a. auf Teil II Nr. 1 Abs. 1 des Gefahrtarifs, wonach die Veranlagung
eines Unternehmens zu einer der in Teil III festgestellten Gefahrklassen durch seine Zugehörigkeit zu einem der dort genannten
Gewerbezweige bestimmt wird, wobei die dort festgestellten Gefahrklassen auch für Unternehmen gelten, in denen nur Teiltätigkeiten
eines Gewerbezweiges ausgeführt werden. Ferner sei auf Teil II Nr. 1 Abs. 2 des Gefahrtarifs zu verweisen, wonach für Unternehmen,
deren Gewerbezweig in Teil III nicht aufgeführt ist, die Beklagte die Veranlagung für die Tarifzeit nach der technologischen
Nähe zu einem in Teil II genannten Gewerbezweig festsetzt, wobei für Unternehmen, deren Tätigkeiten auch wechselnd mehreren
Gewerbezweigen zuzuordnen wären, die Veranlagung nach dem Gewerbezweig mit der höchsten nach Teil III in Betracht kommenden
Gefahrklasse festzusetzen ist.
Der Kläger hat mit der am 23. Mai 2012 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage sein Begehren weiterverfolgt, ihn im Hinblick auf seine unternehmerische Tätigkeit in den Gefahrtarif Erd-
und Tiefbau einzugruppieren und es im Übrigen bzgl. des Büroteils bei der Veranlagung zu belassen. Er hat an seinem bisherigen
Vorbringen festgehalten und in der mündlichen Verhandlung vom 06. März 2014 ergänzend vorgetragen, sein Unternehmen führe
keine eigentlichen Abrissarbeiten aus, höchstens Zuarbeiten für nachfolgende Abrissarbeiten wie z.B. das Trennen von Fundamenten.
Ansonsten habe er sich im Spezialtiefbau spezialisiert. Deshalb wäre seines Erachtens die Gefahrtarifstelle 350 ("Spezialtiefbau")
die richtige.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die technologischen Veränderungen in der Betontrenntechnik in den letzten zwölf Jahren
zu einer erheblichen Erhöhung des Schadensrisikos geführt hätten. Nach einer eingeholten Auskunft des Fachverbands Betonbohren
und -sägen Deutschland e.V. habe sich nach dessen Erhebungen für seine Mitgliedsunternehmen in den Jahren 2004/2005 eine Belastungsziffer
von 24,2 ergeben.
Das SG hat die Klage, welche zuletzt auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Veranlagung des klägerischen Unternehmens zur Gefahrtarifstelle
350, hilfsweise zur Gefahrtarifstelle 300 ("Verkehrswege-, Erd- und Leistungsbau") gerichtet gewesen ist, mit Urteil vom 06.
März 2014 abgewiesen. Die Beklagte habe den Kläger rechtmäßig veranlagt. Zunächst sei die Zuordnung des klägerischen Unternehmens
mit seinen Tätigkeiten in unterschiedlichen Branchen und Bereichen des Baugewerbes zur Gefahrtarifstelle 500 nicht zu beanstanden,
indem sich das Unternehmen in hohem Maße auf Betontrennarbeiten in Gestalt von Betonsäge-, Betonbohr- und sonstige Arbeiten
spezialisiert habe, bei denen vorhandene Betonbausubstanz ausgebrochen werde. Dieses werde vom Wortlaut der Gefahrtarifstelle
500 mit ihren in Klammern gesetzten Zusätzen sowie der Erläuterungstabelle erfasst. Auch die Bildung der Gefahrtarifstelle
als solche durch die Beklagte sei rechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr habe die Beklagte die maßgeblichen gesetzlichen
Bestimmungen des §
157 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB VII) beachtet. Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen seien dem Gericht in diesem Zusammenhang verwehrt. Vielmehr komme
der Beklagten ein weiter normativer Gestaltungsspielraum zu. Zwar erscheine der von der Beklagten beschrittene Weg, alle Unternehmen
der Betontrenntechnik aufgrund der sich in gemeinsamen Tarifverträgen und einem gemeinsamen Ausbildungsberuf zum Ausdruck
kommenden technologischen und fachlichen Nähe einheitlich zu veranlagen und grundsätzlich der Gefahrtarifstelle für Abbruchunternehmen
zuzuweisen, nicht als einzig denkbarer Weg. Man hätte auch eine Zuordnung zu anderen Gefahrtarifstellen vornehmen können.
Jedoch erscheine die Zuordnung der Beklagten nicht grob sachwidrig. Soweit der Kläger auf die in seinem Unternehmen deutlich
geringere Unfallgefahr als bei Abbruchfirmen verweise, werde nicht berücksichtigt, dass es letztlich nur von Zufällen abhänge,
in welchem Ausmaß für Unfälle in einem einzelnen Unternehmen Aufwendungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlich
würden. So könne ein einziger Unfall mit schweren Verletzungen zu Aufwendungen alleine für die Krankenbehandlung und dann
für Renten- und Pflegeleistungen führen, die die vom Kläger für sein Unternehmen in der Vergangenheit und künftig entrichteten
Beiträge weit überstiegen. Stattdessen müsse zur Bildung von Gefahrengemeinschaften auf das durch statistische Erhebungen
belegte Risiko einer Branche bzw. einer Unternehmensart als Ganzes abgestellt werden. Lege man die von der Beklagten vorgenommenen
Ermittlungen in Ermangelung von in eine andere Richtung weisenden Anhaltspunkten als richtig zugrunde, dass nämlich das vom
Fachverband Betonbohren und -sägen in der Vergangenheit für seine Mitgliedsunternehmen ermittelte Belastungsausmaß durch Arbeitsunfälle
bereits 2004/2005 eine Belastungsziffer von 24,2 ergebe und es in den letzten Jahren eine weitere Erhöhung des Schadensrisikos
in der Betontrenntechnik gegeben habe, so liege das Schadensrisiko bei den Unternehmen der Betontrenntechnik sogar höher als
das gesamte Schadensrisiko der zur Gefahrtarifstelle 500 zusammengefassten Unternehmensarten mit einer sich aus den einzelnen
Belastungsziffern der Unternehmen bzw. Unternehmensarten ergebenden Gefahrklasse von 20,74.
Der Kläger hat gegen das ihm am 07. April 2014 zugestellte Urteil am 07. Mai 2014 Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen
vertieft. Es mache nicht nur von der Art der Arbeitsverrichtung, sondern auch vom Gefährdungsrisiko her einen essentiellen
Unterschied, ob der Kläger mit seinem Unternehmen reine Abbruchtätigkeiten verrichte oder tatsächlich im Rahmen von Neubauten
lediglich Wände für Installationen oder den Fußboden bzw. Fundamente schlitze, fräse und säge, damit dort in die herausgetrennten
Öffnungen Kabel, Rohre, Stände oder Ähnliches verlegt werden könnten. Er sei nicht im herkömmlichen Abbruchbereich mit schwerem
Abbruchgerät wie Hydraulikbaggern oder Abrissbirnen tätig. Maßgeblich sei für die Veranlagung die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit
und nicht die Selbstbezeichnung des Unternehmens oder die Zugehörigkeit zu einem Interessenverband. Es sei unverhältnismäßig,
ihn als Abbruchunternehmen zu veranlagen, wo er doch nur zu 10 % im Bereich der Abbruchtechnik tätig sei. Jedenfalls sei die
im Veranlagungsbescheid vorgenommene Einordnung rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt habe
und das Unternehmen des Klägers nicht der Gefahrtarifstelle 350 zugeordnet habe, also der Gefahrtarifstelle, in der der Kläger
mit seinem Unternehmen überwiegend tätig sei. Die hilfsweise beantragte Einordnung in die Gefahrtarifstelle 300 erkläre sich
daraus, dass der Kläger mit seinem Unternehmen ebenfalls zu 10 % im Bereich Verkehrswege-, Erd- und Leitungsbau tätig sei.
Der höchst hilfsweise gestellte Antrag auf Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 200 ("Bauausbau und Fertigteilherstellung") erkläre
sich daraus, dass der Kläger mit seinem Unternehmen z.B. durch das Schlitzen von Fundamenten für Elektro- und Sanitärinstallationen
oder durch Sägen, Fräsen oder Schlitzen von Fundamenten im Bauausbau tätig sei. Bei alldem sei auch die Bildung der Gefahrtarifstelle
500 rechtswidrig, weil hier in unzulässiger Weise Gewerbe mit ganz unterschiedlichen Schadensrisiken zusammengefasst würden.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. März 2014 und den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 25. November 2011 in
der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn zur Gefahrtarifstelle
350, hilfsweise zur Gefahrtarifstelle 300, höchst hilfsweise zur Gefahrtarifstelle 200 des ab dem 01. Januar 2012 geltenden
Gefahrtarifs zu veranlagen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakte, insbesondere
auf die Gefahrtarife der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger ist durch den Bescheid
der Beklagten vom 25. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20. April 2012 nicht beschwert. Die Beklagte
hat den Kläger zutreffend zur Gefahrtarifstelle 500 des Gefahrtarifs 2012 und zur Gefahrklasse 20,74 veranlagt.
Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist §
159 Abs.
1 Satz 1
SGB VII, wonach der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt.
Die von den Unternehmern allein aufzubringenden Beiträge berechnen sich nach dem Finanzbedarf der Berufsgenossenschaften,
den Arbeitsentgelten der Versicherten und dem in der Gefahrklasse zum Ausdruck kommenden Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen
(§§
153 Abs.
1,
157 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Um eine Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr zu ermöglichen, muss jede Berufsgenossenschaft einen Gefahrtarif
aufstellen. Dieser Gefahrtarif ist vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen, und in ihm sind zur Abstufung
der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§
157 Abs.
1 Satz 1 und
2 SGB VII). Er ist nach Tarifstellen zu gliedern, denen jeweils eine aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten
errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist. In den Tarifstellen sind unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs
Gruppen von Unternehmen oder Tätigkeitsbereiche mit gleichen oder ähnlichen Gefährdungsrisiken zu Gefahrengemeinschaften zusammenzufassen
(§
157 Abs.
1 bis
3 SGB VII). Hierbei können die Kriterien, die unter Geltung der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) aufgestellt worden sind, herangezogen werden, da bei der Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das
Sozialgesetzbuch als
SGB VII im Wesentlichen das zuvor geltende Recht der
RVO übernommen worden ist und auch die neu eingeführte Vorschrift des §
157 Abs.
2 Satz 1
SGB VII über die Bildung der Gefahrtarifstellen lediglich der bisherigen Praxis der Berufsgenossenschaften Rechnung trägt (vgl. Begründung
des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/2204, S. 73, 110 ff.). Angesichts dieser vom Gesetzgeber gewollten
Kontinuität behält die Rechtsprechung zur Bildung von Gefahrtarifen nach der
RVO auch für das geltende Recht ihre Bedeutung. Es ist daher davon auszugehen, dass Gefahrtarife durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
unbeschadet der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (vgl. §
158 Abs.
1 SGB VII) überprüfbar sind, als autonom gesetztes objektives Recht (vgl. §
157 SGB VII, §§
33 ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV)) allerdings nur daraufhin, ob sie mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage enthält, und mit sonstigem höherrangigen
Recht vereinbar sind. Den Unfallversicherungsträgern ist als ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen
Körperschaften ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen
Ermächtigung Recht setzen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 - B 2 U 21/02 R, zitiert nach juris Rn. 21). Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft,
ist nicht Aufgabe der Gerichte; die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung
des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegt vielmehr den Unfallversicherungsträgern
(vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 - B 2 U 8/12 R -, zitiert nach juris Rn. 18). Bei komplexen und sich sprunghaft entwickelnden Sachverhalten ist ihnen ein zeitlicher Anpassungsspielraum
zuzubilligen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln in den Regelungen abzuhelfen. Die Bildung
des Gefahrtarifs muss allerdings auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen.
Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen
Grundlage erlassen werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 - B 2 U 21/02 R, zitiert nach juris Rn. 21).
Die Beklagte hat diese gesetzlichen Vorgaben in ihrem am 01. Januar 2012 in Kraft getretenen Gefahrtarif in der Weise umgesetzt,
dass sie als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen entsprechend den Gewerbezweigen die Unternehmensarten
gewählt hat. Ein solcher Tarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche
Unfallrisiken aufweisen und die Unternehmensart deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften
darstellt. Die Risikobewertung nach diesem Prinzip ist damit im Grundsatz mit den Zielvorstellungen und Wertentscheidungen
des Gesetzes und der Verfassung vereinbar, wie das BSG für den dem Begriff der Unternehmensart vergleichbaren Begriff des Gewerbezweigs in zahlreichen Entscheidungen bekräftigt
hat. Die Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr ist Ausdruck des Versicherungsprinzips, das im Beitragsrecht
der gesetzlichen Unfallversicherung konsequenter als in anderen Zweigen der Sozialversicherung verwirklicht ist. Die Veranlagung
nach Gefahrklassen soll eine möglichst gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten. Anknüpfungspunkt
für die Definition und den Zuschnitt von Unternehmensarten sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen. Da ein
gewerbezweigorientierter Gefahrtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse
bei technologisch verwandten Betrieben bezieht, kommt es für die Bildung der Unternehmensarten und die Zuordnung zu ihnen
auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, die ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse,
die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die
gesamte Arbeitsumgebung geprägt werden. Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen eine Vergleichbarkeit
sprechende Gesichtspunkte beschränken, sondern muss alle das Gefährdungsrisiko beeinflussende Faktoren einbeziehen (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 2 U 2/05 R -, zitiert nach juris Rn. 20 ff.).
Da die Gliederung der Unternehmensarten nach dem klassischen Technologieprinzip, also in Anknüpfung an die Art der erzeugten
Güter und die Art und Weise ihrer Herstellung oder Bearbeitung, in der modernen Dienstleistungsgesellschaft zunehmend an Bedeutung
verliert, können für eine sachgerechte Abgrenzung auch andere Merkmale wie einschlägige berufsrechtliche Regelungen oder bestehende
verbandsorganisatorische Strukturen herangezogen werden. Dennoch bleiben auch unter den veränderten Bedingungen der heutigen
Berufs- und Arbeitswelt für den Zuschnitt der Unternehmensarten in erster Linie Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend,
da sie den zuverlässigsten Aufschluss über die Unfallgefahren in den Unternehmen geben. Namentlich bei heterogen zusammengesetzten
Unternehmensarten muss aber geprüft werden, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran
geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen
Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt der
Unternehmensart erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbständigung als eigene
Unternehmensart oder auf Zuteilung einer anderen, "passenderen" Unternehmensart folgen (vgl. BSG aaO., Rn. 23).
Bestrebungen nach Differenzierung und Berücksichtigung des individuellen Gefährdungsrisikos bei der Bildung von Unternehmensarten
sind jedoch Grenzen gesetzt, die sich aus der Funktion und der Systematik eines Gefahrtarifs ergeben. Eine Unternehmensart
kann nur dann als eigenständige Unternehmensart bzw. eigenständiger Gewerbezweig geführt werden, wenn die zugehörigen Betriebe
und Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung erreichen, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast nach versicherungsmathematischen
Grundsätzen (vgl. §
157 Abs.
2 Satz 1
SGB VII) berechnen lässt. Ist das nicht der Fall, müssen die in Rede stehenden Unternehmen einer der im Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft
ausgewiesenen Unternehmensart zugeordnet werden. Nach der einem solchen Tarif innewohnenden Logik kommen dafür aber nur solche
Gewerbezweige in Betracht, die technologisch verwandte Unternehmensarten beherbergen. Eine Zuordnung zu einer Unternehmensart
bzw. einem Gewerbezweig ohne Berücksichtigung technologischer Zusammenhänge, allein nach der Größe des Unfallrisikos, scheidet
dagegen aus, weil damit das Unternehmensartprinzip aufgegeben und die Systementscheidung für einen Unternehmensarttarif konterkariert
würde. Insofern unterscheiden sich die Vorgaben für die Zusammenstellung von Unternehmensarten von denjenigen bei der Bildung
der Gefahrtarifstellen, in denen durchaus auch technologisch nicht verwandte Unternehmensarten nach dem Belastungsprinzip
zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengefasst werden können.
Die Forderung eines Unternehmens, wegen eines erheblich abweichenden Grades der Unfallgefahr einer anderen Unternehmensart
zugeteilt zu werden, kann danach überhaupt nur mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden, wenn der Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft
mehrere für das betreffende Unternehmen in Betracht kommende Unternehmensarten ausweist und unklar ist, welcher von ihnen
es nach Art und Gegenstand zuzurechnen ist. Steht dagegen die nach technologischen Kriterien richtige Zuordnung fest, kann
die Zugehörigkeit zu der Unternehmensart nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation in Frage gestellt
werden. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Unternehmensartprinzip hat zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der
Unternehmensarten nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende
Unternehmen und Unternehmensarten gibt. Dass alle gewerbezugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen
zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden, als es ihrem tatsächlichen
Gefährdungsrisiko entsprechen würde, ist als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen. Zudem ist
der Solidarausgleich innerhalb des gesamten Systems der gewerblichen Berufsgenossenschaften auf den verschiedenen Ebenen zu
beachten, der vom Ausgleich innerhalb der Gefahrtarifstellen bis zum Ausgleich zwischen den Berufsgenossenschaften reicht
(vgl. BSG aaO., Rn. 24 f.).
Unter Berücksichtigung dieser vom BSG entwickelten Grundsätze ist weder die Bildung der Gefahrtarifstelle 500 noch die Entscheidung der Beklagten, den Kläger eben
dort zu veranlagen, zu beanstanden.
Die Gefahrtarifstelle 500 erfasst nach dem ab dem 01. Januar 2012 geltenden Gefahrtarif der Beklagten Abbruch und Entsorgung.
Diese Gefahrtarifstelle fasst nunmehr das Betonbohren, -sägen und -schneiden zusammen, wohingegen der alte Gefahrtarif hierbei
differenzierte: die Gefahrtarifstelle 100 mit der Gefahrklasse 16,1 ("Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus") sollte
nach den damaligen Erläuterungen auch den Teilbereich Betonbohren, -sägen und -schneiden erfassen, wohingegen Betonsägen und
-schneiden zum Rückbau von Bauwerken nur der Gefahrtarifstelle 500 (Gefahrklasse 27,3) des bis zum 31. Dezember 2011 geltenden
Gefahrtarifs zugeordnet war.
Zunächst machte die Beklagte in sachgerechter Weise von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch, indem sie - quasi gewerkeübergreifend
- die die Zusammenfassung zur einer Gefahrtarifstelle rechtfertigende Gemeinsamkeit zur Gefahrtarifstelle 500 offenbar im
Zerlegen und Zerkleinern von Bausubstanz bzw.- im Umgang mit zerlegter und zerkleinerter Bausubstanz und hierzu die - praktisch
in der Regel mit anfallende - Entsorgung sieht. Die auf diese Weise neu gebildete Unternehmensart "Abbruch und Entsorgung"
umfasst so u.a. auch alle Gefahrtarifstellen des vorangegangenen Gefahrtarifs, die Betonsägen etc. zum Inhalt hatten, ohne
dass bei dieser Zusammenfassung eingedenk des der Beklagten zukommenden weiten Gestaltungsspielraums sachwidrige Erwägungen
erkennbar sind.
Es ist weder etwas dafür konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte unzureichendes und nicht nachvollziehbares
Zahlenmaterial zu Grunde legte. Vielmehr verweist die Beklagte auf eigene Ermittlungen beim Fachverband Betonbohren und -sägen,
wonach allein fürs Betonbohren und -sägen sogar eine noch höhere Gefahrklasse von 24,2 anzusetzen gewesen wäre. Im Übrigen
werden unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§
103 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG)) grundsätzlich keine Ermittlungen auf bloße Behauptungen "ins Blaue hinein" geführt. Amtsermittlungen zur Prüfung der Plausibilität
der vorgelegten Daten erfolgen in der Sozialgerichtsbarkeit nur dann, wenn nachvollziehbar dargelegt wird, warum die von der
Beklagten vorgelegten Daten in einem Umfang unzutreffend sein könnten, der Auswirkungen auf die Bildung der Gefahrklasse haben
könnte (so i.W. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. März 2010 - L 3 U 33/09 -, zitiert nach juris Rn. 29).
Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt bei alldem auch im Übrigen nicht den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art.
3 Abs.
1 GG. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom
bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Da der Grundsatz, dass alle
Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern
soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Da die
Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands,
sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art.
3 Abs.
1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung
genügenden Typisierung gehalten hat (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 - B 2 U 8/12 R -, zitiert nach juris Rn. 51 ff.). Auch hieran gemessen sind für die Bildung der Gefahrtarifklasse 500 im Gefahrtarif 2012
der Beklagten sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte
und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere
ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.
Auch die Zuordnung des Klägers zur Gefahrtarifstelle 500 ist nicht zu beanstanden. Unstreitig handelt es sich beim Kläger
um ein Unternehmen, welches sich auf Betonschneide, -säge- und -bohrarbeiten spezialisiert hat. Diese Spezialisierung setzt
es - nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers - in verschiedenen Gewerken im (Spezial-) Tief- und Hochbau ein. Dem entspricht
die Selbstdarstellung des klägerischen Unternehmens etwa mit dem Firmenbriefkopf, aber insbesondere auch die Zugehörigkeit
des klägerischen Unternehmens zum Fachverband Betonbohren und -sägen Deutschland e.V. Dieser beschreibt in seinem Internetauftritt
(www.fachverband-bohren-saegen.de) die Tätigkeit eines Bauwerksmechanikers für Abbruch und Betontrenntechnik wiederum i.Ü.
dahin gehend, dass Gebäude oder Teile von Gebäude abgebrochen, Öffnungen wie für Fenster und Türen erstellt, Durchbrüche für
Installationsleitungen gebohrt oder gesägt werden. Zur Berufsausbildung gehören dementsprechend auch Grundlagen aller Tätigkeiten
am Bau, insbesondere am Hochbau. Auch hiervon ausgehend kommt nach der Systematik der von der Beklagten geschaffenen Gefahrtarifstellen
fraglos nur eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 500 in Betracht. Betonbohren, -sägen und -schneiden geben dem klägerischen
Unternehmen das Gepräge, welches nicht durch unterschiedliche Einsatzfelder etwa im (Spezial-) Tiefbau- oder Hochbau in Frage
gestellt wird.
Mithin haben Klage- und Berufung auch nicht mit den Hilfsanträgen des Klägers Erfolg. Es scheidet eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle
350, 300 und 200 nach dem zuvor Gesagten aus. Wenn nach den technologischen Kriterien die richtige Zuordnung feststeht, was
hier der Fall ist, kann die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensart insbesondere auch nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche
Belastungssituation, wie sie der Kläger vorträgt, infrage gestellt werden (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 21. Juni 2010 - L 2 U 137/08 -, zitiert nach juris Rn. 20).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionszulassungsgrund gemäß §
160 Abs.
2 SGG vorliegt.
Der Streitwert war nach §
197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) entsprechend der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG). Hiervon ausgehend schließt sich der erkennende Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei einem Streit über die richtige
Veranlagung eines Unternehmens zu einer im Gefahrtarif einer Berufsgenossenschaft ausgewiesenen Gefahrtarif insoweit an, als
ein Streitwert von mindestens in Höhe des dreifachen Auffangwerts angemessen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 03. Mai 2006 - B 2 U 415/05 B -, zitiert nach juris Rn. 3).