Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt bei geringfügiger Beschäftigung
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Elternunterhalt in Anspruch.
Die 1923 geborene Mutter der Beklagten lebt in einem Seniorenheim. Seit dem 1. Februar 1993 gewährt ihr der Kläger Sozialhilfe
nach § 68 BSHG, da die Mutter die Kosten des Heimaufenthalts aus ihren Einkünften und den - seit dem 1. Juli 1996 - erfolgten Leistungen
der Pflegeversicherung nicht vollständig aufbringen konnte. Die Zahlungen des Klägers beliefen sich 1995 auf 21.381,91 DM,
1996 auf 37.368,42 DM, 1997 auf 16.667,81 DM und 1998 auf 16.797,25 DM; im Jahr 1999 leistete der Kläger ähnlich hohe Beträge
wie im Jahre 1998. In den genannten Beträgen ist Wohngeld von höchstens 5.672,16 DM im Jahr enthalten.
Mit Schreiben vom 29. Januar 1993 wurde der Beklagten die Sozialhilfegewährung ab 1. Februar 1993 angezeigt. Gleichzeitig
wurde sie gebeten, Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Außerdem wurden die Unterhaltsansprüche
der Mutter gegen die Beklagte auf den Kläger übergeleitet. Mit Schreiben vom 20. November 1997 forderte der Kläger die Beklagte
auf, für die Zeit von August bis Dezember 1995 Unterhalt in Höhe von monatlich 102 DM und ab Januar 1996 in Höhe von monatlich
60 DM zu zahlen. Mit einem am 3. Dezember 1997 bei dem Kläger eingegangenen Schreiben teilte die Beklagte mit, daß sie die
von ihr verlangten 1.950 DM rückständigen Unterhalts nicht zur Verfügung habe; von ihrem geringen Einkommen blieben ihr monatlich
nur ca. 500 DM, mit denen sie ihren Ehemann entlaste. Mit Schreiben des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten
vom 4. Dezember 1997 wurde die Unterhaltsforderung zurückgewiesen. Nach weiterem Schriftverkehr teilte der Kläger unter dem
8. Februar 1999 mit, daß er an der Forderung festhalte. Mit Schreiben vom 19. November 1999 bezifferte er die Unterhaltsforderung
- nach einer erneuten Einkommensüberprüfung - für die Zeit ab Februar 1999 mit monatlich 190 DM.
Die verheiratete Beklagte, die den Familienhaushalt führt, verfügte über Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung,
und zwar zunächst in Höhe von monatlich 570 DM und im Jahre 1999 in Höhe von monatlich 620 DM. Für berufsbedingte Fahrtkosten
mußte sie 70 DM monatlich aufwenden. Der (volljährige) Sohn der Eheleute war bis Januar 1999 unterhaltsbedürftig. Der Ehemann
der Beklagten betrieb selbständig ein Unternehmen für Garten-, Landschafts- und Baumpflege. Darüber hinaus erzielte er Einkünfte
aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit. Seine Bruttoeinkünfte hieraus beliefen sich 1995 und 1996 auf jeweils 35.967,31 DM
und 1999 auf 38.318,02 DM. Die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb betrugen 1995 50.075 DM, 1996 45.252 DM und 1999 48.475 DM
(jeweils brutto und gerundet).
Die Eheleute bewohnen ein ihnen gehörendes, nicht belastetes Eigenheim mit einer Wohnfläche von mindestens 120 m². Der Ehemann
der Beklagten zahlte in dem streitigen Zeitraum auf ein privates Darlehen monatlich 81,53 DM an Zinsen und Tilgung. Auf betriebsbedingte
Darlehen erbrachte er Tilgungsleistungen von monatlich 1.401,90 DM. Die insoweit angefallenen Zinsen sind in den Gewinn- und
Verlustrechnungen des Gewerbebetriebs berücksichtigt.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Unterhaltsansprüche für die Zeit von August 1995 bis Dezember 1999 in Höhe von insgesamt
4.820 DM zuzüglich Zinsen geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei für 1995 in Höhe von monatlich
102 DM, für Januar 1996 bis Januar 1999 in Höhe von monatlich 60 DM und ab Februar 1999 in Höhe von monatlich 190 DM leistungsfähig,
weil sie nur mit einem Teil ihres Einkommens zum Familienunterhalt beizutragen habe.
Die Beklagte hat hinsichtlich der Unterhaltsforderungen aus dem Jahr 1995 die Einrede der Verjährung erhoben und im übrigen
geltend gemacht, die Ansprüche seien verwirkt. Außerdem hat sie ihre Leistungsfähigkeit in Abrede gestellt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil
teilweise abgeändert und die Klage bezüglich der für 1995 geltend gemachten Unterhaltsansprüche zuzüglich Zinsen abgewiesen,
weil die betreffenden Ansprüche verjährt seien. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter, soweit diesem nicht bereits entsprochen worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung
der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Rechtlich zutreffend ist das Oberlandesgericht, dessen Urteil in FamRZ 2002, 125 ff. veröffentlicht ist, allerdings davon ausgegangen, daß die Beklagte ihrer Mutter nach den §§
1601,
1602 BGB dem Grunde nach unterhaltspflichtig ist. Hierüber sowie über die Höhe des - die Klageforderung übersteigenden - Unterhaltsbedarfs
besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.
2. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für die - allein noch maßgebliche - Zeit ab Januar 1996 im Umfang der Klageforderung
für leistungsfähig gehalten. Hierzu hat es ausgeführt: Die Beklagte verfüge zwar - selbst unter Berücksichtigung eines Taschengeldanspruchs
gegen ihren Ehemann - nicht über Einkünfte, die über ihren unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt hinausgingen. Bei der Frage,
ob ihr angemessener Selbstbehalt gewahrt sei, dürfe aber nicht allein auf das eigene Einkommen der Beklagten abgestellt werden.
Vielmehr müsse auch das Einkommen ihres Ehemannes berücksichtigt werden, durch das ihr Bedarf vollständig oder zumindest weitgehend
gedeckt sei mit der Folge, daß sie jedenfalls im Umfang des Klagebegehrens leistungsfähig sei. Zur Begründung dieser Auffassung
werde in erster Linie von der Annahme ausgegangen, daß bei einer nur geringfügigen Nebentätigkeit des unterhaltspflichtigen
Ehegatten und einer vollständigen Sicherung des Unterhalts der Familie durch den vollschichtig tätigen Ehepartner das gesamte
Einkommen aus der Nebentätigkeit für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehe. Denn der geringfügig verdienende Ehegatte erfülle
durch die überwiegende Haushaltsführung seine Familienunterhaltspflicht bereits vollständig. Alternativ lasse sich die vertretene
Meinung aber auch auf die Erwägung stützen, daß jeder Ehegatte grundsätzlich nur den seinem Anteil am Gesamteinkommen entsprechenden
Teil seines Einkommens für den Unterhalt der Familie zur Verfügung stellen müsse und der verbleibende Teil seines Einkommens
für andere Unterhaltsforderungen eingesetzt werden könne. Im Fall einer nur geringfügigen Beschäftigung des Unterhaltspflichtigen
sei jedenfalls anzunehmen, daß diesem - im wesentlichen - die Haushaltsführung und dem anderen vorrangig die Gewährleistung
des Familienunterhalts entsprechend der zu unterstellenden Absprache der Ehegatten obliege. Der geringfügig beschäftigte Ehegatte
habe dann nur in kleinem Umfang zum Familienunterhalt beizutragen, im übrigen erfülle er seine Verpflichtung aus den §§
1360,
1360 a BGB durch die überwiegende Haushaltsführung. Ihm verbleibe deshalb der Teil seines Verdienstes, den er nicht für den Unterhalt
der Familie einsetzen müsse, so daß er insoweit zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen Verwandter leistungsfähig sei.
Beide Alternativen führten im vorliegenden Fall zu Unterhaltsansprüchen in der vom Kläger geltend gemachten Höhe. Das Jahresnettoeinkommen
des Ehemannes der Beklagten habe sich im Jahr 1995 auf 57.341,60 DM, im Jahre 1996 auf 54.060,40 DM und im Jahr 1999 auf 58.696,34
DM belaufen. Für die Jahre 1997 und 1998 seien keine Angaben zu den Einkünften des Ehemannes gemacht worden. Der Kläger habe
die Gewinne aus dem Gewerbebetrieb aus dem Durchschnitt der Jahre 1993 bis 1995 bzw. 1995 bis 1997 errechnet. Ebenso sei er
mit den zu entrichtenden Steuern verfahren. Diese Berechnung, die die Beklagte nicht benachteilige, sei vom Familiengericht
übernommen und von der Beklagten nicht beanstandet worden, so daß kein Anlaß bestehe, davon abzuweichen. Daraus ergebe sich
ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Ehemannes von 4.778 DM (1995), 4.505 DM (1996) und 4.891 DM (1999).
In Abzug zu bringen seien lediglich die Zahlungen auf das private Darlehen in Höhe von monatlich 82 DM (gerundet). Die Tilgungsleistungen,
die der Ehemann der Beklagten für betriebsbedingte Kredite erbringe (ca. 1.400 DM monatlich), seien dagegen nicht abzugsfähig.
Bei einem Gewerbebetrieb sei nämlich regelmäßig anzunehmen, daß mit einem Darlehensbetrag Wirtschaftsgüter angeschafft würden.
Die Abschreibung für diese Güter habe aber bereits Eingang in die Gewinn- und Verlustrechnung gefunden. Deshalb seien die
Tilgungsleistungen mittelbar bereits berücksichtigt. Ein Abzug hierfür würde insoweit zu einer doppelten Einkommensreduzierung
führen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers seien in den Gewinn- und Verlustrechnungen auch entsprechend
hohe Abschreibungen enthalten, so etwa im Jahre 1995 in Höhe von 37.353,56 DM. Diese Abschreibungen habe der Kläger - ebenso
wie die Rückstellungen - bei der Ermittlung des Betriebsgewinnes für 1995 in einer die Tilgungsleistungen übersteigenden Höhe
gewinnmindernd berücksichtigt. Daß im vorliegenden Fall von Besonderheiten auszugehen sei, die ausnahmsweise die Berücksichtigung
von Abschreibungen neben den Tilgungsleistungen gebieten könnten, sei von der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten nicht
vorgetragen worden.
Aufgrund seiner Einkünfte sei der Ehemann der Beklagten in der Lage, den Mindestbedarf der Familie zu decken. Dieser sei -
auch für die Zeit vor 1999 - in Anlehnung an die Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm für die Beklagte und ihren Ehemann
mit 4.000 DM anzusetzen. Für den bis Januar 1999 noch unterhaltsberechtigten Sohn sei ein Betrag von 930 DM hinzuzurechnen
(Gruppe 7 der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Januar 1996, aufgrund des zusammengerechneten Nettoeinkommens der Eltern). Ein
Anlaß, diesen pauschalierten Gesamtbedarf von 4.930 DM zu erhöhen, bestehe nicht, da die Beklagte einen Mehrbedarf nicht konkret
dargelegt habe. Eine nur pauschale Erhöhung komme nicht in Betracht, weil es sich bei den im Rahmen der Inanspruchnahme auf
Elternunterhalt maßgeblichen Selbstbehaltssätzen bereits um erhöhte Beträge handele. Der errechnete Gesamtbedarf sei allerdings
noch um den Wert des mietfreien Wohnens im eigenen Haus zu reduzieren, der vom Kläger mit rund 485 DM jedenfalls nicht zu
hoch angesetzt sei. Der sich sodann ergebende Mindestbedarf der Familie von zunächst 4.445 DM (4.000 DM + 930 DM - 485 DM)
und ab Januar 1999 - nach dem Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn - von 3.515 DM sei bereits durch das Einkommen
des Ehemannes der Beklagten weitgehend sichergestellt, so daß die Einkünfte der Beklagten nur in ganz geringem Umfang, nämlich
in der Zeit von Januar 1996 bis Januar 1999 in Höhe von monatlich 22 DM, zur Deckung des Familienbedarfs hätten herangezogen
werden müssen.
Aber auch die alternativ angestellten Erwägungen führten zur Annahme der Leistungsfähigkeit der Beklagten. Da ihr Einkommen
von (bereinigt) 500 DM in dem Zeitraum von Januar 1996 bis Januar 1999 10,16 % des Gesamteinkommens der Ehegatten von 4.923
DM (500 DM + 4.505 DM - 82 DM) ausgemacht habe, habe sie nur mit 51 DM (10,16 % von 500 DM) zum Familienunterhalt beitragen
müssen und über freies Einkommen von 449 DM verfügt. Für die Zeit ab Februar 1999 sei sogar von freien Einkünften von 493
DM monatlich auszugehen, so daß jeweils offenbleiben könne, ob die genannten Beträge nur zur Hälfte für Unterhaltszwecke eingesetzt
werden müßten.
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
3. a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß die Beklagte nicht bereits deshalb leistungsunfähig
ist, weil sie nicht über eigene Einkünfte verfügt, die ihren angemessenen Selbstbehalt übersteigen. Wie der Senat inzwischen
entschieden hat, kann auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Selbstbehalt
insoweit gewahrt sein, als er durch den ihm von seinem Ehegatten zu leistenden Familienunterhalt sein Auskommen findet. Die
Höhe des von jedem Ehegatten - abgesehen von der Haushaltsführung - zu leistenden Beitrags zum Familienunterhalt richtet sich
grundsätzlich nach dem Verhältnis der beiderseitigen unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommen. Soweit das Einkommen eines
Ehegatten zur Bestreitung des angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt wird, steht es ihm selbst zur Verfügung und kann
folglich für Unterhaltszwecke eingesetzt werden, sofern der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen insgesamt gewahrt
ist. Der nicht unterhaltspflichtige Ehegatte wird in solchen Fällen nicht mittelbar zum Unterhalt herangezogen, denn sein
eigener angemessener Familienunterhalt ist gedeckt; die durch Unterhaltsleistungen bedingte Schmälerung des Einkommens seines
Ehegatten braucht er nicht zu kompensieren, da auch dessen angemessener Unterhalt gesichert ist (Senatsurteile vom 15. Oktober
2003 - XII ZR 122/00 - FamRZ 2004, 366, 368 unter 2 e cc; vom 17. Dezember 2003 - XII ZR 224/00 - FamRZ 2004, 370, 372 unter 4 a und vom 14. Januar 2004 - XII ZR 69/01 - S. 8 f. unter 2 d aa - m.N. und zur Veröffentlichung vorgesehen -).
b) Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen mit einem unter dem Selbstbehalt liegenden Einkommen kann sich aber
auch dann ergeben, wenn er neben der Haushaltsführung zum Beispiel einer geringfügigen Nebenbeschäftigung nachgeht, das hieraus
erzielte Einkommen jedoch tatsächlich für eigene Zwecke verwenden kann (Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 aaO. unter 4 b
bb). Davon kann nach den getroffenen Feststellungen im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden. Die Beklagte hat
in dem am 3. Dezember 1997 bei dem Kläger eingegangenen Schreiben mitgeteilt, daß sie mit dem von ihr erzielten bereinigten
Einkommen von 500 DM monatlich ihren Ehemann entlaste. Daraus ist zu entnehmen, daß sie ihr Einkommen tatsächlich für den
Familienunterhalt zur Verfügung stellt.
c) Leistungsfähig kann ein Unterhaltspflichtiger aber auch dann sein, wenn und soweit er sein Einkommen zwar tatsächlich für
den Familienunterhalt einsetzt, hierzu jedoch rechtlich nicht verpflichtet ist, weil er bereits durch die ebenfalls übernommene
Haushaltsführung in ausreichender Weise zum Familienunterhalt beiträgt. Da die Ehegatten allerdings ihre persönliche und wirtschaftliche
Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen können, steht es ihnen grundsätzlich auch frei, Vereinbarungen über die
innerfamiliäre Arbeitsteilung zu treffen, die einen Ehegatten mehr belasten als den anderen. Die Mitwirkung an einer solchen
Gestaltung ist einem Ehegatten im Verhältnis zu seinen unterhaltsberechtigten Eltern nach Treu und Glauben aber dann verwehrt,
wenn ein erhebliches Mißverhältnis der beiderseitigen Beiträge zum Familienunterhalt vorliegt. In einem solchen Fall ist darauf
abzustellen, in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige rechtlich gehalten ist, über die Haushaltsführung hinaus zum Familienunterhalt
beizutragen (Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 aaO. unter 4 b bb).
Von einem erheblichen Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen zum Familienunterhalt kann nach den getroffenen Feststellungen
indessen nicht ausgegangen werden. Die Führung eines aus den Eheleuten und einem volljährigen Kind bestehenden Haushalts neben
einer geringfügigen Beschäftigung dürfte die Inanspruchnahme durch eine vollschichtige Erwerbstätigkeit jedenfalls nicht übersteigen.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß der Ehemann der Beklagten nicht nur einer abhängigen Arbeit als Fahrer nachgeht, sondern
zusätzlich selbständig tätig ist. Im Hinblick auf seine Lohneinkünfte (im Jahr 1998 durchschnittlich 2.437 DM netto im Monat)
kann nicht davon ausgegangen werden, daß er im Rahmen seiner abhängigen Beschäftigung deutlich weniger als vollschichtig arbeitet.
Wenn er darüber hinaus - wie sich aus den Gewinn- und Verlustrechnungen ergibt - in nicht unerheblichem Umfang im Rahmen des
von ihm geführten Betriebes tätig ist, so geht sein Gesamteinsatz jedenfalls über eine vollschichtige Tätigkeit hinaus. Unter
diesen Umständen ist aber die Annahme nicht gerechtfertigt, die Leistungen der Beklagten zum Familienunterhalt stünden in
einem erheblichen Mißverhältnis zu denjenigen ihres Ehemannes dergestalt, daß sie im Vergleich zu ihm weit überobligatorisch
arbeite und daher ihr Einkommen aus der Nebentätigkeit nicht zum Familienunterhalt einsetzen müsse. Mit Rücksicht darauf kann
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, der Beklagten stehe ihr gesamtes Einkommen oder zumindest
der überwiegende Teil hiervon für Unterhaltszwecke zur Verfügung.
d) Eine Fallgestaltung, bei der davon auszugehen ist, daß der Unterhaltspflichtige die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel
nicht benötigt, weil der von seinem Ehegatten zu leistende Familienunterhalt so auskömmlich ist, daß er bereits daraus angemessen
unterhalten werden kann, liegt ebenfalls nicht vor. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, solche Einkommensverhältnisse
seien etwa dann gegeben, wenn das bereinigte Einkommen dem doppelten Selbstbehalt der Ehegatten entspreche (so Günther Münchner
Anwaltshandbuch § 12 Rdn. 99), oder wenn es im Bereich der letzten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle liege (so Müller
Anmerkung zu OLG Frankfurt FamRZ 2002, 570, 571 f.), was vom Ergebnis her vergleichbar ist. Der Senat hat die Würdigung, bei entsprechenden Verhältnissen sei der auskömmliche
Familienunterhalt gewährleistet, im Grundsatz nicht beanstandet (Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 aaO. unter 4 b cc). Derartige
Einkommensverhältnisse liegen hier indessen nicht vor.
e) Deshalb kann sich eine Leistungsfähigkeit der Beklagten nur insoweit ergeben, wie ihr Einkommen zur Bestreitung des vorrangigen
angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt wird. Diese Beurteilung hängt entscheidend davon ab, wie der geschuldete Familienunterhalt
zu bemessen ist. Da dieser gemäß §
1360 a BGB seinem Umfang nach alles umfaßt, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten
und eventueller Kinder erforderlich ist und sich an den ehelichen Verhältnissen ausrichtet, kann er nicht generell mit den
Mindestselbstbehalten des Unterhaltspflichtigen und seines Ehegatten - gegebenenfalls unter Hinzurechnung des für den Kindesunterhalt
erforderlichen Betrages - angesetzt werden. Denn der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen steht außerhalb dessen Unterhaltsrechtsverhältnisses
zu seinen Eltern und ist rechtlich nicht verpflichtet, sich zu deren Gunsten in seiner Lebensführung einzuschränken. Was die
Ehegatten für ihren Familienunterhalt benötigen, muß vielmehr - ebenso wie der eigene angemessene Bedarf eines Unterhaltspflichtigen
- nach den im Einzelfall maßgebenden Verhältnissen, insbesondere unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensstellung, des
Einkommens, Vermögens und sozialen Rangs, bestimmt werden. Es entspricht nämlich der Erfahrung, daß der Lebensstandard sich
hieran ausrichtet (vgl. Senatsurteile vom 14. Januar 2004 - XII ZR 69/01 - unter 2 d bb; vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1700 und vom 19. Februar 2003 - XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 864).
f) Wie der Familienunterhalt danach zu bemessen ist, obliegt der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalls. Feststellungen
hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Seine Annahme, es bestehe keine Veranlassung, die als Familienunterhalt für
die Beklagte und ihren Ehemann angesetzten Mindestbedarfsbeträge von zusammen 4.000 DM zu erhöhen, weil es sich insofern bereits
um - gegenüber anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen - erhöhte Sätze handele und die Beklagte einen konkreten Mehrbedarf nicht
dargelegt habe, läßt sich nicht damit vereinbaren, daß sich der Lebensstandard erfahrungsgemäß an den Einkommensverhältnissen
ausrichtet. Der Senat hat zwar auch die Annahme, Einkünfte in einer etwas überdurchschnittlichen Größenordnung dienten im
wesentlichen der Finanzierung der Lebensführung, nicht gebilligt. Denn diese Annahme ist nicht damit in Einklang zu bringen,
daß die Sparquote in Deutschland in dem hier maßgeblichen Zeitraum rund 10 % des verfügbaren Einkommens betrug (vgl. Senatsurteile
vom 17. Dezember 2003 aaO. unter 4 b aa und vom 14. Januar 2004 - XII ZR 69/01 - unter 2 d cc). Dieser Gesichtspunkt vermag aber nichts daran zu ändern, daß der Lebensstandard einer Familie in der Regel
von dem zur Verfügung stehenden Einkommen abhängt.
Mit Rücksicht auf diese Umstände muß der für seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit darlegungsbelastete Unterhaltspflichtige
dann, wenn das Familieneinkommen - nach Berücksichtigung des Kindern eventuell geschuldeten Unterhalts - die ihm und seinem
Ehegatten zuzubilligenden Mindestbedarfssätze übersteigt, vortragen, wie sich der Familienunterhalt gestaltet und ob und gegebenenfalls
welche Beträge zur Vermögensbildung verwendet wurden. Soweit das Einkommen der Ehegatten nämlich nicht für den Familienunterhalt
verwendet, sondern einer Vermögensbildung zugeführt wird, ist der Ansatz eines aus dem Einkommen abgeleiteten Familienbedarfs
nicht gerechtfertigt (Senatsurteil vom 14. Januar 2004 - XII ZR 69/01 - unter 2 d cc). Die Beklagte hat in ihrem am 3. Dezember 1997 bei dem Kläger eingegangenen Schreiben geltend gemacht, ihr
Einkommen für den Familienunterhalt zur Verfügung zu stellen, ein Sparbuch oder Guthaben bei einem Geldinstitut besitze sie
nicht. Feststellungen dazu, wie der Familienunterhalt der Beklagten und ihres Ehemanns mit Rücksicht auf dieses Vorbringen
zu bemessen ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Hiervon hängt indessen ab, inwieweit die Beklagte ihr Einkommen
zur Bestreitung des Familienunterhalts einsetzen muß und ob ihr alsdann - nämlich nach Abzug des insoweit auf sie nach dem
Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte der Ehegatten entfallenden Anteils - freie Mittel verbleiben, die sie für den Elternunterhalt
einsetzen kann.
g) Danach kann das angefochtene Urteil in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben. Es ist
deshalb insoweit aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird die zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit
der Beklagten erforderlichen Feststellungen - eventuell nach ergänzendem Sachvortrag - nachzuholen haben.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Ehemannes der Beklagten durch das Berufungsgericht begegnet keinen
rechtlichen Bedenken zum Nachteil der Beklagten. Auch die Revision hat insofern keine Einwendungen erhoben.
b) Der Familienunterhalt umfaßt auch den zur Bestreitung der Wohnkosten notwendigen Aufwand der Familie. Soweit Ehegatten
über Wohneigentum verfügen und die Familie infolge dessen ganz oder teilweise mietfrei wohnt, braucht Erwerbseinkommen insoweit
nicht eingesetzt zu werden. Bezüglich der Bewertung des Wohnvorteils wird auf das Senatsurteil vom 19. März 2003 (FamRZ 2003,
1179, 1180 ff.) hingewiesen.
c) Die Ermittlung des Anteils, mit dem die Beklagte für den Familienunterhalt aufzukommen hat, hat sich nach dem Verhältnis
der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkommen der Ehegatten zu richten. In dem betreffenden Verhältnis haben sie auch
zum Familienunterhalt beizutragen. Das dürfte das Familiengericht verkannt haben, indem es die errechnete Einkommensquote
der Beklagten auf ihr Einkommen und nicht auf den angenommenen Familienbedarf bezogen hat (nämlich: 10,16 % von 500 DM = 51
DM statt: 10,16 % des angenommenen Bedarfs von 4.445 DM = 451,61 DM).
d) Ein sich unter Berücksichtigung ihrer anteiligen Beiträge zum Familienunterhalt ergebendes restliches Einkommen der Beklagten
ist grundsätzlich in voller Höhe - und nicht nur teilweise - für den Elternunterhalt einzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 14.
Januar 2004 S. 13 unter 4 b).
e) Soweit das Berufungsgericht eine Verwirkung der für die Zeit bis Oktober 1996 geltend gemachten Unterhaltsansprüche mit
der Begründung verneint hat, daß es an dem sogenannten Umstandmoment fehle, dürfte diese Auffassung keinen rechtlichen Bedenken
begegnen. Zwar pflegt ein Unterhaltspflichtiger in der Regel seine Lebensführung an die zur Verfügung stehenden Einkünfte
anzupassen, so daß er bei einer Unterhaltsnachforderung, mit der er nicht mehr zu rechnen brauchte, eventuell auf Mittel zurückgreifen
müßte, die an sich nicht für Unterhaltszwecke einzusetzen sind (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 aaO. 1699). Da im vorliegenden
Fall eine Leistungsfähigkeit der Beklagten allerdings nur insoweit in Betracht kommt, als ihr Einkommen nicht für den Familienunterhalt
einzusetzen war, sondern etwa einer Vermögensbildung zugeführt wurde, erscheint es nicht rechtsmißbräuchlich, falls sie in
dem betreffenden Umfang auf Elternunterhalt in Anspruch genommen wird.