Gründe:
I. Der Rechtsstreit betrifft die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Vergangenheit im Zugunstenwege; die Beteiligten
streiten darüber, ob bei Feststellung der Bedürftigkeit der Klägerin ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten
ihres Ehemannes vorzunehmen ist.
Die 1959 geborene Klägerin ist mit dem Regierungsamtmann a.D. F. E. G. verheiratet und Mutter einer am 13. Dezember 1985 geborenen
Tochter. Vom 15. Juni 1985 bis 30. September 1986 war sie als Studienreferendarin mit einem Entgelt von 1.800,-- DM monatlich
beschäftigt. Am 18. November 1986 meldete sie sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alhi. Ihr Ehemann bezog zu
diesem Zeitpunkt ein Ruhegehalt von Netto 2.850,30 DM monatlich sowie Kindergeld in Höhe von 50,-- DM. Er verwaltete ein Aktienvermögen
im Werte von rund 90.000,-- DM, das die Eheleute nach Angaben der Klägerin zur Sicherung der Ausbildung dem Kind übertragen
haben.
Mit Bescheid vom 19. Januar 1987 lehnte die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) den Antrag auf Alhi ab, weil das Einkommen
des nicht dauernd getrennt lebenden Ehemannes der Klägerin unter Berücksichtigung von Freibeträgen von 75,-- DM in der Woche
für den Ehemann und von je 35,-- DM wöchentlich für die Angehörigen den von der BA errechneten Leistungssatz der Alhi von
136,80 DM wöchentlich übersteige. Diesen Bescheid hat die Klägerin nicht angefochten.
Im Herbst 1986 hatte der Ehemann der Klägerin eine Reisemobil-Vermietung eröffnet. In diesem Gewerbebetrieb hat er unter Berücksichtigung
von Abschreibungen für die erworbenen Reisemobile Verluste, und zwar im Jahre 1986 19.672,24 DM, 1987 23.837,69 DM, 1988 18.963,89
DM und 1989 22.024,14 DM errechnet.
Nachdem die BA Gesangsunterricht der Klägerin gefördert hatte, war diese in der Spielzeit 1988/89 als Opernchorsängerin in
T. beschäftigt. Im Februar 1989 beantragte die Klägerin, über ihren Antrag auf Bewilligung von Alhi erneut zu entscheiden.
Sie berief sich dazu auf die zur Zeit des Ablehnungsbescheids vom 19. Januar 1987 noch nicht bekannten Verluste aus dem Gewerbebetrieb
ihres Ehemannes.
Diesen Antrag lehnte die BA durch Bescheid vom 18. September 1989 und Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 1989 mit der Begründung
ab, ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten finde nicht statt. Es widerspreche auch der Eigenart der Alhi
als Fürsorgeleistung, mehr als zwei Jahre rückwirkend Bedürftigkeit zu unterstellen, nachdem die Klägerin gegen den ursprünglichen
Ablehnungsbescheid keine Einwendungen erhoben habe. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit jenes Bescheids überwiege bei der im
Rahmen der Ermessenausübung vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der bestandskräftigen
Entscheidung gegenüber dem Interesse der Klägerin an einer Änderung und Nachzahlung. Ein Härtefall sei selbst dann nicht gegeben,
wenn die Klägerin im Vorgriff auf erwartete Nachzahlungen disponiert haben sollte.
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts [SG] Trier vom 22. Oktober 1990; Urteil des Landessozialgerichts
[LSG] Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 1991). Das LSG hat ausgeführt, die Neufassung des § 138 Abs. 2
Arbeitsförderungsgesetz (AFG) durch Art 1 Nr. 50 des 5. Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 - BGBl I, 1189 -) schließe den Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten zwar nicht
ausdrücklich aus. Diese Rechtsfolge ergebe sich jedoch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus
der der Begründung des Regierungsentwurfs eindeutig zu entnehmenden Zielsetzung des Gesetzgebers. Die gesetzliche Regelung
sei verfassungsgemäß.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsanwendung des LSG führe zu einer mit
fiktiver Einkommensanrechnung vergleichbaren Situation. Der mit der Neufassung des § 138
AFG durch das 5. AFG-ÄndG verfolgte Zweck sei unerheblich, solange er im Wortlaut keinen Niederschlag gefunden habe. Der Ausschluß des Verlustausgleichs
verletze die Art 3 Abs. 1, 6 Abs.
1, 12 Abs.
1, 14 Abs.
1 des Grundgesetzes (
GG) sowie die verfassungsrechtliche Garantie menschenwürdigen Daseins, die sich aus Art
1 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsgrundsatz des Art
20 Abs.
1
GG ergebe.
Die Klägerin beantragt,
1. die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 1991 und des Sozialgerichts Trier vom 22. Oktober 1990
aufzuheben;
2. unter Aufhebung des Bescheides vom 18. September 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 1989 die Beklagte
zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 19. Januar 1987 der Klägerin ab 18. November 1986 Arbeitslosenhilfe zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und verweist auf die zu § 138 Abs. 2
AFG i.d.F. des 5. AFG-ÄndG ergangene Rechtsprechung des BSG.
II.
Im Einverständnis mit den Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden (§
124 Abs.
2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat keinen Erfolg. Das Urteil des LSG beruht nicht
auf einer Gesetzesverletzung (§
170 Abs.
1
SGG).
Grundlage der von der Klägerin angestrebten Zugunstenregelung ist § 152 Abs. 1
AFG i.d.F. des Art 1 Nr. 40 des Gesetzes zur Ergänzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Leistungsmißbrauch
(8. AFG-ÄndG) vom 14. Dezember 1987 (BGBl I, 2602). Nach dieser Vorschrift kann ein Verwaltungsakt abweichend von § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ganz oder teilweise auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen
nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen. Diese Regelung macht die von der Klägerin angestrebte Rechtsfolge der Rücknahme
des bindend gewordenen Ablehnungsbescheids vom 19. Januar 1987 von dem gesetzlichen Merkmal der Rechtswidrigkeit und von einer
Ermessensentscheidung der BA abhängig. In letzterem liegt die Abweichung des § 152 Abs. 1
AFG von § 44 Abs. 1
SGB X. Das Anliegen der Klägerin setzt voraus, daß bei Erlaß des Bescheids vom 19. Januar 1987 entweder das Recht unrichtig angewandt
oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht
nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1
SGB X). Zwar handelt es sich bei dem Ablehnungsbescheid um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt; die erwähnten Voraussetzungen
für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes sind aber nicht gegeben, weil die im Gewerbebetrieb
des Ehemannes der Klägerin ab 1986 errechneten Verluste Bedürftigkeit der Klägerin als Voraussetzung für den geltend gemachten
Anspruch auf Alhi nicht ergeben. Mit Recht haben die BA und die Vorinstanzen einen Verlustausgleich zwischen verschiedenen
Einkommensarten zur Feststellung des bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigenden Einkommens (§ 138
AFG) abgelehnt.
Anspruch auf Alhi hat - u.a. hier nicht streitigen Voraussetzungen -, wer bedürftig ist (§ 134 Abs. 1 Nr. 3
AFG). Bedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist der Arbeitslose nach § 137 Abs. 1
AFG, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten sowie seiner Kinder, für die er Anspruch auf Kindergeld nach dem
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) oder auf eine das Kindergeld ausschließende Leistung für die Kinder hat, nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet
oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 nicht erreicht. Im Rahmen
der Bedürftigkeitsprüfung ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 2
AFG - in der hier anzuwendenden Fassung des durch das 7. AFG-ÄndG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I, 2484) eingefügten § 242 f Abs. 11
AFG - für das Jahr 1986 Einkommen des von der Klägerin nicht dauernd getrennt lebenden Ehemannes zu berücksichtigen, soweit es
jeweils 115,-- DM in der Woche übersteigt. Dieser Betrag erhöht sich um 55,-- DM für jede Person, der er aufgrund einer rechtlichen
oder sittlichen Pflicht nicht nur geringfügig Unterhalt gewährt; hierbei wird der Arbeitslose nicht mitgerechnet. Auf dieser
Grundlage hat die BA aus dem monatlichen Ruhegehalt des Ehemannes der Klägerin von 2.850,30 DM netto ein zu berücksichtigendes
Einkommen von 657,76 DM errechnet und davon 225,-- DM als Freibetrag einschließlich Erhöhungsbeträgen abgesetzt. Der Bescheidvordruck
gibt das im Berechnungsbogen enthaltene Vorgehen der BA insoweit nicht zutreffend wieder. Die Bedürftigkeit hat sie verneint,
weil der sich daraus ergebende Betrag von 432,76 DM den von der Klägerin zu erreichenden wöchentlichen Leistungssatz an Alhi
von 136,80 DM übersteigt.
Bei diesem Vorgehen hat die BA § 138 Abs. 2
AFG i.d.F. des Art 1 Nr. 50, 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 (BGBl I, 1189) nicht verkannt. Nach dieser Vorschrift sind Einkommen im Sinne der Vorschriften über
die Alhi alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Abzusetzen sind 1. die auf das Einkommen entfallenden Steuern, 2. Pflichtbeiträge
zur Sozialversicherung und zur BA sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen,
soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, 3. die notwendigen Aufwendungen
zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bis zum Inkrafttreten des 5. AFG-ÄndG am 1. August 1979 galten nach § 138 Abs. 2
AFG a.F. als Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und
zur BA oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfange und der Werbungskosten. Auf der Grundlage
dieser Vorschrift, namentlich des darin enthaltenen steuerrechtlichen Begriffs »Werbungskosten« hatte das BSG - wie im Steuerrecht
- einen Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommen für zulässig erachtet (BSGE 45, 60 ff). Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung zum Anlaß genommen § 138 Abs. 2
AFG neu zu fassen, weil sie »zu nicht erwünschten Ergebnissen« führe (so Schmidt, Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsgesetz, § 138 RdNr. 16 [Stand März 1987]). In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 138 Abs. 2
AFG i.d.F. des 5. AFG-ÄndG (BR-Drucks 1/79 Seite 30) heißt es:
»Die Vorschrift soll den Einkommensbegriff für die Alhi eigenständig gestalten und insbesondere von der Beachtung steuerrechtlicher
Gesichtspunkte lösen. Ein Verlustausgleich, wie er im Steuerrecht zwischen den Einkunftsarten möglich ist, findet daher bei
der Alhi zwischen den einzelnen Arten von Einnahmen nicht statt.«
Das gesetzgeberische Ziel der Neufassung des § 138 Abs. 2
AFG durch das 5. AFG-ÄndG steht damit außer Zweifel. Die gesetzliche Neufassung bringt allerdings das eigentliche Anliegen - den Ausschluß des
Verlustausgleichs zwischen verschiedenen Einkommensarten - nur unzulänglich zum Ausdruck. Das ist erstaunlich, zumal der Verlustausgleich
in anderen Leistungsgesetzen - worauf zurückzukommen ist - ausdrücklich ausgeschlossen wird. Immerhin deutet die Neufassung
des § 138 Abs. 2
AFG darauf hin, daß bei der Feststellung von Einkommen im Rahmen der Alhi eine vom Steuerrecht unabhängige Betrachtungsweise
geboten ist. Dem hat die Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf das nach der Begründung des Regierungsentwurfs klare Ziel
der Neuregelung entsprochen und einen Verlustausgleich im Bereich der Alhi als unzulässig erachtet (BSG SozR 4100 § 138 Nrn.
15, 26). Die Rechtsprechung ist damit einer methodischen Haltung gefolgt, die mit historischen Mitteln erkennbare Zwecke des
Gesetzes berücksichtigt, wenn das Gewollte nicht unmittelbar und deutlich im Gesetz selbst erklärt ist (vgl. Engisch, Einführung
in das juristische Denken, 7. Aufl, 1983, 250). Insofern wird die Begründung des Regierungsentwurfs durchaus als »Auslegungshilfe,
nicht aber als Ersatz für eine im Gesetz fehlende Regelung« herangezogen. Die dahingehende Kritik an der Rechtsprechung des
BSG durch Martens, SGb 1988, 165 ff; Sgb 1990, 565, 566 kann den Senat nicht überzeugen. Sie ist weitgehend durch steuerrechtliche Überlegungen geprägt und
vernachlässigt den abweichenden Regelungsgehalt des Sozialleistungsrechts. Der Ausschluß des Verlustausgleichs sowohl bei
dem Arbeitslosen selbst wie bei dessen Ehegatten im Bereich der Alhi ist keine vereinzelte Reaktion des Gesetzgebers auf eine
sich entwickelnde Rechtsprechung des BSG. Er findet sich vielmehr in einer Reihe von Gesetzen, die Ansprüche auf einkommensabhängige
Sozialleistungen begründen: Für die Sozialhilfe schließt § 10 der Verordnung zur Durchführung (DVO) des § 76 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vom 28. November 1962 (BGBl I, 692) einen Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkommensarten aus. Lediglich für Härtefälle
erlaubt die Vorschrift, die gesamtwirtschaftliche Lage des Einkommensbeziehers zu berücksichtigen. Damit soll vermieden werden,
daß Sozialleistungsempfänger auf Kosten der Allgemeinheit verlustreichen Tätigkeiten nachgehen (vgl. Oestreicher, Sozialhilfegesetz
mit Recht der Kriegsopferfürsorge - Komm., § 76 RdNr. 28 - Stand: Januar 1990; Gottschick/Giese, BSHG - Komm., 9. Aufl. 1985, § 10 DVO zu § 76
BSHG). Im Wohngeldrecht, das in § 12 Abs. 1 des Wohngeldgesetzes (WoGG) eine mit § 138 Abs. 2 Nr. 3
AFG fast wörtlich übereinstimmende Regelung enthält, wird der Anschluß des Verlustausgleichs aus dem unabhängig vom Einkommenssteuerrecht
festgelegten Begriff des Jahreseinkommens in § 10 Abs. 1
WoGG und der Aufzählung abzugsfähiger Beträge in den §§ 12 bis 17
WoGG hergeleitet (dazu: BVerwGE 28, 88, 90 f; Stadler/Gutekunst/Forster, Wohngeldgesetz - Kommentar, § 12 RdNr. 6 - Stand: 1. Oktober 1990; ferner: Nr. 11.24 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Wohngeldgesetz (WoGVwV) i.d.F. d. Bek. vom 13. Juni 1990 - BAnz Nr. 116 vom 27. Juni 1990; Beil. Nr. 116 a). Für die Ausbildungsförderung
bestimmt eine aufgrund des §
39 Abs.
4
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFÖG) vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft erlassene Verwaltungsvorschrift Nr. 21.1.2 zu § 21 BAFÖG: »Ein Ausgleich
mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten und Verlusten des Ehegatten findet nicht statt«. Im Kriegsopferrecht schließt die
Verordnung über die Einkommensfeststellung nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - (Ausgleichsrentenverordnung - AusglV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Juli 1975 (BGBl I, 1769) einen Verlustausgleich
zwischen einzelnen Einkommensarten aus. Auch nach § 11 Abs. 1 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes (
BKGG) i.d.F. der Bek. vom 21. Januar 1992 (BGBl I, 68) und § 6 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) ist bei der Feststellung von Einkommen der Berechtigten ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten und Verlusten
des Ehegatten nicht zulässig.
Diese Regelungen sprechen für einen allgemeinen Grundsatz des Sozialleistungsrechts, einen Verlustausgleich zwischen verschiedenen
Einkommensarten nicht vorzunehmen. Allerdings kann dies zur Folge haben, daß ein durch Verlustausgleich nicht gemindertes
Einkommen den Anspruch auf Alhi vollständig oder teilweise ausschließt. Die unter dem Gesichtspunkt fiktiver Einkommensanrechnung
geübte Kritik von Martens aaO. 165, 167 läßt indes die unterschiedlichen Funktionen der Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen
in einem gegliederten Sozialleistungssystem einerseits und steuerrechtlicher Tatbestände andererseits unberücksichtigt. Aufschlußreich
ist insofern, daß für den Bereich der Sozialhilfe, die eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten hat, für Härtefälle
die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Lage des Einkommensbeziehers vorgesehen ist (§ 10 Satz 2 DVO zu § 76
BSHG). Das ermöglicht der Verwaltung, zum Beispiel Anlaufschwierigkeiten bei begründeter Aussicht auf baldige Gewinnerzielung
oder kurzfristigem Bedarf bei Einkommensschwankungen Rechnung zu tragen (vgl. Gottschick/Giese aaO.). Um einen solchen Fall
handelt es sich hier nicht, denn nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin führte die Reisemobil-Vermietung ihres Ehemannes
seit der Gründung im Herbst 1986 bis einschließlich 1989 jährlich zu Verlusten in fünfstelliger Höhe. Ein Verlustausgleich
zugunsten sogenannter »Liebhabereien« findet aber auch im Steuerrecht nicht uneingeschränkt statt (vgl. Schmidt/Glanegger,
Einkommenssteuergesetz - Komm. - 7. Aufl. 1988, § 2 Anm. 10; Martens aaO. 166). Mit der Anspruchsvoraussetzung »bedürftig«
weist die Alhi ein Element der »Fürsorge« auf. Sie läßt sich diesem Bereich zwar nicht zwanglos zuordnen (vgl. Gagel/Ebsen,
Arbeitsförderungsgesetz - Komm., RdNr. 11 vor §§ 134 bis 141 - Stand: Mai 1991). Die Regelungen über die Berechnung der Leistung zeigen aber, daß es sich um eine lohnbezogene Leistung
handelt, die nicht ausschließlich durch den Bedarf des Arbeitslosen bestimmt wird (BVerfGE 75, 382, 392 f). Die mögliche Folge der Berücksichtigung durch Verlustausgleich nicht geminderten Einkommens steht deshalb einem
Verbot des Verlustausgleichs im Bereich der Alhi nicht entgegen. In einem solchen Fall hätte aufgrund der Härteregelung des
§ 10 DVO zu § 76
BSHG die Sozialhilfe subsidiär einzutreten. Bei dieser Rechtslage kann ungeklärt bleiben, inwieweit das Aktienvermögen des Kindes
in Höhe von rund 90.000,-- DM zu Einkünften führt, die zum Unterhalt des Kindes (§
1649 Abs.
1
BGB) und der Klägerin selbst sowie ihres Ehemannes (§
1649 Abs.
2
BGB) einzusetzen sind.
Dieses Verständnis des Gesetzes steht mit der Verfassung im Einklang. Für das Kindergeldrecht hat das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) den Ausschluß des Verlustausgleichs zwischen Ehegatten mit »Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität« gerechtfertigt,
da reale Verluste nicht ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu ermitteln seien (BVerfGE 82, 60, 104 f). Der Anspruch auf Alhi unterliegt nach ständiger Rechtsprechung nicht der Eigentumsgarantie nach Art.
14 Abs.
1
GG, denn es handelt sich nicht um eine aus Beitrags-, sondern aus Steuermitteln finanzierte Leistung (BVerfGE 45, 142, 170; BSGE 59, 227, 233 m.w.N.).
Auch die Berufsfreiheit des Ehemannes der Klägerin nach Art.
12 Abs.
1
GG ist nicht verletzt, denn es bleibt ihm unbenommen, eine Reisemobil-Vermietung mit Verlusten zu betreiben oder einzustellen.
Aus der Berufsfreiheit läßt sich kein Anspruch darauf herleiten, im Wege des Verlustausgleichs einkommensabhängige Leistungen
aus öffentlichen Mitteln zu erzielen und damit das Risiko der individuellen Gestaltung der Erwerbsverhältnisse auf die öffentliche
Hand abzuwälzen.
Der Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie (Art.
6 Abs.
1
GG) wird durch den Ausschluß des Verlustausgleichs zwischen verschiedenen Einkommensgruppen ebenfalls nicht beeinträchtigt.
Zwar ist der Schutz aus Art.
6 Abs.
1
GG auch darauf gerichtet, den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie zu fördern (BVerfGE 75, 382, 392 m.w.N.). Dies schließt aber nicht aus, in die Feststellung der Bedürftigkeit eines Ehepartners als Anspruchsvoraussetzung
für Alhi auch die Einkommensverhältnisse des anderen Ehepartners einzubeziehen. Art.
6 Abs.
1
GG verbietet nur eine Benachteiligung von Verheirateten beim Zugang zu staatlichen Leistungen. Eine solche Benachteiligung ist
durch den Ausschluß des Verlustausgleichs nach § 138 Abs. 2
AFG i.d.F. des 5. AFG-ÄndG nicht gegeben, da von § 137 Abs. 2 a
AFG Arbeitslose, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten gleichgestellt sind. Im
übrigen trifft der Ausschluß des Verlustausgleichs auch nicht verheiratete Arbeitslose. Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung
die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft als Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen berücksichtigt, sofern
dadurch die Ehe nicht diskriminiert wird (BVerfGE 17, 210, 217; 28, 324, 347; 69, 188, 205 f; 75, 382, 393).
Auch die Gleichheit vor dem Gesetz (Art.
3 Abs.
1
GG) ist gewahrt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist dieser Grundsatz verletzt, wenn eine Gruppe im Vergleich zu anderen
Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht nicht
bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 71, 146, 154 f; 75, 382, 393). Soweit die Klägerin eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetz damit begründet, daß
der generelle Ausschluß des Verlustausgleichs fiktive und reale Verluste gleich behandelt, kann dahinstehen, ob sich diese
Begriffe scharf abgrenzen lassen. Geht man mit der Revision davon aus, daß reale Verluste eine tatsächliche Minderung des
Familieneinkommens bedingen und sich somit auf die Existenzgrundlage der Familie unmittelbar auswirken, bestehen auch für
diese Regelung gewichtige Gründe. Zweck des Ausschlusses des Verlustausgleichs bei der Feststellung der Bedürftigkeit als
Voraussetzung für einkommensabhängige Leistungen ist es, der Abwälzung von Verlusten aus Erwerbstätigkeit auf die öffentliche
Hand entgegenzutreten, um eine sachliche Begrenzung öffentlicher Ausgaben zu bewirken. Im übrigen begegnet ein Ausgleich von
Verlusten aus selbständiger Erwerbstätigkeit deshalb Schwierigkeiten, weil sich die Auswirkungen der Verluste auf den Lebensunterhalt
der Familie zeitlich nur begrenzt fixieren lassen. Das Recht der Alhi kennt eine dem Veranlagungszeitraum des Steuerrechts
vergleichbare Kategorie nicht, so daß die Gefahr ungerechtfertigter Zuordnung von Verlusten zur Bezugsdauer von Sozialleistungen
mit Zufallsergebnissen nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. auch BSGE 45, 60, 66). Mit dem Ausschluß des Verlustausgleichs wird deshalb die Subsidiarität einkommensabhängiger Leistungen systemgerecht
durchgeführt. Für Dauerverluste - wie sie der Betrieb des Ehemannes der Klägerin herbeiführt - erkennt dies auch Martens aaO.
167 an. Auch bei nur zeitweise auftretenden Verlusten erscheint der Ausschluß eines Ausgleichs mit anderen Einkunftsarten
wegen der erörterten Zeitproblematik und der Eigenart der Alhi als der Höhe nach am früheren Arbeitsentgelt orientierter Fürsorgeleistung
sachgerecht. Wegen der Auffangfunktion der Sozialhilfe ist in § 10 DVO zu § 76
BSHG systemgerecht eine Härteregelung getroffen. In dem gegliederten Sozialleistungssystem ist deshalb eine Verletzung des Rechts
auf das Existenzminimum (Art.
1 Abs.
1; 20 Abs.
1
GG) durch das Verbot eines Verlustausgleichs im Bereich der Alhi nicht zu befürchten. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes
ergibt sich schließlich nicht aus einem Vergleich zu getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten. Insoweit liegen tatsächliche
Unterschiede auf der Hand, die eine unterschiedliche rechtliche Behandlung rechtfertigen. Bei den genannten Personengruppen
fehlt die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, an die § 137 Abs. 2 und 2 a
AFG anknüpfen.
Da die rechtlichen Voraussetzungen für das der Beklagten in § 152 Abs. 1
AFG eingeräumte und auferlegte Ermessen nicht gegeben sind, ist für die Entscheidung unerheblich, ob die Beklagte mit den von
ihr angestellten Ermessenserwägungen dem Zweck der Ermächtigung entsprochen hat (§
54 Abs.
2 Satz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1
SGG.