Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende GmbH gegen die Nachforderung
von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 40.235,34 Euro für die Tätigkeit ihres Gesellschafter-Geschäftsführers in der
Zeit vom 21.12.2012 bis zum 31.12.2015.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1995 gegründete GmbH, deren Stammkapital von 50 000 DM zunächst L O und U O hielten. Zur Beschlussfassung
in der Gesellschafterversammlung müssen mindestens 55 vH des Stammkapitals vertreten sein. Gesellschafterbeschlüsse werden
nach dem Gesellschaftsvertrag mit einfacher Mehrheit gefasst. Mit nicht notariell beglaubigtem und nicht im Handelsregister
eingetragenem Gesellschafterbeschluss vom 20.12.2008 vereinbarten die Gesellschafter die Notwendigkeit einer Mehrheit von
55 vH der Stimmen.
Der im April 2019 verstorbene F wurde 2008 zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Er übte die Tätigkeit zunächst ehrenamtlich,
ab 1.1.2012 entgeltlich aus. Nach dem Geschäftsführervertrag war Voraussetzung für eine ordentliche Kündigung die Abberufung
des F als Geschäftsführer mit mindestens 75 vH der Stimmen der Gesellschafter. Am 21.12.2012 übernahmen F 49 vH und L O 51
vH der Gesellschaftsanteile. Sozialversicherungsbeiträge zahlte die Klägerin danach nicht mehr.
Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd forderte Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des F als Geschäftsführer
in der Zeit vom 21.12.2012 bis zum 31.12.2015 in Höhe von 40.235,34 Euro nach (Betriebsprüfungsbescheid vom 22.1.2018, Widerspruchsbescheid vom 10.6.2020, Änderungsbescheid vom 29.7.2020). Die dagegen gerichtete Klage (Gerichtsbescheid vom 28.1.2021) und Berufung sind erfolglos geblieben . Die Klägerin könne sich weder auf Vertrauensschutz im Hinblick auf die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung des BSG berufen noch seien von F übernommene Bürgschaften und der Klägerin gewährte Darlehen geeignet, die notwendige beherrschende
Stellung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu begründen. Eine umfassende Sperrminorität habe er nicht gehabt. Der Gesellschafterbeschluss
von 2008 hätte zu seiner Wirksamkeit der Eintragung in das Handelsregister bedurft. Die Vorstellung, F verhindere Gesellschafterbeschlüsse
durch seine permanente Abwesenheit bei Gesellschafterversammlungen, sei abwegig (LSG Urteil vom 7.4.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
( §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Die Klägerin hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ( §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre
nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft folgende Fragen auf:
"1. Sind auch umfassende gesellschaftsrechtliche Sperrminoritäten, also solche, die nicht auf bestimmte Gegenstände begrenzt
sind, bei der Bestimmung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern selbst
dann irrelevant, wenn sie 'nur' in (nicht notariell beurkundeten) Gesellschafterbeschlüssen festgehalten sind,
2. Sind außerhalb des Gesellschaftsvertrages in (nicht notariell beurkundeten) Gesellschafterbeschlüssen statuierte 'Sperrminoritäten'
von Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern, die de facto einen tatsächlichen Einfluss auf deren Tätigkeit bewirken, bei
der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit zumindest zu berücksichtigen?"
Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits
beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen
ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit von GmbH-Geschäftsführern mit einer Minderheitsbeteiligung am Stammkapital (BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - BSGE 133, 245 = SozR 4-2400 § 7 Nr 61; BSG Urteil vom 29.6.2021 - B 12 R 8/19 R - juris RdNr 11 f und BSG Urteil vom 23.2.2021 - B 12 R 18/18 R - juris RdNr 22; jeweils mwN; vgl auch BSG Urteil vom 29.3.2022 - B 12 R 2/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 32 ff) fehlt.
Insbesondere mangelt es an Ausführungen zur Rechtsprechung des BSG zur Unbeachtlichkeit von nicht notariell beurkundeten und nicht in das Handelsregister eingetragenen, den Gesellschaftsvertrag
ändernden Beschlüssen der Gesellschafterversammlung (BSG Urteil vom 23.2.2021 aaO mwN). Inwieweit sich die aufgeworfenen Fragen nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen sollen, geht aus der Beschwerdebegründung
nicht hervor. Die Klägerin zitiert die Senatsurteile vom 11.11.2015 (B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28) und vom 14.3.2018 (B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35), ohne hinreichend deutlich zu machen, inwiefern sich die aufgeworfenen Fragen nicht auch schon anhand dieser Entscheidungen
klären lassen. Auch mit diesen Urteilen hat der Senat die Relevanz von außerhalb des Gesellschaftsvertrags eingeräumten Veto-Rechten
für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status von Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern und das Stimmverhalten
regelnden Vereinbarungen bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse verneint.
Soweit die Klägerin die Rechtsprechung des BSG zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit von Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern für rechtlich
falsch hält, ist dieser Vortrag nicht geeignet, die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu begründen. Dass
der Rechtsprechung des BSG in nicht geringem Umfang widersprochen werde und deshalb das BSG erneut damit befasst werden müsste (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 316), hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Die Behauptung der Klägerin, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN; BSG Beschluss vom 1.9.2021 - B 12 KR 27/21 B - juris RdNr 15).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und folgt der Festsetzung des LSG.