Bewertung von Ausbildungsanrechnungszeiten durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Beendigung eines auf Antrag begründeten Pflichtversicherungsverhältnisses in der gesetzlichen
Rentenversicherung.
Der am 26. August 1959 geborene Kläger besuchte nach Vollendung seines 16. Lebensjahres noch mehrere Jahre die Schule. Am
1. Januar 1980 begann er ein Hochschulstudium, das er am 31. Oktober 1984 abschloss. Im Hinblick auf seine selbstständige
Tätigkeit als Rentenberater ist der Kläger bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) seit dem 1.
Februar 1988 auf seinen Antrag in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.
Mit Schreiben vom 21. Januar 1997 begehrte der Kläger von der Beklagten die "Beendigung der Antragsversicherungspflicht" und
teilte mit, dass er seine Pflichtbeitragsleistung ab 1. Januar 1997 einstellen wolle. Er habe die Versicherungspflicht als
Selbstständiger seinerzeit auch im Hinblick auf die Anrechenbarkeit seiner Ausbildungszeiten beantragt, die damals noch bis
zu 13 Jahren betragen habe. Durch die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen auf Grund des Wachstums- und
Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) mit ihrer Beschneidung der Anrechenbarkeit von Ausbildungszeiten auf drei Jahre erleide
er im Alter eine massive Renteneinbuße. Eine angemessene Gegenleistung für seine Beiträge könne er jetzt nicht mehr erwarten,
sodass ein Verbleib in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihn unzumutbar sei.
Mit Bescheid vom 17. März 1997 lehnte die Beklagte den Antrag auf Beendigung der Versicherungspflicht unter Hinweis darauf
ab, dass die Antragspflichtversicherung nach §
4 Abs
4 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) nur bei Wegfall ihrer Voraussetzungen ende, nicht aber vorzeitig durch Willenserklärung des Versicherten beendet werden
könne. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. August 1997; Urteil des Sozialgerichts
>SG< vom 11. November 1999; Urteil des Landessozialgerichts >LSG< vom 25. April 2002). Das LSG hat seine Entscheidung im Wesentlichen
wie folgt begründet: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entlassung aus der Antragspflichtversicherung der Selbstständigen
unter Umwandlung seiner bisherigen Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge. Ein Austrittsrecht des Klägers jenseits der gesetzlichen
Vorschriften könne richterrechtlich nicht begründet werden. Allenfalls komme in Betracht, dass das Fehlen einer Austritts-
oder Beendigungsmöglichkeit gemäß Art
100 Grundgesetz (
GG) zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt werde. Die hierfür notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit
bestehe indessen nicht. Denn der Gesetzgeber habe parallel mit der Verkürzung anrechenbarer Ausbildungszeiten Verbesserungen
eingeführt, so auf das bisherige Erfordernis des Ausbildungsabschlusses verzichtet und für nicht anrechenbare Zeiten ein Nachzahlungsrecht
geschaffen. Mit Wirkung vom 1. Januar 2002 habe er die anrechenbare Zeit wieder auf acht Jahre erhöht. Der Gesetzgeber habe
außerdem in Rechnung stellen dürfen, dass die im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.
Oktober 1985 (1 BvL 7/83 -, BVerfGE 71, 1 = SozR 5120 Art 2 § 2 Nr 1) geschaffene Befreiungsmöglichkeit in der Praxis keine Rolle gespielt habe.
Der Kläger hat Revision eingelegt, die er im Wesentlichen verfassungsrechtlich begründet. Dass der Gesetzgeber ihn nach den
für ihn nachteiligen Änderungen auf Grund des WFG an der Antragspflichtversicherung festhalte, verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip
und den aus Art
14 Abs
1 GG folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Insoweit sei nach Art
100 GG eine Entscheidung des BVerfG einzuholen gewesen. Seine Rentenanwartschaft unterliege dem Schutz der Eigentumsgarantie. Diese
werde verletzt, weil ihm keine Möglichkeit eröffnet werde, das Pflichtversicherungsverhältnis zu beenden und seine bisherigen
Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge umzuwandeln. Bei der Abwägung zwischen dem Ausmaß seines Vertrauensschadens und dem
öffentlichen Interesse an den Gesetzesänderungen überwiege sein Individualinteresse. Nachdem die Bewertung schulischer Ausbildung
schon in der Vergangenheit stets verschlechtert worden sei, führten die Neuregelungen auf Grund des WFG bei ihm nunmehr zu
einer Renteneinbuße im Alter von mindestens 20 vH. In seinem Beschluss vom 9. Oktober 1985 habe das BVerfG bereits bei Rentenverkürzungen
von nur 3 bis 8 vH ein Austrittsrecht aus der Antragspflichtversicherung für verfassungsrechtlich geboten erachtet. Die vom
LSG aufgezählten flankierenden Maßnahmen des Gesetzgebers kompensierten die Verschlechterungen bei der Anrechenbarkeit von
Ausbildungszeiten nicht. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf die Verschlechterung der Bewertung von Zeiten schulischer
Ausbildung ab 2005 hingewiesen und seinen Befreiungswunsch auch auf diesen Umstand gestützt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. April 2002 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.
November 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August
1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn zum 1. Januar 1997 aus der Antragspflichtversicherung der Selbstständigen
unter Umwandlung seiner bisher gezahlten Beiträge in freiwillige Beiträge zu entlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil im Ergebnis für zutreffend. Sie steht auf dem Standpunkt, dass erst bei Eintritt des Leistungsfalls und
nach Maßgabe des dann geltenden Rechts entschieden werden könne, inwieweit Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung
bedeutsam würden und ob der Kläger von der angeblich verfassungswidrigen Norm betroffen sei. Bei der Bestimmung der Anrechnungszeittatbestände
wegen schulischer Ausbildung stehe dem Gesetzgeber im Übrigen eine weit gehende Gestaltungsfreiheit zu, zumal diese keinen
Bezug zu eigener Beitragsleistung hätten. Die Beklagte hat Vergleichsberechnungen vorgelegt.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20. August 1997 ist rechtmäßig. Zutreffend hat das SG die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz >SGG<) abgewiesen und das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass ihm ein Recht
zur Beendigung seiner auf Antrag begründeten Pflichtversicherung eingeräumt wird.
1. Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung war nicht bereits de lege lata kraft Gesetzes
beendet. Sie konnte von ihm auch nicht auf der Grundlage geltenden Rechts beendet werden.
Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger von der für Selbstständige nach §
4 Abs
2 SGB VI bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht und ist der gesetzlichen Rentenversicherung am 1. Februar 1988 als Pflichtmitglied
beigetreten. Eine in dieser Weise auf Antrag begründete Versicherungspflicht endet nach §
4 Abs
4 Satz 2
SGB VI mit Ablauf des Tages kraft Gesetzes, an dem ihre Voraussetzungen weggefallen sind, also bei Fortfall des für die Antragspflichtversicherung
maßgebenden Anknüpfungstatbestandes mit Ausnahme des von dem Versicherten gestellten Antrags. Diese Voraussetzung war und
ist nicht erfüllt. Wie das LSG auch festgestellt hat, ist der Kläger als Rentenberater bis heute nicht nur vorübergehend selbstständig
tätig. Die Regelung des §
4 Abs
4 Satz 2
SGB VI über die Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses ist abschließend mit der Folge, dass die einmal begründete Antragspflichtversicherung
von dem Kläger nicht gekündigt, widerrufen oder sonst durch Willenserklärung beendet werden kann (vgl KassKomm-Gürtner, §
4 SGB VI RdNr 29; Klattenhoff in Hauck/Noftz,
SGB VI K §
4 RdNr 48). Auch die Befreiungsvorschrift des §
6 SGB VI sah eine Möglichkeit zur Lösung von der Antragspflichtversicherung im Hinblick auf die Gesetzesänderungen durch das WFG nicht
vor.
2. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht ist ein Austrittsrecht aus der Antragspflichtversicherung auch nicht
verfassungsrechtlich geboten. Dem Kläger steht von Verfassungs wegen kein Recht zu, im Hinblick auf die Neuordnung und Neubewertung
des Anrechnungszeittatbestandes "schulische Ausbildung" auf Grund des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum
und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz
- WFG vom 25. September 1996 (BGBl I 1461) eine Austrittsmöglichkeit aus der Antragspflichtversicherung, etwa über einen entsprechenden
Befreiungstatbestand, zu verlangen.
a) Der Kläger hebt allerdings zu Recht hervor, dass durch die Regelungen des WFG mit Wirkung vom 1. Januar 1997 seine in Zukunft
zu erwartende Rente wegen einer Schlechterbewertung seiner Ausbildungsanrechnungszeiten erheblich gemindert wurde. Er weist
ferner zutreffend darauf hin, dass ab Januar 2005 diese Zeiten als Anrechnungszeiten überhaupt nicht mehr rentensteigernd
bewertet werden. Als der Kläger im Februar 1988 die Antragspflichtversicherung begann, war die Entrichtung von Pflichtbeiträgen
zusammen mit der sog Halbbelegung (§ 36 Abs 3 Angestelltenversicherungsgesetz >AVG<) Voraussetzung dafür, dass im Versicherungsfall
Ausfallzeiten, zu denen Schul- und Hochschulausbildungszeiten gehörten, angerechnet werden konnten. Ausfallzeiten wegen Ausbildung
waren im Höchstfall für neun Jahre zu berücksichtigen. Für sie waren 7,5 Werteinheiten je Kalendermonat zu Grunde zu legen
(§ 36 Abs 1 Nr 4 iVm § 32a Abs 3 Satz 3 AVG). Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt unter den Voraussetzungen des § 36 Abs 3 AVG anrechenbare (Ausbildungs-)Ausfallzeiten von 96 Monaten zurückgelegt. Hierdurch wären bei ihm 720 Werteinheiten für die relative
Rangstelle innerhalb der Versichertengemeinschaft bei Eintritt des Versicherungsfalls zu berücksichtigen gewesen. Eine Änderung
der Anrechnungsvoraussetzungen und erste Minderung der Bewertung trat bereits mit dem Inkrafttreten des
SGB VI am 1. Januar 1992 ein. Seit Einführung des
SGB VI waren einerseits weder Pflichtbeiträge noch die Halbbelegung Voraussetzung für die Anrechenbarkeit von Ausbildungsanrechnungszeiten
(den früheren Ausfallzeiten), andererseits wurde deren Anrechenbarkeit auf sieben Jahre und außerdem die mögliche Höchstbewertung
von Ausbildungsanrechnungszeiten auf 0,0625 Entgeltpunkte (EP) je Kalendermonat begrenzt (§
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 und §
74 Satz 2
SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1992 >RRG 1992< vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261). 100 Werteinheiten iS des AVG entsprechen dabei einem EP iS von §
58 SGB VI. Bereits diese beiden Begrenzungen führten beim Kläger zu einer Minderung des möglichen Höchstwertes von Ausbildungsanrechnungszeiten
auf 5,25 EP, dh um 27 vH des bis 1991 möglichen Wertes (maximaler Wert nach dem
SGB VI 0,0625 x 84 = 5,25 EP ~ 73 vH von 7,2 EP). Mit der vom Kläger beanstandeten Regelung im WFG griff der Gesetzgeber dann noch
weitergehend in die Bewertung von Ausbildungsanrechnungszeiten ein. Nunmehr wurde die Höchstdauer der wertmäßigen Berücksichtigung
von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung auf 36 Kalendermonate verkürzt (§
58 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB VI idF des Art 1 Nr 11 Buchst a Buchst aa des WFG), sodass höchstens 2,25 EP (0,0625 x 36) für Ausbildungsanrechnungszeiten zu berücksichtigen waren.
Bezogen auf die bis zum Inkrafttreten des
SGB VI beim Kläger zu berücksichtigenden 720 Werteinheiten (= 7,2 EP) bedeutete dies eine Minderung der Ausbildungsanrechnungszeiten
auf höchstens 4,95 EP, dh um mehr als zwei Drittel. Ein unmittelbarer Geldwert dieser EP besteht nicht, da er erst bei Eintritt
des Versicherungsfalls festgestellt werden kann. Bezogen auf einen fiktiven Versicherungsfall am 1. Januar 1997 hätte sich
bei Beachtung des damaligen aktuellen Rentenwerts (Wert des EP) von 46,67 DM eine "Rentenminderung" von 231,01 DM (4,95 x
46,67 DM) ergeben. Selbst die tatsächliche durch Ausbildungsanrechnungszeiten vermittelte Rangstelle, dh die Summe der EP
für Anrechnungszeiten, kann seit 1992 wegen der mit dem
SGB VI eingeführten Gesamtleistungsbewertung (§§
71 ff
SGB VI) allerdings erst bei Eintritt des Versicherungsfalls festgestellt werden. Diese Höhe kann für Ausbildungsanrechnungszeiten
erheblich niedriger als der angegebene Höchstwert sein, da die je Kalendermonat der Anrechnungszeit zu berücksichtigenden
EP ua von der Höhe der zu berücksichtigenden Entgelte abhängig sind. Ob die von der Beklagten vorgelegten Berechnungen, die
für Ausbildungsanrechnungszeiten von nur 0,0188 EP je Kalendermonat bei einem Versicherungsfall im Jahr 2024, aber Beitragszahlungen
nur bis zu den Jahren 1992, 1996 oder 2002 ausgehen, in diesem Zusammenhang realistisch sind, kann wegen der zum 1. Januar
2005 eingetretenen Rechtsänderung hier offen bleiben. Seit dem 1. Januar 2005 sind Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung
bei der Gesamtleistungsbewertung ohnehin nicht mehr zu bewerten (§
74 Satz 4
SGB VI idF des Art 1 Nr 13 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21. Juli 2004, BGBl I 1791), dh ihnen wird kein EP zugeordnet. Bezogen auf den aktuellen
Rentenwert ab 1. Januar 2005 (26,13 _ je EP) bedeutet dies gegenüber dem Rechtszustand bis zum Inkrafttreten des
SGB VI eine Minderung der zu erwartenden Rente beim Kläger um 188,14 _ (7,2 x 26,13 _). Dieser Verlust tritt beim Kläger bei einem
Versicherungsfall des Alters im Jahr 2024 selbst unter Berücksichtigung der Übergangsregelung in §
263 Abs
3 SGB VI (idF des Gesetzes vom 21. Juli 2004 >BGBl I 1791<) ein.
b) Auch wenn man zu Gunsten des Austrittsbegehrens des Klägers diesen völligen Verlust des Wertes der Ausbildungsanrechnungszeiten
berücksichtigt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Kläger an seiner Entscheidung für den Beitritt
zur Pflichtversicherung festgehalten wird. Insbesondere kann sich der Kläger für sein Austrittsbegehren nicht auf einen verfassungsrechtlich
gebotenen Vertrauensschutz berufen. Das BVerfG hat allerdings früher entschieden, dass einem Antragspflichtversicherten ein
Recht zum Austritt aus der Antragspflichtversicherung einzuräumen ist, weil der Gesetzgeber den Wert der Ausbildungsausfallzeiten
vermindert hatte und dadurch die zu erwartende Rente niedriger ausfiel (Beschluss vom 9. Oktober 1985 - 1 BvL 7/83 -, BVerfGE 71, 1 = SozR 5120 Art 2 § 2 Nr 1). Die besonderen Voraussetzungen, unter denen das BVerfG den Gesetzgeber seinerzeit zur Schaffung
eines Austrittsrechts für Antragspflichtversicherte angehalten hat, liegen bei dem Kläger jedoch nicht vor. Die Rechtsposition,
für die der Kläger Vertrauensschutz beansprucht und die allein Gegenstand des Vertrauensschutzes sein kann, ist die günstige
Bewertung der Ausbildungsanrechnungszeiten im Zeitpunkt seines Beitritts zur Pflichtversicherung im Februar 1988 und die Erwartung,
durch Entrichtung weiterer (Pflicht-)Beiträge diese rentensteigernde Wirkung seiner Ausbildungszeiten zu erhalten. Der Senat
kann offen lassen, ob die rentenrechtliche Position des Klägers bei Inkrafttreten des WFG am 1. Januar 1997 (bereits) den
Schutz der Eigentumsgarantie genoss. Ob sich der Kläger auf den (stärkeren) sachbereichsspezifischen Vertrauensschutz des
Art
14 GG berufen kann oder Art
2 Abs
1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art
20 Abs
3 GG) den verfassungsrechtlichen Maßstab bildet, braucht der Senat deshalb nicht zu entscheiden, weil die Versagung einer Austrittsmöglichkeit
aus der Antragspflichtversicherung selbst dann nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes verfassungswidrig wäre, wenn der Kläger
damals (bereits) über eine dem Schutz des Art
14 GG unterfallende Position verfügt hätte.
In seinem Beschluss vom 9. Oktober 1985 hat sich das BVerfG an seiner Forderung nach einem gesetzlichen Austrittsrecht aus
der Antragspflichtversicherung nur deshalb nicht gehindert gesehen, weil diese Forderung - im Verhältnis zu kraft Gesetzes
Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten - nicht zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führte. Es hat darauf hingewiesen,
dass solche Ergebnisse bei der Prüfung des Art
14 GG im Zusammenhang mit der Abwägung zwischen dem Ausmaß des individuellen Vertrauensschadens und dem öffentlichen Interesse
einen eindeutigen Vorrang des öffentlichen Interesses begründet hätten (BVerfGE 71, 1, 15 = SozR 5120 Art 2 § 2 Nr 1 S 5). Das BVerfG hat die Einräumung der Möglichkeit für Antragspflichtversicherte, ihr Pflichtversicherungsverhältnis
zu beenden, nur deshalb ausnahmsweise als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar angesehen, weil diese unter den seinerzeit
gegebenen Umständen durch die nachteiligen Gesetzesänderungen "besonders" betroffen waren (BVerfGE 71, 1, 12 und 17 = SozR 5120 Art 2 § 2 Nr 1 S 3 und 6; vgl auch BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 ua, 1 BvL 33/80 ua - BVerfGE 58, 81, 120 = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 17 f). Zur Vermeidung gleichheitswidriger Ergebnisse sowohl gegenüber kraft Gesetzes Pflichtversicherten
als auch gegenüber freiwillig Versicherten hat es das Austrittsrecht außerdem in einer bestimmten Modalität gefordert, nämlich
dass das Pflichtversicherungsverhältnis ohne Beitragserstattung für die Zukunft beendet wird und im Ergebnis eine rückwirkende
Umwandlung in ein freiwilliges Versicherungsverhältnis erfolgt. Die spezifischen Sachverhaltsumstände, die das BVerfG bei
seiner Entscheidung zu berücksichtigen hatte und die ein Austrittsrecht aus der Antragspflichtversicherung damals ausnahmsweise
geboten erscheinen ließen, sind für den Personenkreis, den der Kläger repräsentiert, nicht (mehr) prägend.
Mit der Situation von Personen, die wie der damalige Kläger der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund des Rentenreformgesetzes
1972 (RRG 1972) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) beigetreten waren und deren Ausbildungs-Ausfallzeiten zum 1. Januar 1978 abgewertet
wurden, war diejenige des Klägers nicht vergleichbar. Der Gesetzgeber hatte im Jahr 1972 die gesetzliche Rentenversicherung
für Selbstständige geöffnet, die zuvor weder kraft Gesetzes pflichtversichert waren noch die Voraussetzungen für die Versicherungsberechtigung
in Form der freiwilligen Versicherung erfüllten. Die Bewertung der Ausbildungs-Ausfallzeiten nach dem Durchschnitt ihrer Beiträge
veranlasste diese Personen in besonderer Weise, der gesetzlichen Rentenversicherung beizutreten. Bereits wenige Jahre später
sah sich der Gesetzgeber veranlasst, die Anrechnung von Ausbildungs-Ausfallzeiten zu begrenzen. Durch das Zwanzigste Rentenanpassungsgesetz
(20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040) wurden Ausbildungs-Ausfallzeiten ab 1. Januar 1978 in den Rentenversicherungen der Arbeiter
und Angestellten erheblich schlechter bewertet. Vor allem für auf Antrag Pflichtversicherte, die erst im fortgeschrittenen
Lebensalter der Pflichtversicherung beigetreten waren und ihrem Alter entsprechend hohe Beiträge geleistet hatten, war diese
Gesetzeskorrektur spürbar nachteilig (vgl die Ausgangsfälle im Beschluss des BVerfG vom 31. Mai 1983 - 1 BvL 13, 14/82 - BVerfGE 64, 192, 195 f). In einer vergleichbaren Situation befand sich der Kläger, der die Versicherungspflicht erst im Jahre 1988 beantragt
hat, nicht. Zum einen war das Institut der Antragspflichtversicherung zu diesem Zeitpunkt lange etabliert. Dem Selbstständigen,
der - wie der Kläger - erst viele Jahre nach ihrer Einführung der Antragspflichtversicherung beitrat, war diese deshalb in
ihren Voraussetzungen und Konsequenzen bekannt. Zum anderen stellten sich die Gesetzesänderungen durch das WFG für diesen
Personenkreis nicht gleichermaßen als "überraschend" dar. In dieser Zeit, in der Änderungen im Leistungsrecht der gesetzlichen
Rentenversicherung bereits mehrfach vorgenommen worden waren, war für jeden, der die Versicherungspflicht beantragte, erkennbar,
dass die gesetzliche Rentenversicherung in absehbarer Zukunft weiteren nachteiligen Änderungen unterworfen sein würde. Wer
der Pflichtversicherung wegen der mit ihr verbundenen Vorteile (Möglichkeit der Anrechnung von Ausbildungszeiten) beitrat,
konnte sich - anders als ein auf Grund des RRG 1972 beigetretener Selbstständiger - nicht darauf berufen, mit einer Abwertung bzw Kürzung einmal begründeter Vorteile (überhaupt)
nicht gerechnet zu haben.
Soweit das BVerfG ein Austrittsrecht Antragspflichtversicherter außerdem nur für den Fall als nicht gleichheitswidrig angesehen
hat, dass diese mit ihrem Austritt die Anrechnung von Ausbildungszeiten vollständig verloren (BVerfGE 71, 1, 15 f = SozR 5120 Art 2 § 2 Nr 1 S 5 f), kann diese Bedingung durch Personen wie den Kläger nicht (mehr) erfüllt werden.
Das BVerfG hat entschieden, dass gegenüber kraft Gesetzes Pflichtversicherten ein Austrittsrecht nur dann gerechtfertigt sein
könne, wenn der Gesetzgeber ausschließe, dass dem ausgetretenen Pflichtversicherten die in der Zeit zwischen seinem Beitritt
und dem Austritt geleisteten Beiträge als Pflichtbeiträge und damit auch die weiterhin anrechenbaren Ausbildungs-Ausfallzeiten
verblieben. Diese Forderung ergebe sich auch bei einem Vergleich mit Versicherten, die freiwillige Beiträge an die gesetzliche
Rentenversicherung gezahlt und gegenüber den Beitragspflichtigen mindere Rechte begründet hätten, insbesondere weil freiwillige
Beiträge nicht zur Erfüllung der Halbbelegung und damit nicht zur Anrechnung von Ausbildungs-Ausfallzeiten dienen könnten.
Seit 1992 hat die rückwirkende Umwandlung eines Pflichtversicherungsverhältnisses in ein freiwilliges Versicherungsverhältnis
hinsichtlich der Anrechnung von Ausbildungszeiten keine Schlechterstellung gegenüber kraft Gesetzes Pflichtversicherten mehr
zur Folge. Denn mit der Einführung des
SGB VI sind freiwillige Beiträge gegenüber dem bisherigen Recht leistungsrechtlich aufgewertet worden und tragen zur Erfüllung der
Merkmale einer Anrechnungszeit für Ausbildung in gleicher Weise bei wie Pflichtbeiträge. Der vom BVerfG in die Gleichheitsprüfung
eingestellte und für die Rechtfertigung des Austrittsrechts als maßgebend erachtete Unterschied in der Rechtsposition zwischen
Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten bei der Anrechnung von Ausbildungszeiten war und ist auch weiterhin nicht
mehr vorhanden.
Waren auf Antrag Pflichtversicherte unter den gegebenen Umständen nicht schutzbedürftiger als kraft Gesetzes Pflichtversicherte
und war die rückwirkende Umwandlung in ein freiwilliges Versicherungsverhältnis ab 1992 nicht mehr mit dem Verlust von Ausbildungsanrechnungszeiten
verbunden, so hätte die Einräumung eines Rechts zur Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses für Antragspflichtversicherte
wie den Kläger im Verhältnis zu kraft Gesetzes Pflichtversicherten einen Gleichheitsverstoß zur Folge. Nach der Rechtsprechung
des BVerfG begründete dieser bei der Abwägung zwischen dem Ausmaß des individuellen Vertrauensschadens und dem öffentlichen
Interesse einen eindeutigen Vorrang des öffentlichen Interesses. Vor diesem Hintergrund kommt dem Einwand der Revision kein
ausschlaggebendes Gewicht zu, dass das BVerfG in dem von ihm entschiedenen Verfahren schon bei einer erwarteten Rentenverkürzung
zwischen 3 und 8 vH den individuellen Vertrauensschaden so hoch bewertet hat, dass er nur noch durch ein Austrittsrecht aus
der Antragspflichtversicherung ausgeglichen werden konnte, und die zu erwartende Renteneinbuße hier ggf höher einzuschätzen
ist.
Der Senat nimmt die Ausführungen der Revision zum Anlass darauf hinzuweisen, dass der Status des Klägers als Pflichtversicherter
anders als derjenige freiwillig Versicherter die Möglichkeit eröffnet, eine Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit zu erhalten.
Die vom Kläger geforderte Beendigung der Pflichtversicherung unter rückwirkender Umwandlung seiner Pflichtbeiträge in freiwillige
Beiträge hätte den Verlust dieses Vorteils zur Folge.
Hiernach scheidet eine Vorlage an das BVerfG nach Art
100 Abs
1 GG aus. Die Revision des Klägers war zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.