Verbot widersprüchlichen Verhaltens
Anspruch auf ein faires Verfahren
Verstoß gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung
Verschaffung rechtlichen Gehörs
Gründe:
I
Im Streit ist die Berücksichtigung des Einkommens des Herrn L. bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis 31.12.2010.
Die Klägerin wohnt seit 1975 mit Herrn L. zusammen. 1986 erfolgte der Umzug in ein gemeinsam finanziertes und im jeweils hälftigen
Eigentum stehendes Eigenheim. Die laufenden Ausgaben für die Finanzierung des Hauses, die Versorgung mit Energie und den Telefonanschluss
finanzieren sie seither über ein gemeinsames Konto. Darüber hinaus verfügen beide über eigene Konten, für die dem jeweils
anderen eine Verfügungsvollmacht erteilt worden war. Für die das Hauseigentum und den Hausrat betreffenden Versicherungen
sind beide Versicherungsnehmer. Nachdem der Beklagte der Klägerin ab Mitte 2005 zunächst Alg II bewilligt hatte, lehnte er
eine Fortzahlung für die Zeit ab Juni 2007 ab, da die Klägerin in einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn L. lebe und ihr Hilfebedarf
durch die Berücksichtigung seines Einkommens gedeckt werden könne.
Nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung des Herrn L. als Zeugen hat das SG die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Klägerin hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, die Klägerin sei nicht hilfebedürftig. Sie lebe mit Herrn L. in einer auf Dauer angelegten Verbindung, sodass
die Vermutung bestehe, die Partner fühlten sich derart füreinander verantwortlich, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt
sicherstellten, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten. Die Klägerin habe diese
Vermutung nicht widerlegen können. Darauf, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen von der erteilten Vollmacht niemals
Gebrauch gemacht habe, komme es nicht an, denn bereits die diesbezügliche Verfügungsbefugnis genüge, um eine Partnerschaft
zu indizieren. Maßgeblich bleibe insoweit das Bestehen einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft, die daneben keine Lebensgemeinschaft
gleicher Art zulasse und sich durch eine enge innere Bindung auszeichne, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander
begründe.
Auf die von der Klägerin eingelegte Revision hat der erkennende Senat die Sache durch Urteil vom 23.8.2012 (BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32) an das LSG zurückverwiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er das Bestehen
einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne einer Einkommens- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen der Klägerin und Herrn L. auf
Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen könne. § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II normiere für das Vorliegen einer solchen drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten: Es müsse sich 1. um Partner
handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebten und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige
Wille anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Bei den Kriterien zu 1. und 2. - nämlich
der Partnerschaft und des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt - handele es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen,
die nach der Systematik des § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II jeweils zusätzlich zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssten. Von dem
Bestehen einer Partnerschaft sei auszugehen, wenn eine Ausschließlichkeit der Beziehung in dem Sinne gegeben sei, dass sie
keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulasse. Zudem müsse zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten
die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen. Das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II erfordere das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". Die Vorschrift stelle mithin ihrerseits auf zwei Elemente
ab, das Zusammenleben einerseits und das "Wirtschaften aus einem Topf" andererseits. Dies bedeute, dass die Partner in "einer
Wohnung" zusammenleben und die Haushaltsführung an sich sowie das Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch
beide erfolgen müsse. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren werde das LSG ggf auch die Widerlegung der Vermutung des Einstands-
und Verantwortungswillen erneut zu überprüfen haben.
Das LSG hat nach Vernehmung der Zeugen K., P. und H. sowie informatorischer Anhörung der Klägerin die Berufung gegen das Urteil
des SG Hannover vom 28.4.2009 erneut zurückgewiesen. Abgesehen von Zweifeln an der Vereinbarkeit der Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II mit Art
3 Abs
1 und Art
6 Abs
1 GG, hat es unter Anwendung der vom BSG formulierten Vorgaben und nach umfassender Würdigung des Sachverhalts das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft
festgestellt und damit die Hilfebedürftigkeit der Klägerin verneint. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG. Sie rügt Verfahrensfehler des LSG (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler des LSG - Verstöße gegen das "Verbot des widersprüchlichen
Verhaltens" und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das "Übergehen eines Beweisantrags" und das Verbot einer "Überraschungsentscheidung"
- sind nicht in dem erforderlichen Maße von ihr dargelegt worden.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller
Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 §
160a Nr 14, 36). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Der Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, ist ferner so genau zu bezeichnen, dass er für das BSG ohne Weiteres auffindbar ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5); ist er nicht in dem letzten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt worden, ist ferner darzulegen,
dass er bis zur Entscheidung des LSG aufrechterhalten wurde (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
1. Soweit die Klägerin im Hinblick auf die zu erwartende Aussage der Zeugin Sch. und die Unterstellung deren erwarteter Aussage
als wahr durch das LSG sowie dessen nach Auffassung der Klägerin im Ergebnis hierzu im Widerspruch stehenden Beweiswürdigung
einen Verstoß gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens rügt, hat sie diesen Verfahrensfehler bereits nicht hinreichend
bezeichnet. Das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens ist Ausfluss des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Dieses
Verfahrensgrundrecht (Art
103 GG, §
62 SGG) soll nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des BVerfG verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen
oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Der aus Art
2 Abs
1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards,
wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten, das Verbot widersprüchlichen Verhaltens oder einer Überraschungsentscheidung
nicht gewahrt werden (vgl BVerfGE 78, 123, 126; BVerfG SozR 3-1500 § 161 Nr 5; BSG SozR 3-1750 § 565 Nr 1; SozR 3-1500 § 112 Nr 2; BSG Beschluss vom 25.6.2002 - B 11 AL 21/02 B; vgl insbesondere auch BSG vom 17.4.2013 - B 9 V 36/12 B - SozR 4-1500 § 118 Nr 3 RdNr 16). Derartiges hat die Klägerin jedoch nicht dargetan. Sie trägt vielmehr vor, dass sie einen
Beweisantrag gestellt habe, im Hinblick auf die getrennte Haushaltsführung von ihr und Herrn L. sowie das "Wirtschaften aus
einem Topf". Dieser Beweisantrag sei auch protokolliert und vom LSG beschieden worden. Das LSG habe die von der Klägerin angekündigte
Aussage der Zeugin Sch. zu diesen Tatsachen als wahr unterstellt, sei im Ergebnis jedoch gleichwohl zu der Auffassung gelangt,
die Klägerin und L. hätten einen gemeinsamen Haushalt geführt und aus einem "Topf gewirtschaftet". Damit rügt sie jedoch die
Beweiswürdigung des LSG und bringt kein widersprüchliches Verhalten des Gerichts dar.
2. Auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung kann die Verfahrensrüge nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG jedoch nur dann gestützt werden, wenn hinreichend dargelegt wird, dass die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten
worden sind. Abgesehen davon, dass die Klägerin diesen Verfahrensmangel gar nicht bezeichnet hat, ist auch ihren Ausführungen
nicht zu entnehmen, worin eine derartige Grenzüberschreitung durch das LSG bestehen soll. Sie macht lediglich geltend, dass
das LSG bei nach ihrer Auffassung zutreffender Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen. An einer Auseinandersetzung
damit, dass das LSG in Abwägung zwischen der von ihm als wahr unterstellten Aussage der Zeugin Sch. und anderen Tatsachen,
etwa durch einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze zu dem Ergebnis seiner Beweiswürdigung gelangt
ist oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat, mangelt es jedoch. Derartige
Darlegungen wäre jedoch erforderlich gewesen, denn die Beweiswürdigung ist nicht dem äußeren Verfahrensgang zuzuordnen, also
kein Verfahrensfehler, sondern ein Mangel in der Urteilsfindung (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 10; s nur BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 18/04 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 16). Sie ist nur dann, wenn sie auf einem der benannten Verstöße beruht, verfahrensfehlerhaft
iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG.
3. Auch soweit es das Übergehen eines Beweisantrags betrifft, ist der behauptete Verfahrensfehler nicht ausreichend dargebracht.
Die Klägerin hat zwar den ihrer Ansicht nach übergangenen Beweisantrag benannt und auch dargelegt, was die Vernehmung der
Zeugin Sch. erbracht hätte. Es mangelt jedoch an Ausführungen dazu, dass die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Vernehmung
der Zeugin Sch. beruht. Ausgangspunkt ist insoweit die Rechtsauffassung des LSG. Dieses hat hierzu ausgeführt, dass es die
in der mündlichen Verhandlung am 24.4.2014 von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter Beweis gestellten Tatsachen
zugrunde lege, soweit diese nicht die eigenen Angaben der Klägerin und die der Sache nach unbestrittenen Angaben der anderen
Zeuginnen durch apodiktische Vereinfachungen modifizierten und daher ihrerseits schon keinen substantiierten Vortrag darstellten
oder bloße ergebnisbezogene Wertungen im Hinblick auf die vom BSG in dessen Revisionsurteil vom 23.8.2012 aufgestellten Anforderungen an das Vorliegen einer Partnerschaft darstellten und
deshalb einem auf die Feststellung von Tatsachen bezogenen Zeugenbeweis nicht zugänglich seien. Das LSG ist insbesondere davon
ausgegangen, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt, soweit sie nicht über eigene Mittel verfügte, in der mit Schriftsatz
vom 24.3.2014 geschilderten Weise mit Hilfe ihrer Schwester bestritten habe. Auch hat das Berufungsgericht die Angaben der
Klägerin der durchgängig getrennten Erledigung der Wäsche und der schon wegen unterschiedlicher Essgewohnheiten immerhin überwiegend
getrennten Zubereitung der Mahlzeiten berücksichtigt. Es hat dem dann jedoch andere Erkenntnisse aus den eigenen Angaben der
Klägerin bzw aus den Verwaltungsakten gegenübergestellt und ist daraufhin zu einer anderen Würdigung der Tatsachen gelangt,
als die Klägerin. Die Klägerin hätte mithin ausgehend hiervon darlegen müssen, dass das LSG dem Beweisantrag gleichwohl hätte
nachkommen müssen und dann wegen des Beweisergebnisses zu einem anderen Urteilsspruch gekommen wäre. Letztlich rügt sie an
dieser Stelle auch wiederum nur die Beweiswürdigung des LSG. Insoweit wird auf die vorgehenden Ausführungen Bezug genommen.
Dies gilt im Übrigen auch für die Rüge der vorweggenommenen Beweiswürdigung.
4. Im Hinblick auf die von der Klägerin ferner vorgebrachte Verletzung rechtlichen Gehörs iS von Art
103 GG, §
62 SGG durch eine Überraschungsentscheidung mangelt es, soweit es die Aspekte der gemeinsamen Hausfinanzierung und der finanziellen
Unterstützung der Klägerin durch Herrn L. betrifft, wiederum an hinreichenden Darlegungen dieses Verfahrensfehlers. Zur Wahrung
des rechtlichen Gehörs gilt zwar, dass das Urteil eines Gerichtes nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt
werden darf, die bisher nicht erörtert worden sind, wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt (vgl BVerfG
vom 12.6.2003 - 1 BvR 2285/02 - BVerfGK 1, 211). Dies behauptet die Klägerin jedoch nicht, sondern bringt selbst vor, der Senat habe in der mündlichen
Verhandlung mitgeteilt, dass er nunmehr von dem Vorliegen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und
Herrn L. ausgehe. Dann mangelt es jedoch an Ausführungen dazu, dass sie sich in Kenntnis dessen bemüht habe, sich das von
ihr vermisste rechtliche Gehör zu verschaffen. Denn ein Verstoß gegen §
62 SGG kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte von gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen,
keinen Gebrauch gemacht hat. Dementsprechend hat er mit der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen, dass er seinerseits alles
getan habe, um sich Gehör zu verschaffen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22). Hierzu legt die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung bezogen auf die eingangs benannten Aspekte der Entscheidung
des LSG nichts dar. Sie setzt sich an dieser Stelle nur damit auseinander, dass die Entscheidung des LSG materiell-rechtlich
unzutreffend sei, weil sie die vom BSG formulierten Maßstäbe falsch angewendet habe. Dies war im Rahmen der auf einen Verfahrensfehler gestützten Beschwerdebegründung
keiner Überprüfung durch das Revisionsgericht zu unterziehen. Der erkennende Senat weist in diesem Zusammenhang jedoch ausdrücklich
darauf hin, dass er trotz der vom LSG dargelegten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Auslegung des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II durch das BSG an seiner Rechtsauffassung aus der Entscheidung vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - (BSGE 111, 250 = SozR, aaO) festhält.
5. Soweit die Klägerin einen Gehörsverstoß geltend macht, weil das LSG in seiner Entscheidung von Tatsachen ausgegangen sei
- gemeinsames Reinigen des Hauses, Aufteilung der Arbeit zwischen der Klägerin und Herrn L. bezüglich Garten und Hausreparaturen,
systematische Aufteilung der Einkäufe - von denen sie keine Kenntnis gehabt und zu denen sie sich nicht habe äußern können,
genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den eingangs dargelegten formellen Anforderungen. Sie behauptet zwar zunächst,
diese Tatsachen seien in dem gesamten Verfahren nicht zur Sprache gekommen und hätten daher, wenn sie ihr bekannt gewesen
wären, durch von ihr benannte Zeugen als unwahr widerlegt werden können, sodass das LSG zu einer Entscheidung zu ihren Gunsten
gelangt wäre. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der in §
62 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG) lediglich verhindern soll, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen
oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht haben äußern können (s §
128 Abs
2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird
(BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage,
noch die Pflicht bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung
darzulegen; denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden
werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten
vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung
möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art
103 Abs
1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter
und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188; vgl zuletzt BSG vom 7.8.2014 - B 13 R 441/13 B - RdNr 12; s auch BSG vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - RdNr 44). Dass sie nicht mit der Einbeziehung der benannten Tatsachen in die Beweiswürdigung durch das LSG zu rechnen brauchte,
hat die Klägerin jedoch nicht dargelegt.
Derartige Darlegungen waren im konkreten Fall auch erforderlich, denn alle drei von ihr als überraschend neue Feststellungen
benannten Aspekte der Beweiswürdigung des LSG waren ihr bzw ihrer Prozessbevollmächtigen als kundiger Prozessbeteiligter bekannt.
Das LSG legt seiner Beweiswürdigung zugrunde, dass die Klägerin ihre Einkäufe nicht durchgängig selbstständig durchgeführt
habe, diese vielmehr, soweit zu umfangreich, mit dem Auto von Herrn L. durchgeführt worden seien. Diese Ausführungen basieren
auf den der Klägerin bekannten Äußerungen des Herrn L. anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge vor dem SG Hannover vom 28.4.2009.
Zu dem Aspekt des teilweisen gemeinsamen Reinigens des Hauses hat die Klägerin selbst angegeben, dass dies in dem Protokoll
des Hausbesuches durch den Außendienst des Beklagten entsprechend angekreuzt worden sei. Diese Tatsache war ihr mithin ebenfalls
bekannt. Die Feststellung im Urteil des LSG, dass die Klägerin allein für die Gartenarbeit zuständig gewesen sei, entstammt
ihrer informatorischen Befragung vor dem LSG am 29.11.2013. Sie hat dort angegeben, dass der Garten ihr gehöre und Herrn L.
die Garage. Er beteilige sich kaum an den häuslichen Arbeiten. Wenn etwas zu reparieren gewesen sei, dann habe er lieber einen
Handwerker geholt und diesen selbst bezahlt, als Hand anzulegen. Eine andere rechtliche Würdigung dessen durch das LSG, als
von der Klägerin für zutreffend befunden, reicht für sich allein genommen jedoch nicht, um eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs hinreichend darzubringen. Aus den Entscheidungen von SG, LSG und BSG war ihr zudem bekannt, dass es darum ging, die festgestellten Tatsachen im Hinblick darauf zu würdigen, ob eine Einstehens-
und Verantwortungsgemeinschaft zwischen ihr und Herrn L. vorlag. Dass dies ein überraschender, neuer rechtlicher Gesichtspunkt
sein könnte, hätte daher ebenfalls näherer Begründung bedurft. Unabhängig davon, dass das LSG das Ergebnis seiner Beweiswürdigung
im Hinblick auf die Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft der Klägerin nicht vorab hätte darbringen müssen, hat es dies
zudem nach den eigenen Angaben der Klägerin gleichwohl gemacht. Es wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.