Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Erfordernis der Drei-Fünftel-Belegung
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Das LSG
Berlin-Brandenburg hat die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer solchen Rente bei Eintritt eines Versicherungsfalles
im September 2018 verneint und mit Beschluss vom 26.9.2019 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Potsdam vom 13.4.2018
zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Die Klägerin macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Sie trägt vor, es gebe für sie keine
Möglichkeit mehr, die noch fehlenden vier Monate für die sog "Drei-Fünftel-Belegung" "zurückzulegen". Verfassungsrecht sei
verletzt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 §
160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung,
"ob die Regelungen des §
43 Abs 1 Satz 1 Nr
2 und des §
43 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB VI mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und mit dem allgemeinen Gleichheitssatz
vereinbar ist."
Die Klägerin hat damit zwar eine Rechtsfrage formuliert, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit jedoch nicht hinreichend
dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar
aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung
der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung
gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch
nicht beantwortet worden ist (vgl Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).
Die Beschwerdebegründung nimmt keinerlei Bezug auf bereits ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung. Das Erfordernis der
Drei-Fünftel-Belegung ist danach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl zu Art
14 Abs
1 GG bereits BVerfG <Kammer> vom 20.9.2001 - 1 BvR 1423/94 - Juris RdNr 32 und BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 83/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 20 RdNr 23 mwN).
Auch soweit die Klägerin ausdrücklich eine Verletzung von Art
2 Abs
1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz rügt, fehlt es an einer den Anforderungen
des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG genügenden Begründung. Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen
des
GG ab, darf sie sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung
der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen
Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f). Auch insofern fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das LSG habe "völlig überraschend" entschieden, eine Verletzung ihres Rechts auf
rechtliches Gehör rügen wollen, erfolgen dazu keine weiteren Ausführungen. Deshalb fehlt es an einer hinreichenden Bezeichnung
eines möglichen Verfahrens- mangels. Eine weitere Begründung wäre insbesondere deshalb angezeigt gewesen, weil der Vorsitzende
Richter am LSG in einem an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreiben vom 21.8.2019 auf das Fehlen der
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem Leistungsfall im September 2018 ausdrücklich hingewiesen hat.
Soweit die Klägerin in der Sache eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG geltend macht, kann auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit
der angefochtenen Entscheidung eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.