Festsetzung und Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung
Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung und Nachforderung
von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV).
Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied der zu 1. beklagten Krankenkasse in der GKV und in der sPV bei der zu 2. beklagten
Pflegekasse versichert. Nach eigenen Angaben habe er seine Mitgliedschaft zum 31.8.2010 gekündigt; die Beklagten hätten die
Kündigung jedoch nicht angenommen. Sein Anspruch auf Leistungen ruht aufgrund von Beitragsrückständen seit dem 20.12.2008.
Die Beklagten setzten die (nach-)zuzahlenden Beiträge wiederholt durch Bescheide fest und wiesen Widersprüche des Klägers
hiergegen zurück.
Das SG Augsburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.11.2018). Das Bayerische LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19.6.2020). Die Berufung sei wegen Fristversäumnis bereits unzulässig und zudem unbegründet. Das Ruhen von Leistungsansprüchen habe
weder auf die Versicherungspflicht noch auf die damit einhergehende Beitragspflicht Einfluss. Gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des LSG hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, die dieser innerhalb
der Begründungsfrist begründet hat. Zugleich hat er zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.
II
1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH des Klägers ist abzulehnen. Nach §
73a SGG iVm §
114 ZPO kann einem Beteiligten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es.
2. Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
3. Revisionszulassungsgründe sind in der bereits vorliegenden Beschwerdebegründung vom 30.9.2020, nicht in der gebotenen Weise
dargelegt worden. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG und ist deshalb in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
4. Die Beschwerdebegründung vom 30.9.2020 stützt sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Der Kläger formuliert auf Seite 3 der Beschwerdebegründung die Frage,
"ob Personen, deren Leistungsansprüche in der freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund von Beitragsrückständen
ruhen, für den Zeitraum dieses Ruhens auch zu Beiträgen in Höhe der Vorgaben des §
240 SGB V herangezogen werden dürfen."
Die sich aus der Beitragsbemessung ergebende Beitragshöhe sei für die Dauer des Ruhens der Leistungsansprüche freiwillig Versicherter
unbillig. Ziel des §
240 Abs
4 Satz 1
SGB V sei, eine angemessene Leistungs- und Beitragsäquivalenz in der freiwilligen Versicherung herzustellen. Das BVerfG habe ausgeführt,
dass Versicherungsleistungen und Versicherungsbeiträge aufeinander bezogen seien und in einem "Gegenleistungsverhältnis" ständen,
soweit das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit keine Abweichungen erfordere (Hinweis auf BVerfG Beschluss vom 6.12.1988 - 2 BvL 18/84 - BVerfGE 79, 223, 236; BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 6/15 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 2; BSG Urteil vom 17.12.1980 - 12 RK 34/80 - BSGE 51, 89 = SozR 2200 § 381 Nr 44; BSG Urteil vom 4.6.1991 - 12 RK 52/90 - BSGE 69, 20 = SozR 3-2200 § 381 Nr 2).
Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit seiner Frage - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen
entsprechenden Weise dar. Insbesondere kann der Beschwerdebegründung nicht hinreichend entnommen werden, dass sich eine Antwort
auf die gestellte Frage nicht aus dem Gesetz ergibt. Der Kläger legt nicht dar, inwieweit den Beitragsvorschriften des
SGB V und des
SGB XI Verknüpfungen zum Leistungsrecht dergestalt entnommen werden können, dass bei einer Nichtinanspruchnahme von Leistungen -
egal, ob zB mangels Erkrankung oder Ruhen des Leistungsanspruchs - Beiträge zu reduzieren oder zu erstatten seien. Zudem befasst
er sich nicht hinreichend mit §
16 Abs
3a SGB V. Er legt nicht dar, inwieweit die Vorschrift das Ruhen von Leistungsansprüchen - mit Ausnahmen - anordnet und dabei auch
Auswirkungen auf die Versicherungs- und Beitragspflicht haben kann (zum Sinn und Zweck der Ruhensbestimmung vgl BT-Drucks 16/4247 S 31 zu Nr 9). Soweit der Kläger auf die Rechtsprechung des BVerfG und BSG zur Äquivalenz von Leistungen und Beiträgen in der Sozialversicherung verweist, legt der Kläger nicht dar, dass sich diese
auf den Fall der Nichtzahlung von Beiträgen bei fortwährender Versicherungspflicht bezieht.
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.