Ladung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I
Der 1937 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse freiwillig versicherte Kläger, der als Chemie-Ingenieur selbstständig erwerbstätig
ist, war (zuletzt) seit 18. Januar 1999 arbeitsunfähig krank. Er ist mit seinem Begehren auf Gewährung von Krankengeld in
der Zeit vom 13. März bis 15. Juli 1999 in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Nach erstinstanzlicher Abweisung der Klage
hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Er sei bereits in der Zeit vom 14. Juli 1997 bis
7. Dezember 1998 wegen einer Schwindelsymptomatik arbeitsunfähig krank gewesen und habe daher nach §
48 Abs
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) für die folgenden 78 Wochen keinen Krankengeldanspruch mehr gehabt, weil es sich um dieselbe Krankheit wie zuvor gehandelt
habe; zu dieser möglicherweise andere Krankheiten hinzugetreten sind. Er sei anschließend nicht iS von §
48 Abs
2 SGB V wenigstens sechs Monate erwerbstätig gewesen, vielmehr habe - wie mit rechtlichen Erwägungen und unter Bezugnahme auf medizinische
Gutachten und Beurteilungen näher ausgeführt wird - auch über den 7. Dezember 1998 hinaus jedenfalls in der hier streitigen
Zeit Arbeitsunfähigkeit wegen der Schwindelsymptomatik bestanden. Der Hilfsantrag des Klägers auf Befragung des gerichtlich
bestellten Sachverständigen Dr. B. werde abgelehnt, weil die Notwendigkeit einer zusätzlichen Stellungnahme
des Sachverständigen nicht zu erkennen sei (Urteil vom 21. April 2005).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und rügt Verfahrensfehler.
Er meint, das LSG habe auf Grund der Gutachtenlage eine ab 18. Januar 1999 bestehende Neuerkrankung annehmen müssen, die wiederum
78 Wochen Krankengeld auslöse.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 iVm §
169 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der Fehlerhaftigkeit des LSG-Verfahrens
(Zulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
1. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; die Verfahrensrüge kann nach Halbsatz 2 der Regelung auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG gar nicht gestützt werden und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur dann, wenn sich der Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Diese durch §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG eingeschränkte Rügemöglichkeit im Zusammenhang mit einer Nichtzulassungsbeschwerde wird im ersten Teil seiner Beschwerdebegründung
vom 24. August 2005 nicht in den Blick genommen. Die Beschwerde rügt insoweit "wesentliche Mängel bei der Beweiswürdigung"
in Bezug auf die Auswertung der eingeholten Gutachten, verkennt allerdings, dass die Verfahrensrüge einer Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) nach dem Gesetz ausdrücklich den Zugang zur Revisionsinstanz nicht eröffnet.
Dass darüber hinaus durch die vom LSG vorgenommene tatsächliche und rechtliche Bewertung der Ermittlungsergebnisse eine andere
Regelung des für das sozialgerichtliche Verfahren maßgeblichen Rechts verletzt worden sein könnte, legt die Beschwerde insoweit
weder ausdrücklich dar noch ist dies daraus sinngemäß hinreichend klar erkennbar.
2. Die Beschwerde rügt auch eine verfahrensfehlerhafte Verletzung der Amtsermittlungspflicht des §
103 SGG wegen vom LSG unterlassener persönlicher Befragung des Gutachters Dr. B. n nicht in einer Weise, die den Anforderungen
des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG genügt.
Mit Blick auf §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG müsste sich das Vorbringen dazu auf einen Beweisantrag beziehen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Insoweit ist es notwendig, einen entsprechenden Antrag zu bezeichnen, der die formellen Anforderungen der §§
373,
404 Zivilprozessordnung iVm §
118 SGG erfüllt und der entweder in der Sitzungsniederschrift protokolliert oder im angegriffenen Urteil aufgeführt worden ist (zu
diesem Darlegungserfordernis allgemein vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20; BSG SozR 1500 § 160 Nr 64). Maßgeblich für
die Beurteilung, ob ein Verfahrensfehler vorliegen kann, ist daher allein der in der mündlichen Verhandlung beim LSG gestellte
Hilfsantrag, den Gutachter Dr. B. "dazu zu befragen, dass bei dem Kläger seit Sommer 1998 keine Arbeitsunfähigkeit
wegen des Drehschwindels mehr vorlag". Selbst wenn man darin einen Beweisantrag im dargestellten Sinne sieht, macht die Beschwerdebegründung
trotz ihrer umfänglichen Ausführungen gleichwohl nicht deutlich, weshalb das LSG mit der Ablehnung des Antrags ausgehend von
seinem Rechtsstandpunkt dem Antrag verfahrensfehlerhaft nicht gefolgt sein sollte. Erforderlich wäre insoweit nämlich auch
die Darlegung, dass sich das LSG zu entsprechendem weiteren Vorgehen aus besonderen Gründen (zB grobe Mängel, unlösbare Widersprüche
oder unzutreffende sachliche Voraussetzungen des Gutachtens bzw Zweifel an der Sachkunde des Gutachters) hätte gedrängt fühlen
müssen (so zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 S 8 RdNr 9 mwN). An solchem Beschwerdevorbringen fehlt es hier mit Blick auf die
Ausführungen des LSG am Ende der Entscheidungsgründe seines Urteils. Denn das Berufungsgericht hat sein prozessuales Vorgehen
mit einer schriftlichen Begründung untermauert und ausgeführt, dass sich Dr. B. zu der genannten Frage bereits
in seinem Gutachten vom 30. Oktober 2004 geäußert und der Kläger nicht aufgezeigt habe, weshalb hierzu nochmals Stellung genommen
werden solle und welche Fragen dem Gutachter zusätzlich gestellt werden sollten. Die Durchsicht der Akten des LSG-Verfahrens
ergibt, dass diese Begründung keiner Beanstandung unterliegen kann, weil bereits dem Sachverständigengutachten des Dr. B.
zu entnehmen ist, dass dieser - zu Gunsten des Klägers - nicht von dessen Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die
Drehschwindelsymptome ausging (S 22 ff des Gutachtens, vgl auch S 18 f). Welche weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse
dann aber die Befragung von Dr. B. hätte zu Tage fördern können, bleibt unklar. Der Beschwerde geht es mit ihrem
Vortrag anscheinend auch weniger darum, dem LSG unter diesem Blickwinkel unter Bezugnahme auf §
103 SGG Ermittlungsversäumnisse anzulasten, als vielmehr darum, erneut die als unrichtig beanstandete Beweiswürdigung im Berufungsurteil
anzugreifen; unter 1. ist jedoch bereits abgehandelt worden, dass eine Revisionszulassung insoweit ausscheidet. Dabei bleibt
auch unbeachtet, dass das LSG nicht ohne Zuhilfenahme jeglicher medizinischer Sachkunde zu seinem klageabweisenden Urteilsausspruch
gelangt ist, sondern vor allem den - seine Auffassung stützenden und durch weitere Indizien bekräftigten - Ausführungen des
Sachverständigen Dr. D. größere Überzeugungskraft beigemessen hat als den davon abweichenden ärztlichen
Beurteilungen; es hat in seine Erwägungen zudem bekräftigend nicht nur rein medizinische Gesichtspunkte, sondern auch Überlegungen
zum rechtlichen Inhalt und Bezugsfeld der "Arbeitsunfähigkeit" bei Selbstständigen einfließen lassen, insbesondere was die
beim Kläger als Chemie-Ingenieur mit berücksichtigte Fähigkeit zur Arbeit auf Leitern und Gerüsten anbelangt. Ob das LSG in
der Sache zutreffend entschieden hat, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht zu überprüfen (vgl schon
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Beschwerde bezieht sich in diesem Zusammenhang schließlich ergänzend darauf, dass der Anspruch des Klägers auf rechtliches
Gehör durch die unterbliebene Befragung des Sachverständigen verletzt worden sei, weil dieses Recht nur bei Missbrauch ausgeschlossen
sei. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Beschwerde ausdrücklich nur eine Verletzung des §
103 SGG rügt. Selbst wenn man im Beschwerdevorbringen aber darüber hinausgehende Verfahrensrügen sehen wollte, fällt hier ins Gewicht,
dass ein Gericht einem Antrag auf Ladung des Sachverständigen nur folgen muss, wenn dazu zuvor objektiv sachdienliche Fragen
angekündigt worden sind bzw zumindest ein entsprechender Fragenkomplex konkret umschrieben wurde. Die höchstrichterliche Rechtsprechung
verneint Derartiges, wenn der Sachverständige die Fragen bereits beantwortet hatte oder wenn es dem Kläger nicht um die Behebung
von Zweifeln im Zusammenhang mit einem schriftlich erstellten Gutachten geht, sondern - wie hier - mit der Befragung nur auf
die gerichtliche Überzeugungsbildung eingewirkt werden soll (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 118 RdNr 12h und 12i mwN; BSG SozR
3-1750 § 411 Nr 1 S 4 f mwN; BSG SozR 1750 § 411 Nr 2). Die Beschwerdebegründung setzt sich mit diesem Gesichtspunkt nicht
auseinander, obwohl dazu nach den Ausführungen des LSG zur Ablehnung der Sachverständigenbefragung Anlass bestanden hätte.
Der im Berufungsverfahren vor dem Verhandlungstermin am 21. April 2005 von Klägerseite eingereichte Schriftsatz vom 12. April
2005 enthält erkennbar keine sachdienlichen Fragen im dargestellten Sinne, sondern nur den vorsorglichen und pauschal gefassten
Antrag, "den Gutachter Dr. B. zur Erläuterung seines Gutachtens vom 30. Oktober 2004 zu laden".
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.