Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse; Korrektur der Schlussrechnung
Gründe:
I
Streitig ist die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausrechnung um 58,06 Euro.
Die in Schleswig-Holstein ansässige Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) zugelassenen Krankenhauses in Rheinland-Pfalz. Dort wurde vom 23.2. bis 2.3.2006 die bei der beklagten Krankenkasse
versicherte Fr. H. (im Folgenden: Versicherte) stationär behandelt. Behandlungsanlass waren ua ein entgleister Diabetes mellitus
und eine Bronchopneumonie. In einer als "End-Rechnung" bezeichneten Abrechnung vom 15.3.2006 stützte die Klägerin ihr Zahlungsverlangen
von 3.393,45 Euro zunächst auf die DRG-Ziffer K60B ("Diabetes mellitus mit komplizierenden Diagnosen oder äußerst schweren
CC oder schwere Ernährungsstörungen"); diese Rechnung beglich die Beklagte nach Prüfung am 21.3.2006. Nach Überprüfung ihrer
Abrechnungen korrigierte die Klägerin diese - und andere - Rechnungen und stellte der Beklagten mit Schreiben vom 12.6.2006
eine neue Rechnung aus, nunmehr gestützt auf die DRG-Ziffer E77B ("Andere Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane außer
bei Zustand nach Organtransplantation, mit komplexer Diagnose oder äußerst schweren CC"). Daraus ergab sich gegenüber der
ursprünglichen Rechnung ein Mehrbetrag in Höhe von 58,65 Euro. Dessen Zahlung lehnte die Beklagte ab, weil das Vertragsverhältnis
mit der Zahlung beendet sei; eine Rechnungskorrektur sei vertraglich nicht geregelt und würde dem Sinn der Vertragsvereinbarung
widersprechen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte abzüglich eines Abschlages zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung nach §
140d Abs
1 Satz 1
SGB V antragsgemäß zur Zahlung von 58,06 Euro verurteilt (Urteil vom 15.12.2006). Die Berufung hiergegen hat das Landessozialgericht
(LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 10.10.2007): Das mit der Inanspruchnahme der Krankenhausleistung entstehende (gesetzliche)
Schuldverhältnis erlösche erst mit Bewirken der geschuldeten Leistung. Das sei der tatsächlich durch die Behandlung entstandene
Vergütungsanspruch. An dessen nachträglicher Geltendmachung sei das Krankenhaus nach Treu und Glauben nicht gehindert.
Mit ihrer vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts.
Das LSG habe den für die Beziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse prägenden Grundsatz der zeitnahen Abrechnung nicht
hinreichend beachtet. Er stehe einer nachträglichen Abrechnungskorrektur entgegen. Das Krankenhaus dürfe durch Nachcodierungen
die zügige Rechnungsabwicklung nicht beeinträchtigen. Es belaste die Krankenkassen übermäßig, wenn sie bereits abgearbeitete
und abgeschlossene Verfahren wieder aufgreifen müssten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10.10.2007 und des Sozialgerichts Lübeck vom 15.12.2006
zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG der Klägerin einen weiteren Zahlungsanspruch über 58,06 Euro zuerkannt.
Zu dieser Korrektur ihrer Schlussrechnung war die Klägerin drei Monate nach Rechnungsstellung unter Berücksichtigung des zusätzlichen
Verwaltungsaufwands der Beklagten für die erneute Rechnungsprüfung einerseits und des Werts des Fehlbetrages andererseits
nach Treu und Glauben nicht mehr befugt.
1. Rechtsgrundlage des zulässig mit der (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs
5 SGG verfolgten restlichen Vergütungsanspruchs (stRspr, vgl zB BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 18, 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12 RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 §
109 Nr
13 RdNr
9) ist §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V iVm §
7 Satz 1 Nr
1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG -
(hier anzuwenden idF von Art 2 Nr 5 Buchst a Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und der Pflegesatzvereinbarung
für das Jahr 2006 sowie - im Hinblick auf den Sitz des Krankenhauses in Rheinland-Pfalz und nicht dem der Klägerin in Schleswig-Holstein
(vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 8 mwN) - dem Vertrag über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen
der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz eV und den Landesverbänden der Krankenkassen idF des Schiedsspruchs vom 19.11.1999
unter Berücksichtigung des Urteils des LSG vom 12.12.2002 (Krankenhausbehandlungsvertrag - nachfolgend: KBV) und dem Vertrag
zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz
eV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 25.3.1991 (Krankenhausüberprüfungsvertrag - nachfolgend: KÜV). Danach entsteht
die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der
Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser iS des §
109 Abs
4 Satz 2
SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20).
2. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der restliche Vergütungsanspruch der Klägerin durch die Zahlung des zuerst abgerechneten
Betrages nicht erloschen ist; insoweit geht die Auffassung der Beklagten fehl. Durch eine mit den maßgeblichen Vorschriften
im Einklang stehende Versorgung erwirbt das Krankenhaus einen gesetzlichen Vergütungsanspruch, dessen Höhe gemäß §
109 Abs
4 Satz 2
SGB V nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und, sofern das Krankenhaus nicht in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, der Bundespflegesatzverordnung
(vgl dort § 1 Abs 1) vertraglich abschließend festgelegt wird. Maßgebend für den Vergütungsanspruch ist danach der Fallpauschalen-Katalog
nach §§ 7 iVm § 17b Abs 1 Satz 10 KHG (hier idF von Art 2 Nr 4 Buchst a Doppelbuchst aa und bb des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser
- Fallpauschalengesetz - vom 23.4.2002, BGBl I 1412), der Bindungswirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntG iVm § 18 Abs 2 KHG entfaltet (§ 11 KHEntG iVm § 18 Abs 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) und streng nach dem Wortlaut einschließlich der Operationen- und Prozedurenschlüssel
sowie der Codierrichtlinien auszulegen ist (zu den Einzelheiten der Vergütung von Krankenhausleistungen nach dem DRG-System
vgl Urteil des erkennenden Senats vom 18.9.2008 - B 3 KR 15/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 11). Insoweit gewährt der Fallpauschalenkatalog kein Bestimmungsrecht, dessen Ausübung das Krankenhaus
abschließend binden und den Zahlungsanspruch auf den zunächst geforderten Betrag beschränken würde. So wie die Krankenkasse
auch nach Zahlung der Krankenhausrechnung nachträgliche Korrekturen vornehmen darf (vgl hierzu zuletzt etwa BSG SozR 4-2500
§ 109 Nr 16 RdNr 17 mwN), ist ebenso das Krankenhaus auch noch nach Rechnungsstellung grundsätzlich zur Nachforderung einer
offenen Vergütung berechtigt (so auch die Fallgestaltung im Urteil vom 18.9.2008 aaO; ebenso Urteil des 1. Senats des BSG
vom 8.9.2009 - B 1 KR 11/09 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 16).
3. Die Nachforderung eines restlichen Vergütungsanspruchs steht jedoch - ebenso wie die Einzelfallkorrektur einer bereits
bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse - unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben, der über §
69 SGB V (hier §
69 Satz 3 idF von Art 1 Nr 26 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 - GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 -
vom 22.12.1999, BGBl I 2626) gemäß dem Rechtsgedanken des §
242 BGB auf die Rechtsbeziehungen der Beteiligten einwirkt. Insoweit hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass eine Krankenkasse
nach Treu und Glauben mit Einwendungen ausgeschlossen sein kann, wenn sie das zu deren Klärung vorgesehene Verfahren nicht
rechtzeitig einleitet (vgl BSGE 89, 104, 110 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 10, 16 - "Berliner Fälle"). Umgekehrt hat der 1. Senat des BSG ausgesprochen, dass ein Krankenhaus
nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Korrektur einer fehlerhaften Abrechnung gehindert sein kann, wenn sie mehr
als zwei Jahre nach Rechnungsstellung und damit außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse vorgenommen wird
und dafür keine besondere Rechtfertigung besteht (Urteil vom 8.9.2009, SozR 4-2500 § 109 Nr 19). Zutreffend hat der 1. Senat
darauf hingewiesen, dass die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zu gegenseitiger Rücksichtnahme
verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt (aaO, RdNr 16). Diesem
Ansatz folgt auch der erkennende 3. Senat (kritisch dagegen Korthus, Das Krankenhaus 2010, 49 f).
4. Mit dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme unvereinbar ist die nachträgliche Korrektur einer geprüften und bezahlten Rechnung
dann, wenn das Interesse des Krankenhauses am Ausgleich seines Rechnungsfehlbetrages weniger schutzwürdig ist als das Interesse
der Krankenkasse an der Vermeidung des Zusatzaufwands für die erneute Rechnungsprüfung. Das betrifft regelmäßig jedenfalls
solche Nachforderungen, die erst nach abschließender Prüfung und Zahlung einer vorbehaltlos erteilten Schlussrechnung erhoben
werden und durch deren Prüfung bei der Krankenkasse ein hoher Verwaltungsaufwand anfällt, der den mit der Korrektur begehrten
Betrag - rein rechnerisch - übersteigt, oder dessen Wert im Verhältnis zum ursprünglichen Rechnungsbetrag nur von untergeordneter
Bedeutung ist. Hiervon geht der Senat nach dem "Prinzip der Waffengleichheit" aus, wenn eine Frist von sechs Wochen verstrichen
ist (vgl zur Einleitung einzelfallbezogener Rechnungsprüfungen: §
275 Abs
1c SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz [GKV-WSG]
- vom 26.3.2007, BGBl I 378) und die nachgeforderte Summe entweder den Betrag der Aufwandspauschale nach §
275 Abs
1c Satz 3
SGB V (hier idF des GKV-WSG und ab dem 25.3.2009 idF von Art 3 Nr 8a des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes - KHRG - vom 17.3.2009, BGBl I 534) oder 5 % des Ausgangsrechnungswertes
nicht erreicht. Maßgebend dafür sind folgende Erwägungen:
a) Im Rahmen ihrer wechselseitigen Obhutspflichten sind Krankenhäuser und Krankenkassen bei der Geltendmachung von Ansprüchen
gehalten, auf einen beiderseits möglichst geringen Verwaltungsaufwand Bedacht zu nehmen. In diesem Sinne hat der Senat das
Krankenhaus als verpflichtet gesehen, bei Zahlungsverzug der Krankenkasse jedenfalls in einfach gelagerten Abrechnungsfällen
einen offenen Vergütungsanspruch vorgerichtlich mit eigenen Mitarbeitern und ohne anwaltliche Unterstützung geltend zu machen
(BSGE 99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3 RdNr 22 ff, 26 f mwN). Umgekehrt muss ein Leistungserbringer aus ähnlichen Erwägungen heraus kein
eigenes Kostenrisiko auf sich nehmen, um im ausschließlichen Interesse der Krankenkasse die Berechtigung einer Umsatzsteuerforderung
der Finanzverwaltung zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen (BSGE 101, 137 = SozR 4-2500 § 69 Nr 6 RdNr 15; ebenso 1. Senat des BSG, Urteil vom 3.3.2009, NZS 2010, 154 RdNr 20). Entsprechend kann in Fällen der vorliegenden Art der Urheber einer fehlerhaften Abrechnung oder Zahlung (hier:
Krankenhaus) nicht erwarten, dass die Gegenseite (hier: Krankenkasse) zusätzlichen Verwaltungsaufwand zur Korrektur eines
jeglichen Fehlers trägt. Vielmehr muss bei jeder Fehlerkorrektur Rücksicht darauf genommen werden, welchen zusätzlichen Verwaltungsaufwand
sie bei der Gegenseite auslöst. Steht dieser nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Ausgleich des selbst verursachten
Vermögensnachteils, kann der Gegenseite die erneute Rechnungsprüfung nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden.
b) Nach diesen Grundsätzen muss die Krankenkasse darauf vertrauen können, dass eine vom Krankenhaus als "Schlussrechnung"
bezeichnete Abrechnung auf einem ordnungsgemäßen Abrechnungsverfahren beruht und grundsätzlich auf den endgültigen Abschluss
des Abrechnungsverfahrens des jeweiligen Behandlungsfalls gerichtet ist. Das liegt immanent den Vorschriften der beschleunigten
Rechnungsabwicklung zu Grunde, mit dem in allen landesvertraglichen Abrechnungsbestimmungen - hier: § 9 KBV - im Wesentlichen
einheitlich und deshalb revisibel (vgl BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 mwN) das Primat der zeitnahen Zahlung der Krankenhausrechnung
näher ausgestaltet ist (vgl § 8 Abs 7 Satz 3 und §
11 Abs
1 Satz 3 KHEntgG und nunmehr auch §
275 Abs
1c Satz 1
SGB V). Demnach kann das Krankenhaus zwar Zwischenrechnungen erstellen und Abschlagszahlungen verlangen (vgl § 8 Abs 7 Satz 2 und
§ 11 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 KHEntgG, § 9 Abs 1 Satz 2 und 3 KBV). Regelmäßig soll es der Krankenkasse aber bereits innerhalb
von 14 Kalendertagen nach Entlassung eine "Schlussrechnung" stellen (§ 9 Abs 1 Satz 1 KBV), worauf diese - auch zur Meidung
von Verzugszinsen (§ 9 Abs 7 KBV) - nach weiteren 14 Kalendertagen den Rechnungsbetrag zu bezahlen hat (§ 9 Abs 6 Satz 1 KBV).
Auch danach sind zwar Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art durch die Krankenkasse noch möglich (§ 9 Abs 6 Satz
4 KBV). Gleichwohl hat sie - zumal unter Berücksichtigung der hohen Zahl von Abrechnungsfällen - demzufolge Sorge zu tragen
dafür, dass eine als Schlussrechnung bezeichnete und mit Vorbehalten nicht versehene Krankenhausabrechnung innerhalb kurzer
Zeit auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit geprüft wird. Das gilt umso mehr, als nach Einführung des §
275 Abs
1c SGB V durch das GKV-WSG die Entscheidung über die Notwendigkeit der Einleitung eines Prüfverfahrens durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen
(MDK) spätestens sechs Wochen nach Rechnungsstellung getroffen werden muss (§
275 Abs
1c Satz 1
SGB V; vgl zur zeitnahen Einschaltung des MDK nach der früheren Rechtslage aufgrund des jeweiligen KÜV BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 10 - "Berliner Fälle").
Pendant für diese wesentlich dem wirtschaftlichen Interesse des Krankenhauses dienende Verfahrensbeschleunigung ist auf Seiten
der Krankenkasse die Erwartung, dass das Krankenhaus den Behandlungsfall mit der Schlussrechnung jedenfalls grundsätzlich
abschließt und sie demzufolge mit demselben Vorgang nicht mehrfach befasst wird. Damit nicht vereinbar wäre es hingegen, wenn
vom Krankenhaus zur späteren Rechnungsoptimierung regelmäßig Nachprüfungen der als "Schlussrechnung" bezeichneten Abrechnungen
stattfänden und die so geprüfte Rechnung entgegen ihrer Bezeichnung faktisch nur der Anforderung eines Rechnungsabschlags
dienen würde. Eine solche Verfahrensgestaltung wäre mit den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Abrechnungsverhalten unvereinbar,
weil von der Krankenkasse die eingehende Prüfung und vollständige Zahlung der geschuldeten Vergütung anstelle des ansonsten
zu entrichtenden Vorschusses nach Sinn und Zweck der Abrechnungsbestimmungen nur verlangt werden kann, wenn die "Schlussrechnung"
auch aus Sicht des Krankenhauses eine Schlussrechnung iS der Abrechnungsbestimmungen - hier von § 9 Abs 1 Satz 1 KBV - darstellt.
c) Die Korrektur eines dem Krankenhaus im Einzelfall gleichwohl unterlaufenen Abrechnungsfehlers kann hiernach nur verlangt
werden, wenn sein Interesse an der Fehlerkorrektur das der Krankenkasse am endgültigen Verfahrensabschluss überwiegt. Das
wird im Regelfall zu bejahen sein, wenn der nachgeforderte Betrag den Kostenaufwand der Krankenkasse für die zusätzliche Prüfung
übersteigt und die Einleitung eines Korrekturverfahrens auch im Verhältnis zur ursprünglichen Rechnungssumme rechtfertigt;
dann muss die Krankenkasse die Zusatzbelastung im Interesse des Krankenhauses hinnehmen. Ist dagegen der Aufwand der Nachprüfung
- pauschaliert - höher als der Fehlbetrag oder kommt ihm im Verhältnis zum ursprünglichen Rechnungsbetrag ein nur untergeordnetes
Gewicht zu, kann das Krankenhaus nach Treu und Glauben eine erneute Prüfung des Abrechnungsfalles auch dann nicht beanspruchen,
wenn seine Leistung ansonsten nicht vollständig vergütet würde. Insoweit sieht der Senat diese Grenze der berechtigten Nachforderung
im Allgemeinen als erreicht an, wenn der Nachforderungsbetrag erstens in Anlehnung an den Rechtsgedanken des §
275 Abs
1c Satz 3
SGB V über 100 Euro bzw ab dem 25.3.2009 über 300 Euro liegt und er zweitens mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswertes erreicht.
aa) Bedeutsam für die hier zu entscheidende Fallkonstellation ist zunächst die Bemessung der Aufwandspauschale nach §
275 Abs
1c Satz 3
SGB V, auch wenn sie sich zunächst nur an die Krankenkassen als Normadressaten wendet. Die Aufwandspauschale soll nach dem Regelungsansatz
des GKV-WSG einen Anreiz dafür bieten, dass die nach Einschätzung des Gesetzgebers übermäßige Einschaltung des MDK im Rahmen von Einzelfallprüfungen
nach §
275 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB V zurückgedrängt wird. Unnötige Bürokratie sowie zusätzlicher personeller und finanzieller Aufwand sollen auch dann vermieden
werden, wenn keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleistet werden kann (vgl BT-Drucks 16/3100 S 171 f). Demgemäß
muss eine Krankenkasse seit Einführung der Regelung zum 1.4.2007 dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale von früher 100 Euro
und nunmehr 300 Euro entrichten, wenn ihr Nachprüfungsauftrag nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Die
darin zum Ausdruck kommende Bewertung des bürokratischen Aufwands bei unberechtigten Nachprüfungsverlangen ist nach dem "Prinzip
der Waffengleichheit" auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zwar unterscheiden sich die Sachverhalte insofern, als das Prüfbegehren
der Krankenkasse im Falle des §
275 Abs
1c Satz 3
SGB V sich im Nachhinein als unzutreffend erweist, während die Nachforderung des Krankenhauses berechtigt sein kann. Jedoch wäre
auch dieser bürokratische Aufwand vermeidbar gewesen, wenn das Krankenhaus bereits die ursprüngliche Schlussrechnung fehlerfrei
erstellt hätte. Insofern beansprucht die ökonomische Bewertung des vermeidbaren zusätzlichen Prüfaufwands Geltung auch für
solche Korrekturen, die - wie hier - Abrechnungen vor Inkrafttreten des GKV-WSG betreffen. Denn ungeachtet der erst später in Kraft getretenen Zahlungspflicht selbst besteht kein Anhalt dafür, dass der
Gesetzgeber die wirtschaftlichen Folgen der von ihm angestrebten Verfahrensvereinfachung und des Bürokratieabbaus für die
Zeit vor Inkrafttreten des GKV-WSG anders beurteilt hätte. Zudem hat der erkennende Senat den Grundsatz der Beschleunigung in Abrechnungsverfahren (vgl SozR
4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13 mwN) auch schon früher immer betont und die Regelung des §
275 Abs
1c Satz 3
SGB V als besonderen Ausdruck des Beschleunigungsgebots angesehen (vgl SozR 4-2500 §
109 Nr 16 RdNr 16).
bb) Entspricht der zu korrigierende Fehlbetrag mindestens dem Wert der Aufwandspauschale nach §
275 Abs
1c Satz 3
SGB V alter oder neuer Fassung, so kommt es für die Korrekturbefugnis des Krankenhauses nach Treu und Glauben im Weiteren noch
darauf an, ob dieser Betrag auch im Verhältnis zur ursprünglichen Rechnungssumme die Einleitung eines zusätzlichen Prüfverfahrens
rechtfertigt. Deshalb muss die nachträgliche Korrektur einer Schlussrechnung auf solche Fälle beschränkt bleiben, die einen
Fehler von erheblichem Gewicht auch im Einzelfall betreffen. Maßstab hierfür kann - weil eine zu häufige und marginale Summen
betreffende Korrektur von Schlussrechnungen dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme widersprechen würde (vgl oben unter
4.b) - nicht die Gesamtsumme der von einem Krankenhaus möglicherweise verfolgten Nachforderungen sein, sondern nur das Verhältnis
zwischen dem Nachforderungs- und dem ursprünglichen Rechnungsbetrag im jeweiligen Einzelfall. Zum Ausschluss von Bagatellfällen
besitzt eine Nachforderung die für die Einleitung eines weiteren Prüfverfahrens ausreichende wirtschaftliche Bedeutung nur
dann, wenn sie eine Mindestsumme des ursprünglichen Rechnungsbetrages erreicht; der Senat sieht hierfür mindestens 5 % der
ursprünglichen Rechnung als erforderlich an. Einzelfallfehler unterhalb dieser Bagatellgrenze rechtfertigen den zusätzlichen
Verwaltungsaufwand der Krankenkasse für eine erneute Rechnungsprüfung hingegen nicht.
d) Diese Beschränkungen gelten in zeitlicher Hinsicht allerdings nicht, solange die Krankenkasse ihrerseits die Prüfung der
von dem Krankenhaus erstellten Schlussrechnung in der Regel noch nicht abgeschlossen hat und eine Korrektur demzufolge kein
weiteres Verwaltungsverfahren auslösen würde. Denn von besonders gelagerten Ausnahmefällen möglicherweise abgesehen - zB Rechnungskorrekturen
in großer Zahl, die Sinn und Zweck des beschleunigten Abrechnungsverfahrens widersprechen würden (vgl oben unter 4.b) - muss
die Krankenkasse es hinnehmen, wenn eine noch nicht endgültig geprüfte Rechnung vor Abschluss der Rechnungsprüfung im Einzelfall
geändert wird und wesentlicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand dadurch nicht anfällt. Deshalb sind Rechnungskorrekturen der
Krankenhäuser mit entsprechenden Nachforderungen ohne die zuvor dargelegten Einschränkungen (oben unter 4.c) im Allgemeinen
zulässig, soweit sie in die Zeit der regelhaften Prüfung von Schlussrechnungen durch die Krankenkasse fallen und sie deshalb
als "zeitnah" iS des § 8 Abs 7 Satz 3 und §
11 Abs
1 Satz 3 KHEntgG sowie §
275 Abs
1c Satz 1
SGB V idF des GKV-WSG gelten. Den maßgeblichen Zeitrahmen bestimmt der Senat anhand der Sechs-Wochenfrist, innerhalb derer eine Krankenkasse nach
Vorlage der Schlussrechnung über die Einleitung einzelfallbezogener Rechnungsprüfungen entschieden haben muss (§
275 Abs
1c Satz 2
SGB V) und die demgemäß eine zeitliche Grenze für den regelmäßigen Verwaltungsablauf bildet. Dies gilt ungeachtet des Inkrafttretens
des §
275 Abs
1c SGB V erst zum 1.4.2007 auch schon im vorliegenden Abrechnungsfall aus dem März 2006, weil die Frist von sechs Wochen lediglich
eine Präzisierung des auch zuvor geltenden Beschleunigungsgebots darstellt und daher keine Rechtsänderung im Hinblick auf
die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "zeitnah" eingetreten ist; ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art
20 Abs
3 GG liegt nicht vor.
5. Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin mit der Korrektur ihrer Schlussrechnung vom 15.3.2006 durch die Nachforderung vom
12.6.2006 nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Schlussrechnung war weder mit einem ausdrücklichen oder sinngemäßen Vorbehalt
versehen noch diente die Rechnungsänderung der Korrektur eines offen zutage liegenden Fehlers im Sinne der vom 1. Senat mit
Urteil vom 8.9.2009 dargelegten Kriterien (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 18 f). Auch erfolgte die korrigierende Nachforderung
nicht mehr "zeitnah" innerhalb von sechs Wochen, sondern erst nach Ablauf von drei Monaten. Demgemäß hätte die Klägerin zur
Korrektur nur befugt sein können, wenn der Nachforderungsbetrag erstens den Wert der Aufwandspauschale in der bis zum Inkrafttreten
des KHRG am 25.3.2009 geltenden Fassung des GKV-WSG - 100 Euro - und zweitens mindestens 5 % des ursprünglichen Rechnungsbetrages erreicht hätte. Das ist mit dem Korrekturbetrag
von 58,06 Euro und damit ca 1,7 % des Ausgangsrechnungsbetrags von 3.393,45 Euro nicht der Fall. Dies muss die Klägerin auch
dann hinnehmen, wenn die Korrektur in der Sache - was die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat - berechtigt gewesen wäre.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
1 und
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.