Anspruch auf Kostenerstattung für häusliche Krankenpflege in den USA
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 5.8.2020 einen Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für die häusliche
Krankenpflege (Behandlungspflege) in Florida/USA in der Zeit vom 1.1.2016 bis zum 15.1.2016 und auf Zahlung von Schmerzensgeld
verneint: Die Klägerin habe keinen Kostenerstattungsanspruch (§
13 Abs
4 bzw §
18 Abs
3 SGB V). Sie habe nicht nachgewiesen, dass ihr für die erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege in den USA Kosten entstanden
seien. Die Beklagte sei auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes auf Basis einer nur unvollständigen Vorlage der Pflege-Dokumentationen
verpflichtet, Kosten zu erstatten, auch wenn sie in der Vergangenheit Kosten übernommen habe. Ein Anspruch auf Zahlung von
Schmerzensgeld bestehe nicht, denn die behauptete Verletzung von Informationspflichten führe nicht zu einem Schadensersatzanspruch
iS von §
253 Abs
1 und
2 BGB.
Die Klägerin hat mit einem von ihr unterzeichneten - am 4.9.2020 beim BSG eingegangenen - Schreiben vom 27.8.2020 Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt unter Beiordnung eines
Rechtsanwaltes zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen die vorgenannte Entscheidung des LSG. Zugleich
hat sie Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG eingelegt. Sie rügt die Verletzung des gesetzlichen
Richters. Die Berichterstatterin habe das Verfahren manipuliert, weil die Sache im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung
vertagt und das Urteil erst im zweiten Termin gesprochen worden sei. Unklar sei auch, welche ehrenamtlichen Richter bei der
Urteilsfindung mitgewirkt hätten.
II
Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Gemäß §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint. Hier fehlt es an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde
der Klägerin selbst unter Einschaltung eines anwaltlichen Bevollmächtigten erfolgreich sein könnte. Es kann daher offenbleiben,
ob die Klägerin die persönlichen bzw wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine PKH-Bewilligung erfüllt.
Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr
ist gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr
3); auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG kann der Verfahrensmangel nicht gestützt werden und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht
gefolgt ist (Nr 3 Halbsatz 2). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung durch den Senat
nicht ersichtlich.
1. Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das von der Klägerin angegriffene Urteil des LSG mit Erfolg
auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, von der angestrebten Entscheidung
der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass diese in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das
Interesse der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung
des Rechts fördern wird (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f). Rechtsfragen, die in diesem Sinne noch grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind im Rahmen des PKH-Verfahrens nicht ersichtlich.
Das LSG hat den Rechtsstreit anhand der einschlägigen Rechtsnormen und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung
des BSG entschieden.
2. Daher ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG. Das LSG ist im angefochtenen Urteil ersichtlich nicht von der Rechtsprechung des BSG abgewichen. Vielmehr hat es bei seiner Entscheidungsfindung diese herangezogen und hat in seinem Urteil auf die dort entwickelten
Maßstäbe abgestellt.
3. Ebenso wenig lässt sich bei summarischer Prüfung ein Verfahrensfehler erkennen, der gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.
Soweit die Klägerin eine Manipulation des Berufungsverfahrens und einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter rügt, sind
nach Durchsicht der Prozessakten keine Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Der Berichterstatterin wurde der Rechtsstreit übertragen,
um ihn zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden (vgl §
153 Abs
5 SGG). Im Termin der mündlichen Verhandlung am 26.7.2020 war die Klägerin durch ihren Ehemann vertreten. Der Rechtsstreit wurde
in dieser Sitzung ordnungsgemäß gemäß §
227 Abs
1 Satz 1
ZPO iVm §
202 Satz 1
SGG vertagt, weil die Beklagte notwendige Sachverhaltsermittlungen durchführen musste (zu Kostenerstattungsanträgen der Klägerin vor Januar 2016 mit entsprechenden Bescheiden und zu Angaben, ob und wann die Klägerin
auf erstmals ergänzende Nachweispflichten zu den Kostenerstattungen im Ausland/Florida hingewiesen worden war). In der mündlichen Verhandlung am 5.8.2020, in der die Klägerin erneut durch ihren Ehemann vertreten war, waren laut Niederschrift
die ehrenamtlichen Richterinnen P und W in der Sitzung anwesend. Nach geheimer Beratung entschied die Berichterstatterin als
Vorsitzende zusammen mit den vorgenannten ehrenamtlichen Richterinnen, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid
des SG zurückzuweisen. Da das Urteil des LSG versehentlich die nicht beteiligte ehrenamtliche Richterin Becker im Rubrum benannte,
wurde das Berufungsurteil entsprechend geändert. Es wurde dahin korrigiert, dass die ehrenamtliche Richterin W - dem Sitzungsprotokoll
entsprechend - das Urteil mitentschieden hat (LSG Beschluss vom 2.9.2020). In der Korrektur dieser offenbaren Unrichtigkeit des Rubrums nach §
138 SGG liegt aber weder ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (Art
101 Abs
1 Satz 2
GG) noch eine Manipulation des Berufungsverfahrens.
Da aus den genannten Gründen kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, war der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes
für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
Die Beschwerde der Klägerin war gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerde ist entgegen dem in
§
73 Abs
4 SGG normierten Vertretungszwang vor dem BSG nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.