Anspruch auf Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät
Gründe:
I
Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung 1 der Klägerin in Höhe von 1956,90
Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene
die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.
Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei 2 der beigeladenen Krankenkasse
krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit
links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin
und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.
Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen 3 Schallempfindungsschwerhörigkeit
eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner
der Beigeladenen iS von §
126 Abs
1 S 1
SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer
zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und
hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks
der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006",
unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und
Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer
der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der KrankenkassenAnteile" 1956,90
Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag
von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§
33 Abs
8 iVm §
61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209
Euro) abgedeckt.
Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006
bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät
beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation
von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte
nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels
erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten
beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte
höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte,
sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid
vom 22.11.2006).
Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversiche5 rungsträger gerichtete Klage abgewiesen,
gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90
Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben
wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach §
14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls
auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die
Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an
den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung
beruhe auf §
15 Abs
1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst
beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus §
9 Abs
1 und
2, §
15 Abs
1 S 1
SGB VI iVm §
26 Abs
1 und
2 Nr
6, §
31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, 6 nach §
14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei
kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation
zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft
des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für
entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten
gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.
Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick
auf sie als Beigeladene abzuweisen.
Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen
(Schriftsatz vom 18.3.2011).
II
Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden
haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung
in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) zuständigem Leistungsträger (§
13 Abs
3 S 1
SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche
Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach §
15 Abs
1 S 4 iVm §
14 Abs
1 SGB IX).
1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§
36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig
gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte
Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem
eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war.
Das ergibt sich aus der durch §
75 Abs
5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den
tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit
der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§
99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des
SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen
Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie
es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten
einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den
einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass
gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach §
180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung
des §
75 Abs
5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich
die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten
Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten
deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch)
bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in
Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der
Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine
technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu
befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach §
75 Abs
5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung
zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach §
75 Abs
5 SGG ausgeschlossen (BSG SozR 1500 §
75 Nr
38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
75 RdNr 18b).
2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung
zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs
4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§
87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des §
75 Abs
5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des §
83 SGG (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu §
75 SGG).
3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen
Leistungsträger (§
33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§
36 iVm §
12 Abs
2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§
15 Abs
1 SGB VI iVm §
26 Abs
2 Nr
6 und §
31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als
für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§
9 Abs
1 S 1
SGB VI iVm §
5 Nr
2 und §
6 Abs
1 Nr
4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die
Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung
als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.
Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt
sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des §
14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen
eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen
rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten
nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis
zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses
Falles zu bejahen.
a) Nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger (§
6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst
angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von §
14 Abs
1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen
Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und
Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken
(vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten,
innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden
gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht
nach §
40 Abs
4 SGB V (§
14 Abs
1 S 1
SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach
seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt
werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist
nach §
14 Abs
1 S 1
SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und
die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt (§
14 Abs
1 S 2 und 3
SGB IX). Anderenfalls bestimmt §
14 Abs
2 S 1
SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese
Zuständigkeit nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen,
die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers
geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit
auf den nachträglichen Ausgleich nach §
14 Abs
4 S 1
SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist (BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).
b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von §
14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung
einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr
behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen
Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (vgl
§ 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner
"eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat (BSGE 93,
283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).
4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger
für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des §
14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte
nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung
des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.
a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts
Abweichendes ergibt (§
19 S 1
SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§
27 Abs
1 S 2 Nr
3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des §
33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§
2 Abs
2 S 1
SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß §
12 Abs
2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des
Vierten Kapitels des
SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§
2 Abs
2 S 3
SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband
der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene
Vertrag nach §§
126,
127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen
(§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart
worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage
3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen
ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen
nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit
der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).
b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des §
14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder
erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren
der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des §
19 S 1
SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung)
bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil
der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§
2 Abs
2 S 1
SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl §
19 Abs
1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung
wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig
entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn
auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach §
33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§
12 Abs
1 und §
70 Abs
1 S 2
SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§
16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an,
dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst
vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken
der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden
Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies
in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug,
der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung
des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des
SGB V für nicht mehr akzeptabel.
c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung
des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von §
14 Abs
1 S 1
SGB IX (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des §
2 Abs
2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem
SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem
SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung
des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung",
§
12 Abs
2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren
Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der
Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.
d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach §
14 Abs
1 S 1
SGB IX zu stellen sind.
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen
Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls
in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck
zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen
im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass
dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung,
die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese
Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach §
14 Abs
1 S 1
SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.
Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach §
13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des §
14 Abs
1 S 1
SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit
ermöglichten (§
1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach §
13 Abs
2 Nr
3 SGB IX über die Ausgestaltung des in §
14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als
bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen
begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.
Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach §
13 Abs
2 Nr
3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit §
14 Abs
1 S 1
SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter
Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§
1,
4 und
5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch
nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen
und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen
in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl
unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§
5 Nr 1, §
31 SGB IX, §
33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§
5 Nr
2, §
33 Abs
8 S 1 Nr
4 SGB IX, §§
9,
15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren
Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können
und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des §
14 Abs
1 S 1
SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung
von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl §
14 Abs
1 S 3
SGB IX).
e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang
weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§
14 Abs
2 S 1
SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers
nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch
anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen
sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens
ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide
wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit
aufgehoben.
5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen
Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings
nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt
einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§
5 Nr
2, §
6 Abs
1 Nr
4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin
angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§
36 SGB V) war rechtswidrig.
6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger
ist §
13 Abs
3 S 1 Fall 2
SGB V (hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b
SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine
Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese
von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht,
wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst
beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu
erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, §
13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig
abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung
und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame
Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht
nach dem Leistungsrecht des
SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt
hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste
"Primärversorgung" zustand.
7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist §
33 Abs
1 S 1
SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190,
im Folgenden: §
33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln,
wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach §
34 Abs
4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung
zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach §
33 Abs
1 S 1
SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen
Lebens sind, auch nicht nach §
34 Abs
4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen,
soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§
12 Abs
1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.
8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung
ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE
105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr
14 ff). Insoweit hat der in §
33 Abs
1 S 1
SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.
a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen
funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten
Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören
- selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst
weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und
technischen Fortschritts (§
2 Abs
1 S 3
SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens
iS von §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb
kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt
werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig
im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen
ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter
direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach §
33 Abs
1 S 1
SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen
auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach
dem Stand der Hörgerätetechnik (§
2 Abs
1 S 3
SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen
hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.
b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion
nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung
benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge
nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des
vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist
in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl §
1 SGB V sowie §
6 Abs
1 Nr
1 iVm §
5 Nr
1 und
3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des
Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber
hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel
zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung
im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft.
Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege,
das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich
hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.
c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen
auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43).
Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem
SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach §
26 Abs
2 Nr
6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger
wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl §§
9 Abs
1 S 1, 15 Abs
1 S 1
SGB VI iVm §
31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl §
31 Abs
1 S 1
SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung
im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen
(stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b
Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung (insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des
SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher
mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im
SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl §
6 Abs
1 und
2, §
7 S 2
SGB IX) Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Rentenund Unfallversicherung
andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische
Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem
SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt,
kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch
gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen
Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder
mildert.
d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach §
33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 Abs
1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht
überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen
die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch §
33 Abs
1 S 1
SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen
sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich
funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§
33 Abs
1 S 5
SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine
Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das
gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation,
die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die
Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels
ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der
Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig
einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).
9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin
der Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 S 1
SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät (§
33 SGB V) fehlt.
Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige
das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes.
Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung
und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege.
Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der
üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen
Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem
Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch
gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden
und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät
sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag
erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.
Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend
(§
163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus
Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch
anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen
stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene
den gegen sie nach §
33 Abs
1 S 1
SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat (§
12 Abs
2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät
offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem
SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.
10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht
zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.
Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs
ist §
15 Abs
1 S 3 und 4
SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist (gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende
angemessene Nachfrist nach §
15 Abs
1 S 2
SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger
eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden
Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach §
15 Abs
1 S 4 Fall 2
SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung
mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).
a) Die Regelungen des §
15 Abs
1 S 3 und 4
SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar (BSG SozR 4-3250 §
14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere §
7 S 2
SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe (§§
4,
5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut
dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch
auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.
b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach §
15 Abs
1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von §
15 Abs
1 S 4
SGB IX ist der nach §
14 SGB IX zuständige Träger (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).
11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach §
15 Abs
1 S 4 Fall 2
SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger
Leistungsablehnung nach §
13 Abs
3 S 1 Fall 2
SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach §
14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte
bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung
und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame
Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen
Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach §
15 Abs
1 S 4 Fall 2
SGB IX sind - ebenso wie nach §
13 Abs
3 S 1 Fall 2
SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt
hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung
des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren
nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt
BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.
"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren
notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt
ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende
Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer
(vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig
Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit
der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der
Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer
demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen
kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden
(§
163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung
erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006,
nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem
Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch
nach §
15 Abs
1 S 4 Fall 2
SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach §
14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.
13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§
9,
15 SGB VI iVm §
26 Abs
2 Nr
6 und §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.
a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation (§
9 Abs
1 SGB VI), wenn die persönlichen (§
10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§
11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach §
12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§
10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der
Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte
Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit
iS von §
43 Abs
2 S 2
SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden
Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
(§
11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach §
12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch
den Rentenversicherungsträger. Gemäß §
9 Abs
1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §
15 SGB VI erbringen, für die in Abs
1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§
26 bis
31 SGB IX verwiesen wird. Nach §
26 Abs
1 Nr
2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit
zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach §
26 Abs
2 Nr
6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in §
31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung
von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen
Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.
Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung
eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist (BSGE
105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis
iS von §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von §
33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern,
begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen
von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht
zur Anwendung.
14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen
(§
13 Abs
1 S 1
SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen
auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und
damit bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend
erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in
Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von §
15 Abs
1 S 3
SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden
Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.
15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen
neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger
in Höhe des Festbetrags (§
36 iVm §
12 Abs
2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen
aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§
33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§
14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät
zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§
9,
15 SGB VI iVm §
26 Abs
2 Nr
6 und §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach §
14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des §
14 Abs
1 S 1 und 2
SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit
zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.
Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich
geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes
Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die
Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen
sind (§
33 Abs
1 S 5
SGB V und §
31 Abs
3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich,
fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische
Hilfsmittel (§
33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§
40 Abs
1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren
sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach §
40 Abs
5 SGB XI geschaffen.
16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach §
75 Abs
5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die
Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.
Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin
nur in Form des Festbetrags (§
36 iVm §
12 Abs
2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis
zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.
a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher,
mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist,
wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die
Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen,
unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin
bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids
bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).
b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§
77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§
83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor
erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung
nicht einverstanden zu sein.
Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss
sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des §
14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des §
14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems
entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch
die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine
Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel"
begegnet §
14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens
den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für
den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben.
Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des §
14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger
macht, müssen - um der Zielsetzung des §
14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch
als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall
- der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass
für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.
Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung
bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest
auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass
diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung
der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu §
75 SGG).
17. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.