Abgrenzung zwischen stationärer Krankenhausbehandlung und medizinischer Rehabilitation
Gründe:
I
Das klagende Land begehrt als Träger des Niedersächsischen Landeskrankenhauses (NLK) T. von der beklagten Krankenkasse
37.209,02 DM (= 19.024,66 _) für die stationäre Behandlung des Beigeladenen zu 1) im NLK in der Zeit vom 4. Mai bis 23. September
1993.
Der im März 1967 geborene Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum bei der Betriebskrankenkasse (BKK) A. , der Rechtsvorgängerin
der beklagten BKK E. , gesetzlich krankenversichert; die Beigeladene zu 2) war zuständiger Rentenversicherungsträger.
Von April bis Juni 1992 befand sich der Beigeladene zu 1) in stationärer psychiatrischer Behandlung im Krankenhaus "M.
H. " in G. und im Anschluss daran in psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung in der Rheinischen Landesklinik
(RLK) V. . Am 6. Dezember 1992 erlitt er aus dem Wochenendurlaub kommend auf dem Rückweg zur RLK in V. einen
Autounfall mit Schädelverletzungen, die einen Aufenthalt von vier Wochen im Klinikum A. erforderlich machten.
Am 4. März 1993 verordnete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie W. erneut stationäre Krankenhausbehandlung
für den Beigeladenen zu 1) bei folgenden Diagnosen: Bulimie und ein depressives Syndrom bei depressiv-schizoider Struktur.
Am 4. Mai 1993 wurde der Beigeladene zu 1) im NLK T. aufgenommen, welches mit Schreiben vom 6. Mai 1993 eine Kostenübernahme
für sechs Wochen beantragte (Diagnose: depressive Verstimmung bei narzisstischer Störung, Suizidalität und Autoaggression).
Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 11. Mai 1993 unter Hinweis auf die Vorbehandlung im Jahre 1992 in der RLK V.
ab; die Akutbehandlung sei mit diesem Aufenthalt abgeschlossen gewesen, die Behandlung im NLK sei deshalb als Rehabilitationsmaßnahme
anzusehen. Mit Schreiben vom 27. Juli 1993 beantragte das NLK erneut und unter Hinweis auf die Schwere der psychischen Erkrankung
des Beigeladenen zu 1), seine chronische Suizidalität und die fortbestehende Autoaggression eine Kostenübernahme, welche von
der Beklagten unter dem 6. August 1993 nochmals abgelehnt wurde.
Einen noch im Mai 1993 vom Beigeladenen zu 1) gestellten Antrag auf medizinische Rehabilitationsleistungen lehnte die Beigeladene
zu 2) mit Bescheid vom 1. Oktober 1993 ab. Am 27. September 1993 wurde der Beigeladene zu 1) aus dem NLK in ambulante ärztliche
Weiterbehandlung entlassen. Im November 1993 forderte das NLK T. die Beklagte erfolglos zur Zahlung der Behandlungskosten
in Höhe von 37.209,02 DM auf.
Am 29. November 1995 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben. Das SG hat ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters R. vom 17. Juli 1999 eingeholt und die Beklage sodann unter Abweisung
der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 37.209,02 DM nebst Zinsen in Höhe von 2% über dem Diskontsatz der Deutschen
Bundesbank seit dem 29. November 1995 zu zahlen (Urteil vom 21. September 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil
des SG geändert und die Klage unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgewiesen, soweit sie die Übernahme von Krankenhauskosten
nebst Zinsen für die Zeit vom 13. Mai bis 23. September 1993 betrifft (Urteil vom 30. April 2003). Ein Zahlungsanspruch des
Klägers bestehe nur bis zum 12. Mai 1993, weil die Zahlungspflicht der Beklagten gemäß § 4 Abs 2 Satz 3 des zum 1. November
1992 in Kraft getretenen "Sicherstellungsvertrages zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden
der Krankenkassen zu den Bereichen des §
112 Abs
2 Ziff 1, 2, 4 und 5
SGB V" (Sicherstellungsvertrag) einen Werktag nach Eingang der Ablehnungsmitteilung beim Krankenhaus ende. Für die Folgezeit habe
die Beklagte zu Recht angenommen, dass mit dem Beigeladenen zu 1) eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt
worden sei, für die die Beigeladene zu 2) zuständig gewesen sei. Aus den medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass im Vordergrund
der stationären Betreuung des Beigeladenen zu 1) nicht die ärztliche Krankenbehandlung gestanden habe, sondern die Anwendung
von Heilmitteln und die Hilfe zur Entwicklung eigener Kräfte. Die ärztlichen Verlaufseintragungen seien spärlich, zum Teil
sei die Dokumentation in der Krankenakte sogar lückenhaft, und aus dem Medikamentenverordnungsblatt ergebe sich nur die Verordnung
von Aspirin, jedoch nicht von Psychopharmaka. Die Ausführungen des Dr. A. in der ärztlichen Stellungnahme vom
25. April 1994 zu deutlichen depressiven Verstimmungen des Beigeladenen zu 1), einhergehend mit Suizidalität und Autoaggression,
würden weder durch Dokumentationen in der Krankenakte noch durch andere Unterlagen belegt. Die geringe Dichte der ärztlichen
Behandlungsmaßnahmen spreche gegen die Qualifizierung der Maßnahme als Krankenhausbehandlung. Aus diesem Grunde folge der
Senat nicht der Einschätzung des Sachverständigen R. , dass von einem dem Krankheitsbild und der gewählten Behandlungsform
entsprechenden kontinuierlichen Prozess auszugehen sei, der neben dem pflegerischen Rahmen, den ein Landeskrankenhaus für
Psychotherapie und Psychosomatische Medizin biete, vor allem ständige ärztliche Präsenz verlangt habe. Überzeugender seien
vielmehr die Ausführungen von Dr. P. vom MDK N. , dessen Gutachten vom 27. Juli 2001 die Beklagte im Berufungsverfahren
beigebracht und der ebenfalls darauf hingewiesen habe, dass wegen der vorrangig erfolgten Einzel- und Gruppentherapie sowie
der Arbeitsversuche und in Anbetracht der Lückenhaftigkeit der Krankenunterlagen im Hinblick auf ärztliche Behandlungsmaßnahmen
mehr für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme spreche denn für eine durchgeführte Krankenhausbehandlung. Für diese stationäre
Rehabilitation sei jedoch nicht die beklagte Krankenkasse zuständig gewesen, sondern die Beigeladene zu 2) als Rentenversicherungsträger
des Beigeladenen zu 1).
Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene zu 2) haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Der Kläger rügt eine Verletzung
von §§ 39 Abs 1, 40 Abs 1 und 2,
108, 109 Abs
4,
112 Abs
1 und
2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) iVm dem Sicherstellungsvertrag sowie von §§
9 Abs
1,
15 Abs
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI); außerdem habe das LSG den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz >SGG<) verletzt. Zu Recht habe das LSG festgestellt, dass eine Fehlentscheidung des Krankenhausarztes nicht vorliege, hieraus
aber die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Es sei nicht erkennbar, warum der Zahlungsanspruch nach dem Zugang des Schreibens
der Beklagten vom 11. Mai 1993 entfallen sein solle. Zu Unrecht gehe das LSG in diesem Zusammenhang von einer Umkehr der Beweislast
aus. Hierauf komme es nicht an, das LSG hätte vielmehr prüfen müssen, ob der aus der Entscheidung des Krankenhausarztes folgende
Anscheinsbeweis erschüttert sei - hiervon sei aber nicht auszugehen. Bei dem Beigeladenen zu 1) habe Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
bestanden, die den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich gemacht habe. Dies erschließe sich aus der
speziellen Krankenvorgeschichte des Beigeladenen zu 1), aber auch aus den Krankenunterlagen und dem Gutachten des Sachverständigen
R. . Zudem habe sich das LSG zu Unrecht nur auf das MDK-Gutachten von Dr. P. gestützt; das Gutachten des gerichtlich
gehörten Sachverständigen R. habe es dagegen falsch ausgewertet und die von der Beigeladenen zu 2) vorgelegte ärztliche
Stellungnahme von Dr. M. vom 6. September 2001 völlig unberücksichtigt gelassen. Dies verletze den Grundsatz der freien
Beweiswürdigung nach §
128 Abs
1 SGG. Die Beigeladene zu 2) rügt ebenfalls eine Verletzung der §§
39 und
40 SGB V. Im vorliegenden Falle habe konkret Krankenhausbehandlung im Sinne des
SGB V stattgefunden und keine medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des
SGB VI. Im Vordergrund habe die ärztliche Behandlung gestanden; rehabilitationsspezifische Elemente seien während der gesamten stationären
Maßnahme nur am Rande vorhanden gewesen.
Der Kläger und die Beigeladene zu 2) beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen von 30. April 2003 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 21. September 2000 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Zur Kostenübernahme sei sie weder durch die Annahme von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit seitens des Klinikarztes noch
durch die Vorlage einer entsprechenden Rechnung verpflichtet. Im vorliegenden Fall habe es sich objektiv nicht um Krankenhausbehandlung
gehandelt, die nur mit den apparativen und personellen Mitteln eines Krankenhauses hätte durchgeführt werden können; im Vordergrund
hätte vielmehr die psychiatrische und psychotherapeutische Betreuung gestanden. Zur Gewährung einer solchen stationären Rehabilitationsmaßnahme
sei sie als Krankenkasse jedenfalls nicht verpflichtet gewesen.
Der Beigeladene zu 1) hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach §§
165,
153 Abs
1,
124 Abs
2 SGG einverstanden erklärt.
II
Die Revisionen sind zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das LSG den Zahlungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 13. Mai
bis 23. September 1993 verneint. Das Urteil ist deshalb zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 21. September 2000 in vollem Umfang zurückzuweisen.
1. Beide Revisionen sind zulässig. Grundsätzlich können auch Beigeladene unabhängig von den Hauptbeteiligten des Rechtsstreits
Rechtsmittel einlegen, weil sich die Rechtskraft des Urteils nach §
141 Abs
1 SGG auf alle Beteiligten erstreckt. Indes begründet dies allein noch nicht die Befugnis zur Einlegung des Rechtsmittels. Hierfür
ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) weiter erforderlich, dass der Rechtsmittelkläger durch
das angefochtene Urteil in eigenen Rechten iS von §
54 Abs
2 Satz 1
SGG verletzt, also materiell beschwert sein kann. Das angefochtene Urteil muss unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der subjektiven
Rechte des Beigeladenen führen können; dass seine berechtigten Interessen berührt werden, reicht allein nicht aus (vgl Urteil
des BSG vom 13. August 2002 - B 2 U 33/01 R -, HVBG-INFO 2002, 2818 ff, und BSG SozR 3-1500 §
75 Nr 31 mwN; Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Aufl, Vor §
143 RdNr 4a). Gegenstand des Urteils des LSG ist die Frage, ob im Falle des Beigeladenen zu 1) eine stationäre Krankenhausbehandlung
durchgeführt worden ist oder eine Rehabilitationsmaßnahme stattgefunden hat. Das LSG hat in den Entscheidungsgründen ausdrücklich
festgestellt, dass es sich vorliegend um eine Rehabilitationsmaßnahme gehandelt habe und deshalb die Beklagte nicht leistungspflichtig
sei. Die Bindungswirkung des Berufungsurteils erfasst zwar grundsätzlich nur die Urteilsformel; sie geht nach allgemeiner
Meinung jedoch so weit, wie der darin enthaltene Gedanke reicht, und erfasst deshalb auch den sich aus festgestellten Tatsachen
und angewandten Rechtsnormen ergebenden Subsumtionsschluss als Ganzen (vgl Meyer-Ladewig aaO § 141 RdNr 7 und Vor § 143 RdNr
8 - jew mwN aus der Rspr). Da das LSG zur Begründung seiner Klageabweisung auf die - vorrangige - Leistungsverpflichtung der
Beigeladenen zu 2) verwiesen hat, ist diese materiell beschwert und zur Einlegung der Revision befugt. Auf die Frage, ob tatsächlich
eine Verletzung eigener Rechte vorliegt, kommt es bei der Prüfung der Rechtsmittelbefugnis nicht an; es genügt hier die Behauptung
der Beigeladenen zu 2), durch das angegriffene Urteil in rechtlich geschützten Interessen verletzt zu sein.
2. Streitbefangen ist nur noch der Zeitraum vom 13. Mai bis 23. September 1993; für die Zeit vom 4. bis 12. Mai 1993 ist der
Anspruch des Klägers bereits durch das positive Urteil des SG und die teilweise Zurückweisung der Berufung seitens des LSG rechtskräftig festgestellt. Das LSG hat in seinem Urteil vom
30. April 2003 allerdings widersprüchliche Feststellungen getroffen: Im Tatbestand wird als Tag des Zugangs des Ablehnungsschreibens
beim NLK der 12. Mai 1993 festgestellt (LSG-Urteil, Umdruck S 3), in den Entscheidungsgründen heißt es sodann, die Ablehnungserklärung
der BKK vom 11. Mai 1993 sei noch am selben Tag beim Kläger eingegangen (LSG-Urteil, Umdruck S 9). Sollte das Zugangsdatum
12. Mai 1993 richtig sein, dann wäre gemäß § 4 Abs 2 Satz 3 des Sicherstellungsvertrages ein Zahlungsanspruch auch noch für
den 13. Mai 1993 gegeben. Gleichwohl bedurfte es keiner Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur weiteren Sachverhaltsklärung,
weil der Anspruch des Klägers unabhängig von dieser tatsächlichen Diskrepanz für den gesamten Zeitraum vom 4. Mai bis 23.
September 1993 besteht.
3. Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Vergütungsanspruchs, dessen Höhe rechnerisch nicht angegriffen wird, ist §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V idF des Art 1 Nr 64 Buchst b des Gesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) iVm dem auf §
112 Abs
2 SGB V basierenden Sicherstellungsvertrag vom 1. November 1992. Das NLK T. ist zugelassenes Plankrankenhaus iS von §
108 Nr 2
SGB V und unterfällt somit ebenso wie die Beklagte dem Geltungsbereich dieses Sicherstellungsvertrages. Wie der Senat bereits wiederholt
deutlich gemacht hat, ist das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus zu trennen vom Behandlungsverhältnis
zwischen Krankenhaus und Versichertem sowie vom Versicherungsverhältnis, kraft dessen der Versicherte die Krankenhausbehandlung
als Naturalleistung verlangen kann. Für das Abrechnungsverhältnis gilt: Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht
- unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (vgl BSGE 86,
166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSGE 89, 104, 105 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Der Sicherstellungsvertrag stellt dazu ein Rahmenregelwerk zur Verfügung, dass bei der konkreten
Abrechnung von Krankenhausleistungen im Einzelfall zu beachten ist.
a) Der Vergütungsanspruch setzt voraus, dass überhaupt eine Krankenhausbehandlung stattgefunden hat, dass sie notwendig war
und fachgerecht durchgeführt worden ist. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Klageforderung betreffen alle drei Voraussetzungen,
ohne sie immer klar zu unterscheiden. Mit der Behauptung, es habe sich - obwohl die Behandlung in einer lediglich als Krankenhaus
zugelassenen Einrichtung stattgefunden hat - nicht um Krankenhausbehandlung, sondern um eine Reha-Maßnahme gehandelt, macht
die Beklagte ein Leistungsverweigerungsrecht wegen einer sog Aliud-Leistung geltend, wie es im zivilrechtlichen Schuldverhältnis
bekannt ist (vgl §
434 Abs
3 BGB; dazu Palandt-Putzo,
Bürgerliches Gesetzbuch 64. Aufl 2005, §
434 RdNr
52). Der Einwand, bei dem Versicherten habe eine chronische Erkrankung vorgelegen, richtet sich gegen die Notwendigkeit einer
Krankenhausbehandlung. Der Hinweis auf nur sporadische ärztliche Behandlungsmaßnahmen sowie die Lückenhaftigkeit der Dokumentation
bedeutet, dass die Qualität der Behandlung als nicht fachgerecht beanstandet wird. Es kann dahinstehen, ob alle diese Einwendungen
geeignet wären, jeglichen Zahlungsanspruch des Klägers zu Fall zu bringen, oder ob stattdessen die Zahlung einer Mindervergütung
zu erwägen wäre. Denn sämtliche Einwendungen der Beklagten greifen in der Sache nicht durch.
Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Krankenhausbehandlung, sondern um
eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme gehandelt habe, für die allenfalls die Beigeladene zu 2) zuständig gewesen
sei. Diese Bewertung wird weder durch die vom LSG festgestellten Tatsachen noch dadurch gestützt, dass in der vom NLK geführten
Krankenakte nur eine geringe Dichte ärztlicher Behandlungsmaßnahmen dokumentiert ist.
Die Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation ist vor allem im
Bereich der psychotherapeutischen Medizin/Psychosomatik bisweilen schwierig, weil Rehabilitationseinrichtung und Krankenhaus
sich darin decken, dass beide auf die Behandlung von Krankheiten und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet
sind. Deshalb kann eine Unterscheidung im Wesentlichen nur nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel
der Behandlung getroffen werden, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln (BSG SozR 3-2500 §
107 Nr
1). Anhaltspunkte zur Differenzierung bietet §
107 SGB V: Nach §
107 Abs
2 Nr
1 Buchst b und Nr
2 SGB V dienen Rehabilitationseinrichtungen der stationären Behandlung der Patienten, "um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg
zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel, eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen,
zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern". Es ist zudem erforderlich, dass
diese Einrichtungen "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem
Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch
Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie,
ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei
der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen". Krankenhäuser sind demgegenüber "Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung
oder Geburtshilfe dienen, fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag
entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten
und mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet
sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten" (§
107 Abs
1 Nr
1 bis
3 SGB V). Die Rechtsprechung hat ua daraus als besondere Mittel des Krankenhauses auf eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes
Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten bzw rufbereiten Arzt geschlossen (vgl BSGE 59, 116, 117 = SozR 2200 § 184 Nr 27; BSG SozR 2200 § 184 Nr 28; BSGE 83, 254, 259 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9), jedoch im Hinblick auf das Merkmal "Krankenhausbehandlung" weder
den Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen. Regelmäßig ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung
der Verhältnisse des einzelnen Falles erforderlich, die jedoch nur nach objektiven Merkmalen und Kriterien erfolgen kann (BSGE
81, 189, 193 = SozR 3-2500 § 111 Nr 1). Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten
in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie
die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (BSGE 92, 300, 305 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ist davon auszugehen, dass im Falle des Beigeladenen zu 1) stationäre Krankenhausbehandlung
stattgefunden hat. Dafür spricht zunächst einmal, dass die Einrichtung nur als Krankenhaus und nicht (auch) als Reha-Einrichtung
zugelassen ist. Eine unzureichende Krankenhausbehandlung wäre noch keine Reha-Maßnahme. Wie das LSG für den Senat bindend
(§
163 SGG) festgestellt hat, erfolgte die Aufnahme in das vom klagenden Land geführte LKH - eine Fachklinik für Psychotherapie, Psychiatrie
und psychosomatische Medizin (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V) - auf der Grundlage einer fachärztlichen Krankenhaus-Verordnung mit den Diagnosen "Bulimie" und "depressives Syndrom bei
depressiv-schizoider Struktur". Hierbei handelt es sich um behandlungsbedürftige Krankheiten iS vom §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V, wovon auch das LSG ausgegangen ist (LSG-Urteil, Umdruck S 8f), denn beide Diagnosen bezeichnen einen regelwidrigen, vom
Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- bzw Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf (vgl Tölle, Psychiatrie,
12. Aufl 1999, S 102 ff; zu den Krankheitsgruppen in der Psychiatrie allgemein Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung
- Bd 1, Stand: 53. Erg-Lief Juni 2004, §
27 SGB V RdNr 39 und
126 ff mwN; zur Depression BSG SozR 2200 § 182b Nr 18; zur Schizophrenie BSGE 42, 16, 18 = SozR 2200 § 182 Nr 14; zu psychisch bedingter Erkrankung BSGE 50, 47 = SozR 2200 § 184a Nr 3). Beiden Krankheitsbildern liegen in der Regel psychische/psychiatrische Fehlentwicklungen zu Grunde,
die auf verschiedenste Ursachen zurückzuführen sein können und dementsprechend auch individualisierter Behandlung bedürfen
(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl 2002, S 249 und 349 f).
Psychoreaktive Störungen und seelische Fehlhaltungen stellen nach heutigem medizinischen Standard behandlungsfähige und auch
behandlungsbedürftige Erkrankungen dar. Zwar ging man früher in Medizin und Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass insbesondere
bei lang anhaltenden psychiatrischen Leiden ein chronifizierter Dauerzustand vorliege, der medizinisch-ärztlich nicht mehr
wesentlich beeinflussbar sei (vgl zB BSGE 59, 116, 118 = SozR 2200 § 184 Nr 27); infolgedessen standen Fragen der medizinischen Rehabilitation bis hin zur "Verwahrung" des
Kranken aus Sicherheitsgründen im Vordergrund der Diskussion (vgl dazu Fichte, Krankenhausbehandlung, Rehabilitation und Verwahrpflege,
ZfS 1993, 97; Weig/Gelhausen, Psychiatrische und sozialrechtliche Anmerkungen zur Frage Behandlungs- versus Pflegefall in der allgemeinen
Psychiatrie, SGb 1996, 576). Seit 1980 kamen in der Medizin jedoch neue Behandlungskonzepte vor allem für schwere psychiatrische Krankheitsbilder auf,
die in verstärktem Maße eine Behandlungsmöglichkeit eröffneten (vgl Weig/Gelhausen aaO S 577; Blaeser-Kiel, Integrative Konzepte
auf allen Ebenen erforderlich, DÄBl 2003, A1237; Clade, Schizophrenie, Ein kostspieliges Krankheitsbild, DÄBl 2004, A3160).
Diese Konzepte sehen den Verlauf psychischer/psychiatrischer Erkrankungen durch das Bewältigungsverhalten der betroffenen
Personen, durch Einflüsse der sozialen Umgebung sowie einige weitere Faktoren bestimmt und reagieren hierauf, indem sie biologische
(Arzneimittel), psychologische (Psychotherapie, insbesondere zur Verbesserung der Krankheitserkennung und -bewältigung) und
sozialtherapeutische Verfahren (Milieugestaltung, lebenspraktisches Alltagstraining, Ergotherapie) in die Krankenbehandlung
mit einbeziehen (Weig/Gelhausen aaO S 577 f). Der Gesetzgeber hat diesen neuen Erkenntnissen mit dem Gesundheitsreformgesetz
(GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) Rechnung getragen und allgemein in §
27 Abs
1 Satz 3
SGB V die Verpflichtung hervorgehoben, bei der Krankenbehandlung den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen.
Hiermit sollte der Gleichstellung körperlich und psychisch Kranker Ausdruck verliehen und so ein Beitrag zur Verbesserung
der Situation psychisch Kranker geleistet werden (Ausschussbericht, BT-Drucks 11/3480 S 51). Diese Regelung verleiht dem Einzelnen
zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenkasse, ihr kommt aber zumindest eine Verdeutlichungsfunktion
und der Charakter einer Auslegungsregel zu; sie bedingt, dass die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten auch bei psychischen
Erkrankungen voll ausgeschöpft werden und das für sie bestimmte Leistungsangebot nicht hinter demjenigen für somatisch Kranke
zurückbleiben darf (Schmidt in: Peters aaO §
27 SGB V RdNr
396). Deshalb ist §
27 Abs
1 Satz 3
SGB V nicht nur Programmsatz, sondern unmittelbar anwendbares und im Einzelfall zu beachtendes Recht.
Entgegen der Meinung der Beklagten begründen auch chronische Erkrankungen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Bei Patienten
mit schweren und zum Teil bereits chronisch verlaufenden psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen - hierzu gehört auch
der Beigeladene zu 1) - entspricht es inzwischen dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass
ein komplexer Behandlungsansatz des Zusammenwirkens eines multiprofessionellen Teams von Ärzten, Diplom-Psychologen, Sozialpädagogen,
Ergotherapeuten und Bewegungstherapeuten mit fachlich besonders geschultem und erfahrenem psychiatrischen Krankenpflegepersonal
im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans in einem Krankenhaus gewählt wird (vgl Weig/Gelhausen aaO S 577 ff mwN). Diesem stationären
Behandlungskonzept folgt auch die von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
herausgegebene "Behandlungsleitlinie Schizophrenie" (Band 1 der Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie, 1998),
die von einem unter Leitung eines Psychiaters erstellten Gesamtbehandlungsplan ausgeht, der grundsätzlich mehrdimensional
orientiert ist und biologisch-somatische, psychologisch-psychotherapeutische sowie soziotherapeutisch-rehabilitative Aspekte
einschließt. Entsprechendes gilt für die DGPPN-"Behandlungsleitlinie Essstörungen" (Band 4 der Praxisleitlinien in Psychiatrie
und Psychotherapie, 2000); auch dort wird in schweren Fällen eine stationäre Aufnahme empfohlen, wobei die pharmakologische
Behandlung insbesondere durch verhaltensbezogene und psychotherapeutische Maßnahmen (Psychotherapie in Form von Einzel-, Gruppen-
oder Familientherapie; Gewichtsmanagement und Ernährungsrehabilitation) ergänzt werden soll.
Diese neueren Entwicklungen in der psychiatrischen Medizin zeigen auf, dass insbesondere bei schweren Krankheitsbildern eine
stationäre Behandlung auch dann stattfinden kann, möglicherweise sogar muss, wenn bereits ein längerer Krankheitsverlauf besteht
und die Behandlung ein multiprofessionelles Team erfordert.
Die Art und Weise der ärztlichen Behandlung hängt von der Schwere der Erkrankung und der jeweiligen Symptomatik ab, sie kann
ambulant und stationär erfolgen. Insbesondere bei der hier zusätzlich diagnostizierten Suizidgefahr ist in aller Regel eine
stationäre Unterbringung und fachärztliche Beobachtung angezeigt, um den Patienten zu entlasten und zu versorgen (Tölle aaO
S 133; vgl auch Schmeling-Kludas, Fachliche und rechtliche Aspekte zur Abgrenzung einer Krankenhausbehandlung im Gebiet "Psychotherapeutische
Medizin" von der Psychosomatischen Rehabilitation, PPmP 1999, 312, 314). Deshalb erfolgte die Überweisung des Beigeladenen
zu 1) auch in eine psychiatrische Fachklinik und nicht in eine Rehabilitationseinrichtung. Der vom einweisenden Arzt initiierte
Klinikaufenthalt wurde mit einer ärztlichen Aufnahmeuntersuchung sowie einer umfassenden Laboruntersuchung und Blutbildbestimmung
eingeleitet. Anschließend wurde ein Therapieplan erstellt und in der Folgezeit umgesetzt, der verschiedene einzel- und gruppentherapeutische
Sitzungen sowie zahlreiche Arbeitsversuche vorsah - jeweils unter fachlicher Leitung und ärztlicher Kontrolle, wie das LSG
bindend festgestellt hat, auch wenn es die Dokumentation des Krankenhauses hierzu als lückenhaft angesehen hat. Die durchgeführten
therapeutischen Maßnahmen unterscheiden sich zwar letztlich nicht wesentlich von solchen, die auch in einer Rehabilitationseinrichtung
erforderlich gewesen wären; die Übergänge zwischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation sind insoweit fließend (Schmeling-Kludas
aaO S 313). Dem LSG ist zuzugeben, dass die Abgrenzung zwischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation in derartigen Fällen
schwierig sein kann, zumal alle gehörten Sachverständigen übereinstimmend ausgeführt haben, dass die durchgeführte Behandlung
dem äußeren Ablauf nach im Prinzip auch in einer Rehabilitationseinrichtung hätte stattfinden können. Im vorliegenden Fall
wurde der Beigeladene zu 1) jedoch angesichts der Schwere seiner Erkrankung, der chronischen Suizidalität und seinen autoaggressiven
Handlungen in einer psychiatrischen Fachklinik behandelt, weil die Bekämpfung der Krankheit und nicht die Milderung ihrer
Folgen im Vordergrund stand. Hinzu kommt, dass der frühere stationäre Aufenthalt des Beigeladenen zu 1) im RLK V. wegen
eines Verkehrsunfalls im Dezember 1992 abgebrochen werden musste und deshalb therapeutisch nicht zu Ende geführt werden konnte,
der ursprünglich begonnene Behandlungsprozess also mit der Einweisung in das LKH T. auch seine medizinische Fortsetzung
fand.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des LSG, im Vordergrund der Behandlung des Beigeladenen zu
1) habe nicht die fachlich-medizinische Leitung durch den Arzt gestanden, sondern die Anwendung von Heilmitteln sowie die
therapeutische Hilfe zur Entwicklung eigener Kräfte. Bei psychischen/psychiatrischen Erkrankungen ist die oa Abgrenzung zwischen
Behandlung und Rehabilitation auch deshalb schwierig, weil sich kaum unterscheiden lässt, was noch zur Behandlung der Krankheit
gehört, welche Therapieformen insbesondere bei chronischen Krankheiten noch zur Krankheitsbekämpfung zu rechnen sind und wann
eine Maßnahme "nur" zur Sicherung des Erfolges einer vorangegangenen Behandlung dient. Die therapeutischen Maßnahmen in der
Krankenhausbehandlung sind der Art nach dieselben wie in der Rehabilitation. Während in der somatischen Medizin die Berücksichtigung
der psychosozialen Probleme ganz vorrangig Aufgabe der Rehabilitation ist, gilt dies im Bereich der Psychosomatik/Psychotherapie
nicht in diesem Maße; Schädigung und Schädigungsfolgen sind hier eng miteinander verwoben, sodass schon die Krankenhausbehandlungsphase
rehabilitative Elemente enthalten muss (Schmeling-Kludas aaO S 313; vgl auch Tölle aaO S 103, 133). Entscheidend sind immer
die Verhältnisse des Einzelfalles, sodass bei entsprechender Diagnostik auch ohne Einsatz von apparativen Einrichtungen die
Krankheitsbekämpfung durch Ärzte, therapeutische Hilfskräfte und/oder Pflegepersonal im Vordergrund stehen kann (BSGE 92,
300, 305 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2; BSGE 81, 189 = SozR 3-2500 § 111 Nr 1). Beim Bestehen einer psychischen/psychiatrischen Erkrankung und dieserhalb erfolgter stationärer
Einweisung kann nicht allein aus dem Überwiegen von nichtärztlichen therapeutischen Maßnahmen geschlossen werden, es habe
keine Krankenhausbehandlung stattgefunden. Entscheidend ist vielmehr, dass die Behandlung einer Erkrankung im Vordergrund
steht, für die der entscheidende Krankenhausarzt die Mittel eines Krankenhauses als geeignet und erforderlich ansieht, §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V. Dies hat der zuständige Krankenhausarzt der Beklagten unverzüglich (§
4 Abs 1 Sicherstellungsvertrag) unter Darlegung der Diagnose mitgeteilt.
Die Tatsache, dass das LSG die vom LKH geführten Krankenakten - Leistungsdokumentation, Medikamentenverordnungsblatt, ärztliche
Verlaufseintragungen, Dokumentation über Therapien und Arbeitsversuche - als lückenhaft und nicht aussagekräftig bewertet
hat, ändert nichts an der Qualifizierung der durchgeführten Maßnahme als Krankenhausbehandlung. Maßgeblich ist allein der
tatsächliche Geschehensablauf, nicht seine Dokumentation; eine Krankenhausbehandlung kann nicht durch lückenhafte bzw. nicht
aussagekräftige Krankenakten zu einer medizinischen Rehabilitation werden. Eine sachgemäße Dokumentation der Behandlung durch
das Krankenhaus könnte allenfalls bei der Frage der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung und ihrer Qualität Bedeutung
gewinnen (vgl BSGE 86, 166, 170 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1).
b) Die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Beigeladenen zu 1) war notwendig, weil das Behandlungsziel nicht auf andere
Weise - insbesondere nicht durch ambulante Behandlung oder durch Unterbringung in einer Rehabilitationseinrichtung - erreicht
werden konnte (§
39 Abs
1 Satz 2
SGB V iVm §
3 Abs
2 und Abs
5 Sicherstellungsvertrag). Voraussetzung für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG,
dass die Krankheit zum einen behandlungsbedürftig ist und ihr zum anderen mit den spezifischen Mitteln des Krankenhauses begegnet
werden muss, um sie zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSGE
47, 83, 85, = SozR 2200 § 216 Nr 2; BSG SozR 2200 § 184 Nr 11, 28). Lässt sich eine erforderliche medizinische Behandlung in ebenso guter Weise ambulant durchführen, so besteht kein Anspruch
auf Krankenhausbehandlung. Dasselbe gilt, wenn medizinische Rehabilitation (dann ggf Rehabilitationsklinik) oder dauerhafte
Pflege (dann ggf Pflegeheim) ausreichend ist (so zusammenfassend nochmals BSGE 92, 300, 305 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 RdNr 16 - jew mwN). Nach den Feststellungen des LSG ergab sich die Notwendigkeit (Erforderlichkeit)
der Krankenhausbehandlung auf Grund der Einschätzung des Krankenhausarztes (vgl dazu BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) im vorliegenden Fall aus der Vorgeschichte des Patienten, der Verordnung des Neurologen und Psychiaters
W. sowie der nach wie vor bestehenden Suizidal- und Autoaggressionsgefahr. Mit der Entscheidung des Krankenhausarztes
wurde der Versicherungsanspruch des Beigeladenen zu 1) gegen die Beklagte konkretisiert. Auch die Tatsache, dass zwischen
der Verordnung des einweisenden Arztes W. vom 4. März 1993 und der Aufnahme in das LKH T. ein Zeitraum von zwei
Monaten liegt, spricht ebenfalls nicht gegen die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung. Denn nach § 3 Abs 2 Satz 1 Sicherstellungsvertrag
wird die vertragsärztliche Verordnung - von Notfällen abgesehen - zwar als Voraussetzung für die Annahme von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
normiert, aber nicht festgelegt, dass die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus dann auch unverzüglich zu erfolgen habe.
Gerade bei psychischen Erkrankungen kann das Finden eines geeigneten Krankenhauses zeitaufwendig sein. Anhaltspunkte dafür,
dass sich in der Zeit zwischen der ärztlichen Verordnung und der tatsächlichen Krankenhausaufnahme Änderungen im Gesundheitsbild
des Beigeladenen zu 1) ergeben haben könnten, sind weder vom LSG festgestellt noch ansonsten ersichtlich.
Zu Unrecht hat die Beklagte ihre Leistungspflicht unter Hinweis auf die Vorbehandlung des Beigeladenen zu 1) im Jahre 1992
in der RLK V. abgelehnt und darauf hingewiesen, die Akutbehandlung sei mit diesem Aufenthalt abgeschlossen gewesen, die
Behandlung im NLK deshalb als Rehabilitationsmaßnahme anzusehen. Ihr ist zwar zuzugeben, dass bei psychiatrischen Dauererkrankungen
manchmal zweifelhaft sein kann, ob die Gesundheitsstörung noch einer Behandlung zugänglich ist, also noch eine Krankheit iS
von §
27 SGB V vorliegt, oder bereits eine nicht mehr therapierbare Dauerschädigung vorliegt (vgl auch Höfler in: Kasseler Kommentar - Sozialversicherungsrecht
- Band 1, Stand: Dezember 2004, §
39 SGB V RdNr 20). Gerade bei psychischen/psychiatrischen Erkrankungen besteht allerdings die Besonderheit, dass sie oft in Schüben
und Wellenlinien verlaufen, sich also krisenhafte Zuspitzungen mit Intervallen von relativem Wohlbefinden abwechseln (Tölle
aaO S 104 - Depression - und S 107 - Bulimie -). Hinzu kommt noch Folgendes: Bei einem wesentlichen Teil der betroffenen Personen
stellt die Erkrankung einen Abwehrvorgang psychischer Konflikte mit Hilfe körperlicher Symptome dar, sodass die Patienten
oft trotz erheblichen Leidens nicht über die Krankheitseinsicht und Motivation verfügen, die für eine adäquate Behandlung
ihrer jeweiligen Gesundheitsstörung erforderlich sind; diese müssen erst in einer längerfristigen - psychotherapeutischen
- Behandlung hergestellt werden (Schmeling-Kludas aaO S 312). Während dieses Dauerprozesses sind - abhängig von den Besonderheiten
jedes einzelnen Falles - sowohl Maßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als auch Rehabilitationsmaßnahmen denkbar;
selbst bei einem chronischen psychiatrischen Leiden ist deshalb eine Akutbehandlung im Sinne der GKV möglich und ggf sogar
notwendig, wenn sich ein neuer Schub andeutet oder eine sonstige Verschlechterung des Gesundheitszustandes einstellt. Die
Entscheidung hierüber trifft der behandelnde Krankenhausarzt, der im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen eine medizinische
Prognose zu erstellen hat (vgl BSGE 92, 300, 307 RdNr 21 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 RdNr 21). Die Krankenkassen können sich in der Regel nicht darauf beschränken, die Notwendigkeit
einer Krankenhausbehandlung im Nachhinein aus ihrer Sicht zu beurteilen und bei abweichendem Ergebnis die Bezahlung zu verweigern.
Die Prognose des Krankenhausarztes, dass eine - weitere - psychiatrische Behandlung im Krankenhaus notwendig ist, muss vielmehr
von der Krankenkasse hingenommen werden, sofern sie vertretbar ist, weil der Arzt auch die volle strafrechtliche und zivilrechtliche
Verantwortung für seine Entscheidung trägt (zur Maßgeblichkeit der Vertretbarkeit der Entscheidung des Krankenhausarztes vgl
BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4; BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Die Entscheidung des Krankenhausarztes ist daher stets aus seiner vorausschauenden Sicht unter
Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten (oder auch nur erkennbaren) Umstände zu beurteilen. Die Prognoseentscheidung,
eine Krankenhausbehandlung sei weiterhin notwendig, wäre nur dann nicht vertretbar, wenn sie im Widerspruch zur allgemeinen
oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt (BSGE 92, 300, 308 RdNr 22 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 RdNr 22). Dies ist hier weder vom LSG festgestellt noch von der Beklagten behauptet
worden. Die Beklagte hat nur allgemein und ohne Einschaltung des MDK darauf hingewiesen, dass ihrer Ansicht nach eine Rehabilitationsmaßnahme
für den Versicherten angezeigt sei.
c) Die Durchführung der Behandlung lässt im übrigen nicht erkennen, dass sie nicht fachgerecht oder mit vermeidbaren Verzögerungen
erfolgt ist. Das Krankenhaus hat die Pflicht, eine aussagefähige Dokumentation über die Krankenhausbehandlung zu führen (BSGE
86, 166, 174 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 9). Nach den Feststellungen des LSG sind die über den Beigeladenen zu 1) geführten Krankenakten
zwar lückenhaft; dies ist im vorliegenden Fall indes unerheblich. Denn eine Umkehr der Beweislast - dem Arzthaftungsrecht
vergleichbar - erfolgt allenfalls dann, wenn der Kläger durch sein Verhalten die Sachaufklärung der entscheidungserheblichen
Fragen vereitelt hätte. Dies ist hier nicht der Fall. Die Frage nach der Art der durchgeführten Behandlung lässt sich auch
anhand der möglicherweise lückenhaften Dokumentation beantworten. Auch die Beklagte beruft sich nicht darauf, dass die Krankenunterlagen
unvollständig sind und ihr dadurch eine Wahrnehmung ihrer Rechte unmöglich gemacht oder zumindest wesentlich erschwert worden
ist.
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 13 Abs 7 des Sicherstellungsvertrages.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG in der hier noch anwendbaren und bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung (vgl §
197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 des 6.
SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl I S 2144).