Vergütungsregelung zu ambulanten Pflegeleistungen sowie zu Hausbesuchspauschalen; Berücksichtigung der allgemeinen Kosten-
und Tarifentwicklung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über einen Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle, mit dem eine Vergütungsregelung zu ambulanten
Pflegeleistungen sowie zu Hausbesuchspauschalen für die Zeit vom 7.5.2004 bis zum 31.5.2005 getroffen worden ist.
Die durch Versorgungsverträge nach §
72 SGB XI als Leistungserbringer zugelassenen Beigeladenen zu 1) bis 4) betreiben jeweils einen Pflegedienst, der in der Stadt Neuss
und im zugehörigen Landkreis Versicherte der sozialen und der privaten Pflegeversicherung in ihren Wohnungen mit ambulanten
Pflegeleistungen versorgt (häusliche Pflegehilfe gemäß §
36 SGB XI: Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung). Mit den klagenden Pflegekassen bzw Landesverbänden der Pflegekassen sowie
mit dem zu 5) beigeladenen örtlichen Träger der Sozialhilfe schlossen die Beigeladenen zu 1) bis 4), zuletzt mit Wirkung ab
1.3.2000, jeweils eine Vergütungsvereinbarung zu den nach Leistungskomplexen mit bestimmten Punktzahlen zusammengefassten
ambulanten Pflegeleistungen und zu den - die Fahrkosten und die Dokumentation abdeckenden - Hausbesuchspauschalen ab. Der
Wert je Punktzahl (Punktwert) betrug 0,074 DM = 3,784 Cent; die Hausbesuchspauschale des Leistungskomplexes (LK) 15 belief
sich auf 3 DM = 1,53 Euro und die erhöhte Hausbesuchspauschale des LK 15a auf 8 DM = 4,09 Euro.
Im Dezember 2002 kündigten die Beigeladenen zu 1) bis 4) mit Blick auf die allgemeine Kosten- und Tarifentwicklung diese Vergütungsvereinbarung.
Die Vertragsverhandlungen mit den Klägern und dem Beigeladenen zu 5) blieben ergebnislos. Daraufhin stellten die Beigeladenen
zu 1) bis 4) mit Schreiben vom 1.4.2004 einen Schiedsantrag, der bei der beklagten Schiedsstelle am 7.5.2004 einging. Diese
beraumte eine mündliche Verhandlung am 12.10.2004 an, in der die Beigeladenen zu 1) bis 4) beantragten, einen maximal zulässigen
Punktwert von 4,7 Cent festzusetzen (1. Hauptantrag), hilfsweise einen Bandbreiten-Punktwert von minimal 4,2 Cent und maximal
4,7 Cent festzusetzen (1. Hilfsantrag), weiter hilfsweise den Punktwert auf mindestens 4,2 Cent festzusetzen (2. Hilfsantrag);
des Weiteren beantragten sie (2. Hauptantrag), die Hausbesuchspauschalen auf maximal 1,70 Euro für LK 15 und 4,50 Euro für
LK 15a sowie (3. Hauptantrag) die Vergütung für den Beratungsbesuch nach §
37 Abs
3 SGB XI auf maximal 26 Euro festzusetzen. Die Kläger boten einen Punktwert von 3,9 Cent an; die Hausbesuchspauschalen sollten unverändert
bei 1,53 Euro und 4,09 Euro liegen. Die beklagte Schiedsstelle setzte durch Beschluss vom 12.10.2004 den Punktwert auf 4,2
Cent und die Hausbesuchspauschalen auf 1,70 Euro bzw 4,50 Euro fest, und zwar für eine Geltungsdauer vom 7.5.2004 bis zum
31.5.2005. Eine zunächst unterbliebene Kostenentscheidung folgte mit gesondertem Beschluss vom 10.12.2004.
Der Beschluss der Schiedsstelle vom 12.10.2004 wurde erst Anfang Oktober 2005 mit Gründen versehen und den Beteiligten daher
erst am 6.10.2005 zugestellt. Nachdem das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW) am 30.12.2005 in einer anderen
Sache (L 6 B 19/05 P ER) die Nichtigkeit eines Schiedsspruchs wegen Überschreitung einer für die schriftliche Begründung von solchen Schiedssprüchen
geltenden Fünfmonatsfrist festgestellt hatte, führte die Beklagte in diesem Schiedsverfahren am 6.3.2006 eine erneute mündliche
Verhandlung durch. Mit Beschluss vom 6.3.2006 setzte sie den Punktwert wiederum auf 4,2 Cent sowie die Hausbesuchspauschalen
auf 1,70 Euro für LK 15 und 4,50 Euro für LK 15a fest; auch der Geltungszeitraum der Vergütungsregelung blieb unverändert.
In der Begründung führte die Beklagte aus, die vom Bundessozialgericht (BSG) im Jahre 2000 entwickelten Grundsätze zur einrichtungsspezifischen
Bemessung der Pflegesätze für die stationäre Versorgung von Pflegebedürftigen anhand von Marktpreisen und eines externen Vergleiches
mit gleichartigen Pflegeheimen der Region seien auf die Vergütungsregelungen in der ambulanten Pflege nicht übertragbar. Aus
den Regelungen in §§
89 und
90 SGB XI folge, dass ambulante Pflegeleistungen nach einem System landesweit einheitlicher, Besonderheiten einzelner Pflegedienste
ausschließender Vergütungsgrundsätze abzurechnen seien. Auf der Basis des seit dem Jahre 1996 im gesamten Land NRW eingeführten
allgemeinen Leistungskomplexkataloges (LKK NRW, Schiedsspruch der Beklagten vom 28.2.1996) seien landesweit einheitliche Punktwerte
und Hausbesuchspauschalen festzusetzen. Dabei gelte jeweils für den Sachkostenanteil der "Verbraucherpreisindex" für NRW und
für den Personalkostenanteil die statistische Entwicklung der Monatsgehälter der Angestellten in NRW, und zwar auf der Grundlage
der 1996 vereinbarten und damals allgemein für angemessen erachteten Ausgangswerte. Diese rein indexbezogene Festsetzung der
Vergütung führe zu den im Schiedsspruch niedergelegten Anpassungen.
Die weitergehenden Anträge der Beigeladenen zu 1) bis 4) hat die Beklagte in beiden Schiedssprüchen zurückgewiesen. Zudem
ist der - später gestellte - Schiedsantrag eines weiteren Pflegedienstes ("D. GbR") zurückgewiesen worden.
Im vorliegenden Verfahren haben die in beiden Schiedssprüchen als "Landesverbände der Pflegekassen" bezeichneten Kostenträger
am 11.10.2005 gemeinsam Klage erhoben mit dem Ziel, in einem erneut durchzuführenden Schiedsstellenverfahren ihre am 12.10.2004
und 6.3.2006 gestellten Anträge durchzusetzen. Kurze Zeit später - am 26.10.2005 - haben auch die Beigeladenen zu 1) bis 4)
getrennte Klagen vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (S 39 P 111/05, 112/05 und 113/05 sowie S 5 P 106/05) erhoben mit dem Ziel, einen maximal zulässigen Punktwert von 4,2 Cent, hilfsweise einen Bandbreiten-Punktwert von minimal
4,0 Cent und maximal 4,2 Cent sowie für die Hausbesuchspauschalen maximal zulässige Beträge von 1,70 bzw 4,50 Euro festzusetzen.
Diese Klageverfahren ruhen. Der fünfte Pflegedienst hat auf die Anfechtung des Schiedsspruchs verzichtet.
Das SG hat die Schiedssprüche in dem von den Klägern angefochtenen Umfang sowie den Kostenbeschluss aufgehoben und die Beklagte
verurteilt, über den Schiedsantrag der Beigeladenen zu 1) bis 4) vom 7.5.2004 unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut
zu entscheiden. Die vertragliche Einführung landesweit einheitlicher Vergütungen widerspreche dem Gesetz. Die Vergütung ambulanter
Pflegeleistungen habe sich aufgrund der Wettbewerbsorientierung des
SGB XI im Regelfall an dem zu ermittelnden Marktpreis auszurichten. Die vom BSG im Jahre 2000 entwickelten Grundsätze zur Vergütung
der stationären Pflege seien entsprechend anwendbar und deshalb die im jeweiligen Bezirk tätigen Pflegedienste extern zu vergleichen,
die den Pflegestandard fachgerechter und humaner Pflege ohne Einschränkung erfüllen. Bei der Vergütungsanpassung seien die
beim jeweiligen Pflegedienst seit der letzten Vergütungsvereinbarung angefallenen Steigerungen bei den Personal- und Sachkosten
und deren voraussichtliche Entwicklung im bevorstehenden Geltungszeitraum zu berücksichtigen (Urteil vom 25.2.2008).
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügen die Beigeladenen zu 1) bis 4) die Verletzung der §§
85 und
89 SGB XI. Sie halten den Schiedsspruch in der Fassung des Beschlusses vom 6.3.2006 für rechtmäßig.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) beantragen,
das Urteil des SG Köln vom 25.2.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revisionen zurückzuweisen.
Die Beklagte, der Beigeladene zu 5) sowie der zu 6) beigeladene überörtliche Träger der Sozialhilfe haben keinen Antrag gestellt.
II
Die Revisionen der Beigeladenen zu 1) bis 4) sind unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das SG entschieden, dass die angefochtenen Schiedssprüche rechtswidrig sind und der Schiedsantrag der Beigeladenen zu 1) bis 4)
vom 7.5.2004 neu zu bescheiden ist. Hierbei wird jedoch die Rechtsauffassung des erkennenden Senats (und nicht jene des SG) zu beachten sein.
A) Die Sprungrevisionen der Beigeladenen zu 1) bis 4) sind zulässig.
1) Die Voraussetzungen des §
161 SGG sind erfüllt. Nach §
161 Abs
1 Satz 1
SGG steht den Beteiligten gegen ein Urteil des SG die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem SG im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Dabei ist die Zustimmung des Gegners dem Antrag oder, wenn die
Revision im Urteil zugelassen ist, der Revisionsschrift beizufügen. Diese formellen Voraussetzungen haben die Beigeladenen
zu 1) bis 4) als Revisionskläger beachtet.
Das SG hat die Sprungrevision bereits in seinem Urteil vom 25.2.2008 zugelassen. An die - auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§
161 Abs
2 Satz 1 iVm §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) gestützte - Zulassung der Sprungrevision ist der erkennende Senat gebunden (§
161 Abs
2 Satz 2
SGG). Die Zustimmung sowohl zur Zulassung als auch zur Einlegung der Sprungrevision hatten die Kläger und die Beklagte bereits
in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 25.2.2008 erteilt. Die Zustimmung der Beigeladenen zur Zulassung der Sprungrevision war nicht erforderlich. Diese ist
nur dann für die Zulassungsentscheidung des SG nach §
161 SGG notwendig, wenn ein Beigeladener gemäß §
75 Abs
5 SGG verurteilt worden ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
161 RdNr 3, 3b).
2) Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben am 10.4.2008 gemeinsam die Sprungrevision eingelegt. Sie haben damit die einmonatige
Frist zur Einlegung der Revision (§
164 Abs
1 SGG) gewahrt, die mit der Zustellung des SG-Urteils am 20.3.2008 begann und am 21.4.2008 (Montag) endete.
3) Die Kläger und die Beklagte haben der Einlegung der Sprungrevisionen der Beigeladenen zu 1) bis 4) zugestimmt (§
161 Abs
1 Satz 1
SGG); dies ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift des SG vom 25.2.2008. Auf die Frage, ob die Kläger allein "Gegner" der Revision iS des §
161 Abs
1 Satz 1
SGG sind oder auch die Beklagte als weitere "Gegnerin" einzustufen ist, weil auch sie das zur Neuentscheidung des Schiedsantrages
vom 7.5.2004 verpflichtende SG-Urteil nicht angefochten und damit die Aufhebung der Schiedssprüche akzeptiert hat, und demgemäß die Zustimmung zur Einlegung
der Sprungrevision nur von den Klägern oder auch von der Beklagten erteilt werden musste (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
aaO, § 161 RdNr 3 bis 3c), kam es somit nicht an.
4) Die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision ist auch fristgerecht vorgelegt worden. Sie war zwar nicht, wie in §
161 Abs
1 Satz 3
SGG grundsätzlich vorgesehen, der Revisionsschrift vom 10.4.2008 beigefügt, ist aber noch innerhalb der Frist zur Revisionseinlegung
dem erkennenden Senat zugeleitet worden. Dies reicht zur Fristwahrung aus (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
aaO, § 161 RdNr 4a bis 4b). Eine Ablichtung der Sitzungsniederschrift vom 25.2.2008 haben die Beigeladenen zu 1) bis 4) am
18.4.2008, also innerhalb der einmonatigen Frist zur Einlegung der Revision, zu den Akten gereicht. Die Frage, ob insoweit
eine einfache Ablichtung formgerecht ist und zur Fristwahrung ausreicht, kann offen bleiben, weil die Gerichtsakten des SG bereits am 17.4.2008, also ebenfalls innerhalb der Frist zur Revisionseinlegung, beim BSG eingegangen waren.
B) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
1) Zutreffende Klageart ist die - hier auch so erhobene - Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 SGG). Es handelt sich bei dem angefochtenen Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X zur Gestaltung des Vertrages über eine Vergütungsregelung für ambulante Pflegeleistungen nach §
89 SGB XI. Auch der gesetzlichen Regelung in §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
5 Satz 4
SGB XI, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet und die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, liegt diese Vorstellung zugrunde
(vgl BSG, Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 19/00 R -, BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4; Urteil vom 29.1.2009 - B 3 P 8/07 R -, SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11).
2) Das SG hat zutreffend sowohl den ersten Schiedsspruch vom 12.10.2004 (einschließlich des Kostenbeschlusses vom 10.12.2004) als auch
den zweiten Schiedsspruch vom 6.3.2006 als Streitgegenstand der Anfechtungsklage angesehen und demgemäß auch beide Schiedssprüche
wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben. Der erste, am 6.10.2005 zugestellte Schiedsspruch vom 12.10.2004, der mit der am 11.10.2005
erhobenen Klage angefochten worden war, ist von der Beklagten im Zuge der Wiederholung der mündlichen Schiedsstellenverhandlung
weder durch den zweiten - inhaltsgleichen - Schiedsspruch vom 6.3.2006 noch auf andere Weise aufgehoben oder für gegenstandslos
erklärt worden, sondern lediglich - aus Sorge um einen möglicherweise zur Nichtigkeit führenden Verfahrensfehler wegen der
späten Begründung und Zustellung des Verwaltungsaktes - inhaltlich bestätigt worden. Der zweite Schiedsspruch stellt sich
damit als ein den ersten Schiedsspruch nach Klageerhebung in vollem Umfang bestätigender Verwaltungsakt dar, der gemäß §
96 Abs
1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist. Da der erste Schiedsspruch vom 12.10.2004 von der Beklagten aber nicht aufgehoben
bzw für gegenstandslos erklärt worden ist und dieser sich durch den zweiten Schiedsspruch vom 6.3.2006 auch nicht "auf andere
Weise erledigt" (§ 39 Abs 2 SGB X) hat, ist er Gegenstand des Anfechtungsbegehrens geblieben. Es war demgemäß, wie vom SG zutreffend erkannt, über beide Verwaltungsakte zu entscheiden. Da sie inhaltsgleich sind und sich als materiell rechtswidrig
erwiesen haben, konnte die Frage offen bleiben, ob der erste Schiedsspruch vom 12.10.2004 auch deshalb hätte aufgehoben werden
müssen, weil - so die Auffassung des SG im Anschluss an das LSG NRW (Beschluss vom 30.12.2005 - L 6 B 19/05 P ER) - die für Urteile der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit geltende Frist von fünf Monaten zur schriftlichen Niederlegung
in vollständiger Form, bei deren Überschreitung ein Urteil "nicht mit Gründen versehen" ist und deshalb einem absoluten Revisionsgrund
(§
202 SGG iVm §
547 Nr 6
ZPO) unterliegt, in entsprechender Weise auch für die Schiedssprüche der Schiedsstellen der sozialen Pflegeversicherung (§
76 SGB XI) gilt; denn auch diese handeln als Kollegialorgane und ihre Schiedssprüche befassen sich mit der Ausfüllung von Beurteilungs-
und Ermessensspielräumen, die als Verwaltungsakte vom Begründungszwang des § 35 SGB X erfasst werden.
3) Nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens gehört die in beiden Schiedssprüchen enthaltene Entscheidung
der Beklagten, den Antrag der Beigeladenen zu 1) bis 4) zurückzuweisen, die Vergütung für den Beratungsbesuch nach §
37 Abs
3 SGB XI auf maximal 26 Euro festzusetzen. Diesen Teil der Schiedssprüche konnten die Kläger nicht anfechten, weil nicht sie, sondern
allein die Beigeladenen zu 1) bis 4) durch diese Entscheidung beschwert sind. Da die Beigeladenen zu 1) bis 4) in ihren am
26.10.2005 vor dem SG Düsseldorf anhängig gemachten und separat erhobenen Klageverfahren diesen Teil der Schiedssprüche nicht
angefochten haben, sind die Schiedssprüche insoweit bestandskräftig geworden. Hierüber ist also in dem erneut durchzuführenden
Schiedsstellenverfahren keine Entscheidung mehr zu treffen.
Unabhängig davon weist der Senat darauf hin, dass die Pflegedienste und Pflegekassen schon von Gesetzes wegen nicht berechtigt
sind, die Vergütung für Beratungsbesuche nach §
37 Abs
3 SGB XI durch generelle Vereinbarungen festzulegen, und deshalb auch der Schiedsstelle (§
76 SGB XI) die Zuständigkeit fehlt, in diesem Bereich durch Schiedsspruch zu entscheiden. Die insoweit maßgebliche Regelung des §
89 SGB XI sieht für den ambulanten Bereich, zu dem die Beratungsbesuche nach §
37 Abs
3 SGB XI gehören, nur Vergütungsvereinbarungen zu den ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§
89 Abs
1 Satz 1
SGB XI), sowie - ab 1.7.2008 - auch zu den Betreuungsleistungen (§
89 Abs
3 Satz 3 iVm §
36 Abs
1 Satz 5 und 6
SGB XI idF des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes - PflegeWEG - vom 28.5.2008, BGBl I 874) vor. Auf diese Bereiche erstreckt sich
auch die Zuständigkeit der Schiedsstelle bei einer - ganz oder teilweise - fehlgeschlagenen Einigung der Vertragsparteien.
Der Dispositionsbefugnis der Vertragsparteien entzogen ist hingegen die Konkretisierung der Vergütung der Pflegedienste für
die Beratungsbesuche nach §
37 Abs
3 SGB XI, weil diese Einsätze nicht zu den von §
89 SGB XI abschließend aufgezählten Regelungsbereichen zählen, also den ambulanten Pflegeleistungen, der hauswirtschaftlichen Versorgung
und den Betreuungsleistungen iS des §
36 SGB XI.
Für die Vergütung der Beratungsbesuche allein maßgebend ist die gesetzliche Regelung des §
37 Abs
3 Satz 4
SGB XI, wonach die Vergütung für den Beratungsbesuch in den Pflegestufen I und II bis zu 16 Euro (ab 1.7.2008 21 Euro) und in der
Pflegestufe III bis zu 26 Euro (ab 1.7.2008 31 Euro) beträgt. Diese Regelung ist als abschließend zu verstehen, weil §
89 SGB XI hierzu keine ergänzenden Vereinbarungen der Vertragsparteien erlaubt. Der Gesetzgeber hat sich in §
37 Abs
3 Satz 4
SGB XI nicht für einen festen Betrag, sondern nur für einen - am notwendigen Zeitaufwand für die konkrete Beratung im Einzelfall
zu orientierenden - Höchstbetrag für die Pflegestufen I und II einerseits sowie die Pflegestufe III andererseits entschieden;
ein Mindestbetrag wird nicht genannt. Die Pflegedienste haben die Vergütung für die Beratungsbesuche nach billigem Ermessen
unter Berücksichtigung des im Einzelfall erforderlichen Zeitaufwandes festzusetzen, wobei eine schematische Festsetzung des
jeweiligen Höchstbetrages unzulässig ist.
4) Bestandskräftig sind die Schiedssprüche auch insoweit, als der Schiedsantrag eines fünften Pflegedienstes als unzulässig
zurückgewiesen worden ist. Dieser insoweit allein beschwerte und klagebefugte Pflegedienst hat auf die Anfechtung der Schiedssprüche
verzichtet.
5) Die am Klageverfahren beteiligten sieben Kläger sind klagebefugt. Im Revisionsverfahren hat sich ihre Zahl auf sechs reduziert,
nachdem der Verband der Ersatzkassen eV (vdek, jetziger Kläger zu 5) zum 1.1.2009 die Aufgaben der früheren Ersatzkassen-Verbände
der Angestellten und Arbeiter - VdAK eV und AEV eV, ehemals Kläger zu 5) und 6) - übernommen und deren Rechtsnachfolge angetreten
hat.
a) Die Klagebefugnis aller Kläger dieses Rechtsstreits bzw ihrer Rechtsvorgänger folgt bereits aus ihrer formellen Betroffenheit
durch die Schiedssprüche. Formell klagebefugt gegenüber einem nach §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
5 und
6 SGB XI ergangenen Schiedsspruch sind alle Kostenträger, die von der Schiedsstelle als Vertragspartner der Vergütungsvereinbarung
mit dem beteiligten Pflegedienstträger angesehen, in dieser Funktion am Schiedsstellenverfahren beteiligt und so auch im Schiedsspruch
aufgeführt worden sind. In den Schiedssprüchen vom 12.10.2004 und 6.3.2006 und in der Klageschrift vom 11.10.2005 stimmen
die Bezeichnungen der Kläger zu 1) und 3) bis 7) überein. Eine Abweichung ergab sich lediglich bei der Klägerin zu 2): So
wird in den Schiedssprüchen jeweils zutreffend die Pflegekasse der AOK Rheinland als Beteiligte genannt, während in der Klageschrift
vom 11.10.2005 dagegen der Zusatz "Pflegekasse" fehlt; da es sich offensichtlich um einen Schreibfehler handelt, hat der Senat
insoweit eine Klarstellung im Rubrum vorgenommen. Eine vergleichbare Klarstellung hat der Senat bei der Klägerin zu 3) veranlasst:
Sie ist im SG-Urteil versehentlich als Krankenkasse bezeichnet, in den Schiedssprüchen und in der Klageschrift aber zutreffend als "Pflegekasse"
der IKK Nordrhein aufgeführt worden.
b) Aus der formellen Beschwer der Kläger ist indes nicht zu folgern, dass alle Kläger auch in dem erneut durchzuführenden
Schiedsstellenverfahren als Kostenträger zu beteiligen sind. Welcher Kostenträger in einem konkreten Schiedsstellenverfahren
als Verfahrensbeteiligter auftreten darf, ist im
SGB XI abschließend geregelt. Nach §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
5 und
6 SGB XI sind nur die jeweiligen Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung, deren Zustandekommen misslungen ist und die durch den
Schiedsspruch ersetzt werden soll, an dem Schiedsstellenverfahren zu beteiligen. "Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung"
für die ambulanten Pflegeleistungen, die hauswirtschaftliche Versorgung und die Betreuungsleistungen in der sozialen Pflegeversicherung
(§
36 SGB XI) sind, wie sich aus §
89 Abs
2 Satz 1
SGB XI ergibt, die Träger des Pflegedienstes sowie die Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger (Nr 1), die Träger der
Sozialhilfe, die für die durch den Pflegedienst versorgten Pflegebedürftigen zuständig sind (Nr 2), sowie die Arbeitsgemeinschaften
der unter Nr 1 und 2 genannten Träger (Nr 3), soweit auf den jeweiligen Kostenträger oder die Arbeitsgemeinschaft im Jahr
vor Beginn der Vergütungsverhandlungen jeweils mehr als 5 vH der vom Pflegedienst betreuten Pflegebedürftigen entfallen. Diese
Voraussetzungen der Beteiligtenfähigkeit von Kostenträgern sind im bisherigen Schiedsstellenverfahren nicht ausreichend beachtet
worden.
aa) Verfehlt ist bereits der rechtliche Ansatz der Schiedsstelle (in ihrer damaligen Zusammensetzung), als Kostenträger seien
"die Landesverbände der Pflegekassen" zu beteiligen. Dies verstößt gegen die ausdrückliche Anordnung des §
89 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB XI, wonach "die Pflegekassen" Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung sind, die Landesverbände der Pflegekassen also die
Funktion als Vertragspartei für Vergütungsregelungen nicht selbst ausüben können. Insoweit ergibt sich eine grundlegende Abweichung
zur Regelung des §
72 Abs
2 SGB XI, wonach die Versorgungsverträge für Pflegeheime und Pflegedienste von den jeweiligen Landesverbänden der Pflegekassen, also
gerade nicht von den einzelnen Pflegekassen, abzuschließen sind.
Die Landesverbände der Pflegekassen haben vergütungsrechtlich allerdings insoweit eine Funktion, als sie Mitglied in einer
Pflegesatzkommission sind, die im stationären Bereich (§
86 SGB XI) wie in der ambulanten Pflege (§
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
86 SGB XI) anstelle der Vertragsparteien und mit Zustimmung der jeweils betroffenen Pflegeheim- bzw Pflegedienstträger die Vergütungen
vereinbaren können. Ein solches Kommissionsverfahren gab es hier jedoch nicht.
bb) Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Beklagte ihrem eigenen - unrichtigen - Ansatz, die Landesverbände der Pflegekassen
zu beteiligen, selbst nur teilweise nachgekommen ist.
(1) Lediglich die Kläger zu 1) und 4) haben für die Bereiche der Betriebskrankenkassen und der Knappschaft die Funktion eines
Landesverbandes der Pflegekassen; dies ergibt sich aus §
52 Abs
1 Satz 1
SGB XI.
(2) Für den Bereich der Ersatzkassen gilt die Regelung des §
52 Abs
1 Satz 1 letzter Halbsatz
SGB XI, wonach die Ersatzkassen selbst die Aufgaben der Landesverbände der Pflegekassen wahrnehmen. Soweit sich die Ersatzkassen
zu einem Verband zusammengeschlossen haben, was nach §
212 Abs
5 Satz 1
SGB V zulässig ist, kann dieser Verband im Rechtsverkehr für die in ihm zusammengeschlossenen Ersatzkassen in deren Funktion als
Landesverbände der Pflegekassen auftreten, wenn und soweit die Satzung dies zulässt (§
212 Abs
5 Satz 2 und
3 SGB V). Dabei kann der Verband aber lediglich als Bevollmächtigter der Ersatzkassen fungieren (§
212 Abs
5 Satz 4 bis 10
SGB V). Der jetzige Kläger zu 5) hat daher als Verband der in Deutschland tätigen Ersatzkassen, ebenso wie die von ihm abgelösten
früheren Ersatzkassen-Verbände, die Funktion als Bevollmächtigter der Landesverbände der Pflegekassen im Ersatzkassenbereich,
wenn ihm eine entsprechende Aufgabe übertragen worden ist.
(3) Nicht zu den Landesverbänden der Pflegekassen gehören hingegen die Kläger zu 2), 3) und 7). Auch bei Pflegekassen, die
bei landesweit tätigen Krankenkassen errichtet worden sind (§
46 Abs
1 SGB XI) und die deshalb eine landesweite Zuständigkeit für die Versicherten des betreffenden Bundeslandes haben, nimmt nicht die
Pflegekasse selbst, sondern die zugehörige Krankenkasse in ihrer Eigenschaft als Landesverband (§
207 Abs
4 SGB V) die Aufgaben als Landesverband der Pflegekassen wahr; dies ergibt sich aus §
52 Abs
1,
2 und
4 SGB XI. Weil die Schiedsstelle, wie es ihrer Absicht entsprach, die Landesverbände beteiligen wollte, hätte sie daher nicht, wie
geschehen, bei den Klägern zu 2), 3) und 7) die Pflegekassen, sondern die Krankenkassen beteiligen müssen. So hat sie zwar
durch die Beteiligung der Pflegekassen ihrer Absicht zuwider gehandelt, aber - unbewusst - die richtigen Kostenträger beteiligt,
weil nach §
89 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB XI nur die Pflegekassen, nicht aber die Landesverbände der Pflegekassen Vertragsparteien der Vergütungsverhandlungen sein können.
c) Im erneut durchzuführenden Schiedsstellenverfahren sind somit die Kläger zu 2), 3), 4) und 7) wiederum zu beteiligen, weil
sie selbst Pflegekassen sind bzw - so die Klägerin zu 4) - die Funktion als Pflegekasse wahrnimmt (§
46 Abs
1 SGB XI). Der Kläger zu 1) kann aus eigener Zuständigkeit nicht beteiligt werden, weil er nach §
52 Abs
1 SGB XI nur die Funktion als Landesverband der bei den Betriebskrankenkassen angesiedelten Pflegekassen wahrnehmen kann, nicht aber
die Funktion der einzelnen Pflegekassen selbst (§
46 Abs
1 SGB XI), die aber gemäß §
89 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB XI allein zum Abschluss der Vergütungsvereinbarungen berechtigt sind. Der Kläger zu 1) könnte somit nur als Bevollmächtigter
der bei den Betriebskrankenkassen errichteten Pflegekassen auftreten. Dazu ist die Vorlage einer Vollmacht von den als Vertragspartei
zu beteiligenden Pflegekassen erforderlich (§
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
4 Satz 3
SGB XI). Der Kläger zu 5) kann ebenfalls nur als Bevollmächtigter auftreten. Vertragspartei der Vergütungsvereinbarungen können
nur die bei den Ersatzkassen errichteten einzelnen Pflegekassen sein (§
89 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB XI), die sich aber nicht selbst zu einem Verband zusammenschließen können, wie es den Ersatzkassen als Träger der Krankenversicherung
erlaubt ist. Es fehlt für die Pflegekassen im Ersatzkassenbereich an einer dem §
212 Abs
5 Satz 1 bis
3 SGB V vergleichbaren Vorschrift im
SGB XI. Im
SGB XI wird auch nicht auf §
212 Abs
5 Satz 1 bis
3 SGB V verwiesen. Eine Verweisung auf §
212 SGB V findet sich lediglich in §
52 SGB XI unter der Überschrift "Aufgaben auf Landesebene", und zwar nur auf §
212 Abs
5 Satz 4 bis 10
SGB V, nicht aber auf dessen Satz 1 bis 3. Dem Kläger zu 5) können über die Verweisung in §
52 Abs
1 Satz 2
SGB XI auf §
212 Abs
5 Satz 4 bis 10
SGB V aus dem Bereich der Pflegeversicherung also nur Aufgaben der Ersatzkassen in ihrer Funktion als Landesverbände der Pflegekassen
übertragen werden. Die an den Vergütungsvereinbarungen als Partei zu beteiligenden Pflegekassen des Ersatzkassenbereichs sind
demgegenüber darauf angewiesen, dem Kläger zu 5) jeweils eine besondere Verhandlungs- und Abschlussvollmacht zu erteilen,
wie es in §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
4 Satz 3
SGB XI vorgesehen ist.
d) Im erneut durchzuführenden Schiedsstellenverfahren ist ferner zu beachten, dass nur jene Pflegekassen als Vertragspartei
der Vergütungsvereinbarung in Betracht kommen und am Verfahren zu beteiligen sind, die das in §
89 Abs
2 Satz 1 letzter Halbsatz
SGB XI genannte Quorum von "mehr als 5 vH" der vom Pflegedienst im Jahr vor Beginn der Vergütungsverhandlungen betreuten Pflegebedürftigen
erfüllen. Da sich die Pflegekassen im vorliegenden Fall nicht zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben, muss
das Quorum von jeder einzelnen Pflegekasse erfüllt werden, um dann am Vertrags- und Schiedsstellenverfahren beteiligt zu werden.
Bei kleineren Pflegekassen dürfte es daher relativ häufig vorkommen, dass sie das Quorum verfehlen und daher an den Vertrags-
und Schiedsstellenverhandlungen nicht zu beteiligen sind. Die Bindungswirkung des Ergebnisses der Vergütungsverhandlungen
sowie des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) ergibt sich für die nicht beteiligungsberechtigten Kostenträger sowie für die Pflegebedürftigen, denen von vornherein kein
Beteiligungsrecht zusteht, unmittelbar aus dem Gesetz (§
89 Abs
3 Satz 2 iVm §
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI in der bis zum 30.6.2008 gültigen Fassung des Gesetzes, BGBl I 1014; nunmehr §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI). Ebenso wie bei den Pflegebedürftigen geht der Gesetzgeber auch bei den nicht am Vertrag zu beteiligenden Kostenträgern
davon aus, dass ihre Interessen durch die Vertragspartner und die Schiedsstelle angemessen berücksichtigt werden (BSGE 87,
199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 15). Demgemäß sind die das Quorum nicht erreichenden Pflegekassen
auch weder im Schiedsstellenverfahren noch in einem späteren Klageverfahren beizuladen (§
75 SGG). Die Rechte dieser Pflegekassen können im Rechtsstreit nicht weiter gehen als im Vertrags- und Schiedsstellenverfahren (BSG
SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 17).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Pflegekassen, sondern auch für die Träger der Sozialhilfe (§
89 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB XI). Diese müssen ebenfalls das Quorum von "mehr als 5 vH" erreichen und sind ansonsten vom Verfahren ausgeschlossen. Da die
Beigeladenen zu 5) und 6) als örtlicher bzw überörtlicher Träger der Sozialhilfe nach den nicht angegriffenen und für den
Senat verbindlichen (§
161 Abs
4, §
163 SGG) Feststellungen des SG, das sich auf eigene Mitteilungen dieser Beigeladenen stützt, das Quorum jeweils nicht erfüllen, hat die Beklagte sie zu
Recht am Schiedsstellenverfahren nicht beteiligt. Die im Klageverfahren erfolgte Beiladung beider Sozialhilfeträger war entbehrlich
- wenn auch formell unschädlich (BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 15).
e) Verfahrenserleichterungen können sich daraus ergeben, dass die Pflegekassen, die sonstigen Sozialversicherungsträger und
die Träger der Sozialhilfe Arbeitsgemeinschaften bilden, um die Vergütungsverhandlungen sowie die Schiedsstellenverfahren
durchzuführen (§
89 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB XI). Bei diesen Arbeitsgemeinschaften muss nicht der einzelne Kostenträger, sondern nur die Gesamtheit aller Mitglieder das
Quorum erfüllen, was stets gelingen dürfte und für die "kleineren" Kostenträger den Vorteil hat, dass sie auf diesem Wege
indirekt doch am Verfahren beteiligt sind und ihren Einfluss geltend machen können.
Für die Pflegekassen hat der Gesetzgeber nicht nur die bloße Möglichkeit geschaffen, Arbeitsgemeinschaften zu bilden, sondern
darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, dass er die Schaffung von Arbeitsgemeinschaften wünscht und als Regelfall ansieht. So
heißt es in §
12 Abs
1 Satz 3
SGB XI ausdrücklich, dass die Pflegekassen zur Durchführung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben örtliche und regionale Arbeitsgemeinschaften
bilden "sollen". Im Übrigen werden dazu die Regelungen des § 94 Abs 2 bis 4 SGB X für entsprechend anwendbar erklärt (§
12 Abs
1 Satz 4
SGB XI). Die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft durch die Pflegekassen hat den Vorteil, dass die einzelnen Pflegekassen von der Personal-
und Zeitaufwand erfordernden selbstständigen Verhandlungsführung entbunden sind, weil diese in den Händen der Geschäftsführung
der Arbeitsgemeinschaft (zB einer dazu berufenen Mitglieds-Pflegekasse) oder eines von dieser bevollmächtigten Dritten (zB
der Landesverband einer bestimmten Kassenart) liegt und so der Pflegedienstträger und die Schiedsstelle aus dem Bereich der
Pflegekassen auch nur einen Ansprechpartner haben, was die Verhandlungen im Regelfall abkürzen dürfte.
6) Außerdem ist für die erneute Schiedsstellenverhandlung darauf hinzuweisen, dass für jeden Pflegedienst eine gesonderte
Vergütungsvereinbarung zu schließen ist (§
89 Abs
2 Satz 2
SGB XI) und deshalb auch getrennte Schiedsverfahren durchzuführen sind, auch wenn - wie im vorliegenden Fall - mehrere Pflegedienste
bisher auf einer inhaltlich völlig gleichen Vergütungsgrundlage arbeiten. Die Anpassung der Vergütungsvereinbarung ist, wie
im Folgenden aufgezeigt wird, für jeden Pflegedienst nach den konkreten einrichtungsspezifischen Gegebenheiten vorzunehmen,
sodass die Verhandlungsergebnisse und die Schiedssprüche im Einzelfall unterschiedlich ausfallen können. Zudem richtet sich
die Beteiligungspflicht der diversen Kostenträger nach dem Quorum von mehr als 5 vH der "vom Pflegedienst" betreuten Pflegebedürftigen,
ist also für jeden Pflegedienst gesondert festzustellen (§
89 Abs
2 Satz 1 letzter Halbsatz
SGB XI). Im Übrigen dient die getrennte Verhandlungsführung dem Datenschutz für den jeweiligen Pflegedienst und der von ihm betreuten
Pflegebedürftigen.
7) Die Schiedsstelle ist richtiger Klagegegner. Sie ist beteiligtenfähig (vgl §
70 Nr 4
SGG) und auch passiv legitimiert (vgl BSGE 87, 199, 200 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 13).
8) Im erneut durchzuführenden Schiedsstellenverfahren hat die Beklagte schließlich auch zu prüfen, ob die Schiedsanträge der
Beigeladenen zu 1) bis 4) insoweit zulässig sind, als Vergütungsvereinbarungen nur mit "durch Versorgungsvertrag nach §
72 SGB XI zugelassenen" Pflegediensten zu schließen sind. Keine Probleme ergeben sich nach den getroffenen Feststellungen bei den Beigeladenen
zu 1), 3) und 4), die über im Jahre 1996 geschlossene Versorgungsverträge verfügen. Prüfungsbedarf besteht hingegen bei der
Beigeladenen zu 2). Bisher ist nur ein mit der R. GbR geschlossener Versorgungsvertrag vom 13.5.1996 vorgelegt worden. Dieser
Vertrag gilt nicht für die Beigeladene zu 2), die in der Rechtsform einer GmbH geführt wird. Es handelt sich nicht um eine
schlichte Rechtsnachfolge; die von der GbR eingegangenen Rechtsbeziehungen sind nicht automatisch auf die GmbH übergegangen.
Vielmehr bedarf es eines neuen Versorgungsvertrages nach §
72 SGB XI, wenn die Trägerschaft eines Pflegedienstes von einer GbR auf eine GmbH übergeht, mögen auch die Gesellschafter identisch
sein (vgl BSGE 101, 142, 149 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, jeweils RdNr 28). Ungeachtet dessen ist die Beigeladene zu 2) aber zu Recht vom SG zum Verfahren beigeladen worden, weil die Schiedssprüche ihr gegenüber erlassen worden sind und sie deshalb beschwert ist.
C) Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die angefochtenen Schiedssprüche rechtswidrig sind und deshalb aufzuheben waren.
Die Beklagte ist - in getrennten Verfahren - zur Neubescheidung der Schiedsanträge der Beigeladenen zu 1) bis 4) verpflichtet,
und zwar nach den folgenden Maßgaben des erkennenden Senats.
1) Die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung in formeller Hinsicht findet sich in §
76 SGB XI iVm §
89 Abs
3 Satz 2 und §
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI - jeweils idF des Pflege-Versicherungsgesetzes - PflegeVG - vom 26.5.1994 (BGBl I 1014). Nicht anwendbar ist in diesem Fall die Neufassung des §
89 Abs
3 SGB XI durch das PflegeWEG, durch die zwei Sätze nach dem Satz 1 dieses Absatzes eingefügt wurden und dadurch der alte Satz 2 zum
neuen Satz 4 wurde, ohne dass damit inhaltliche Änderungen verbunden sind. Danach setzt die Schiedsstelle mit der Mehrheit
ihrer Mitglieder (§
76 Abs
3 Satz 4
SGB XI) die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung auf Antrag einer Vertragspartei unverzüglich
fest, wenn eine Vereinbarung darüber innerhalb von sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung zur Verhandlung nicht zustande
gekommen ist. Angestrebt wird damit eine zügige Konfliktlösung, soweit sich die Vertragsparteien über die Vergütung der Leistungen
der Pflegeeinrichtung nicht verständigen können (vgl BT-Drucks 12/5262 S 146 zu § 94 Abs 5). Verfahrensziel ist ein weitgehender
Interessenausgleich zwischen Leistungserbringern sowie Leistungsverpflichteten und Pflegebedürftigen. Auf der einen Seite
hat die Schiedsstelle dem Interesse der Leistungserbringer an der angemessenen Vergütung ihrer Leistungen und damit mittelbar
auch dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Versorgung mit ambulanten Pflegediensten Rechnung zu tragen. Auf der
anderen Seite trägt sie die Verantwortung für eine kostengünstige Leistungserbringung; dies betrifft neben der Solidargemeinschaft
aller Beitragszahler insbesondere auch die zu Hause versorgten Pflegebedürftigen, die den von der sozialen Pflegeversicherung
mit den Pauschalbeträgen nach §
36 SGB XI nicht abgedeckten Anteil der Vergütung selbst zu tragen haben. Mittelbar ist auch das Interesse von Angehörigen und Sozialhilfeträgern
betroffen, soweit die Pflegebedürftigen die Lasten nicht selbst tragen können.
2) Materielle Grundlage der angefochtenen Entscheidung ist §
89 Abs
1 Satz 2 und
3 und Abs
3 Satz 2
SGB XI iVm §
82 Abs
1 und
2 sowie §
85 Abs
3 SGB XI - jeweils in der bis zum Ende des Geltungszeitraums der Schiedssprüche, also dem 31.5.2005, gültigen Fassung. Nach diesen
Vorschriften hat sich das Vergütungsregime für ambulante Pflegeleistungen bis zum heutigen Stand weitestgehend parallel zum
Vergütungsregime für stationäre Pflegeleistungen entwickelt (vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R -, BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1).
a) Dem Grundkonzept nach ist das Vergütungsrecht für Pflegeeinrichtungen - und zwar für ambulante (Pflegedienste) wie für
stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) gleichermaßen - seit Einführung des
SGB XI durch das PflegeVG maßgeblich von der Erwartung bestimmt, durch eine Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst kostengünstige Leistungen
setzen zu können. Grundlage hierfür ist die für Pflegedienste geltende Regelung des §
89 Abs
2 Satz 2
SGB XI sowie die für Pflegeheime geltende, mit dem Ersten
SGB XI-Änderungsgesetz (1.
SGB XI-ÄndG) vom 14.6.1996 (BGBl I 830) eingefügte Vorschrift des §
85 Abs
2 Satz 2
SGB XI, wonach - anders als im kollektivvertraglichen System der vertragsärztlichen Versorgung (vgl §
82 Abs
2 SGB V) - für jeden zugelassenen Pflegedienst und jedes zugelassene Pflegeheim (§§
71 und
72 SGB XI) die Vergütung gesondert festzulegen ist. Hierdurch soll anstelle einer für alle Pflegedienste und Pflegeheime jeweils einheitlichen
Preisgestaltung eine im Preiswettbewerb ausdifferenzierte Preisbildung gefördert werden (vgl BT-Drucks 13/3696 S 16 zu § 85).
Getragen ist dies von der Erwartung, dass die Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen in einer Wettbewerbssituation aus eigenem
Interesse möglichst kostengünstig anbieten. Dies wird weiter dadurch unterstützt, dass nach Maßgabe des Bundesrechts die Zulassung
sowohl zur stationären als auch zur ambulanten Pflegeversorgung - anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung die Versorgung
durch Vertragsärzte (vgl §§
99 ff
SGB V) und durch Krankenhäuser (vgl §
109 SGB V) - gemäß §
72 Abs
3 Satz 1 Halbsatz 2
SGB XI unabhängig vom Versorgungsbedarf zu erfolgen hat. Deshalb ist, von den faktischen Zugangsschranken aufgrund der Investitionsförderung
auf Landesebene nach §
9 SGB XI einmal abgesehen (vgl §
82 Abs
3 Satz 1
SGB XI), ungeachtet des tatsächlichen Bedarfs jede Pflegeeinrichtung durch Versorgungsvertrag zur Erbringung von Pflegeleistungen
zuzulassen, wenn sie nur den inhaltlichen Anforderungen nach §
72 Abs
3 Satz 1 Halbsatz 1
SGB XI genügt. Ausdrücklich soll hierdurch ein geschlossener Markt von Pflegeeinrichtungen verhindert und neuen innovativen Leistungsanbietern
der Zugang zum Pflegemarkt offen gehalten und so der Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen gefördert werden (vgl BT-Drucks
12/5262 S 136 zu §
81 Abs
3). Als flankierende Maßnahme hat der Gesetzgeber die Pflegekassen durch das 1.
SGB XI-ÄndG schließlich zusätzlich verpflichtet, den Versicherten bei Inanspruchnahme von Pflegeleistungen eine Leistungs- und Preisvergleichsliste
zur Verfügung zu stellen (vgl §
72 Abs
5 SGB XI idF des 1.
SGB XI-ÄndG, seit dem 1.1.2002 geregelt in §
7 Abs
3 SGB XI idF des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes vom 9.9.2001, BGBl I 2320; zu den Motiven vgl BT-Drucks 13/3696 S 15). Auch das
zielte auf die Verstärkung des Wettbewerbs unter den Einrichtungen.
b) Von diesem Wettbewerbskonzept ist auch das Vergütungsregime des
SGB XI für die ambulante und stationäre Pflege maßgeblich geprägt. Schon nach der Ursprungsfassung des §
82 Abs
1 Satz 1
SGB XI hatten zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste Anspruch auf eine "leistungsgerechte Vergütung" der allgemeinen Pflegeleistungen
(Pflegevergütung), und bei stationärer Pflege auf ein "angemessenes" Entgelt für Unterkunft und Verpflegung. Dementsprechend
muss die Vergütung der Leistungen der Pflegedienste "leistungsgerecht" sein (§
89 Abs
1 Satz 2
SGB XI). Entsprechendes gilt für den stationären Bereich (§
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI für die Pflegeleistungen und §
87 Satz 2
SGB XI für das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung, das "in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen" stehen muss). Vorbild
hierfür waren entsprechende Regelungen zur Vergütung von Krankenhäusern und von Einrichtungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). In beiden Bereichen war der Gesetzgeber vor der Verabschiedung des PflegeVG von dem dort bis dahin geltenden Kostendeckungsprinzip abgerückt und hatte ähnliche Vergütungsvorschriften wie in §
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI bzw §
89 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB XI eingeführt. Leitend dafür war die Einschätzung des damaligen Gesetzgebers, dass sich das Kostendeckungsprinzip nicht bewährt
habe und einer wirtschaftlichen Leistungserbringung entgegenstehe. Die bis dahin geltende Selbstkostendeckungsgarantie habe
eine "grundsätzliche Fehlsteuerung" bewirkt; sie habe die Erstattung nachgewiesener Betriebskosten zur nahezu automatischen
Folge und biete keinen Anreiz für eine wirtschaftliche Betriebsführung. In Zukunft müssten deshalb nicht die Kosten, sondern
die Leistungen maßgeblich sein (vgl BT-Drucks 12/3608 S 130 ff zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung
der gesetzlichen Krankenversicherung; ähnlich BT-Drucks 12/5510 S 10 ff zu § 93 BSHG). Diese Einschätzung hat sich auch der Gesetzgeber des PflegeVG ausdrücklich zu eigen gemacht. Seine Vorgabe der leistungsgerechten Vergütung bedeutet deshalb eine "klare Absage an jegliche
Form der Kostenerstattung" (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2).
c) Diese Intention des Gesetzgebers zur Vergütung von ambulanten und stationären Pflegeleistungen wird durch Mitwirkungspflichten
der jeweiligen Pflegeheime (§
85 Abs
3 SGB XI) und Pflegedienste (§
89 Abs
3 Satz 2
SGB XI idF des PflegeVG, ab 1.7.2008 §
89 Abs
3 Satz 4
SGB XI) ergänzt. Die grundsätzliche Regelung der Mitwirkungspflichten findet sich in §
85 Abs
3 SGB XI, der für die Pflegeheime gilt. Deren Obliegenheiten waren in der ursprünglichen Fassung vor allem auf Nachweise zum Leistungsinhalt
konzentriert; erforderlich waren Angaben zu "Art, Inhalt und Umfang der Leistungen" unter Einschluss der personellen und sachlichen
Ausstattung des Pflegeheimes (vgl §
85 Abs
3 Satz 2 und
3 SGB XI idF des PflegeVG). Durch das 1.
SGB XI-ÄndG wurden diese Nachweisobliegenheiten nach Inhalt und der Form ausgeweitet. In dieser - inhaltlich seither im Wesentlichen
unveränderten - Fassung lautet §
85 Abs
3 Satz 2 bis
4 SGB XI: "Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen
und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen. Soweit dies zur Beurteilung
seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer Vertragspartei
zusätzliche Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Hierzu gehören auch pflegesatzerhebliche Angaben zum Jahresabschluß
nach der Pflege-Buchführungsverordnung, zur personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten
sowie zur tatsächlichen Stellenbesetzung und Eingruppierung." Damit sollten die Nachweispflichten über die Personalbesetzung
und Personaleingruppierung im Hinblick auf den hohen Anteil der Personalkosten an den Pflegesätzen erhöht werden (vgl BT-Drucks
13/4091 S 42 zu Nr 28). Diese Regelung gilt für die Pflegedienste entsprechend, wie sich aus der Verweisung in §
89 Abs
3 Satz 2
SGB XI (ab 1.7.2008: Satz 4) auf §
85 Abs
3 SGB XI ergibt.
3) Daraus folgt, dass ausschließlich auf Gestehungskosten gestützte Vergütungsansprüche im geltenden Recht keine Grundlage
finden. Andererseits ist aber auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Vergütung im Wesentlichen nach Marktpreisen
bestimmt und die kalkulatorischen Gestehungskosten regelmäßig außer Betracht bleiben. Das Wettbewerbskonzept des
SGB XI und die darauf beruhende Verpflichtung, für jeden zugelassenen Pflegedienst eine gesonderte Vergütungsvereinbarung abzuschließen
(§
89 Abs
2 Satz 2
SGB XI), steht zudem der Annahme der Beklagten in den angefochtenen Schiedssprüchen entgegen, das Gesetz zwinge zu einer landesweit
einheitlichen Festsetzung der Punktwerte und Hausbesuchspauschalen für alle Pflegedienste. Das Gegenteil ist der Fall: Die
Vergütung für ambulante Pflegeleistungen muss - wie im stationären Bereich - auf einem marktorientierten Versorgungskonzept
beruhen, weil Ansprüche nach einem reinen Selbstkostendeckungsprinzip nicht bestehen. Das belegen Wortlaut, Systematik und
Entstehungsgeschichte des §
89 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB XI, wonach die Vergütungen leistungsgerecht sein und es einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen
müssen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift besteht kein Anspruch auf eine ausschließlich
nach den Gestehungskosten bemessene Vergütung. Maßgeblich ist vielmehr, welche Leistungen der Pflegedienst erbringt und welcher
Aufwand "einem" Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung dafür "im Allgemeinen" entsteht. Ein Abstellen allein auf
die voraussichtlichen Kosten des jeweiligen Trägers reicht dazu nicht aus, wie sich zudem aus Systematik und Entstehungsgeschichte
der Norm ergibt.
4) Grundsätzlich sind - wie im stationären Bereich - Vergütungsverhandlungen und evtl nachfolgende Schiedsstellenverfahren
auch im ambulanten Bereich nach einem zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen: Grundlage der Verhandlungen über die Entgelte
ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der vom Pflegedienst zu erbringenden Leistungen nach § 89 Abs 3
Satz 4 (bis 30.6.2008: Satz 2) iVm §
85 Abs
3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3
SGB XI (Prognose). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach §
89 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen bei anderen Pflegediensten (externer Vergleich). Im
Ergebnis sind die Entgelte dann leistungsgerecht iS von §
89 Abs
1 Satz 2
SGB XI, wenn erstens die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden und sie
zweitens in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen
stehen. Geltend gemachte Entgelte sind dann nicht angemessen, wenn Kostenansätze und erwartete Kostensteigerungen nicht plausibel
erklärt werden können oder wenn die begehrten Sätze im Verhältnis zu anderen Pflegediensten unangemessen sind.
5) Zunächst ist - in einem ersten Prüfungsschritt - die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze festzustellen. Die Vergütungsforderungen
eines Pflegedienstes für ambulante Pflegeleistungen, die sich in den Punktwerten und Hausbesuchspauschalen widerspiegeln,
sind nicht ausreichend belegt, wenn sie nicht auf einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung der voraussichtlichen Gestehungskosten
beruhen.
a) Wie bereits dargestellt, sollen sich die Entgelte trotz ihrer Wettbewerbsorientierung nicht nur an der marktüblichen Vergütung
für solche Leistungen orientieren, sondern auch an den voraussichtlichen Gestehungskosten. Eine Vergütung für ambulante Pflegeleistungen
ist deshalb im Grundsatz erst dann leistungsgerecht, wenn sie die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen
Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen
Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt.
Diese voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also die Kostenstruktur des Pflegedienstes
erkennen und eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§
89 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB XI). Deshalb hat der Pflegedienst zunächst geeignete Nachweise beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne
weitere Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Die Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich
nachvollziehbar sein. Diesem Plausibilitätserfordernis wird etwa genügt, wenn Kostensteigerungen zB auf erhöhte Sachkosten
(Kfz, Büro) zurückzuführen sind oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt sind. Nicht von vornherein
als unplausibel ausgeschlossen ist auch die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation
oder sogar bewusst - etwa um Marktsegmente zu erobern - zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings
eine besonders substanziierte Begründungspflicht des Pflegedienstes.
Reichen die Angaben des Pflegedienstes für eine abschließende Plausibilitätskontrolle der Kostenansätze nicht aus, sind nach
§
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
3 Satz 3 und
4 SGB XI zusätzliche Unterlagen vorzulegen und/oder Auskünfte zu erteilen. Dies kann von der weiteren Konkretisierung der zu erwartenden
Kostenlast über die Angabe von Stellenbesetzungen und Eingruppierungen bis zu vergütungserheblichen Auskünften zum Jahresabschluss
entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflegebuchführung reichen und besteht auf Verlangen einer Vertragspartei, soweit
dies zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit eines Pflegedienstes im Einzelfall erforderlich ist. Aber
auch insoweit kommt es nur auf eine Plausibilitätsprüfung an, selbst im Hinblick auf die am 1.1.1996 in Kraft getretene und
zuletzt durch das Achte Euro-Einführungsgesetz vom 23.10.2001 (BGBl I 2702) geänderte Pflege-Buchführungsverordnung vom 22.11.1995
(BGBl I 1528). Nach deren § 7 Satz 1 und 2 haben die zugelassenen Pflegeeinrichtungen eine Kosten- und Leistungsrechnung zu
führen, die ua die Ermittlung und Abgrenzung der Kosten der jeweiligen Betriebszweige sowie die Erstellung der Leistungsnachweise
nach den Vorschriften des Achten Kapitels des
SGB XI ermöglichen muss. Bei Zweifeln über die voraussichtlichen künftigen Gestehungskosten kann die Nachweispflicht der Einrichtung
deshalb bis zum Nachweis der in der Vergangenheit angefallenen Kosten reichen. Dies folgt mittelbar auch aus der Schutznorm
des §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
3 Satz 5
SGB XI, wonach personenbezogene Daten zu anonymisieren sind; die Pflegeeinrichtung kann also im Zweifelsfall zu einer weitgehenden
Offenlegung ihrer betriebswirtschaftlichen Berechnungsgrundlagen verpflichtet sein. Zusammengefasst folgt daraus, dass der
Pflegedienst seine Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht so zu belegen hat, dass die für die Zukunft geltend gemachte
Entwicklung seiner Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar ist.
b) Diese Anforderungen an die Plausibilitätsprüfung stehen nicht im Widerspruch zu dem wettbewerbsorientierten Vergütungsregime
des
SGB XI. Sie sind vielmehr Rechtfertigung dafür, dass im Pflegevergütungsverfahren mit der Mehrheit der Kostenträger (§
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
4 Satz 1
SGB XI) bzw der Schiedsstellenmitglieder (§
76 Abs
3 Satz 4
SGB XI) gemäß §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI verbindliche Entscheidungen zu Lasten der Versicherten und aller Kostenträger getroffen werden können. Dies setzt eine hinreichende
Tatsachengrundlage für die Einschätzung voraus, dass die von der Einrichtung geltend gemachten Entgelte angemessen und den
Pflegebedürftigen sowie der Versichertengemeinschaft bzw der Allgemeinheit deshalb entsprechende Zahlungen zuzumuten sind.
Dass der Gesetzgeber die dafür erforderliche Vergewisserung gemäß §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
3 Satz 2 bis
4 SGB XI an die nachvollziehbare Darlegung der voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung geknüpft hat, ist nicht zu beanstanden.
Im Gegenteil liegt eine solche Vorgehensweise nahe, weil die Vergütungsvereinbarungen gemäß §
89 Abs
2 Satz 2
SGB XI einrichtungsindividuell auszuhandeln sind und das Vergütungsregime des
SGB XI damit - im Interesse von Kostenträgern und Einrichtungen gleichermaßen - auf möglichst ausdifferenzierte und den Einrichtungsbesonderheiten
Rechnung tragende Vergütungen zielt. Soweit danach Angaben über Kostenstrukturen und betriebswirtschaftliche Kennzahlen verlangt
werden, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht zu offenbaren sind, hält der Senat dies wegen der sozialrechtlichen
Bindung aller Beteiligter (§
1 SGB XI) für hinnehmbar. Zu beachten ist jedoch, dass die Anforderung solch weitgehender Auskünfte durch die Pflegekassen bzw die
Schiedsstellen einen besonders intensiven Eingriff in die Rechtssphäre eines Pflegedienstes darstellt und deshalb auf Ausnahmen
zu beschränken ist, in denen die prognostische Angemessenheit der geltend gemachten Kostenansätze anders nicht ermittelbar
ist.
6) Auch nachvollziehbare prognostische Gestehungskosten rechtfertigen den geltend gemachten Vergütungsanspruch nur, soweit
er - im zweiten Prüfungsschritt - dem Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen standhält und sich insoweit als leistungsgerecht
iS von §
89 Abs
1 Satz 2
SGB XI erweist. Das folgt aus §
89 Abs
1 Satz 3
SGB XI, wonach die Vergütung wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen muss. Wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht der
Vergütungsanspruch danach regelmäßig ohne weitere Prüfung, wenn der geforderte Punktwert und die Hausbesuchspauschale im unteren
Drittel der zum Vergleich herangezogenen Vergütungen anderer Pflegedienste liegt. Ist dies nicht der Fall, sind die von der
Einrichtung geltend gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu überprüfen. Die Einhaltung der Tarifbindung
und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.
a) Obergrenze der Vergütungsforderung ist - auch bei nachvollziehbar prognostischen Gestehungskosten - das Maß des auch im
Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen. Das folgt insbesondere aus §
89 Abs
1 Satz 3
SGB XI, mit dem der Gesetzgeber die Pflegevergütung in Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip am Leitbild der Leistungsgerechtigkeit
(§
89 Abs
1 Satz 2
SGB XI) ausgerichtet hat. Leistungsgerecht sind die Punktwerte und Hausbesuchspauschalen danach, soweit sie es einem Pflegedienst
bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§
89 Abs
1 Satz 3
SGB XI). Insoweit sind die Entgelte einerseits an den individuellen Besonderheiten des Pflegedienstes auszurichten, als es um "seinen
Versorgungsauftrag" geht; Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag, wie er sich aus dem Versorgungsvertrag
(§
72 SGB XI) und etwaigen weiteren Vereinbarungen im Einzelfall ergibt. Maßstab der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung ist andererseits
nicht der im Einzelfall, sondern der dazu allgemein erforderliche Betriebsaufwand. Augenfälliger Ausdruck dessen ist zunächst,
dass die Pflegevergütung nach §
89 Abs
1 Satz 3
SGB XI "einem" Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Erfüllung seines Versorgungsvertrages ermöglichen muss. Zum
Maßstab erhoben ist dadurch der generalisierte Vergütungsbedarf eines idealtypischen und wirtschaftlich operierenden Pflegedienstes.
b) Methode der Wahl zur Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütungsforderung für ambulante Pflegeleistungen ist
- ähnlich wie im stationären Bereich - der externe Vergleich mit anderen Pflegediensten, weil anders nicht zu beurteilen ist,
ob die beanspruchte Vergütung den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. Einzubeziehen in den Vergleich
sind jene Pflegedienste, die in demselben Einzugsbereich (§
72 Abs
3 Satz 3, §
89 Abs
2 Satz 2
SGB XI) oder wesentlichen Teilen davon ambulante Pflegeleistungen für Versicherte der sozialen Pflegeversicherung erbringen dürfen,
und zwar unabhängig von ihrer Größe, ihrer sozialen Ausrichtung, ihrer Kostenstruktur, ihrer etwaigen Tarifbindung und ihrer
Organisationsform.
c) Allerdings bestimmt das Ergebnis des externen Vergleichs die angemessene Pflegevergütung nicht abschließend. Leistungsgerecht
ist eine Pflegevergütung - wie dargelegt - nur dann, wenn sie erstens mit nachvollziehbaren prognostischen Gestehungskosten
unterlegt ist und sich zweitens im Hinblick auf die Vergütung anderer Einrichtungen nicht als unwirtschaftlich erweist. Die
Pflegevergütungen anderer Einrichtungen können demzufolge nur eine Vergleichsgröße im Rahmen der Angemessenheitskontrolle
darstellen, nicht aber eine unmittelbar verbindliche Bemessungsgröße für die Entgelte sein. Insoweit ist der externe Vergleich
kein Ersatz für die von den Vertragsparteien und ggf der Schiedsstelle vorzunehmende Bewertung der Vergütungsforderung auf
ihre wirtschaftliche Angemessenheit, sondern Grundlage dieser Bewertung.
d) Materieller Maßstab der auf der Grundlage des externen Vergleichs vorzunehmenden Bewertung ist §
89 Abs
1 Satz 3
SGB XI. Danach ist die Vergütungsforderung leistungsgerecht iS von §
89 Abs
1 Satz 2
SGB XI, wenn der von der Vergütung abzudeckende - und hinreichend nachvollziehbare - Aufwand der Einrichtung den Grundsätzen wirtschaftlicher
Betriebsführung entspricht. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Aufwand zur Erfüllung des Versorgungsauftrages gerade dieser
Einrichtung im Vergleich zu den Vergütungen anderer Einrichtungen als unwirtschaftlich anzusehen ist. Insoweit sind drei Fallgruppen
zu unterscheiden:
(1) Stets als leistungsgerecht anzusehen sind jene Entgelte, die über die günstigsten Eckwerte vergleichbarer Einrichtungen
nicht hinausreichen. Insoweit ist mit dem niedrigsten Entgelt derjenige Betrag bezeichnet, der zur Erfüllung des Versorgungsauftrages
als noch ausreichend angesehen wird. Entspricht die Vergütungsforderung dem günstigsten Entgelt vergleichbarer Einrichtungen
oder bleibt sie gar darunter, kann der Einrichtung eine unwirtschaftliche Betriebsführung deshalb schon im Ansatz nicht entgegengehalten
werden. Weitere Prüfungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Betriebsführung und die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung
sind in diesem Fall entbehrlich.
(2) Ebenfalls regelmäßig ohne weitere Prüfung als leistungsgerecht anzusehen sind Entgeltforderungen im unteren Drittel der
vergleichsweise ermittelten Vergütungen (vgl zur Begründung dieses rechtlichen Ansatzes das Urteil des erkennenden Senats
vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R -, BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, jeweils RdNr 34). Bewegt sich der bei dem externen Vergleich ermittelte Rahmen der Punktwerte beispielsweise
zwischen 7,2 und 9,0 Cent je Punktwert, liegen alle Punktwerte bis zu 7,8 Cent im unteren Drittel (Differenz 1,8 Cent, davon
ein Drittel = 0,6 Cent, um die der unterste Wert zu erhöhen ist); sie sind somit in aller Regel wirtschaftlich angemessen
und deshalb als leistungsgerecht anzusehen.
(3) Auch oberhalb des unteren Drittels vergleichbarer Pflegevergütungen kann sich eine Forderung als leistungsgerecht erweisen,
sofern sie auf einem - zuvor nachvollziehbar prognostizierten - höheren Aufwand der Pflegeeinrichtung beruht und dieser nach
Prüfung im Einzelfall wirtschaftlich angemessen ist. Das ist der Fall, soweit der Pflegedienst Gründe für ein höheres Entgelt
aufzeigt und diese den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen. Gründe für einen in diesem Sinne als wirtschaftlich
angemessen anzusehenden höheren Aufwand können sich insbesondere aus Besonderheiten im Versorgungsauftrag des Pflegedienstes
ergeben. Rechtfertigende Gründe für ein höheres Entgelt können auch aus Standort und Größe eines Pflegedienstes folgen, wenn
sich daraus wirtschaftliche Nachteile gegenüber der Lage oder dem Zuschnitt anderer Anbieter ergeben und der Sicherstellungsauftrag
der Pflegekassen (vgl §
69 Satz 1
SGB XI idF des PflegeVG) ohne die vergleichsweise teure Einrichtung nicht erfüllt werden kann. Schließlich genügt auch die Einhaltung der Tarifbindung
und ein deswegen höherer Personalkostenaufwand stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung; dies ergibt sich nunmehr
als ausdrückliche Folge der Regelung des §
72 Abs
3 Satz 1 Nr
2 SGB XI idF des Art 1 Nr
40 Buchst c) aa) des PflegeWEG, galt aber - als Rechtfertigung für eine höhere Vergütungsforderung - entsprechend schon zuvor,
wenn die Tarifbindung einen höheren Personalkostenaufwand des Pflegedienstes bedingte. Entscheidend kommt es jeweils in der
Gesamtbewertung darauf an, ob der von einem Pflegedienst geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Entgelten
anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren höheren Kostenaufwand (dennoch)
als insgesamt angemessen und deshalb leistungsgerecht iS von §
89 Abs
1 Satz 2
SGB XI anzusehen ist. Ist diese Frage zu bejahen, dann sind Vergütungsforderungen auch oberhalb des unteren Vergleichsdrittels wirtschaftlich
angemessen.
7) Grundlage der Vergütung von ambulanten Pflegeeinrichtungen sind die von den Betreibern beizubringenden Angaben über die
voraussichtlichen Gestehungskosten einerseits und ihrer Einordnung im Vergütungsgefüge der übrigen Einrichtungen andererseits.
Hieraus ergeben sich wechselseitige Darlegungslasten auf beiden Ebenen der vorstehend skizzierten Prüfung:
a) Für die 1. Prüfungsstufe - Nachvollziehbarkeit der prognostizierten Kostenansätze - hat zunächst der Pflegedienst seine
voraussichtlichen Gestehungskosten zu benennen und ggf durch Unterlagen zu belegen. Daraus erwächst für die Pflegekassen aus
der im Rechtsverhältnis zu den Versicherten bestehenden Treuhänderstellung (vgl BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe die Rechtspflicht, die von der Einrichtung vorgelegte
Kalkulation in sich und ggf auch im Vergleich mit den Werten anderer Einrichtungen auf Schlüssigkeit und Plausibilität in
dem Sinne zu überprüfen, ob diese Kostenkalkulation eine nachvollziehbare Grundlage für die vergleichende Bewertung auf der
zweiten Prüfungsstufe sein kann. Ist das nicht der Fall, haben die Pflegekassen den Einrichtungsträger bereits in dieser Phase
der Prüfung substanziiert auf Unschlüssigkeiten im eigenen Vorbringen hinzuweisen oder durch geeignete Unterlagen anderer
Pflegedienste mit Verweis auf deren Kostenstruktur konkret darzulegen, dass die aufgestellte Kalkulation der voraussichtlichen
Gestehungskosten nicht plausibel erscheint. Wird die Kostenprognose der Einrichtung durch ein solch substanziiertes Bestreiten
der Kostenträger erschüttert, muss die Einrichtung wiederum im Nachweisverfahren nach §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
3 Satz 3 und
4 SGB XI weitere Belege dafür beibringen, dass ihre Vergütungsforderung auf einer plausiblen Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten
beruht. Entsprechendes gilt für das Schiedsstellenverfahren.
b) Für die 2. Prüfungsstufe - externer Vergütungsvergleich - haben zunächst die Kostenträger dem Pflegedienst und - soweit
die Schiedsstelle angerufen ist - dieser alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, die einen Vergleich der
von der Einrichtung geforderten Vergütung mit den Vergütungen anderer Pflegedienste nach den vorstehend dargelegten Kriterien
erlaubt. Dazu sind die Pflegekassen im Rahmen ihrer Sachwalterstellung im Verhältnis zu den Versicherten verpflichtet, weil
die notwendige Kenntnis über die Pflegevergütungen der vergleichbaren Einrichtungen ausschließlich bei ihnen anfällt und die
Angaben unschwer von ihnen aufbereitet werden können. Zu erstrecken haben sich die Angaben auf die Entgelte aller Einrichtungen
in dem einschlägigen räumlichen Markt, also ohne Unterscheidung nach der Tarifbindung. Diese hat für den Vergleich von Pflegevergütungen
als solche keine rechtliche Relevanz; Bedeutung kann der Tarifbindung nur zukommen, soweit dies höhere Gestehungskosten bedingt
und im Rahmen der Angemessenheitskontrolle eine Vergütung auch oberhalb des unteren Preisdrittels rechtfertigen kann. Besteht
hiernach - auf der Grundlage des externen Vergleichs - Rechtfertigungsbedarf für eine Vergütung oberhalb des unteren Vergleichsdrittels,
so hat zunächst die Einrichtung die Gründe anzugeben und nachvollziehbar zu belegen, die - aus ihrer Sicht - die höhere Vergütungsforderung
angemessen erscheinen lassen. Dazu haben wiederum die Kostenträger nach Maßgabe ihrer - notfalls noch zu beschaffenden - Marktkenntnis
Stellung zu nehmen, sodass sowohl dem Einrichtungsträger als auch - bei ihrer Anrufung - der Schiedsstelle eine sachgerechte
Beurteilung der Pflegesatzforderung möglich ist.
8) Im Hinblick auf den im Prüfverfahren bestehenden Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle ist das SG zutreffend von einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrollmöglichkeit des Schiedsspruchs ausgegangen.
a) Der Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar.
Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen Weisungsfreiheit (§
76 Abs
3 SGB XI) will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und
zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig Kompromisscharakter aufweist.
Gleichwohl haben die Schiedsstellen eine umfassende Aufklärungspflicht und dürfen Aufklärungsermittlungen auf beiden Seiten
durchführen. Sie müssen aber das Beschleunigungsgebot beachten (§
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI) und sollten Auflagen zur Sachverhaltsklärung möglichst schon mit der Ladung zum Schiedstermin verbinden. Die Möglichkeit
zum Erlass von sog Beweislastentscheidungen ist nicht ausgeschlossen, falls eine der Schiedsparteien den gemachten Auflagen
nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, in der Praxis aber durch den Umstand beschränkt, dass ein Schiedsspruch auch unmittelbare
Wirkung für die am Verfahren nicht direkt beteiligten Versicherten besitzt (§
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI) und sie nicht "Opfer" von Beweislastentscheidungen werden dürfen. Den Abschluss des Verfahrens bildet bei fehlender Einigung
der Schiedsspruch, der mit einer hinreichenden Begründung zu versehen ist (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5 mwN).
b) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle ist gerichtlich ausschließlich
zu überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist,
ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist. Dies setzt voraus,
dass die gefundene Abwägung durch die Schiedsstelle Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden hat. Die Anforderungen
hieran dürfen im Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsstelle jedoch nicht überspannt werden. Die Schiedsstelle unterhält
- jedenfalls im Wesentlichen - keinen eigenen Verwaltungsunterbau und ist deshalb in besonderer Weise auf die Mitwirkung der
Beteiligten angewiesen. Es ist deshalb in der Regel nicht zu beanstanden, wenn sich die Schiedsstellenbegründung auf die in
diesem Rahmen vorgebrachten Angaben der Beteiligten oder von ihren Mitgliedern selbst eingeführte Hinweise bezieht. Dies kann
auch in knapper Form erfolgen, soweit dies für die Beteiligten verständlich ist und sich nicht auf Tatsachen bezieht, die
in der Schiedsstellenverhandlung selbst in Zweifel gezogen worden sind.
9) Hiervon ausgehend erweisen sich die angefochtenen Schiedssprüche im angefochtenen Umfang als rechtswidrig, wie vom SG im Ergebnis richtig entschieden.
a) Zutreffend sind die Schiedssprüche allerdings, soweit die Festsetzung von "Höchstpunktwerten" und "Rahmenpunktwerten" abgelehnt
worden ist. Das Gesetz erlaubt nur feste Beträge bzw Punktwerte und schreibt die kostenmäßige Gleichbehandlung aller Kostenträger
und der Selbstzahler vor (§ 89 Abs 1 Satz 3, 2. Halbsatz, §
89 Abs
3 Satz 4, §
84 Abs
4 Satz 2
SGB XI). Diese Gleichbehandlung wäre bei Höchst- und Rahmenpunktwerten nicht gewährleistet, weil dann die Möglichkeit im Einzelfall
unterschiedlicher Vergütungsfestsetzungen durch die Pflegedienste bestünde, die der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte. Dies
ergibt sich insbesondere auch aus dem Ziel, ein für die Pflegebedürftigen überschaubares Angebot zu schaffen (§
7 Abs
3 SGB XI). Bei Höchst- und Rahmenpunktwerten weiß der Pflegebedürftige häufig nicht, welches Angebot letztlich am preisgünstigsten
ist.
b) Rabattregelungen sind zwar grundsätzlich zulässig, aber nur unter der Bedingung, dass sie für alle Schuldner gleichmäßig
gelten und von allen auch erfüllt werden können. Das kann bei an Fristen gebundenen Rabatten der Fall sein, nicht aber bei
Mengenrabatten, weil diese von kleinen Pflegekassen und von Selbstzahlern in aller Regel nicht in Anspruch genommen werden
können. Nur mit dieser Maßgabe können Rabattregelungen dem gesetzlichen Gebot gerecht werden, dass eine - direkte oder indirekte
- Differenzierung in der Vergütung nach Kostenträgern unzulässig ist (§
89 Abs
1 Satz 3
SGB XI) und ausschließlich die vereinbarten bzw von der Schiedsstelle festgesetzten Vergütungssätze (Punktwerte, Pauschalen) berechnet
werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, wer zu ihrer Zahlung verpflichtet ist (§
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
84 Abs
4 Satz 2
SGB XI).
c) Völlig unzutreffend sind die Ausführungen der Schiedsstelle allerdings zur Unzulässigkeit einer individuellen Kalkulation,
zur Nichtanwendung der Grundsätze des externen Vergleichs und zur Festlegung von Punktwerten und Pauschalen nach rein statistischen
Werten bzw einem Verbraucherpreisindex. Dies hat das SG zutreffend erkannt (Urteilsumdruck S 12 ff); im Übrigen wird auf die oa Ausführungen des Senats verwiesen (vgl oben II C
1 - 7).
10) Im erneut durchzuführenden Schiedsstellenverfahren hat die Beklagte wiederum den LKK NRW (Schiedsspruch vom 28.2.1996)
als Vergütungsmodell für die festzulegenden Punktwerte und Hausbesuchspauschalen zugrunde zu legen. Dies gilt selbst dann,
wenn - wie von Seiten der Beigeladenen zu 1) bis 4) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat geschehen - Kritik
an der aus ihrer Sicht unzureichenden Berücksichtigung des deutlich unterschiedlichen Zeitaufwandes bei einzelnen Leistungskomplexen
des LKK NRW bzw an den jeweils zugeordneten, Differenzierungen verhindernden Punktzahlen dieser Leistungskomplexe geäußert
werden sollte. Die Beklagte ist im Rahmen eines Schiedsstellenverfahrens nur zur Entscheidung jener Punkte berufen, die in
den vorangegangenen Vergütungsverhandlungen streitig geblieben sind. Sie muss demgemäß alle Sachverhaltselemente, über welche
die Vertragsparteien (§
89 Abs
2 SGB XI) vorab eine einvernehmliche Regelung getroffen haben oder die aus anderen Gründen nicht mehr umstritten sind, ihrem Schiedsspruch
ohne eigene Prüfung zugrunde legen. Gleiches gilt für jene Vergütungsbestimmungen, die von den Vertragsparteien in der Vergangenheit
einvernehmlich angewandt und auch für den bevorstehenden Vergütungszeitraum von vornherein außer Streit gestellt worden sind.
Dies gilt ebenso für den LKK NRW, der seit 1996 landesweit angewandt wird und auch von den hier Beteiligten den jeweiligen
Vergütungsvereinbarungen jedenfalls bis zum Beginn des streitigen Geltungszeitraums (7.5.2004) immer zugrunde gelegt worden
ist. Will eine Vertragspartei ein anderes Vergütungsmodell durchsetzen oder Modifikationen am bisher vereinbarten Vergütungsmodell
erreichen, muss dies durch eine entsprechende Willenserklärung zu Beginn der Vertragsverhandlungen zum Ausdruck gebracht werden.
Im vorliegenden Fall ist lediglich eine Neufestsetzung der Punktwerte und der Hausbesuchspauschalen angestrebt und im Schiedsantrag
als Streitgegenstand bezeichnet worden. Der LKK NRW in der Fassung des Schiedsspruchs vom 28.2.1996 stand nicht zur Diskussion
und sollte nach dem Willen der Vertragsparteien als Vergütungsmodell weiterhin angewandt werden. Im erneut durchzuführenden
Schiedsstellenverfahren ist dieser Punkt daher als unstreitig zu behandeln (zur Zuständigkeit der Schiedsstelle für die Festlegung
des Vergütungsmodells bei ambulanten Pflegeleistungen vgl BSG, Urteil vom 29.1.2009 - B 3 P 8/07 R -, SozR 4-3300 § 89 Nr 1 - Niedersächsischer Leistungskomplexkatalog 2002).
11) Nicht zu prüfen ist die Frage der Gleichbehandlung der Pflegedienste nach den §§ 19 bis 21 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), wie es zB in der Entscheidung des erkennenden Senats vom 17.7.2008 (B 3 KR 23/07 R, BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 §
69 Nr 4) zur Haushaltshilfe (§
132 SGB V) der Fall war. Eine Regelung wie §
69 SGB V, der ua auf diese Teile des GWB verweist, gibt es im
SGB XI nicht. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§
46 Abs
2 SGB XI) fallen die Pflegekassen und ihre öffentlichrechtlich geprägten Beziehungen zu den Pflegediensten nicht unter diese Vorschriften
des GWB. Die Grenze unterschiedlicher Vergütungen der einzelnen Pflegedienste bildet lediglich das Willkürverbot des Art
3 Abs
1 GG und der Anspruch auf Existenz sichernde Vergütung aus Art
12 Abs
1 GG (BSG, aaO, RdNr 63 - 65). Diese Grenze ist unabhängig vom GWB zu beachten.
12) Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
1 und
2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Streitwertfestsetzung auf §
63 Abs
2 Satz 1 und Abs 3, § 52 Abs 2 und § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz. Der Senat geht mangels anderweitiger Anhaltspunkte vom Regelstreitwert (5.000 Euro) aus, der allerdings vierfach anzusetzen
ist, weil es der Sache nach um Erhöhungsverlangen in vier separaten Fällen geht.