Pauschalierung der Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen bei der Einkommensermittlung zur Arbeitslosenhilfe
Gründe:
I.
Im Streit ist die Zahlung höherer Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 30. September 1994 bis 13. Mai 1995.
Die 1963 geborene, verheiratete und mit ihrem Ehemann zusammenlebende Klägerin war vom 11. April 1989 bis 30. September 1993
in G. beschäftigt; ihr Ehemann ist seit 13. Mai 1993 beim Straßenbauamt, S. tätig, nachdem er zuvor in H. gearbeitet hatte.
Bis 28. Oktober 1994 wohnten die Eheleute in G. , ab 29. Oktober 1994 in dem näher an der Arbeitsstätte des Ehemannes gelegenen
O. Die Wegstrecke von und zur Arbeitsstätte legte der Ehemann der Klägerin mit einem eigenen PKW (Hubraum mehr als 600 ccm)
zurück, den er auch für Dienstreisen benutzte. Für diese wurden ihm von seiner Arbeitgeberin die Auslagen nach den Sätzen
des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) ersetzt.
Vom 1. Oktober 1993 bis 29. September 1994 (bis zur Erschöpfung des Anspruchs) bezog die Klägerin Arbeitslosengeld (Alg) für
insgesamt 312 Tage nach einem Bemessungsentgelt von 580,00 DM. Auf entsprechenden Antrag erließ die Beklagte - getrennt für
die Zeit vor und nach dem Umzug - die nachstehenden Bescheide über die Bewilligung von Anschluß-Alhi:
- Bescheid vom 10. März 1995, Widerspruchsbescheid vom 23. März 1995 (Alhi für den 30. September 1994 in Höhe des auf diesen
Tag entfallenden Anteils von 48,86 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt von 580,00 DM und für die Zeit vom 1. bis 28.
Oktober 1994 in Höhe von 68,66 DM wöchentlich nach einem dynamisierten Bemessungsentgelt von 660,00 DM),
- Bescheid vom 21. Juli 1995, Widerspruchsbescheide vom 7. August 1995 und 29. August 1995 (Alhi für die Zeit ab 29. Oktober
1994 in Höhe von 54,63 DM wöchentlich und ab 2. Januar 1995 in Höhe von 48,15 DM wöchentlich, jeweils nach einem Bemessungsentgelt
von 660,00 DM).
Ab 15. Mai 1995 erhielt die Klägerin Unterhaltsgeld (Uhg), ab 15. Januar 1996 wiederum Alhi.
Das Sozialgericht (SG) hat nach Verbindung der getrennt gegen den Widerspruchsbescheid vom 23. März 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 7. August
1995 erhobenen Klagen die Bescheide der Beklagten in der Sache bestätigt (Urteil vom 29. Mai 1996). Das Landessozialgericht
(LSG) hat die Beklagte unter Abänderung des SG-Urteils verurteilt, der Klägerin für den streitigen Zeitraum Alhi unter Berücksichtigung der vom anzurechnenden Einkommen
des Ehemannes abzusetzenden Aufwendungen für Fahrtkosten zur Arbeitsstätte entsprechend den Sätzen des BRKG zu gewähren, im übrigen jedoch die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16. Dezember 1997). Zur Begründung seiner Entscheidung
hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf höhere Alhi. Die Beklagte habe zu Unrecht von dem zu berücksichtigenden
Einkommen des Ehemannes als Fahrtkosten von und zur Arbeit lediglich monatlich pauschal 10,00 DM je Entfernungskilometer abgesetzt;
es seien jedoch die Sätze des § 6 Abs. 1
BRKG (0,38 DM pro gefahrenem km) anzuerkennen. Da der Ehemann der Klägerin für seine Dienstreisen bereits von der Arbeitgeberin
Auslagenersatz nach diesen Sätzen des BRKG erhalten habe, seien höhere Aufwendungen für beruflich bedingte Fahrten von seinem Einkommen nicht absetzbar. Auch die Kosten
für den Umzug der Familie seien keine vom Einkommen des Ehemannes absetzbaren notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung
und Erhaltung der Einnahmen i.S. von § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
Arbeitsförderungsgesetz (AFG), weil der Umzug nicht aus beruflichen Gründen notwendig gewesen sei und private Gründe nicht nur eine ganz untergeordnete
Rolle gespielt hätten. Der Umzug sei nicht Folge eines Arbeitsplatzwechsels gewesen, und durch den Umzug von G. nach O. habe
sich der Arbeitsweg nur um insgesamt ca. 20 km und die Fahrzeit von 45 bis 50 Minuten für die einfache Strecke nur auf 20
Minuten verkürzt. Dies reiche selbst nach steuerrechtlichen Maßstäben nicht aus, um eine berufliche Veranlassung eines Umzugs
anzunehmen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 136, 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG. Sie ist der Ansicht, die Beklagte dürfe Aufwendungen für Dienstfahrten und den Weg von und zur Arbeit bei der Berücksichtigung
des Ehegatteneinkommens nicht in Form einer Pauschale als "Werbungskosten" vom Einkommen absetzen. Vielmehr seien die tatsächlichen
(höheren) Aufwendungen zu berücksichtigen. Auch die Kosten für den Umzug von G. nach O. seien notwendige Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dieser Umzug sei nämlich bereits zum Zeitpunkt des Stellenwechsels des Ehemannes
von H. nach, S. aus beruflichen Gründen notwendig gewesen. Sie und ihr Ehemann hätten zunächst der Wohnungsgenossenschaft
O. beitreten müssen, um eine Wohnung zu erhalten; die Wohnungszuweisung durch die Genossenschaft habe dann jedoch längere
Zeit in Anspruch genommen. Durch den Umzug habe sich zudem der arbeitstägliche Weg zur Arbeitsstätte erheblich verringert.
Das LSG habe verkannt, daß die Fahrzeit von G. nach, S. bis zu zwei Stunden für eine einfache Fahrt gedauert habe. Die Fahrzeit
pro Fahrtstrecke von 45 bis 50 Minuten sei lediglich die übliche Fahrzeit, wenn keine für das Beitrittsgebiet übliche Verzögerung
eintrete.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG abzuändern und die Beklagte, deren Revision zurückzuweisen sei, unter vollständiger Aufhebung des SG-Urteils und Abänderung des Bescheids vom 10. März 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 1995 sowie des
Bescheids vom 21. Juli 1995 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. August 1995 und 29. August 1995 zu verurteilen,
höhere Alhi für die Zeit vom 30. September 1994 bis 13. Mai 1995 zu gewähren,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen und das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als es der Berufung der Klägerin stattgegeben
hat.
Sie ist der Ansicht, sie dürfe aufgrund ihrer Weisungslage (Runderlasse) je Entfernungskilometer nur 10,00 DM monatlich statt
der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
BRKG vorgesehenen Kilometerpauschale von 0,38 DM pro gefahrenem km als Aufwendungsersatz in Ansatz bringen; denn zusätzlich seien
bereits 408,40 DM für die Kfz-Haftplichtversicherung und 227,50 DM für Fahrzeugteilversicherung jährlich vom Einkommen des
Ehemannes abgesetzt worden. Im übrigen schließt sie sich den Ausführungen im Urteil des LSG an.
II.
Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind i.S. der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der
Sache an das LSG begründet (§
170 Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zwar sind die Ausführungen des LSG hinsichtlich der vom Einkommen des Ehegatten der Klägerin absetzbaren Aufwendungen
für die Fahrten von und zur Arbeit, für die Dienstfahrten und für den Umzug mit § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG vereinbar; jedoch ist mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG keine Entscheidung darüber möglich, ob daraus
eine höhere Alhi der Klägerin resultiert als die, die die Beklagte bewilligt hat. Weder hinsichtlich der Revision der Beklagten
noch der der Klägerin ist deshalb eine abschließende Entscheidung möglich.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist aufgrund der ausdrücklichen Klagebeschränkung im Berufungsverfahren lediglich die Gewährung
höherer Alhi für die Zeit vom 30. September 1994 bis 13. Mai 1995. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin darüber hinaus nicht
mehr die Aufhebung der Bescheide vom 14. Dezember 1994, 29. Dezember 1994 und 4. Januar 1995 beantragt, weil diese Bescheide
sich durch Erlaß der Bescheide vom 10. März 1995 und 21. Juli 1995 erledigt haben (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren
- [SGB X]). Denn mit diesen Bescheiden in der Gestalt der Widerspruchsbescheide hat die Beklagte die früheren Bewilligungsbescheide
ersetzt und für den gesamten streitigen Zeitraum höhere Alhi-Beträge bewilligt. Daß der Bescheid vom 21. Juli 1995 in der
Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. und 29. August 1995 gemäß §
96 Abs.
1
SGG bereits Gegenstand des den Bescheid vom 10. März 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 1995 betreffenden
Klageverfahrens geworden ist und somit die später, gesondert erhobene Klage unzulässig war, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich,
nachdem das SG das zweite Klageverfahren mit dem ersten Klageverfahren verbunden hat. Daß schließlich das LSG den zweiten Widerspruchsbescheid
(vom 29. August 1995) in seinem Urteil nicht erwähnt hat, ist ebensowenig von Bedeutung. Jedenfalls hat es in der Sache über
den gesamten streitigen Zeitraum befunden. Ob der Senat mangels Verfahrensrügen den Widerspruchsbescheid vom 29. August 1995,
dessen Erlaß es überhaupt nicht mehr bedurft hätte, formal in seine Entscheidung einzubeziehen hätte, bedarf keiner Entscheidung;
das LSG muß ohnedies über die Sache nach der Zurückverweisung neu befinden.
Vorliegend ist über eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und Abs.
4
SGG) zu entscheiden. Dies bedeutet, daß nicht nur über einzelne Berechnungselemente (abzusetzende Aufwendungen vom Einkommen
des Ehegatten der Klägerin) zu entscheiden ist, sondern der der Klägerin zustehende Alhi-Zahlbetrag nach Bemessungsentgelt
(Arbeitsentgelt) i.S. des § 136 Abs. 2
AFG (hier i.d.F., die § 136 durch das Beschäftigungsförderungesetz 1994 vom 26. Juli 1994 - BGBl I 1786 - erhalten hat), Leistungsgruppe (§§ 136 Abs. 3 Satz 2, 111 Abs. 2
AFG), Nettolohnersatzquote (§ 136 Abs. 1
AFG) und zu berücksichtigendem Einkommen - § 138 Abs. 2
AFG (hier i.d.F., die § 138 durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 2353
- bzw. ab 1. Januar 1995 durch das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26. Mai 1994 -
BGBl I 1014 - erhalten hat) zu ermitteln ist (vgl. nur BSG, SozR 3-4100 § 138 Nr. 10, S. 54 m.w.N.). Das Urteil des LSG enthält
indes ausschließlich Ausführungen und tatsächliche Feststellungen zur Beurteilung des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG betreffend die vom Einkommen des Ehegatten abzusetzenden Aufwendungen für Fahrten von und zur Arbeit und für Dienstreisen
sowie betreffend die Absetzung von Umzugskosten; selbst die Höhe des Einkommens und die sonstigen vom Einkommen abzusetzenden
Beträge sind in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar.
Der Höhenstreit im sozialgerichtlichen Verfahren ist aber grundsätzlich keiner gesonderten Entscheidung über einzelne Berechnungselemente
zugänglich, wie sie §
113 Abs.
2 Satz 2
Verwaltungsgerichtsordnung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eröffnet (BSG, SozR 3-4100 §
138 Nr. 10, S. 54). Ob allerdings die Ansicht aufrechterhalten bleiben kann, daß ein Grundurteil bei einem Höhenstreit gemäß
§
130
SGG, also eine Verurteilung zu einer höheren Leistung dem Grunde nach, unzulässig ist (so BSG aaO.,und SozR 4100 § 136 Nr. 14,
S. 58 f.; aA BSG, SozR 2200 § 1241 Nr. 22, S. 78; zum Problem vgl. Pawlak in Hennig,
SGG, Stand Juli 1999, Rdn. 51 ff. zu §
130), bedarf keiner Entscheidung; ebensowenig ist entscheidungserheblich, ob die sonstigen Voraussetzungen für ein Grundurteil
- bei Annahme seiner Zulässigkeit auch im Höhenstreit - überhaupt vorlagen (vgl. zu den Voraussetzungen eines Grundurteils:
BSG, Urteil vom 20. April 1999 - B 1 KR 15/98 R - m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen; BSGE 66, 44, 47 m.w.N. = SozR 5795 § 7 Nr. 1; Pawlak aaO., Rdn. 56 ff. zu §
130) und ob ein Verstoß gegen §
130
SGG bei - wie hier - fehlender Verfahrensrüge vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten wäre. Denn die tatsächlichen Feststellungen
des LSG ermöglichen - wie bereits ausgeführt - keine Aussage darüber, ob dem Grunde nach ein Anspruch auf höhere Leistungen
zu bejahen ist, und zwar auch nicht unter Zugrundelegung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs. Ansonsten von Amts wegen zu berücksichtigende
Verfahrensmängel, die einer Sachentscheidung entgegenstünden, liegen nicht vor; insbesondere war die Berufung mit Rücksicht
auf den Beschwerdewert statthaft (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1
SGG).
Soweit das LSG über § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG entschieden hat (vgl. seit 1. Januar 1998 § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - [SGB III]), ist die Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden.
Danach sind vom Einkommen des Ehegatten der Klägerin die notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen abzusetzen. Diese Umschreibung entspricht zwar - abgesehen von der Einschränkung des "Notwendigen" - dem Begriff
der Werbungskosten in §
9 Abs.
1
Einkommensteuergesetz (
EStG); jedoch sind Sinn und Zweck der Gewährung von Alhi zu beachten und damit uU Modifikationen gegenüber dem Steuerrecht erforderlich
(BSGE 45, 60, 62 = SozR 4100 § 138 Nr. 2; BSGE 63, 237, 239 = SozR 4100 § 138 Nr. 19; BSG, SozR 4100 § 138 Nr. 26, S. 141 f.). Dies gilt auch für die Berücksichtigung von Fahrtkosten
als das Einkommen mindernde Aufwendungen i.S. des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG (BSGE 63, 237, 239 = SozR 4100 § 138 Nr. 19).
Hierzu hat bereits der 11. Senat mit Urteil vom 14. Juni 1988 entschieden, daß eine Pauschalierung der Aufwendungen zur Erwerbung,
Sicherung und Erhaltung der Einnahmen für die Fahrten mit dem eigenen PKW von der Wohnung zur Arbeitsstätte aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung nach § 6 Abs. 1
BRKG gerechtfertigt und geboten ist (BSGE 63, 237, 238 = SozR 4100 § 138 Nr. 19). Denn die in § 6
BRKG geregelte Wegstreckenentschädigung sei als Auslagenersatz konzipiert und orientiere sich an den laufenden Kosten für Kraftstoff,
Öl, Bereifung usw und anteilig an den festen Kosten für die Erhaltung des Fahrzeugs, wie Steuern, Versicherungen, Garagenmiete,
TÜV und Abschreibungen. Die lediglich anteilige Berücksichtigung der festen Kosten in § 6 Abs. 1
BRKG sei gewählt worden, weil die Haltung des Fahrzeugs auch privaten Zwecken diene. Es würde einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand
verursachen, wolle man in jedem Fall den Anteil der privaten Nutzung des Fahrzeugs dem der berufsbedingten gegenüberstellen
und dementsprechend individuell die notwendigen Aufwendungen i.S. von § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG von den übrigen Kraftfahrzeugbetriebskosten abgrenzen. Ungeeignet seien demgegenüber Pauschbeträge des Steuerrechts oder
der sogenannten ADAC-Tabelle. Insbesondere sei ein weiterer Grund für die Beschränkung auf die gegenüber den tatsächlichen
Fahrtkosten durch die Pauschalierung niedrigeren Werte des § 6 Abs. 1
BRKG, daß nach § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
AFG ohnedies Versicherungsprämien für das Fahrzeug voll abzusetzen seien.
Solange nicht durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung aufgrund der in § 138 Abs. 4
AFG (vgl. ab 1. Januar 1998 § 206 Nr. 4
SGB III) enthaltenen Ermächtigung durch Verordnung andere Pauschbeträge festgesetzt sind, ist aus Gründen der
Rechtssicherheit und Rechtskontinuität an der Rechtsprechung des 11. Senats festzuhalten, weil keine durchgreifenden Gründe
gegen sie vorgebracht sind (vgl. zu diesem Kriterium für die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung nur BSG, SozR 4100
§ 168 Nr. 22, S. 58 m.w.N.). Allerdings teilt der erkennende Senat nicht die im Urteil des 11. Senats geäußerten Überlegungen
zu einer Pauschalierung in anderer Form, soweit in dieser Entscheidung (BSGE 63, 237, 238 f. = SozR 4100 § 138 Nr. 19) offengeblieben ist, ob nicht durch Runderlaß der Beklagten, also durch eine innerdienstliche
Anweisung, eine andere Pauschalierung (ohne besonderen Nachweis monatlich für jeden Entfernungskilometer 10,00 DM) ermöglicht
werden könne. Einer Entscheidung hierüber bedürfe es - so der 11. Senat - nicht, weil der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach
dem Wortlaut der Richtlinie ein Ermessen eingeräumt sei, im Einzelfall höhere Fahrtkosten zu berücksichtigen, wenn diese nachgewiesen
würden. Weil aber mit der Berücksichtigung des höheren Pauschbetrags nach § 6 Abs. 1
BRKG bereits eine günstigere Behandlung gewählt worden sei, bedürfe es auch nicht der Entscheidung darüber, ob die BA ihr Ermessen
fehlerfrei ausgeübt habe.
Diesen Überlegungen wäre nur dann zu folgen, wenn der BA bei der Anwendung des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG ein irgendwie gearteter Entscheidungsfreiraum - ob als Beurteilungsspielraum oder Ermessensspielraum - zugestanden worden
wäre, den sie durch innerdienstliche Weisung näher konkretisieren dürfte. Daß dies weder gewollt noch der Fall ist, zeigt
allein schon der Umstand, daß der Gesetzgeber für die Möglichkeit einer Pauschalierung die Form der Verordnung vorgesehen
hat. Dann kann aber durch verwaltungsinterne Richtlinien die gesetzliche Regelung des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG, die - wie der 11. Senat zu Recht ausführt - sinnvollerweise und notwendigerweise durch eine entsprechende, rechtsergänzende
Anwendung des § 6 Abs. 1
BRKG konkretisiert wird, nicht außer Kraft gesetzt werden (vgl. hierzu in anderem Zusammenhang BSGE 81, 225, 230 f. = SozR 3-4100 § 94 Nr. 4).
Damit ist auch der Ansicht der Beklagten entgegenzutreten, niedrigere Pauschbeträge in der von ihr vorgenommenen Pauschalierung
(vgl. RdErl 111/90 i.V.m. dem Alg/Alhi-Sammelerlaß, Stand März 1997, Rdn. 84 zu § 138
AFG), also Aufwendungen von 10,00 DM monatlich pro Entfernungskilometer, seien in Anlehnung an die in § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 76
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) enthaltene Pauschalierung angemessen und zulässig. Schon in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1988 hat der 11. Senat darauf
hingewiesen, daß im Bereich der Sozialhilfe der Leistungsempfänger gerade durch diese Vorschrift auf eine noch eingeschränktere
Lebensführung verwiesen worden sei, gleichwohl jedoch eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 1
BRKG bejaht. Diese ist auch näherliegend, weil die in § 76 Abs. 3
BSHG durch Rechtsverordnung zugelassene Pauschalierung ebenso wie die durch § 138 Abs. 4
AFG mögliche einen größeren Spielraum für eine Unterschreitung des konkret Notwendigen in Form der Typisierung beläßt.
Der rechtsergänzenden Anwendung des § 6 Abs. 1
BRKG steht schließlich nicht entgegen, daß nach § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
AFG vom Einkommen auch die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur BA sowie die Beiträge zu öffentlichen oder privaten
Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen abzusetzen sind, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund
und Höhe angemessen sind. Insoweit hat der 11. Senat in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1988 diesen Umstand sogar als Begründung
gegen die Absetzung höherer tatsächlicher Fahrtkosten angeführt. Im übrigen erfaßt § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
AFG gerade nicht nur Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, sondern generell gesetzlich vorgeschriebene
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen und freiwillige Beiträge zu Versicherungen als sonstige Aufwendungen
der sozialen Sicherung, soweit diese angemessen sind (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 138 Nr. 4), und zwar ohne Rücksicht darauf,
inwieweit sie beruflich bedingt sind. Zwar verkennt der Senat nicht, daß die Kosten für Kraftfahrzeugversicherungen auch in
die Sätze des § 6 Abs. 1
BRKG eingebaut sind; aber auch dies ist gerade in typisierender Form, nicht unter Berücksichtigung der konkret-individuellen Belastung
geschehen. Die in gewisser Weise doppelte Berücksichtigung von Versicherungskosten für den PKW ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung
hinzunehmen, solange der Verordnungsgeber von der Ermächtigungsnorm des § 138 Abs. 4
AFG bzw. des § 206 Nr. 4
SGB III keinen Gebrauch gemacht hat, weil ansonsten wiederum ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand
verursacht würde, wenn aus dem Pauschbetrag des § 6 Abs. 1
BRKG der Betrag herausgerechnet werden müßte, der konkret dem berufsbedingten Anteil der Versicherungskosten entspricht.
Sind mithin als notwendige Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen vom Einkommen des Ehegatten der
Klägerin nur die sich nach § 6 Abs. 1
BRKG ergebenden pauschalen Aufwendungsbeträge abzusetzen, so steht gleichzeitig fest, daß Aufwendungen für Dienstfahrten mit dem
eigenen PKW vorliegend nicht zu einer Minderung des berücksichtigungsfähigen Einkommens führen können. Denn diese wurden dem
Ehemann der Klägerin nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§
163
SGG) bereits von der Arbeitgeberin nach den Sätzen des § 6 Abs. 1
BRKG ersetzt; abzugsfähige Aufwendungen sind damit überhaupt nicht entstanden.
Vom Einkommen des Ehegatten sind auch keine Umzugskosten nach § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG abzusetzen; insoweit hat sich das LSG bei seiner rechtlichen Wertung zu Recht an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) angelehnt, der eine berufliche Veranlassung im Hinblick darauf, daß die Motivation für einen Umzug durch eine Vielzahl
von Faktoren bestimmt wird, nur anerkennt, wenn die berufliche Tätigkeit der entscheidende Grund für den Wohnungswechsel gewesen
ist und damit private Umstände nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben (BFHE 170, 484, 485; 166, 534 ff.). Hierzu hat das LSG in tatsächlicher Hinsicht für den Senat bindend (§
163
SGG) festgestellt, daß eine derartige berufliche Veranlassung gerade nicht zu bejahen ist; diese tatsächliche Feststellung hat
es mit den Hilfstatsachen begründet, daß der Umzug nicht anläßlich eines Arbeitsplatzwechsels erfolgt und keine wesentliche
Zeitersparnis eingetreten ist. Weder gegen die Feststellung der Haupt- noch die der Hilfstatsachen hat die Klägerin eine den
Anforderungen des §
164 Abs.
2 Satz 3
SGG genügende Verfahrensrüge erhoben. Vielmehr hat sie lediglich eine auf anderer tatsächlicher Wertung beruhende Rechtsansicht
geäußert, ohne daß dargelegt wird, gegen welche das sozialgerichtliche Verfahren regelnde Vorschrift das LSG bei der Ermittlung
des Sachverhalts verstoßen haben soll. Selbst wenn man im Vortrag der Klägerin zur Berufsbedingtheit der Umzugskosten und
dabei zum Anlaß des Umzugs (Arbeitsplatzwechsel; Zeitersparnis) den Vorwurf sähe, das LSG habe bei der Beweiswürdigung gegen
Denkgesetze verstoßen (§
128
SGG), reicht es gleichwohl nicht aus, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG zu setzen (BSGE 83, 82, 84 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 16; BSG, SozR 1500 § 164 Nr. 31 m.w.N.). Denn von einem Verstoß gegen die Denkgesetze kann nur
gesprochen werden, wenn aus den Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, jede andere nicht denkbar und das Gericht
die allein denkbare nicht gezogen hat (BSG aaO.). Entsprechender Vortrag ist der Revisionsbegründung der Klägerin nicht zu
entnehmen.
Ob dem BFH darin zu folgen ist, daß es bei Vorliegen der objektiven Kriterien (Umzug anläßlich eines Arbeitsplatzwechsels
bzw. Verkürzung der Fahrzeit um mindestens eine Stunde täglich) revisionsrechtlich nicht mehr von Bedeutung ist, aus welchen
Motiven der Arbeitnehmer gerade in eine bestimmte Wohnung umgezogen ist (vgl. BFHE 166, 534, 537), also gewissermaßen eine berufliche Veranlassung unterstellt wird, ohne daß konkrete tatsächliche Feststellungen zur
Motivation als innerer Tatsache getroffen worden sein müssen, kann offenbleiben. Denn die Voraussetzungen, nach denen der
BFH eine berufliche Veranlassung unterstellt (Wohnungswechsel anläßlich eines Arbeitsplatzwechsels, Verkürzung der Fahrzeit
um mindestens eine Stunde täglich), sind nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ohnedies nicht erfüllt. Ob
über die vom BFH geforderten Voraussetzungen hinaus die "Notwendigkeit" i.S. des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
AFG einen strengeren Maßstab als das Steuerrecht erfordert, bedarf unter diesen Umständen ebenfalls keiner Entscheidung.
Das LSG wird nach der Zurückverweisung der Sache die der Klägerin für den streitigen Zeitraum zustehende Alhi unter Berücksichtigung
des tatsächlichen, nicht eines geschätzten Einkommens des Ehemannes der Klägerin (vgl. BSGE 82, 198, 210 = SozR 3-4100 § 242v Nr. 1), - gegebenenfalls auch von Vermögen - unter Absetzung aller gesetzlich vorgesehenen Beträge
zu berechnen haben. Ob sich das LSG - wie im angefochtenen Urteil - bei der Ermittlung des ohne das zu berücksichtigende Einkommen
und Vermögen zu ermittelnden Leistungssatzes hinsichtlich des für die Höhe der Alhi maßgeblichen Bemessungsentgelts mit Rücksicht
auf § 136 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AFG auf die Feststellung des Bemessungsentgelts beschränken darf, das die Beklagte dem Alg zuletzt zugrunde gelegt hat, ist zweifelhaft.
Zwar hat der Senat in Anlehnung an eine Entscheidung des 9. Senats zu § 44
AFG betreffend den Bezug von Uhg im Anschluß an den Bezug von Alg (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 44 Nr. 7) für den umgekehrten Fall
des Bezugs von Alg im Anschluß an den Bezug von Uhg entschieden, daß das Arbeitsentgelt aus dem letzten Uhg-Bescheid zugrunde
zu legen ist, solange der Uhg-Bescheid bindend ist (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 112 Nr. 29). Jedoch unterscheidet sich bereits
der Wortlaut des § 136 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AFG wesentlich von dem des § 112 Abs. 5 Nr. 8
AFG und dem des § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
AFG. Darüber hinaus sind in § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG und § 136 Abs. 2b
AFG ohnedies Ausnahmeregelungen vorgesehen, die schon bei der Erstbewilligung der Alhi anzuwenden sind (vgl. zu § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG BSG, SozR 4100 § 136 Nr. 7 und zu § 136 Abs. 2b
AFG BSG, Urteil vom 24. Juni 1999 - B 11 AL 75/98 R - unveröffentlicht).
Für eine vom Alg-Bescheid für das Bemessungsentgelt der Alhi ausgehende Bindung sprechen auch keine Gründe der Verwaltungspraktikabilität;
denn nähme man eine solche Bindungswirkung an, müßte sie auch mit Hilfe der §§ 44 ff. SGB X durchbrochen werden können. Anders
ausgedrückt: Wie die Höhe einer laufenden Geldleistung unter den Voraussetzungen dieser Vorschriften mit Wirkung für die Zukunft
zurückgenommen werden kann (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 112 Nr. 29, S. 138 f.), muß auch die Korrektur eines Berechnungselementes
einer Geldleistung, das für eine Folgeleistung verbindlich sein soll, mittels der Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X beseitigt
werden können (nicht ganz eindeutig in anderem Zusammenhang: BSGE 61, 286, 287 f. = SozR 4100 § 134 Nr. 31). Im übrigen wäre die Annahme einer Bindungswirkung nur schwer damit zu vereinbaren, daß
jedenfalls die Fortzahlung der Alhi nach Ablauf des Bewilligungszeitraums gemäß § 139a Abs. 2
AFG eine Überprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach ohne jegliche Bindung an frühere Bescheide erfordert
(vgl. nur BSG, SozR 3-4100 § 136 Nr. 3, S. 5 ff.; BSGE 82, 198, 211; BSG, Urteil vom 25. Juni 1998 - B 7 AL 128/97 R -, unveröffentlicht). Entscheidungserheblich würde dies jedoch erst, wenn sich das ohne Bindung an den vorangegangenen Alg-Bescheid
ermittelte Bemessungsentgelt von dem des Alg-Bescheids unterscheiden würde. Das LSG wird im übrigen auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens zu befinden haben.