Übernahme von Kosten für die Erstausstattung einer Wohnung und einer Waschmaschine nach dem SGB XII
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Bestellung eines besonderen Vertreters
Gründe
I
Im Streit ist die Übernahme von Kosten für die Erstausstattung einer Wohnung und einer Waschmaschine sowie Verpflegungskosten
und Kosten für Nutzung eines Waschsalons nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der 1967 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger beantragte selbst bei der Beklagten ua die Übernahme von Kosten für die Erstausstattung
einer Wohnung (inklusive Waschmaschine) und den Besuch eines Waschsalons sowie von Verpflegungskosten. Der Antrag und die
Klage blieben zunächst ohne Erfolg (Bescheide der Beklagten vom 12.4.2011, 5.5.2011, 23.8.2011, 1.9.2011, 15.9.2011 und 27.9.2011; Widerspruchsbescheid vom 29.2.2012;
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Gotha vom 13.8.2014; Urteil des Thüringer Landessozialgerichts <LSG> vom 6.4.2016). Nach Aufhebung des zuletzt genannten Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG auf Nichtzulassungsbeschwerde hin
(Bundessozialgericht <BSG> vom 12.5.2017 - B 8 SO 96/16 B), hat das LSG Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt P bewilligt (Beschluss vom 17.12.2018) und ihn zum besonderen Vertreter bestellt (Beschluss vom 7.2.2020), weil von partieller Prozessunfähigkeit des Klägers auszugehen sei. In der mündlichen Verhandlung hat Rechtsanwalt P die
Verfahrenshandlungen des Klägers genehmigt und einen Antrag zur Sache gestellt. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 27.5.2020).
Der Kläger beantragt die Bewilligung von PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt P für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem bezeichneten Urteil.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm §
114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend
nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich vorliegend Fragen grundsätzlicher Bedeutung zum Anspruch auf eine Erstausstattung einer
Wohnung und zur Höhe der laufenden Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung abweichend höherer Bedarfe stellen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nach dem Vorstehenden ebenso wenig.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Der Kläger, der zur Überzeugung des Senats zumindest partiell prozessunfähig
ist (vgl im Einzelnen BSG vom 28.11.2019 - B 8 SO 55/17 B - SozR 4-1500 §
71 Nr 3 RdNr 8 f), war nach Bestellung eines besonderen Vertreters (§
72 SGG) wirksam vertreten, sodass ein absoluter Revisionsgrund (§
202 SGG iVm §
547 Nr 4
ZPO) nicht vorliegt. Das LSG hat es zwar versäumt, den Kläger vor Bestellung des besonderen Vertreters zumindest schriftlich anzuhören.
Eine solche Pflicht zur Anhörung vor Bestellung eines besonderen Vertreters erwächst für das Gericht wie im Fall einer umfassenden
Betreuung (vgl §
1896 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) aus Art
103 Grundgesetz (
GG), §
62 SGG (vgl dazu zuletzt Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 30.3.2021 - 1 BvR 1989/19 - FamRZ 2021, 1234 RdNr 10 mwN). Dem besonderen Vertreter stehen außer der Geldempfangsvollmacht alle prozessualen Rechte zu und er hat für die Prozessführung
damit die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Sowohl wegen der Frage, ob überhaupt ein besonderer Vertreter bestellt werden
muss, als auch wegen der Frage, wer ggf zum besonderen Vertreter bestellt werden soll, ist eine persönliche Anhörung damit
regelmäßig erforderlich (vgl nur BSG vom 5.5.1993 - 9/9a RVg 5/92 - SozR 3-1500 § 71 Nr 1).
Vorliegend ist aber nicht erkennbar, dass der Kläger entscheidungsrelevante Aspekte hätte vortragen können, die das LSG bei
seiner Entscheidung nicht ohnehin berücksichtigt hat. Eine entscheidungserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht
vor. Die Entscheidung, einen besonderen Vertreter zu bestellen, hat das LSG zulässigerweise auf Grundlage des von dem erkennenden
Senat in einem parallelen Rechtsstreit zwischen Kläger und Beklagtem (B 8 SO 55/17 B) ermittelten Sachverhalts getroffen. Dieser Sachverhalt war nach Zurückverweisung des Rechtsstreits an den 8. Senat des LSG
dort (notwendigerweise) gerichtsbekannt und damit verwertbar geworden. Insbesondere bestanden wegen der Inhalte des von dem
erkennenden Senat des BSG eingeholten Gutachtens, soweit es nicht teilweise geschwärzt worden war, keine weitergehenden Beweisverwertungsverbote (vgl BSG vom 28.11.2019 - B 8 SO 55/17 B - SozR 4-1500 § 71 Nr 3 RdNr 10 ff). Zu diesem unverändert zugrunde gelegten Sachverhalt, wonach Einschränkungen in der Fähigkeit des Klägers bestehen, selbst
wirksam Prozesshandlungen vornehmen zu können, hat er aber bereits in dem Parallelverfahren (im Laufe des Jahres 2019) Gelegenheit
zur persönlichen Stellungnahme erhalten und zu dem vom Senat eingeholten Gutachten vorgetragen. Eine Zustimmung zur Einrichtung
der besonderen Vertretung ist im Fall der eingeschränkten Prozessfähigkeit nach §
71 SGG iVm §
72 Abs
1 SGG ohnehin nicht erforderlich (vgl aber §
72 Abs
2 SGG). Gegen die Auswahlentscheidung des LSG wendet sich der Kläger persönlich nicht; er beantragt vielmehr weiterhin die Beiordnung
des besonderen Vertreters auch als Rechtsanwalt. Im Übrigen ist die Auswahl trotz der vom Vertreter zunächst geäußerten Bedenken,
die Bestellung könne zu einem Interessenkonflikt führen, nicht zu beanstanden. Sie berücksichtigt insbesondere, dass die Vertretung
für den Kläger wegen der Auslagen des besonderen Vertreters auf diese Weise kostenneutral erfolgen konnte, weil der besondere
Vertreter bereits als Rechtsanwalt im Wege der PKH beigeordnet worden war (zum Aspekt der Kostenbelastung bei der Auswahlentscheidung Ulmer in Hennig,
SGG, §
72 RdNr 3, Stand März 2019; Arndt in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl 2020, §
72 RdNr 11). Soweit das LSG dem Kläger den Beschluss über die Bestellung des besonderen Vertreters nicht persönlich zugestellt hat, führt
dieser Mangel jedenfalls nicht zu einer Unwirksamkeit der Vertretung. Der Mangel der Zustellung ist zwischenzeitlich geheilt;
denn dem Vorbringen des Vertreters ist zu entnehmen, dass er den Kläger entsprechend informiert hat. Im Übrigen ist der Beschluss
selbst unanfechtbar (vgl §
177 SGG).
Mit der Ablehnung der PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).